Medizinrecht

Teilnahme an der mündliche Verhandlung – Arztbesuch des Klägers

Aktenzeichen  10 ZB 17.31356

Datum:
26.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1334
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2, § 173 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, § 80
ZPO § 227 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Recht auf rechtliches Gehör verlangt, dass einem Beteiligten neben seinem Anwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben ist, wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich erscheinen lassen (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 138401). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Verschiebung oder Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist nur dann erforderlich, wenn der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende und Erforderliche getan hat, um den Verhandlungstermin wahrzunehmen, hieran jedoch ohne Verschulden gehindert worden ist (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 166582). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.30610 2017-08-07 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels, nämlich die Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt.
a) Hat ein Rechtsmittelführer tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können – so wie es der Kläger wegen seiner Erkrankung geltend macht –, muss dargelegt werden, dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorgelegen hat und dem Gericht unterbreitet worden ist (BVerwG, B.v. 22.5.2006 – 10 B 9/06 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – juris Rn. 16).
Die Möglichkeit der Teilnahme eines Beteiligten an der mündlichen Verhandlung trägt dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten, der ihn im Termin vertreten kann, ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt, wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (BVerwG, B.v. 4.8.1998 – 7 B 127/98 – juris Rn. 2; Brüning in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2017, § 102 Rn. 8.2). Insbesondere verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, dem Beteiligten neben seinem Rechtsanwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anwesenheit des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – juris Rn. 18).
Eine Verschiebung oder Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist nur dann erforderlich, wenn der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan hat, um sich durch Wahrnehmung des Verhandlungstermins rechtliches Gehör zu verschaffen, hieran jedoch ohne Verschulden gehindert worden ist (BVerwG, U.v. 29.9.1994 – 3 C 28/92 – juris Rn. 48 m.w.N.; Brüning in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2017, § 102 Rn. 9).
b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits nicht alles dafür getan, um sich in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu verschaffen.
Nach seinen Angaben hat sich der Kläger am Vormittag des Tages, an dem die mündliche Verhandlung (um 12.00 Uhr) terminiert war, in seiner Unterkunft zum Arzt begeben, weil er erkrankt gewesen sei. Nach langer Wartezeit habe ihm der Arzt mitgeteilt, dass er nicht so krank sei, dass er nicht an dem Termin teilnehmen könne, und habe ihm kein Attest gegeben. Inzwischen sei es jedoch so spät gewesen, dass er nicht mehr rechtzeitig von seiner Unterkunft zum Gericht habe kommen können.
Für diesen Vortrag des Klägers gibt es keinerlei Belege. Auch wenn er selbst vorträgt, der Arzt habe ihm kein Attest über eine Verhandlungsunfähigkeit ausstellen wollen, so ist nicht ersichtlich, weshalb er nicht wenigstens eine Bescheinigung über seine Vorsprache in der Praxis und deren Dauer erhalten konnte. Zweifel an seiner Darstellung ergeben sich aus dem Vorbringen, er habe auch kein Geld für ein Busticket zum Verwaltungsgericht gehabt; dies lässt den Schluss zu, dass sich offensichtlich weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter rechtzeitig um eine zeitgerechte Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekümmert haben. Wenn vorgetragen wurde, dass beabsichtigt gewesen sei, dass der Bevollmächtigte den Kläger abholen wollte, entlastet ihn das nicht, denn offensichtlich befand sich der Bevollmächtigte um 11.41 Uhr, als er per Telefax die Verlegung des Termins beantragte, immer noch in seiner – beträchtlich entfernten – Kanzlei.
Ebenso ist nicht vorgetragen oder erkennbar, weshalb der Kläger sich erst (laut Vermerk der Geschäftsstelle des Gerichts) um 10.50 Uhr beim Gericht gemeldet hat und nicht bereits unverzüglich, nachdem er sich entschlossen hatte, den Arzt aufzusuchen.
Ebenso ist nicht verständlich, warum der Bevollmächtigte des Klägers nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, obwohl für ihn selbst keine Verhinderung behauptet oder ersichtlich war und ist. Der Bevollmächtigte hätte dabei schließlich auch darauf hinwirken könne, die mündliche Verhandlung solange zu unterbrechen, bis es dem Kläger gelungen wäre, zu dem Termin zu erscheinen – nach den Zeitangaben im Antrag auf Zulassung der Berufung wäre es insoweit um eine Verspätung von ca. 45 Minuten gegangen. Letztlich hat der Bevollmächtigte des Klägers durch sein Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung seine Möglichkeit, rechtliches Gehör finden, selbst vereitelt.
Es trifft auch nicht zu, dass über den Antrag auf Terminsverlegung nicht formgerecht entschieden worden sei. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat der Einzelrichter den Antrag auf Terminsverlegung abgelehnt, da weder der Kläger noch der Bevollmächtigte durch Vorlage „auch nur irgendwelcher Atteste“ glaubhaft dargelegt habe, dass der Kläger verhandlungsunfähig sei. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann der Vorsitzende oder der Einzelrichter über die Aufhebung oder Verlegung des Termins – wie hier geschehen – durch prozessleitende Verfügung entscheiden (Brüning in Posser/ Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2017, § 102 Rn. 6; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 146 Rn. 10). Um einen Vertagungsantrag, auf den sich die Begründung des Zulassungsantrags bezieht, ging es hier nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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