Medizinrecht

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Aktenzeichen  M 26b E 20.6848

Datum:
29.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38363
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EQV § 1
EQV § 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller streben im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Befreiung von der Verpflichtung zur häuslichen Absonderung, die sie als Reiserückkehrer trifft, an.
Am … Dezember 2020 erhoben sie „Einspruch gegen die Einreise-Quarantäneverordnung vom 5. November 2020“ und beantragten gleichzeitig
„die sofortige Befreiung von der Verpflichtung der häuslichen Quarantäne“.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Einhaltung einer häuslichen Quarantäne von 10 Tagen unverhältnismäßig sei. Der 7-Tagesinzidenzwert habe in ihrem Urlaubsort Gran Canaria stets unter dem Grenzwert von 50 gelegen. Aktuell liege er bei 31,37. Der Wert in M. habe dagegen stets über 50 gelegen, aktuell liege er bei 145,4. Der verpflichtende Test für Einreisende aus Risikogebieten sei negativ gewesen. Die Flüge seien Direktflüge gewesen. Zur Minimierung des Ansteckungsrisikos hätten sie einen Leihwagen benutzt sowie ein Apartement zur Selbstverpflegung und einen freien Mittelsitz im Flugzeug gehabt. Die strengen Corona-Vorschriften im Zielland, unter anderem die generelle Maskenpflicht, hätten sie immer eingehalten.
Der Antragsgegner sieht eine Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegeben und erklärte sein Einverständnis mit einer Verweisung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Angesichts der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ergeht die Entscheidung nach § 123 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 80 Abs. 8 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Vorsitzende.
Der Antrag ist bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet und war daher abzulehnen.
1. Auf Antrag kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung u.a. nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Mit dem Eilantrag sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund geltend und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
2. Das Gericht geht aufgrund der Ausführungen der Antragsteller in der Antragsschrift davon aus, dass sie mit ihren Anträgen nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Rahmen der Entscheidung über die Gültigkeit von Vorschriften der EQV begehren, für die nicht das Verwaltungsgericht München, sondern der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zuständig wäre, sondern die vorläufige Feststellung erreichen möchten, dass sie von der Verpflichtung zur Absonderung nach § 1 Abs. 1 EQV befreit werden, da für ihren konkreten Fall eine Ausnahmeregelung greift oder aber ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 4 EQV besteht. Für beide Rechtsschutzvarianten ist der Antrag nach § 123 VwGO statthaft.
3. Die so verstandenen Anträge sind bereits unzulässig, im Übrigen aber unbegründet.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Quarantänemaßnahmen für Einreisende zur Bekämpfung des Coronavirus (Einreise-Quarantäneverordnung – EQV) vom 5. November 2020, zuletzt geändert durch § 29a der Verordnung vom 8. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 711) sind Personen, die in den Freistaat Bayern einreisen und sich innerhalb von zehn Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet nach Abs. 5 aufgehalten haben, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete, eine Absonderung ermöglichende Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von zehn Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern.
In § 2 Abs. 1 bis 3 EQV sind für bestimmte Personengruppen gesetzliche Ausnahmen von dieser Verpflichtung vorgesehen. Nach § 2 Abs. 4 EQV kann in begründeten Fällen die zuständige Behörde auf Antrag weitere Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes erteilen.
Es fehlt schon am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge. Es besteht grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung, wenn nicht zuvor zumindest versucht worden ist, das entsprechende Ziel direkt bei der Verwaltung zu erreichen (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – juris Rn. 22-26; BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 14.1449 – juris Rn. 2). Eine vorherige Befassung der bzw. ein Antrag bei der zuständigen Behörde stellt im gerichtlichen Verfahren eine nicht nachholbare Prozessvoraussetzung dar. Die Tatsache der Vorbefassung hat der Antragsteller darzutun.
Ausgehend hiervon haben die Antragsteller weder den Antragsgegner zu 1 noch die für Erteilung einer Ausnahme nach § 2 Abs. 4 EQV nach § 65 Satz 1 ZustV zuständige Kreisverwaltungsbehörde, die Antragsgegnerin zu 2, vorbefasst. Ein streitiges Rechtsverhältnis über die Befreiung von den Vorgaben der EQV zwischen dem Antragsteller und dem jeweiligen Antragsgegner kann insofern gar nicht bestehen.
4. Die Anträge sind im Übrigen auch unbegründet. Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf glaubhaft gemacht, dass vorläufig festgestellt wird, dass sie von der Verpflichtung zur häuslichen Absonderung nach § 1 Abs. 1 EQV befreit sind. Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 1 bis 3 EQV zu ihren Gunsten greifen nicht ein. Insbesondere befreit ein negativer Testnachweis, der gemäß Nummer 1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (AV Testnachweis von Einreisenden) vom 22. Dezember 2020, Az. GZ6a-G8000-2020/122-771 i.V.m. § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 4. November 2020 vorgelegt wird, nicht von der Absonderungsverpflichtung. Auch genügt für die streitgegenständliche Verpflichtung die Einordnung eines Einreiselandes als Risikogebiet im Sinne des § 1 Abs. 5 EQV, ohne dass es darauf ankommt, ob die dort geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorschriften strenger als die in Bayern geltenden sind, oder welche individuellen Vorsichtsmaßnahmen die Betroffenen sonst getroffen haben.
Auch ein Anspruch auf ausnahmsweise Befreiung nach § 2 Abs. 4 EQV besteht der Sache nach nicht, da hierfür ein „triftiger Grund“ Voraussetzung ist, der nicht vorliegt. Solche triftigen Gründe können jedenfalls nicht die von den Antragstellern vorgebrachten Tatsachen begründen, da diese naturgemäß von einer Vielzahl von Reiserückkehrern geltend gemacht werden könnten, was die Ausnahmeregelung als solche ad absurdum führen würde. So können eine Vielzahl von Reiserückkehrern glaubhaft machen, die Inzidenzzahlen würden im Vergleich zu dem besuchten Reisegebiet an ihrem Rückkehrort höher sein, im Ausland herrschten strengere infektionsschutzrechtlichen Vorschriften und sie hätten individuell auf die Einhaltung von Vorsichts- und Hygienemaßnahmen geachtet. Aus diesem Grund hat das Gericht auch davon abgesehen, den Antrag der Landeshauptstadt M. als in diesem Rahmen passivlegitimierter Antragsgegnerin zuzustellen, da diese auch noch nicht mit dem Begehren befasst gewesen ist, weswegen auch diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (s.o. unter 3.).
Das Gericht sieht im Rahmen der vorliegenden – bereits unzulässigen – Eilanträge keinen Anlass, eine inzidente Überprüfung der einschlägigen Vorschriften der EQV vorzunehmen. Dies muss einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. dazu auch der Beschluss des BayVGH vom 3. Dezember 2020, Az. 20 NE 20.2749, der es bei offenen Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags im Rahmen einer Folgenabwägung abgelehnt hat, die §§ 1 und 3 EQV durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen).
Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass gemäß § 3 EQV die Pflicht zur Absonderung vorzeitig, frühestens jedoch ab dem fünften Tag nach der Einreise, endet, wenn die betroffene Person über ein negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit Coronavirus SARS-CoV-2 auf Papier oder in einem elektronischen Dokument verfügt und sie dieses der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde auf Verlangen unverzüglich vorlegt. Dabei muss sich das Testergebnis auf eine molekularbiologische Testung stützen, die frühestens 5 Tage nach der Einreise nach Deutschland erfolgt ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.1.3, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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