Medizinrecht

Verfahren wegen Hundesteuerbefreiung

Aktenzeichen  M 10 E 20.2165

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17008
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Befreiung von der Hundesteuer.
Die Antragstellerin ist Halterin eines Mischlingshunds. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. November 2016 wurde für den Hund zu Lasten der Antragstellerin eine jährliche Hundesteuer ab dem Jahr 2017 in Höhe von jährlich 52,00 EUR festgesetzt; die Fortgeltung der Festsetzung auch für die künftigen Jahre wurde angeordnet.
Mit Mahnschreiben der Antragsgegnerin vom 6. März 2020 wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Hundesteuer für das Jahr 2020 mit Fälligkeitsdatum 15. Februar 2020 noch nicht entrichtet worden sei.
Das Mahnschreiben wurde von der Antragstellerin zurückgeschickt. Handschriftlich wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin seit drei Jahren ALG II beziehe und die Befreiung von der Hundesteuer beantrage, solange bis sie kein Hartz IV mehr beziehe. Ihr Bankkonto sei bereits gesperrt worden. Einen Änderungsbescheid des Job-Center T. vom 19. März 2020 über vorläufige Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts legte die Antragstellerin bei.
Mit Schreiben vom 15. April 2020 und 15. Mai 2020 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass Erlass- oder Ermäßigungsgründe nach der geltenden Hundesteuersatzung nicht vorlägen. Es werde aber angeboten, die Hundesteuer im Rahmen der Ratenzahlung in der Vollstreckung in Raten von 10,00 EUR oder gar 5,00 EUR zu tilgen.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2020 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München beantragt,
eine einstweilige Verfügung und die Hundesteuerbefreiung bis sie kein ALG II mehr beziehe.
In der Satzung fehle eine Härtefallregelung für sozial Schwache und auch Schwerbehinderte seien dort benachteiligt. Laut einer in Abdruck beigefügten Mail-Nachricht an die Antragsgegnerin genüge für eine Hundesteuerbefreiung doch der Nachweis, dass Sozialleistungen bezogen würden. Die Gerichtsvollzieherin sei die letzten Jahre mehrmals erfolglos bei ihr gewesen. Die nächste Vermögensauskunft sei nächstes Jahr wieder fällig und es sei kein pfändbares Einkommen zu erwarten. Sie habe den Hund aus therapeutischen Gründen besorgt. Sie verdiene lediglich 450,00 EUR als Reinigungskraft.
Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2020 nahm die Antragsgegnerin Stellung. Die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2001 sehe keine Steuerbefreiung oder Steuererleichterung für sozial schwache Personen vor. Sonstige Steuerbefreiungstatbestände nach § 2 Hundesteuersatzung lägen nicht vor. Die Antragstellerin sei seit 5. November 2016 Besitzerin ihres Hundes. Für die Steuerjahre 2017 bis 2019 sei die Hundesteuer fristgemäß per Lastschrifteinzug beglichen worden. Ein Erlass nach § 227 AO scheide aus. Die Einziehung der Hundesteuer von jährlich 52,00 EUR stelle keine unbillige Härte dar. Der Antragstellerin sei mehrfach die Möglichkeit gegeben worden, von einer Stundung oder Ratenzahlung Gebrauch zu machen. Allein die Tatsache, dass sie derzeit Sozialleistungen nach dem SGB II beziehe, reiche für einen Erlass nicht aus.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 wies die Antragstellerin ergänzend darauf hin, dass sie wegen chronischer Krankheit zum 30. Juni 2020 gekündigt worden sei. Damit bestehe auch keine Möglichkeit auf Lohnpfändung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist unbegründet. Die begehrte Hundesteuerbefreiung würde zum einen eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen, zum anderen hat die Antragstellerin weder Anordnungsgrund noch -anspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
1. Im vorliegenden Fall wird eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden.
Das Gericht kann grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur im Hauptsacheprozess erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen, da mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar, ist es daher, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).
Bei der vorliegend beantragten Hundesteuerbefreiung ist von einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache auszugehen.
Eine Vorwegnahme der Hauptsache wäre nur ausnahmsweise möglich, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig wäre, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache sprechen würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14). Dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Insbesondere ist weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass ohne die Vorwegnahme der Hauptsache die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenz (vgl. hierzu: Happ in Eyermann, a.a.O., Rn. 66c) der Antragstellerin gefährdet wäre. Die Antragstellerin hat lediglich vorgetragen, derzeit ALG II zu beziehen bzw. ab 1. Juli 2020 gekündigt zu sein. Dieser pauschale Vortrag genügt aber nicht, um eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin annehmen zu können. Eine derartige Gefährdung ist auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die jährliche Hundesteuer nach der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin beträgt 52,00 EUR, die monatliche Belastung damit 4,33 EUR. Im Vergleich zum Aufwand, den die Antragstellerin für die Haltung ihres Hundes betreibt, z.B. für Hundefutter, Tierarzt, Pflege, ist dies ein nur marginaler Betrag. Die „Lebenshaltungskosten“ für den Mischlingshund der Antragstellerin dürften wesentlich höher sein als die anfallende Hundesteuer.
Das Gericht hat in anderen Verfahren betreffend Hundesteuererhebung die durchschnittlichen Kosten für die Haltung eines Hundes maßgeblich durch die laufenden Unterhaltskosten (insbesondere Futter, Versicherung, Zubehör, Impfkosten, sonstige Tierarztkosten usw.) bestimmt. So wurde regelmäßig davon ausgegangen, dass der jährliche Aufwand etwa 900,00 EUR bis 1.000,00 EUR beträgt (Studie „Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland“ von Prof. Dr. O. und Dr. Z. aus dem Jahr 2006, vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.144 – juris Rn. 25; B.v. 4.2.2019 – 4 ZB 18.399 – juris).
Das Magazin „Deine Tierwelt“ geht aktuell davon aus, dass bei Anschaffung eines Hundes im ersten Jahr durchschnittliche Gesamtkosten bis über 3.000,00 EUR entstehen; in den Folgejahren, in denen die Anschaffungskosten und Kosten für Erstausstattung nicht mehr anfallen, seien monatlich 100,00 EUR bis 200,00 EUR einzukalkulieren, jährlich also 1.200,00 EUR bis 2.400,00 EUR (www.deine-tierwelt.de/magazin/anschaffung-grundausstattung-was-kostet-ein-hund).
Auf der Website einer Tierversicherung (www.petplan.de/hund-und-kosten-wie-viel-kostet-ein-hund) wird von regelmäßigen jährlichen Kosten für Hundefutter, Gesundheitsversorgung und Haftpflichtversicherung ein Betrag von zusammengerechnet 750,00 EUR bis 1.400,00 EUR angesetzt. Wenn man zugrunde legt, dass die Antragstellerin, auch wenn sie sparsam wirtschaftet, doch erhebliche Aufwendungen für ihren Hund tätigen muss, fällt demgegenüber die Hundesteuerbelastung nicht so erheblich ins Gewicht, dass man von einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz sprechen könnte.
2. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Eine unmittelbar bevorstehende Vollstreckung durch die Antragsgegnerin ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Zudem wäre für diesen Fall einstweiliger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung zu beantragen anstelle einer Befreiung von der Hundesteuer. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin angeboten, die Hundesteuer im Rahmen einer Ratenzahlung zu tilgen. Aufgrund ihrer derzeitigen Situation würde die Antragsgegnerin auch kleinen Raten von monatlich 10,00 EUR oder gar 5,00 EUR zustimmen.
3. Zudem ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Ein Anspruch auf Befreiung, der in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen wäre, ergibt sich nicht unmittelbar aus der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2001. Von der Gültigkeit dieser Satzung ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auszugehen, es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Satzung insgesamt oder einzelner Bestimmungen. Nach § 2 Hundesteuersatzung ist das Halten bestimmter Hunde steuerfrei. Die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen sind unstrittig nicht erfüllt. In § 6 Hundesteuersatzung ist eine Ermäßigung der Steuer um die Hälfte für Hunde in Einöden und Weilern und für Hunde, die im Wesentlichen zur Ausübung der Jagd gehalten werden, vorgesehen. Auch diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind unstrittig nicht gegeben.
Es bleiben Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO und § 227 AO möglich, auf die Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) und Nr. 5 a) KAG verweisen. Danach können Steuern niedriger festgesetzt werden oder Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Eine Unbilligkeit kann sich dabei aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben.
Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Mit dem Instrument des Erlasses soll Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung getragen werden, welche der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2009 – 4 BV 07.498 – juris).
Für den vorliegenden Fall gibt es hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Die Antragstellerin macht solche auch nicht geltend, sondern verweist auf ihre schwierige finanzielle Lage.
Die Erhebung einer Steuer ist aus persönlichen Gründen unbillig, wenn der Steuerpflichtige erlasswürdig und -bedürftig ist. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung der Steuer die Fortführung der persönlichen wirtschaftlichen Existenz gefährden, d.h. wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde (BVerwG, U.v. 23.8.1990 – 8 C 42/88 – juris). Eine solche Erlassbedürftigkeit ist für die Antragstellerin ebenfalls nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur relativen Geringfügigkeit der Hundesteuerforderung gegenüber dem Aufwand für die Haltung des Hundes verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 Streitwertkatalog 2013.


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