Medizinrecht

Untersagung der (Teil-)Öffnung eines Elektronikfachmarkts, da kein zur  Versorgung unverzichtbares Ladengeschäft, hier: Eilverfahren

Aktenzeichen  20 CE 21.550

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3799
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
11. BayIfSMV § 12 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Mit dem  Auffangtatbestand „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ soll dem Bedarf an Grundbedürfnissen, die jedermann hat, aber auch den speziellen Bedürfnissen von Personengruppen wie beispielsweise solchen mit bestimmten Ernährungsbedürfnissen (Reformhäuser) oder mit Haustieren (Tierbedarf) aber auch den saisonalen Grundbedürfnissen (Blumenfachgeschäfte, Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen und Baumärkte) Rechnung getragen werden; nicht darunter fallen Küchengroßgeräte oder Computer, auch wenn sie im Haushalt des Kunden täglich genutzt werden und sich im Einzelfall (kurzfristig) der dringende Bedarf einer (Ersatz-)Beschaffung stellen mag. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vollstreckungsrechtliche Unpfändbarkeit bestimmter (Haushalts-)Geräte (§ 811 ZPO) ist für die Auslegung des Ausnahmetatbestands nicht ausschlaggebend, da mit dem Pfändungsverbot und dem Infektionsschutz unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden und diese nicht miteinander vergleichbar sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht darin, dass in Supermärkten teilweise auch Haushaltsgeräte angeboten werden, da das Abstellen auf den Schwerpunkt des jeweiligen Sortiments als generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung nicht sachwidrig und willkürlich erscheint. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 18 E 21.209 2021-02-08 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Feststellung, dass ihr Ladengeschäft für den Verkauf bestimmter Waren nach § 12 Abs. 1 der der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV vom 15.12.2020, BayMBl. 2020 Nr. 737, zuletzt geändert am 24. Februar 2021, BayMBl. 2021 Nr. 149), geöffnet ist.
1. Die Antragstellerin betreibt zwei Elektronikfachgeschäfte in Bayern. Das Landratsamt Neustadt a.d. Aisch – Bad Windsheim teilte ihr am 26. Januar 2021 mit, dass die von ihr betriebenen Geschäfte des Elektronikfachhandels nicht als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ anzusehen seien und demnach nicht dem Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV unterfielen.
2. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Feststellung, dass § 12 Abs. 1 11. BayIfSMV dem Betrieb ihrer Ladengeschäfte für den Verkauf von Waren, die der Lebensmittelverarbeitung und -zubereitung (Backöfen, Kochfelder, u.a.), der Grundhygiene (z.B. Waschmaschinen), dem Empfang von Rundfunk, Fernsehen und Internet, der Fernkommunikation, dem Homeschooling und Homeoffice dienten sowie hierfür notwendigen Zubehörs bzw. Softwareprodukten, mit Beschluss vom 8. Februar 2021 abgelehnt. Der eng auszulegende Ausnahmetatbestand erfordere ein durch die Eigenart der betreffenden Waren begründetes Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit, das üblicherweise mit einer einmaligen Gebrauchsmöglichkeit zusammenhänge (z.B. Lebensmittel). Nicht ausreichend sei, wenn Produkte vom Verbraucher täglich oder regelmäßig genutzt würden.
3. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr vorläufiges Feststellungsbegehren teilweise weiter („Weiße Ware“ und Waren für Homeschooling und Homeoffice), ergänzt um die der Lebensmittellagerung dienenden Geräte (Kühlschrank u.a.), die dem erstinstanzlichen Eilantrag nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff auch ohne ausdrückliche Benennung zugrunde gelegen hätten.
Der Verordnungsgeber gehe bei der Formulierung „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ von einem täglichen Gebrauch aus, der aber nicht zwingend eine einmalige Verwendbarkeit der Waren voraussetze. Vielmehr sei darauf abzustellen, dass eine Gebrauchsmöglichkeit potenziell täglich anfalle. Die Kurz- oder Langlebigkeit der Waren spiele dabei keine Rolle. Im Hinblick auf die Kontakt- und Ausgangsbeschränkung („Bleiben Sie zuhause“) seien z.B. ein Kühlschrank, Herd oder die für Homeschooling und Homeoffice benötigten Geräte unverzichtbar. Maßgeblich sei die Befriedigung von Grundbedürfnissen, die mit Geräten wie einer Waschmaschine, einem Herd und einem Kühlschrank erfolge. Diese Waren benötigten einzelne Personengruppen subjektiv für ihren täglichen Gebrauch (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 Rn. 9). Individuelle Personenkreise wie z.B. die ältere Generation könne nicht auf „Click & Collect“ verwiesen werden, auch weil sie regelmäßig eine professionelle und ausführliche Beratung benötigten. Eine adäquate Ersatzbeschaffungsmöglichkeit sei deshalb faktisch nicht vorhanden. Mit einem entsprechenden Hygienekonzept sei ein erhöhtes Infektionsrisiko vermeidbar. Aus den gesetzlichen Regeln über die Unpfändbarkeit (§ 811 ff. ZPO) lasse sich ableiten, welche Gegenstände für einen angemessenen Lebensstandard nötig seien. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verkenne das Ausgangsgericht, dass Supermärkte mit erweitertem Non-Food-Bereich nicht mit dem stationären Fachhandel für „Weiße Ware“ und Elektronikgeräte vergleichbar seien. Die durch die Betriebsschließung resultierende Wettbewerbsverzerrung sei nicht sachlich zu rechtfertigen.
Bei einer Folgenabwägung sei zu Gunsten der Antragstellerin nicht nur deren individuelles Geschäftsinteresse, sondern gerade auch das Interesse der individualisierbaren Personengruppen zu berücksichtigen, die akut – auch unter Wahrnehmung einer ggf. notwendigen Beratung bzw. Testung – auf die Anschaffung solcher Geräte angewiesen seien. Im Übrigen seien die zuletzt rückläufigen Infektions- und Sterbezahlen genauso zu erwägen wie der Impffortschritt in Alten- und Pflegeheimen. Dies gelte umso mehr, als inzwischen auch Friseure, Baumärkte u.a. öffnen dürften.
4. Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und beantragt deren Ablehnung.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Ablehnung des Eilantrags erweist sich im Ergebnis als richtig. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die begehrte (Teil-)Öffnung ihrer Elektronikfachmärkte als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV ausnahmsweise zulässig wäre.
a) Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737 i.d.F.v. 24.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 149) hat folgenden Wortlaut:
„Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr ist für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Pfandleihhäuser, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, Blumenfachgeschäfte, Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Baumärkte, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel.“
b) Maßgeblich für die Auslegung des Begriffs des „für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfts“ ist der objektivierte Wille des Normgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2017 – 9 C 30.15 – BVerwGE 157, 203 – juris Rn. 14). Der Erfassung des objektiven Willens des Normgebers dienen die anerkannten Auslegungsmethoden aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Materialien des Normsetzungsverfahrens und der Entstehungsgeschichte. Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2018 – 2 C 14.17 – DVBl 2019, 369 – juris Rn. 21). Nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) müssen die Bürger in zumutbarer Weise selbst feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen; die Gerichte müssen in der Lage sein, die normative Entscheidung zu konkretisieren (vgl. BayVerfGH, E.v. 29.4.1983 – Vf. 16-VII-80 – VerfGHE 36, 56/68; E.v. 10.3.1981 – Vf. 16-VII-79 u.a. – juris Rn. 42). Sieht eine Rechtsverordnung – wie hier § 28 Nr. 11 11. BayIfSMV – die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, muss die Bußgeldvorschrift die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG erfüllen. Der grammatikalischen Auslegung bzw. der Wortlautgrenze kommt dann eine herausgehobene Bedeutung zu (vgl. BVerwG, U.v. 29.2.2012 – 9 C 8.11 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 8 ZB 19.2200 – NVwZ-RR 2020, 991 – juris Rn. 14).
c) Ausgehend von den dargestellten Maßstäben erweist sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei den Elektronikfachgeschäften der Antragstellerin handle es sich – auch unter Berücksichtigung der anvisierten Reduzierung des Sortiments – nicht um „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV, voraussichtlich nicht als rechtsfehlerhaft.
aa) Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV ist nicht eindeutig. Die Formulierung „für die tägliche Versorgung unverzichtbar“ lässt zwar den Schluss auf eine enge Auslegung zu, weil es sich offenbar um Güter des täglichen Lebensbedarfs handeln muss, denn nur diese sind für die tägliche Versorgung notwendig (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 – Rn. 9). Die Aufzählung des Satzes 2 lässt indessen nicht den Schluss zu, dass es sich um einen unabweisbar täglich notwendigen Lebensbedarf im objektiv engeren Sinne handeln muss. Zudem ist nicht nur der Bedarf privilegiert, den jedermann an Grundbedürfnissen hat, sondern auch spezielle Bedürfnisse von Personengruppen wie beispielsweise solche mit bestimmten Ernährungsbedürfnissen (Reformhäuser) oder mit Haustieren (Tierbedarf). Seit 1. März 2021 hat der Verordnungsgeber den Kreis der geöffneten Ladengeschäfte mit Kundenverkehr auf Blumenfachgeschäfte, Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen und Baumärkte erweitert (vgl. § 1 Nr. 2 Buchst. a 11. BayIfSMV i.d.F.v. 24.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 149). Dies begründet er u.a. damit, dass die dort angebotenen Waren saisonal zu den Grundbedürfnissen zählten (vgl. BayMBl. 2021, Nr. 150 S. 3).
bb) Der Senat geht bei der Auslegung von Ausnahmevorschriften von repressiven Verboten wie § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV davon aus, dass diese grundsätzlich eng auszulegen sind (BayVGH, B.v. 4.2.2021 – 20 CS 21.109 – juris Rn. 31; B.v. 14.4.2020 – 20 CE 20.725 – juris Rn. 7 f.). Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend berücksichtigt (vgl. BA S. 12 f.). Hintergrund hierfür ist auch, dass Sinn und Zweck der Vorschrift ist, wie auch von allen anderen Vorschriften der 11. BayIfSMV, Infektionsrisiken durch Kontakte weitgehend zu minimieren. Eine entsprechende enge Auslegung gilt deshalb auch für die Begrifflichkeit der „für die tägliche Versorgung unverzichtbare(n) Ladengeschäfte“. Damit kann die Zahl der in § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV genannten Ladengeschäfte nur durch unbenannte erweitert werden, wenn die Befriedigung des Bedarfes ein gewisses Gewicht hat und von der Rechtsordnung anerkannt ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080, Rn. 10).
(1) Die erstinstanzliche Auslegung, wonach die in einem (geöffneten) Ladengeschäft zum Verkauf angebotenen Güter nicht nur unverzichtbar sein müssen, sondern dass diesbezüglich ein gesteigertes Bedürfnis an einer täglichen Verfügbarkeit im Ladengeschäft bestehen muss (vgl. BA S. 11), trifft im Ergebnis zu. Die Formulierung „tägliche Versorgung“ impliziert zumindest für den Bereich des Einzelhandels, dass es dabei im Schwerpunkt um die regelmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs geht. Der „täglichen Versorgung“ dienen Ladengeschäfte zwar nicht erst, wenn sie der Deckung eines im eigentlichen Wortsinn „täglich“ auftretenden Bedarfs jedes einzelnen dienen, sondern schon dann, wenn sie einen individuellen Bedarf abdecken, der jederzeit und damit „täglich“ eintreten kann, d.h. der sich für den Einzelnen üblicherweise nur gelegentlich ergibt, aber nicht plan- oder vorhersehbar ist. Dies ist bei der Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die für längere Nutzungszeiten (mehrere Jahre) angeschafft werden, nicht der Fall. Dass solche Güter, z.B. Küchengroßgeräte oder Computer, im Haushalt des Kunden täglich genutzt werden und sich im Einzelfall ggf. kurzfristig der dringende Bedarf einer (Ersatz-)Beschaffung stellen mag, ändert daran genauso wenig wie der Umstand, dass eine möglichst flächendeckende Umsetzung der infektionsschutzbezogenen Empfehlung „Bleiben Sie zuhause“ funktionsfähige Haushalte und Heimarbeitsplätze voraussetzt.
Für diese Auslegung anhand des Wortlauts der Norm spricht auch, dass anzunehmen ist, dass der Verordnungsgeber mit dem Auffangtatbestand „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ besonderen Einzelfällen Rechnung tragen, nicht aber „versteckt“ ganze umsatzstarke Branchen wie den Elektrofachhandel öffnen wollte, ohne diese in dem Ausnahmetatbestand – wie viele andere größere Bereiche – ausdrücklich zu benennen. Der Elektrofachhandel (als Einzelhandel mit Geräten der Kommunikations- und Informationstechnik und von elektrischen Haushaltsgeräten) erwirtschaftete im Jahr 2019 in Deutschland einen Gesamtumsatz von über 30 Milliarden Euro (vgl. https://de.statista.com/themen/1646/elektrofachhandel-in-deutschland/), sodass es nicht naheliegt, dass der Verordnungsgeber diese Branche (teilweise) „nur“ mit einem Auffangtatbestand („sonstige“) öffnen wollte.
(2) Auch die vollstreckungsrechtliche Unpfändbarkeit bestimmter (Haushalts-)Geräte (§ 811 ZPO) ist für die Auslegung des Ausnahmetatbestands in § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht ausschlaggebend. Die Pfändungsverbote des § 811 Abs. 1 ZPO dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dem Schuldner soll dadurch die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um – unabhängig von Sozialhilfe – ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können (BGH, B.v. 16.6.2011 – VII ZB 12/09 – NJW-RR 2011, 1367 – juris Rn. 7). Demgegenüber hat der Verordnungsgeber bei der Zulassung von Ausnahmen von Betriebsschließungen durch § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV eine Differenzierung getroffen, welche Ladengeschäfte er für die tägliche Versorgung der Bevölkerung als derart wichtig ansieht, dass demgegenüber das Interesse an einer möglichst weitgehenden Verringerung der Ansteckungsgefahr mit SARS-CoV-2 hingenommen werden kann, und hinsichtlich welcher anderen Güter dies nicht der Fall ist, sodass ihr Zugang aus Gründen des Infektionsschutzes vorübergehend erschwert wird. Diese dargestellten Zielsetzungen der jeweiligen Normgeber sind nicht miteinander vergleichbar.
cc) Soweit sich die Antragstellerin auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beruft, hat sie ebenfalls keinen Erfolg. Dass in Supermärkten teilweise auch Haushaltsgeräte angeboten werden, bedeutet keine willkürliche Differenzierung. Das Abstellen auf den Schwerpunkt des jeweiligen Sortiments ist als generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung (vgl. nur BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 32) voraussichtlich nicht sachwidrig, zumal der Verordnungsgeber eine Ausweitung solcher „Nebensortimente“ in § 12 Abs. 1 Satz 3 11. BayIfSMV untersagt hat. Doch selbst wenn man einen Gleichheitsverstoß annähme, ergäbe sich hieraus nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2020 – 20 NE 20.2603 – juris Rn. 32 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, ist eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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