Medizinrecht

unzulässige Klage, wiederholende Verfügung, Voraussetzungen einer Beihilfegewährung im Wege einer In-vitro-Fertilisation

Aktenzeichen  B 5 K 19.485

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49029
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 43

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Aufgrund der erklärten Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist bereits unzulässig, hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 04.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfeleistung.
1. Die Klage ist bereits unzulässig.
a) Hinsichtlich der Behandlung der eingereichten 14 von den insgesamt 16 Belegen bzw. Rechnungen vom 05.02.2018, 07.02.2018, 08.02.2018, 12.02.2018, 15.02.2018, 17.02.2018, 19.02.2018, 23.02.2018, 24.02.2018, 02.03.2018, 02.03.2018, 14.03.2018, 05.04.2018 sowie 10.04.2018, die mit der Hinweis-Nr. 3118, f0 versehen sind, liegt bereits kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine wiederholende Verfügung ohne Regelungscharakter vor. In den erläuternden Hinweisen findet sich zu der Nummer 3118 die Formulierung „Zu diesen Aufwendungen wurde bereits Beihilfe gewährt“. Zu dem Kürzel f0 findet sich der Erläuterungstext „Auf den Bescheid vom 15.05.2018 sowie unser Schreiben v. 15.05.2018 wird verwiesen“.
Gemäß Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Im Hinblick auf die insofern identische bundesrechtliche Regelung des § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) differenzierte die Rechtsprechung früher zwischen wiederholender Verfügung und Zweitbescheid: Wenn eine behördliche Erklärung sich in der bloßen Wiederholung eines bereits ergangenen Verwaltungsakts ohne neuen Regelungsgehalt erschöpfte (sog. „wiederholende Verfügung“), so lag kein Verwaltungsakt vor. Demgegenüber wurde ein auf erneuter Sachprüfung und -entscheidung beruhender „Zweitbescheid” stets als Verwaltungsakt angesehen. Diese Unterscheidung wurde vom BVerwG zumindest bei Vorliegen eines bestandskräftigen Erstbescheids ausdrücklich aufgegeben, da auch eine wiederholende Verfügung (jedenfalls) die Entscheidung darüber beinhaltet, dass Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG nicht vorliegen (BVerwG, B. v. 10.12.2001, Az.: 9 B 86/01, Leitsatz – NVwZ 2002, 482). Ist der Erstbescheid noch nicht bestandskräftig, kann auch keine Entscheidung nach § 51 VwVfG getroffen werden, sodass nach wie vor Raum für die „wiederholende Verfügung“ verbleibt, die kein Verwaltungsakt ist. Hinweisen auf bestandskräftige Verwaltungsakte fehlt hingegen der Regelungswille der Behörde, soweit sie lediglich mitteilt, dass ein Rechtsverhältnis bereits wirksam durch Verwaltungsakt geregelt ist (vgl. von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK, VwVfG, 48. Ed. 1.7.2020, § 35 Rn. 188, 189, m.w.N.). Lediglich soweit eine streitgegenständliche Verfügung also (auch nur konkludent) ein Wiederaufgreifen ablehnt, ist sie mit diesem verfahrensbezogenen Regelungsgehalt ein Verwaltungsakt. Die wiederholende Verfügung eröffnet auch nicht die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt. Sie unterscheidet sich insbesondere dadurch vom Zweitbescheid, der nach Wiederaufgreifen eine erneute Sachentscheidung trifft (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 51 Rn. 22 ff., 38 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt in Bezug auf die 14 Rechnungspositionen bezüglich der Belege vom 05.02.2018, 07.02.2018, 08.02.2018, 12.02.2018, 15.02.2018, 17.02.2018, 19.02.2018, 23.02.2018, 24.02.2018, 02.03.2018, 02.03.2018, 14.03.2018, 05.04.2018 sowie 10.04.2018 kein Verwaltungsakt vor, denn insoweit fehlt es bereits an der Regelungswirkung. Der Beklagte verweist lediglich auf einen früheren Bescheid, den die Klägerin mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs in Bestandskraft hat erwachsen lassen, sowie auf ein entsprechendes Hinweisschreiben. In diesem bloßen Verweis ist weder ein eigener Regelungsgehalt in der Sache zu sehen, noch lässt sich diesen sehr knappen und eindeutigen Erläuterungen die konkludente Entscheidung entnehmen, nicht in eine erneute Sachprüfung einsteigen zu wollen.
b) Hinsichtlich der beiden übrigen Belege vom 13.06.2018 und 11.07.2018, die der angefochtene Bescheid zum Gegenstand hat, wurde hier entsprechend dem Antrag der Klägerin der höchstmögliche Beihilfesatz von 70 vom Hundert gewährt. Somit liegt bezüglich dieser beiden Belege, bezüglich derer die Ausführungen des Beklagten durchaus Regelungscharakter haben, keine Entscheidung zulasten der Klägerin vor. Mangels entsprechender Beschwer ist die Klage insofern aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ebenso unzulässig.
2. Lediglich ergänzend, und ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme, sei ausgeführt, dass die Klage unabhängig davon auch unbegründet ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe für die entstandenen Kosten zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung in Form einer In-Vitro-Fertilisation nach § 43 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BayBhV.
a) Nach den allgemeinen Grundsätzen des § 43 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel nur dann zu 50 vom Hundert beihilfefähig, wenn aufgrund eines Behandlungsplans Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind (Nummer 1), eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird (Nummer 2), die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind (Nummer 3) und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (Nummer 4). Dabei sind nach Satz 2 der Vorschrift nur Aufwendungen für Personen beihilfefähig, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Satz 3 schließlich begrenzt altersmäßig nach oben hin die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen auf Frauen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und Männer, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Im Falle der Klägerin fehlt es bereits unzweifelhaft an der Voraussetzung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV, da sich aus keinem einzigen der ärztlichen Schreiben des Kinderwunschzentrums …, die die Klägerin im Laufe des Verfahrens vorgelegt hat, ergibt, dass die Maßnahmen, für die sie vorliegend Beihilfeleistungen begehrt, nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind. Im Schreiben vom 06.11.2017, das inhaltlich an die Versicherung der Klägerin gerichtet und an die Klägerin selbst adressiert war, stellte das Kinderwunschzentrum … wörtlich fest: „Nachdem bei PCO-Patientinnen das Hauptrisiko [des] unbeabsichtigte[n] Heranreifen[s] mehrerer Eibläschen verbunden mit einem deutlich erhöhten Mehrlingsrisiko vorhanden ist und wir jetzt bereits über mehrere Monate mit der Gabe von Metformin aufgrund des PCO-Syndroms sowie durch Ovulationsinduktionsversuche mit Puregon und Ovaleap keine Schwangerschaft erzielen konnten, bitten wir aus,wirtschaftlicher Sicht‘ für Sie und,emotionaler Sicht‘ für die Patientin, um die sofortige Eingliederung in das IVF-Programm und deren Kostenübernahme.“ Die Durchführung einer künstlichen Befruchtung nach dem IVF-Verfahren bei der Klägerin beruhte somit auf – im Hinblick auf den Blickwinkel der Klägerin – emotionalen Erwägungen. Dieselbe Formulierung findet sich in dem Schreiben des Kinderwunschzentrums … vom 11.12.2017. Ein weiteres Schreiben derselben Klinik datiert vom 12.02.2018. Darin heißt es: „Eine medizinische Indikation nach 10.3 der Richtlinien über künstliche Befruchtung liegt per se nicht vor. Nachdem Ihnen jedoch unbeabsichtigt der Behandlungsplan für eine ICSI-Behandlung übersandt wurde, erhalten Sie hier den Behandlungsplan für eine IVF-Behandlung. Die Ihnen übermittelte Musterrechnung ist richtigerweise für die IVF-Behandlung.“
Sofern in einem der drei vorgelegten Behandlungspläne in einem Fall die idiopathische Sterilität als medizinische Indikation erwähnt wurde, besitzt dieser Umstand höchst zweifelhafte Aussagekraft. Die Klägerin hat zu ein und demselben Vorhaben der Durchführung einer künstlichen Befruchtung drei sich jeweils widersprechende Behandlungspläne vorgelegt, die das Kinderwunschzentrum … teilweise mit der Begründung, es handle sich um ein Versehen, dann geändert hat. So existiert zunächst ein Behandlungsplan vom 07.12.2017. Nach diesem sei eine künstliche Befruchtung nach dem Verfahren „ICSI“ geplant, wobei dafür keine medizinische Indikation bestehe. Ein weiterer Behandlungsplan, datierend vom 06.02.2018 gibt an, dass eine künstliche Befruchtung nach dem IVF-Verfahren geplant sei. Als medizinische Indikation wird das Vorliegen einer idiopathischen Sterilität angegeben. Lediglich drei Tage später, am 09.02.2018, stellte das Kinderwunschzentrums … der Klägerin einen dritten Behandlungsplan aus, ausweislich dessen eine künstliche Befruchtung im Wege des IVF-Verfahrens geplant sei, dafür jedoch keine medizinische Indikation bestehe. In Anbetracht der Widersprüchlichkeit dieser drei Behandlungspläne kann – ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme – das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass bei der Klägerin eine medizinische Indikation für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung gegeben war.
b) Des Weiteren fehlt es auch im Bereich der besonderen Voraussetzungen, die § 43 Abs. 2 BayBhV für jede einzelne Methode der künstlichen Befruchtung ergänzend aufstellt, an mindestens einer nach dem Gesetz erforderlichen Komponente. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBhV ist eine mögliche Indikation bei einer künstlichen Befruchtung im Wege der invitro-Fertilisation (IVF), die zu einer Beihilfefähigkeit führt, die idiopathische Sterilität, die im Zusammenhang mit der Klägerin von Seiten des Kinderwunschzentrums teilweise Erwähnung fand. In diesem Fall ist Beihilfefähigkeit jedoch nur gegeben, sofern einschließlich einer psychologischen Exploration alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind. Weder die vorgelegte Behördenakte noch die im gerichtlichen Verfahren darüber hinaus vorgelegten ärztlichen Schreiben und Befunde lassen erkennen, dass bei der Klägerin jemals eine psychologische Exploration stattgefunden hätte. Somit fehlt es auch an dieser notwendigen Voraussetzung, um zu einem Beihilfeanspruch für die durchgeführte künstliche Befruchtung zu gelangen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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