Medizinrecht

Verkehrssicherungspflichtverletzung der Gemeinde bei Verbrennen der Fußsohlen eines Kindes durch Betreten einer aufgeheizten Metallrampe am Badesee

Aktenzeichen  23 O 457/16

Datum:
13.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135568
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 23, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
GG Art. 34
BGB § 249, § 253 Abs. 2, § 254 Abs. 2 S. 2, § 278, § 831, § 839
GVG § 71 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Betreibt die öffentliche Hand einen Badesee, bei dem ein Toilettencontainer aufgestellt ist, der über eine Metallrampe zu erreichen ist, so stellt es gegenüber Kindern, die altersgemäß noch nicht in der Lage sind, eine entsprechende Gefahr zu erkennen, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung dar, wenn diese Metallrampe nicht gegen Sonneneinstrahlung geschützt ist, sodass sich ein die Metallrampe barfuß betretendes Kind die Fußsohlen verbrennen kann. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine in einer Satzung vorgenommene Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit kann nicht zu einer Beschränkung der Haftung nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG führen. Eine Amtshaftung kann nur durch ein förmliches Gesetz beschränkt werden; Beschränkungen in Satzungen bedürfen einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung. Die Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber für bestimmte kommunale Einrichtungen den Anschluss- und Benutzungszwang durch Satzung zu regeln, reicht hierfür nicht aus (vgl. BGH NJW 1973, 1741 = BGHZ 61,7). Auch Art. 23 und Art. 24 BayGO stellen keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es stellt keine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern dar, wenn das Kind an einem Badesee auch barfuß die Toilette aufsuchen möchte und wenn die Eltern das Kind dorthin begleiten, es aber zwei bis drei Meter vor ihnen läuft. Denn die aufsichtspflichtige Person muss das Kind lediglich im Blick haben und darf sich nicht so weit entfernen, dass sie bei erkennbarer Gefahr nicht mehr eingreifen und möglichen Schaden verhindern kann. Die Eltern mussten vorliegend nicht damit rechnen, dass auf dem Weg zur Toilette Metallrampen benutzt werden, die sich wegen der Sonneneinstrahlung massiv aufheizen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.061,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.07.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung der Rechtsanwälte … wegen ihrer außergerichtlichen Tätigkeit in Höhe von 201,71 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 21 % und die Beklagte 79 % mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die ursprüngliche Inanspruchnahme des unzuständigen Amtsgerichts … entstanden sind, die die Klägerin allein zu tragen hat.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.340,30 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
A) Zulässigkeit
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Coburg örtlich und sachlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, worunter nicht nur Klagen gegen Richter und Beamte wegen Amtspflichtverletzungen fallen, sondern auch Klagen aus Amtspflichtsverletzungen von sonstigen Amtsträgern, auch wenn sie nicht gegen diese selbst, sondern gegen den haftenden Dienstherren gerichtet werden, Art. 34 GG, vergl. Lückemann in Zöller, ZPO, 29. Aufl., Rdnr. 5 zu § 71 GVG. Voraussetzung ist lediglich hoheitliches Handeln des Amtsträgers im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Pflicht. Dies ist vorliegend gegeben, da die Beklagte den Unfallort …see als öffentliche Einrichtung betreibt und die Benutzung durch Satzung auf Grundlage der Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BayGO geregelt hat. Zudem hat sich die Beklagte rügelos eingelassen, sodass eine Zuständigkeit auch nach § 39 ZPO gegeben wäre. Die Verweisung durch das Amtsgericht … ist zudem bindend, § 281 Abs. 2 ZPO.
B) Begründetheit
Die Klage ist in der tenorierten Höhe begründet, nämlich betreffend das Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € und bezüglich des geltend gemachten materiellen Schadens in Höhe von 61,80 €. Der Klägerin steht insoweit ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 839, 249, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
I. Verkehrssicherungspflichtverletzung
Die Beklagte hat durch die fehlende Abdeckung der Metallrampe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
1. Die Beklagte hat durch Eröffnung eines Verkehrs, nämlich durch den Betrieb des …sees als öffentliche Einrichtung, der mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter verbunden ist, eine Gefahrenlage geschaffen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Die der Beklagten obenliegende Verkehrssicherungspflicht führt jedoch nicht zu einer Verkehrssicherungspflicht, die jedwede Schädigung schlechthin ausschließt. Sie muss lediglich Vorkehrungen zur Verhinderung von Gefahren treffen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung einer Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, d.h. die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen, vgl. BGH, NJW 1985, 1076; BGH, NJW 1978, 1629. Der Dritte ist hierbei nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt, erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann, wobei allerdings Besonderheiten sowohl in der Person des Pflichtigen wie des Gefährdeten bedeutsam sein können. Geschützt sind im Grundsatz diejenigen Personen, mit deren Gefährdung der Pflichtige üblicherweise rechnen muss, also Personen, die sich befugt in dem sicherungspflichtigen Gelände aufhalten. Grundsätzlich nicht geschützt sind hingegen Personen, die sich unbefugt verhalten und zwar in einer Weise, die der Pflichtige ausschließen durfte und erkennbar ausgeschlossen hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich eine Gefahr verwirklicht, die auch bei einem Befugten eingetreten wäre oder wenn der Pflichtige erfahrungsgemäß mit einer bestimmungswidrigen Nutzung oder dem Fehlverhalten Dritter, insbesondere Kindern, rechnen muss, soweit es nicht um die Verhinderung von Schäden geht, die nur bei Verletzung der Aufsichtspflicht der zuständigen Person eintreten können, vgl. zum Ganzen mit Rechtsprechungsnachweisen: Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, Rdnr. 47 zu § 823.
2. a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzuhalten, dass es – worauf die Beklagte zurecht hinweist – für jeden Erwachsenen erkennbar ist, dass bei Metallplatten, die der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, die Gefahr einer erheblichen Erhitzung besteht, sodass das Betreten ohne Schuhe mit Gesundheitschädigungen verbunden sein kann. Dies war natürlich aber im Umkehrschluss selbstverständlich auch für die Beklagte erkennbar. Dass die Metallrampe im Lieferumfang des Containers bei Bestellung enthalten war und der Lieferant keinen Hinweis darauf gegeben hat, dass die Rampe abgedeckt werden muss, kann die Beklagte nicht entlasten. Dies insbesondere bereits deshalb nicht, weil der Lieferant eines solchen Containers keine Kenntnis davon haben kann, dass dieser im Bereich einer Freiluftbadeeinrichtung aufgestellt werden soll, bei der mit einem barfüßigen Betreten der Besucher zu rechnen ist und dass bei dem konkreten Aufstellort mit einer Sonneneinstrahlung zu rechnen ist. Es handelt sich um einen handelüblichen WC-Container, der auch bei sonstigen öffentlichen Veranstaltungen verwendet werden könnte, bei denen von vornherein ein barfüßiges Betreten nicht in Betracht kommt. Dass es sich speziell um einen Container für Badeeinrichtungen handelt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die Gefahr hier vor sich selbst warne, weil es allgemein bekannt sei und auf der Hand liege, dass Metall sich bei Sonneneinstrahlung erhitzt; mag dies für einen Erwachsenen zutreffen. Wie die Beklagte jedoch richtig darstellt, wird der …see auch von Kindern benutzt, die zum befugten Benutzerkreis gehören. Bei der Nutzung durch Kinder sind jedoch andere Maßstäbe als bei Erwachsenen anzusetzen. Es geht vorliegend auch nicht um die Verhinderung von Schäden, die nur bei Verletzung der Aufsichtspflicht der zuständigen Person eintreten können. Der …see wird nicht nur von Kleinkindern benutzt, die grundsätzlich von aufsichtspflichtigen Personen an Ort und Stelle beaufsichtigt werden müssen, sondern auch von älteren Kindern, die jedenfalls von ihren Eltern beim Gang zur Toilette nicht mehr begleitet werden müssen. Aber auch von Kindern, die nicht mehr ständig beaufsichtigt werden müssen, die insbesondere ohne Aufsicht die Toilette aufsuchen können, kann nicht erwartet werden, dass diese – entsprechend einem Erwachsenen – ohne weiteres erkennen, dass von einer Metallplatte, die der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, die Gefahr von Verbrennungen ausgeht, wenn diese barfuß betreten wird. Auch ältere Kinder im Vorschul- oder Grundschulalter sind erfahrungsgemäß unbesonnener, leichtsinniger und sich gewisser Gefahren wegen mangelnder Erfahrungswerte noch gar nicht so bewusst wie ein Erwachsener. Schon deshalb liegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vor. Eine solche ist nach Auffassung des Gerichts abstrakt auf den gesamten Benutzerkreis, mit dem üblicherweise gerechnet werden muss, zu definieren und kann nicht abhängig von der jeweils geschädigten Person festgestellt werden. Es mag daher sein, dass die Verkehrssicherungspflicht ihre Grenzen dort findet, wo es um die Verhinderung von Schäden geht, die nur bei Verletzung der Aufsichtspflicht der zuständigen Person eintreten können. Im vorliegenden Fall ist dies gerade nicht so. Insoweit kann es nicht darauf ankommen, dass die Klägerin erst Jahre und Monate alt war und die Mutter der Klägerin möglicherweise ihre Aufsichtspflicht verletzt hat, was nicht entscheidungserheblich ist und dahinstehen kann. Die sich bei der Klägerin verwirklichte Gefahr hätte genauso auch bei einem sonstigen Befugten, nämlich einem nicht mehr aufsichtspflichtigen Kind, beispielsweise im Vorschul- oder im Grundschulalter, eintreten können. Dies war für die Beklagte erkennbar; eine solche Benutzung durfte sie nicht von vornherein ausschließen, sondern musste Vorkehrungen hierfür treffen. Es ist bei der Benutzung eines Badesees auch zum Aufsuchen von Bistro oder Toiletten durchaus üblich und nicht ungewöhnlich, dass die Badegäste dies barfuß tun. Jedenfalls ist mit dem Barfußlaufen von Badegästen zu rechnen, insbesondere auch von eher unaufmerksamen und leichtsinnigen Kindern, die nicht mehr der dauernden Beaufsichtigung bedürfen.
II. Rechtswidrigkeit und Verschulden
Die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten erfolgte auch rechtswidrig und schuldhaft.
Die Rechtswidrigkeit wird indiziert.
Auch ein Verschulden liegt vor, nämlich jedenfalls Fahrlässigkeit. Für die Beklagte, die wusste, dass der …see auch von Kindern jeden Alters benutzt wird, war es offensichtlich erkennbar und vorhersehbar, dass die Rampe – jedenfalls zeitweise – der ungeschützten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist und es beim Betreten der erhitzten Rampe beispielsweise durch unaufmerksame, nicht mehr aufsichtspflichtige Kinder zu Verbrennungen kommen kann.
Die insoweit von der Beklagten ins Feld geführte Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in § 10 der Satzung über die Benutzung des … sees kann nicht zu einer Beschränkung der Haftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG führen. Die Amtshaftung kann lediglich durch Bundesgesetz und – soweit es um die Amtshaftung der Körperschaften geht – auch durch Landesgesetz beschränkt werden. Erforderlich ist ein förmliches Gesetz; Beschränkungen in Satzungen bedürfen der gesetzlichen Ermächtigung, vgl. BGH, Urteil vom 17.05.1973, Az.: III ZR 68/71, BGH Urteil vom 07.07.1983, Az.: III ZR 119/82. Ein Haftungsausschluss durch kommunale Satzung kommt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen, für Amtshaftungsansprüche jedoch grundsätzlich nicht in Betracht. Die als Amtspflicht ausgestaltete Verkehrssicherungspflicht kommunaler Einrichtungen kann ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung durch Ortssatzung nicht beschränkt werden. Die Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber beispielsweise, für bestimmte kommunale Einrichtungen den Anschluss- und Benutzungszwang durch Satzung zu regeln, reicht hierfür nicht aus, so BGH, Urteil vom 17.05.1973, Az.: III ZR 68/71. Auch in Art. 23, 24 BayGO fehlt es an einer solchen Ermächtigung. Dort ist lediglich geregelt, dass in den Satzungen die Gemeinden die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtung regeln können, ohne dass eine ausdrückliche Ermächtigung für Haftungsbeschränkungen betreffend Amtshaftungsansprüche vorgesehen ist.
III. Gesundheitsverletzung
Das Gericht ist überzeugt davon, dass sich die Klägerin am 05.07.2015 durch das barfüßige Betreten der streitgegenständlichen Metallrampe Verbrennungen zugezogen hat. Dies ergibt sich zum einen aus den glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin … im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung am 22.11.2016. Diese Angaben werden gestützt von den vorgelegten Attesten, Anlagen K4 und K7. Dort bestätigt zum einen der Facharzt für Allgemeinmedizin … eine Verbrennung Grad 2a der Knöchelregion des Fusses beidseits am 06.07.2015 mit großflächiger Blasenbildung im Bereich des Vorfußes plantarseitig beidseits sowie eine Wiedervorstellung am 10.07.2015. Die Regiomed-Klinik Coburg bestätigt darüber hinaus, dass die Klägerin am 05.07.2015 dort in Behandlung war und Verbrennungen 1. Grades an den Fußsohlen beidseits diagnostiziert worden sind. Unter „Anamnese“ ist dort festgestellt: „Die kleine Patientin ist barfuß am Baggersee auf eine heiße Metallplatte getreten. Tetanusschutz intakt.“ Als Behandlungszeit wurde 13.35 Uhr aufgenommen. Es wurde ein Wundverband mit Lavasept angelegt und im weiteren Schonen und Kühlen sowie tägliche Wundkontrollen durch den Kinderarzt verordnet.
IV. Mitverschulden
Ein etwaiges Mitverschulden ihrer Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht muss sich die Klägerin nicht anrechnen lassen. Ein solches Mitverschulden kann sich, da es sich nicht um ein eigenes Verschulden der noch nicht einmal …-jährigen Klägerin handelt, lediglich aus § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 278 bzw. § 831 BGB in entsprechender Anwendung ergeben, vgl. Grüneberg in Palandt, 73. Aufl. 2014, BGB, Rdnr. 48 zu § 254. § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB ist wie ein dritter Absatz zu lesen und daher auch auf den haftungsbegründenden Vorgang anzuwenden. § 278 BGB kann insoweit entsprechend für Mitverschulden gesetzlicher Vertreter und Erfüllungsgehilfen beim Bestehen vertraglicher Beziehungen oder rechtlicher Sonderverbindungen angewendet werden, auch wenn der Verletzte seinen Anspruch auf Delikt oder Gefährdung stützt.
Es mag sein, dass die Benutzung des Badesees, die durch Satzung geregelt ist, eine rechtliche Sonderverbindung mit Schutz-, Rücksichtnahme- und Verhaltenspflichten darstellt. Eine Aufsichtspflichtverletzung der gesetzlichen Vertreter der Klägerin liegt jedoch nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht vor. Nach den glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin … haben beide Elternteile ihre Tochter zur Toilette begleitet. Die Klägerin war nur etwa zwei bis drei Meter ihren Eltern voraus, sodass sie diese jedenfalls im Blick hatten. Besondere Umstände, die ein Barfußlaufen als besonders gefährlich hätten erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist es an einem Badesee üblich und nicht per se pflichtwidrig, barfuß zu laufen. Zwar sind Aufsichtspflichtige eines Kleinkindes verpflichtet, dieses außerhalb der Wohnung oder des umfriedeten Grundstücks an Ort und Stelle zu beaufsichtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Kind ständig an der Hand oder in unmittelbarer greifbarer Nähe der aufsichtspflichtigen Person sein muss. Die aufsichtspflichtige Person muss das Kind lediglich im Blick haben und darf sich nicht so weit von ihm entfernen, dass es bei erkennbarer Gefahr nicht mehr eingreifen und möglichen Schaden nicht mehr verhindern kann, das Kind also beispielsweise warnen oder erreichen und zurückhalten kann. Wie weit die konkrete Aufsichtspflicht geht, hängt auch vom konkreten Umfeld und von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Wie bereits oben ausgeführt, müssen Benutzer des …sees aufgrund der Gefährlichkeit vor allem für nicht mehr an Ort und Stelle zu beaufsichtigende Kinder nicht damit rechnen, dass auf dem Weg zur Toilette Metallrampen benutzt werden müssen, die sich wegen Sonneneinstrahlung derart aufheizen, dass mit Fußverbrennungen zu rechnen ist. Auch die gesetzlichen Vertreter der Klägerin mussten daher nicht mit einer solchen Gefahr rechnen.
Im Übrigen wäre die Beklagte vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet für ein Mitverschulden gewesen, d.h. die Beklagte müsste darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass die Aufsichtspflichtigen im konkreten Fall – nämlich bei einer Entfernung von etwa zwei bis drei Metern zur Klägerin – die Gefahr noch rechtzeitig hätten erkennen und die Klägerin auch noch rechtzeitig vor Betreten der Metallrampe zurückhalten können. Allein in der Entfernung zwischen der Klägerin und ihren Eltern von wenigen Metern kann jedenfalls noch keine Aufsichtspflichtverletzung erkannt werden.
V. Schaden
1. Das Gericht hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € für angemessen. Dabei hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Nach den glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin waren die Verbrennungen nach etwa drei Wochen vollständig abgeheilt. Ob es sich um Verbrennungen ersten oder zweiten Grades gehandelt hat, ist hier eher nebensächlich. Jedenfalls steht aufgrund der Atteste für das Gericht fest, dass es sich um eine großflächige Blasenbildung im Bereich der Ballen beidseitig gehandelt hat, was auch von der Mutter der Klägerin bestätigt wurde. Diese bestätigte weiterhin, dass die Klägerin jedenfalls anfänglich unter erheblichen Schmerzen gelitten hat, was angesichts des Alters der Klägerin durchaus nachvollziehbar ist. Es handelt sich um ein knapp …-jähriges Kleinkind mit Bewegungsdrang, welcher aufgrund der Verbrennung an den Fußsohlen deutlich eingeschränkt war. Weiterhin gab die Mutter der Klägerin an, dass diese anfangs auch schlecht laufen konnte, nach kurzen Strecken über schmerzende Füße klagte und getragen werden wollte. Für eine Woche musste ein Wundverband angelegt werden. Auf der anderen Seite war zu sehen, dass sich das Verschulden der Beklagten auf eine allenfalls mittlere Fahrlässigkeit beschränkte. Im Ergebnis unter Berücksichtigung aller Umstände waren 1.000,00 € Schmerzensgeld angemessen.
2. Der geltend gemachte materielle Schaden war vollumfänglich zuzusprechen. Insoweit hat die Beklagte lediglich die Kosten vom 16.07.2015 über 33,30 €, Anlage K7, bestritten, da laut dem ärztlichen Attest des Herrn … ab 10.07.2015 keine Wundverbände mehr nötig gewesen seien. Insoweit hat die Mutter der Klägerin im Rahmen der informatorischen Anhörung glaubhaft angegeben, dass es sich bei diesem Rezept vom 16.07.2015 um sog. Gelpflaster handelte, die anstelle des Wundverbandes noch auf die Wunden aufgebracht wurden, nachdem kein Wundverband mehr erforderlich war. Dass diese Kosten jedenfalls aus Sicht der Klägerin erforderlich waren, ergibt sich auch bereits daraus, dass diese Gelpflaster offensichtlich von dem behandelnden Arzt … mittels eines Privatrezeptes ärztlich verordnet wurden. Die übrige Zuzahlung zu Medikamenten in Höhe von weiteren 6,50 € und die Fahrtkosten sind unstreitig.
3. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die Teil des Schadensersatzanspruchs sind, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich war. Unter Zugrundelegung eines berechtigten Hauptanspruchs von 1.061,60 € und einer 1,3-Geschäftsgebühr sind vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € angefallen und waren antragsgemäß zuzusprechen.
4. Die Klägerin hat ebenfalls Anspruch auf Prozesszinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
C) Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.


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