Medizinrecht

Unzulässigkeit eines Asylfolgeantrags – Kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen bezüglich China

Aktenzeichen  B 3 E 17.33402

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145496
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 51
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Das Bundesamt und das Gericht haben im Falle eines nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Folgeverfahrens eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG ohne die Einschränkungen des § 51 VwVfG durchzuführen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller, chinesische Staatsangehörige, begehren einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (B 3 K 17.33403) nicht nach China abgeschoben zu werden.
Der erste Asylantrag der Antragstellerin zu 1 wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.07.2003 (Az.: …) als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg am 17.02.2004 ab. Den am 23.11.2012 gestellten Folgeantrag (Az.: …) lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.07.2013 ebenfalls ab. Die daraufhin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 04.11.2014 (Az.: B 3 K 13.30183) ab.
Die Asylanträge des in Deutschland geborenen Antragstellers zu 2 (Az.: …) und der ebenfalls in Deutschland geborenen Antragstellerin zu 3 (Az.: …) wurden mit Bescheiden der Antragsgegnerin vom 27.05.2010 bzw. 20.11.2011 abgelehnt. Der Asylantrag des in Deutschland geborenen Antragstellers zu 4 vom 07.09.2012 (Az.: …) wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.07.2013 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 04.11.2014 (Az.: B 3 K 13.30190) ab. Der Berufungszulassungsantrag des Antragstellers zu 4 wurde mit Beschluss des BayVGH vom 08.01.2015 (Az.: 15 ZB 15.30001) abgelehnt.
Am 22.11.2016 stellten die Antragsteller bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Zirndorf einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag).
Zur Begründung der Folgeanträge führte die Antragstellerin zu 1 im Wesentlichen aus, sie sei bereits 2003 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und ihre Kinder, die Antragsteller zu 2 bis 4, seien in Deutschland geboren. Die Antragsteller zu 2 bis 4 hätten keine Ahnung von China. Der Antragsteller zu 2 besuche die Grundschule und spreche gutes Deutsch. Der Vater der Kinder habe eine Arbeit und das Sprachzertifikat für die deutsche Sprache B 1. Die ganze Familie sei gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Bei einer Rückkehr nach China würden sie auf große Schwierigkeiten treffen, weil dort eine Familie mit drei Kindern rechtlich unzulässig sei. Außerdem sei sie schwer erkrankt und müsse behandelt werden, in China gebe es aber keine Garantie für eine gute medizinische Versorgung. Bei einer Rückkehr hätten sie zudem keine finanziellen Mittel. Sie würden in China mit großen finanziellen Problemen und starkem Lebensdruck konfrontiert werden. Ihre Eltern seien alt und ebenfalls erkrankt und würden selbst finanzielle Hilfe benötigen. Da es in China keine bzw. keine vollständige Krankenversicherung gebe, müssten die Kosten einer medizinischen Behandlung selbst getragen werden.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2016 präzisierte der Bevollmächtigte der Antragsteller den Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 und beantragte bei der Antragsgegnerin, den Bescheid vom 29.07.2003 in der Fassung des Bescheides vom 11.07.2013 insoweit aufzuheben, als festgestellt wurde, dass kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt sowie des Weiteren die Abschiebeandrohung bezüglich der Volksrepublik China aufzuheben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin zu 1 leide an einer chronischen Hepatitis B, die ärztlich behandelt werde (ärztliche Bescheinigung von Dr. … vom 13.06.2016). Weiterhin habe Frau Dr. …eine Depression bei der Antragstellerin zu 1 festgestellt, weshalb sie zur weiteren psychiatrischen Behandlung an einen Facharzt überwiesen worden sei. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 an einem Hypophysenmakroadenom erkrankt, weswegen die konkrete Gefahr bestehe, dass sie – wenn der Tumor nicht behandelt werde – erblinde (ärztliche Bescheinigung von …, …, vom 14.06.2016; Arztbrief von Prof. Dr. med. …, …, vom 23.11.2016). Alle Erkrankungen seien behandlungsbedürftig und eine medizinische Versorgung in China sei nicht gewährleistet. Ein Krankenversicherungssystem bestünde dort nicht. Die Antragstellerin zu 1 könne bei einer Rückkehr ihre eigenen Krankenkosten nicht tragen. Ihre Mutter in China sei bereits 62 Jahre alt und leide an Bluthochdruck, so dass diese ihre eigenen Behandlungskosten zu tragen habe und nicht in der Lage sei, für die Behandlungskosten der Antragstellerin zu 1 aufzukommen. Auch der Vater der Antragsteller zu 2 bis 4, der bereits 16 Jahre in Deutschland lebe, sei bei einer Rückkehr nach China nicht in der Lage, durch eigene Arbeit die Behandlungskosten aufzubringen, da dieser dort ebenfalls entwurzelt sei.
Mit Bescheid vom 30.10.2017 wurden die Folgeanträge als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1). Der Antrag auf Abänderung der Bescheide vom 11.07.2013 (Antragstellerin zu 1), vom 27.05.2010 (Antragsteller zu 2), vom 20.04.2011 (Antragstellerin zu 3) und vom 11.07.2013 (Antragsteller zu 4) bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde abgelehnt.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die Anträge seien unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung der Folgeverfahren nicht vorlägen. Dem erneuten Asylvorbringen seien nicht die geringsten asylrelevanten Anhaltspunkte zu entnehmen. Der Sachvortrag beschränke sich vielmehr darauf, die bereits in den Vorverfahren dargestellten Gründe zu wiederholen. Die Antragsteller hätten keine individuellen asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure nachvollziehbar dargetan.
Die im Folgeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen für die Antragstellerin zu 1 würden ebenfalls nichts an der Sachlage ändern. Die Antragstellerin zu 1 berufe sich auf angebliche Vorgänge, die sie bereits im Laufe eines früheren Verfahrens hätte darlegen können. Die Erkrankung an der Hypophyse bestünde zumindest seit 2012, die sich möglicherweise daraus ergebende Hyperprolaktinämie sei ebenfalls bereits im Mai 2014 festgestellt und bis Ende 2015 behandelt worden. Bei der Feststellung der Hepatitis B und der Depression durch die Allgemeinmedizinerin Dr. … vom 13.06.2016 sei nicht angegeben worden, seit wann diese Krankheiten bestünden bzw. diagnostiziert worden seien. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens scheiterte daher bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 2 VwVfG, da die Antragstellerin zu 1 die Krankheiten nicht rechtzeitig vorgetragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass sie ohne grobes Verschulden außer Stande gewesen sei, die Krankheiten innerhalb der in § 51 Abs. 2 VwVfG genannten Zweimonatsfrist nach Kenntnis vorzutragen, seien nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Zum einen seien die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Im Übrigen und unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergebe sich aus den ärztlichen Bescheinigungen für die Antragstellerin zu 1 kein konkreter Behandlungsbedarf. Es seien vielmehr nur regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass die erforderlichen Kontrolluntersuchungen in China nicht gewährleistet seien.
Mit Schriftsatz vom 09.11.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2017 und beantragte zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gem. § 123 VwGO zu beschließen:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Mitteilung gem. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG einstweilen zurückzunehmen und der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt,
hilfsweise, dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG geprüft wird.
Hilfsweise, falls das Gericht der Auffassung sein sollte, dass (auch) ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der richtige Rechtsbehelf sei, wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragsteller aus, die Voraussetzungen für die Durchführung eines Asylfolgeverfahren lägen vor, weil seit der letzten Entscheidung neue Tatsachen und Beweismittel existieren, die auch innerhalb der Dreimonatsfrist vorgelegt worden sei. Bei der Antragstellung am 22.11.2016 hätten die Antragsteller vorgetragen, dass sie bei Rückkehr nach China auf große Schwierigkeiten treffen würden, weil eine Familie mit drei Kindern unzulässig sei. Insoweit werde auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 14.09.2016 (Az.: A 11 S 1125/16) verwiesen.
Jedenfalls sei das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG naheliegend. Die Antragsteller zu 2 bis 4 seien in Deutschland geboren und würden die chinesischen Lebensverhältnisse nicht kennen. Durch eine zwangsweise Abschiebung trete eine Entwurzelung – verbunden mit einem schwerwiegenden Entwicklungsschaden – ein. Die Antragsteller zu 2 bis 4 könnten kein menschenwürdiges Leben in China führen.
Die Antragstellerin zu 1 leide an schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen, welche ohne medizinische und ärztliche Behandlung zu lebensbedrohlichen, jedenfalls zu schwerwiegenden, Schäden führen würden. Nach dem Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. … vom 13.06.2016 leide die Antragstellerin zu 1 unter einer chronischen Hepatitis B, weshalb eine antivirale Therapie, verbunden mit einer laufenden Kontrolle durch Ultraschall, Blutentnahme und klinischer Untersuchungen, notwendig sei. Weiterhin habe die Allgemeinmedizinerin mit ärztlichem Attest vom 13.06.2016 eine Depression festgestellt und die Antragstellerin zu 1 zur weiteren psychiatrischen Behandlung zu einem Facharzt überwiesen. Der Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, …, habe bei der Antragstellerin zu 1 ein magnetresonanz tomographisch nachgewiesenes Makroadenom der Hypophyse diagnostiziert, woraus eine Hyperprolaktinämie folge. Nach Aussage der Ärzte bestehe die konkrete Gefahr, dass – wenn der Tumor nicht behandelt werde -, die Antragstellerin zu 1 erblinde. Insoweit wurde auf das Attest des Frauenarztes vom 14.06.2016, auf den Befundbericht des MVZ … … vom 18.11.2016 sowie auf das Schreiben von Prof. Dr. med. … vom 30.01.2017 Bezug genommen.
Alle drei Krankheiten seien behandlungsbedürftig. Bei fehlender Behandlung werde die Gesundheit der Antragstellerin zu 1 einen ernsthaften und schweren Schaden nehmen, so dass Gefahr für Leib und Leben bestehe. Eine medizinische Grundversorgung sei für große Teile der chinesischen Bevölkerung nur unzureichend gewährleistet. Selbst derjenige, der versichert sei, müsse einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen. Der Antragstellerin zu 1, die seit 2003 lebe, könne die Behandlung ihrer Krankheiten in China nicht aus eigener Kraft stemmen. Auch ihre Eltern seien nicht in der Lage, die Behandlungskosten zu übernehmen. Der Lebenspartner und Vater der Antragsteller zu 2 bis 3 sei bereits seit 16 Jahren in Deutschland und wäre dementsprechend nicht in der Lage, durch eigene Arbeit die Behandlungskosten für die Antragstellerin zu 1 in China aufzubringen.
Soweit die Antragsgegnerin die „Drei-Monats-Frist“ als nicht eingehalten ansehe, werde auf den Befundbericht des MVZ … vom 18.11.2016 sowie auf den Arztbericht vom 23.11.2016 (Prof. Dr. med. …) verwiesen, wonach jedenfalls ein Wachstum des Tumors eingetreten sei, weshalb nunmehr eine Operation notwendig werde. Dementsprechend sei – aufgrund der Arztberichte vom 18.11. bzw. 23.11.2016 – eine Änderung der dem Abschiebeverbot zugrundeliegenden Sachlage gegeben und – daran anknüpfend – die Antragsfrist gewahrt.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2015 legte der Bevollmächtigte der Antragsteller ein Schreiben des Klinikums … – Klinik für Neurochirurgie – vom 14.11.2017 vor, wonach bei der Antragstellerin zu 1 aufgrund des Hypophysenmakroandenom eine neurochirurgische Behandlung sowie eine Operation erforderlich sei. Ein entsprechender Operationstermin sei im November 2017 angeboten worden. Auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 sei der Termin aber auf Februar 2018 verschoben worden.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte vor, äußerte sich aber bislang in der Sache nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens (B 3 K 17.33403) sowie auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 S. 2 VwGO).
II.
Der Antrag vom 09.11.2017, der – nach entsprechender Auslegung gem. §§ 122, 88 VwGO -den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (B 3 K 17.33402) nicht abgeschoben werden dürfen, zum Gegenstand hat, bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zulässig, insbesondere gemäß § 123 Abs. 5 VwGO statthaft. Obwohl die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) im Hauptsacheverfahren mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris), liegt kein Fall des § 80 Abs. 5 VwGO vor, weil keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde und die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, für sich betrachtet – ohne die bereits rechtskräftigen Abschiebungsandrohungen – keinen vollziehbaren Verwaltungsakt, aus dem die Vollstreckung droht, darstellt (VG Bayreuth, B.v. 11.07.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG München, B.v. 30.05.2017 – M 24 E 17.41447 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 – juris; a.A. VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482- juris sowie VG Dresden, B.v. 11.09.2017 – 13 L 1004/17.A – juris: vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Folgeantragsbescheid ohne erneute Abschiebungsandrohung erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig sowie durch einen (hilfsweisen) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist stets, dass der Antragsteller den materiell-rechtlichen Anspruch, für den er vorläufigen Rechtsschutz begehrt (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden (§ 294 Abs. 1 ZPO). Zudem genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. Die Behauptung ist glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Hierbei unterliegt die Wahrscheinlichkeitsfeststellung dem Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens und ist ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis (SächsOVG, B.v. 22.9.2017 – 4 B 268/17 – juris).
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze haben die Antragsteller keinen Anspruch auf Mitteilung an die Ausländerbehörde, einstweilen von einer Abschiebung nach China abzusehen, glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat aller Voraussicht nach die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zu Recht abgelehnt (dazu a). Die Antragsteller haben darüber hinaus auch keinen Anspruch Feststellung von Abschiebungsverboten glaubhaft gemacht (dazu b).
a) Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf, dass die Mittelteilung der Antragsgegnerin nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde unterbleibt bzw. zurückgenommen wird, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, kein Folgeverfahren durchzuführen (§ 71 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG), bestehen.
Vorliegend kann dahinstehen, ob mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 05.12.2016 der Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 vom 22.11.2016 auf die Abänderung der Entscheidungen zu den Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG aus früheren Bescheiden bzw. auf die (neuerliche) Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkt wurde (vgl. hierzu Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 71 Rn. 95 ff.) oder ob mit dem Folgeantrag auch ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die Anerkennung der Antragstellerin zu 1 als Asylberechtigte bzw. auf die Zuerkennung des internationalen Schutze begehrt wird, da jedenfalls inhaltlich die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG nicht vorliegen.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Gemessen hieran hat die Antragsgegnerin zu Recht, den Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt, da Wiederaufgreifensgründe nicht ersichtlich sind. Diesbezüglich wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auszuführen, dass auch das in der Antragsschrift zitierte Urteil des VGH Mannheim vom 14.09.2016, (Az.: A 11 S 1125/16) keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten der Antragsteller im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellt. Im besagten Urteil nimmt der VGH Mannheim – entgegen der wohl herrschenden Meinung und entgegen der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts – an, dass im Hinblick auf die chinesische Ein-Kind-Politik eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in Anknüpfung an das Merkmal des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG (soziale Gruppe) gegeben ist. Selbst wenn man dieser Entscheidung inhaltlich folgen würde, führt eine abweichende Rechtsprechung bzw. die Änderung der Rechtsprechung eines erst- oder zweitinstanzlichen Gerichtes nicht zu einer Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (vgl. nur BVerwG, B. v. 16.2.1993 – 9 B 241/92 – juris; BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 3 B 83/93 – juris).
Im Übrigen wurden – wie die Antragsgegnerin bereits im Bescheid zutreffend festgestellt hat – bei der Folgeantragstellung nicht einmal im Ansatz Gründe vorgetragen, die asyl- oder flüchtlingsrechtliche Relevanz hätten. Die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden sind allenfalls im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens hinsichtlich der Abschiebungsverbote bzw. bezüglich des Antrags auf Feststellung von Abschiebungsverbote relevant, jedoch nicht für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zur Durchführung eines asylrechtlichen Folgeverfahrens vorliegen, da sich die Ablehnung des Folgeantrages als unzulässig nach § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (nur) auf die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bezieht (vgl. VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A – juris).
b) Die Antragsteller haben das Vorliegen von Abschiebungsverboten, insbesondere ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person der Antragstellerin zu 1, ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfasst seit dem Inkrafttreten des Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) am 6. August 2016 auch unzulässige Asylanträge und somit auch die Konstellation, wenn nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist u.a. in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies bedeutet, dass in Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Regelung die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots vorliegen, entgegen der bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage unabhängig davon zu treffen ist, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. SächsOVG, U.v. 21.6.2017 – 5 A 109/15.A – juris; VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.2.2017 – W 6 K 16.31039 – juris; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 – juris). Das Bundesamt – oder ggf. im weiteren Verfahren das Gericht – hat daher im Falle eines nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Folgeverfahrens eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ohne die Einschränkungen des § 51 VwVfG durchzuführen.
Vorliegend hat die Beklagte bezüglich der Abschiebungsverbote zwar nur eine Entscheidung nach § 51 VwVfG getroffen. Gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG ist die getroffene Entscheidung jedoch umzudeuten. In der Begründung zu Ziffer 2 des Bescheides hat die Antragsgegnerin selbst ausgeführt, dass eine Abänderung der bisherigen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrages nicht gerechtfertigt sei. Insoweit hat sie das Vorliegen von Abschiebungsverboten zumindest inzident im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 51 Abs. 5 VwVfG geprüft (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris).
Letztlich entscheidend ist, dass – in der hier im Hauptsacheverfahren maßgebenden Verpflichtungssituation – auch für das Gericht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes erkennbar ist.
aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich – trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung – das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris).
Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 8.11.2016 – 6a L 2452/16.A – juris).
Dies zugrunde gelegt besteht für die Antragstellerin zu 1 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nach China droht.
(1) Der Vortrag einer „Depression“ (Attest der Allgemeinärztin Dr. … vom 13.06.2016 bzw. Attest des Frauenarztes … vom 11.10.2016) genügt schon nicht den Anforderungen im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer psychischen Erkrankung.
Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 11.09.2007 – 10 C 17/07 – juris).
Die Ausführungen im Attest vom 13.06.2016 werden den vorstehenden Ausführungen nicht einmal im Ansatz gerecht. Das Attest beschränkt sich auf folgende Aussage: „Zudem besteht eine Depression, sie wurde von mir zum Psychiater überwiesen“. Damit erfüllt das Attest weder inhaltlich noch formal die notwendigen Anforderungen, zumal die Rechtsprechung im Falle psychischer Erkrankungen die Vorlage eines aktuellen fachärztlichen Attestes fordert (vgl. BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris).
Nichts anderes ergibt sich aus dem Attest des Frauenarztes … vom 11.10.2016, in dem lediglich – wiederum ohne weitere Ausführungen – der Verdacht auf eine akute Depression bescheinigt wird. Daneben handelt es sich beim Frauenarzt um keinen Facharzt auf diesem Gebiet.
Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und nicht auf „Depressionen“ anwendet, so ist jedenfalls auch eine (akute) Depression nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation ergeben, enthalten.
Die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG beschränkt sich dabei nicht nur auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfasst auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 – W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 – M 21 K 16.36151 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 – 6a K 2802/15.A. – juris; VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte (vgl. ausführlich: VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris m.w.N.)
Selbst diesen Anforderungen werden die beiden Atteste nicht annähernd gerecht. Auch insoweit fehlt es an qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen. Die besagten Atteste erwähnen lediglich mit einem Wort, dass bei der Antragstellerin zu 1 eine (akute) Depression bestehe. Nähere Ausführungen werden nicht gemacht, insbesondere fehlen Angaben zur Diagnose, zur Dauer und zum Verlauf des Krankheitsbildes. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, ob die Antragstellerin zu 1 tatsächlich einen Psychiater aufgesucht hat und wie sich die Beschwerden seit dem Sommer/Herbst 2016 entwickelt haben.
Da auch keine anderweitigen Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung der Antragstellerin zu 1 vorliegen, scheidet die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 im Hinblick auf die „Depression“ der Antragstellerin zu 1 aus.
(2) Gleiches gilt für die vorgetragene Hepatitis B-Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Auch insoweit liegt nur ein Attest der Hausärztin vom 13.06.2016 vor, welches wiederum nahezu 1,5 Jahre alt ist und dem keine weiteren Einzelheiten – außer dem Hinweis auf die antivirale Therapie und den notwendigen Kontrolluntersuchungen – zu entnehmen sind. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, wie sich die Krankheit entwickelt hat und wie sich das Krankheitsbild gegenwärtig darstellt. Somit wird auch die vorgetragene Hepatitis B-Erkrankung dem substantiierten Vortrag einer Erkrankung im Rahmen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht gerecht.
(3) Auch das magnetresonanztomografisch festgestellte Makroadenom der Hypophyse (Tumor der Hirnanhangdrüse) führt im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG) nicht zur Feststellung eines zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
Zwar wurden bezüglich dieses Krankheitsbildes mehrere fachärztliche Atteste vorgelegt, diese Atteste sind aber wiederum weitgehend aus dem Jahr 2016 bzw. vom Januar 2017. Im Bericht des MVZ … vom 18.11.2016 wird ausgeführt, dass aus neurochirurgischer Sicht – abhängig von weiteren Befunden – eine entsprechende Therapie, entweder medikamentös oder operativ, eingeleitet werden muss, da ansonsten die Gefahr der Erblindung der Antragstellerin zu 1 bestehe. Mit Schreiben vom 30.01.2017 führte Prof. Dr. med. …, …, aus, dass nach einem medikamentösen Therapieversuch über die nächsten drei Monate entschieden werden müsse, ob eine Operation des Tumors notwendig sei. Weitere ärztliche Befunde, insbesondere wie die medikamentöse Therapie verlaufen ist bzw. wie akut eine Operation notwendig ist, wurden nicht vorgelegt. Im Eilverfahren wurde lediglich ein Schreiben des Klinikums … – Klinik für Neurochirurgie – vom 14.11.2017 vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass bei der Antragstellerin zu 1 eine neurochirurgische Behandlung sowie eine Operation erforderlich sei. Diesem Schreiben kann jedoch nichts zur Dringlichkeit der Operation und zum vorherigen medikamentösen Behandlungserfolg entnommen werden. Für das Gericht ist es auch in keinster Weise nachvollziehbar, warum ein für November 2017 vorgeschlagener Operationstermin auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 verschoben wurde. Offensichtlich stehen dieser Terminverschiebung auch keine medizinischen Bedenken entgegen, da das Klinikum … lediglich ausführt, ein angebotener Operationstermin sei auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 auf Februar 2018 verschoben wurden. Ein genaueres Operationsdatum wurde nicht genannt.
Somit erfüllt die aktuelle ärztliche Stellungnahme vom 14.11.2017 ebenfalls nicht die Voraussetzungen zur Darlegung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich bei einer Rückkehr in die Heimat alsbald wesentlich verschlechtern würde. Nachdem der Operationstermin offensichtlich ohne Weiteres und ohne nachvollziehbaren Grund verschoben wurde, ist zumindest gegenwärtig davon auszugehen, dass keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin zu 1 alsbald nach der Rückkehr nach China eintreten wird. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG sind daher gem. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG insoweit ebenfalls nicht erfüllt.
(4) Die Hyperprolaktinämie (Überschuss des Hormons Prolaktin im Blut, welches während der Schwangerschaft für das Wachstum der Brust und danach an der Milchbildung beteiligt ist), die offensichtlich von der Erkrankung der Hypophyse herrührt bzw. herrührte, rechtfertigt ebenfalls kein Abschiebungsverbot. Die Krankheit wurde medikamentös vom 09.09.2014 bis Ende 2015 behandelt (vgl. Attest … vom 14.06.2016). Nachdem das Attest am 14.06.2016 ausgestellt wurde, ist davon auszugehen, dass die Behandlung Ende 2015 erfolgreich beendet wurde. Jedenfalls fehlen jegliche Nachweise, dass die Antragstellerin zu 1 insoweit weiterhin in Behandlung ist. Im Übrigen dürfte es sich hierbei ohnehin nicht um ein lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG handelnbb) Anhaltspunkte für andere Abschiebungsverbote, insbesondere nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die Abschiebung der Antragsteller zu 2 bis 4 – zusammen mit ihrer Mutter – nach China stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar, nur weil die Kinder in Deutschland geboren wurden und bislang noch nie in China gelebt haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben