Medizinrecht

Voraussetzungen der Verzinsung eines Beitragserstattungsanspruchs

Aktenzeichen  L 19 R 440/17

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46876
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 27 Abs. 1 S. 1, § 126

 

Leitsatz

1. Das Verwaltungsverfahren zur Erstattung von Beiträgen ist ein gesondertes Verfahren, das durch den Statusfeststellungsantrag oder den Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid nicht in Gang gesetzt wird. (Rn. 24)
2. Das Erstattungsverfahren kann auch nicht als bloßer Annex des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des Status angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um zwei getrennte Verwaltungsverfahren, wobei das Verwaltungsverfahren zur Erstattung der Beiträge erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des sozialrechtlichen Status durchgeführt werden kann. (Rn. 24)
3. Aus einem Verfahren der Statusfeststellung kann nicht automatisch geschlossen werden, der Betroffene werde bei der von der Einzugsstelle getroffenen Feststellung, dass mangels Versicherungspflicht Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien, in jedem Fall automatisch ebenfalls die umfassende Erstattung aller in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entrichteten Beiträge geltend machen. (Rn. 24)

Verfahrensgang

S 20 R 287/12 2016-01-29 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.01.2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 7.291,10 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der dem Kläger erteilte Bescheid der Beklagten vom 07.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat zutreffend die Verzinsung des Erstattungsanspruches abgelehnt.
Rechtsgrundlage für die Verzinsung des Erstattungsanspruches ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Für die Verzinsung des Erstattungsanspruches ist der beklagte Rentenversicherungsträger zuständig (§§ 126 ff. SGB VI; eine andere Vereinbarung iSd. § 211 Satz 1 SGB VI wurde nicht getroffen). § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bestimmt, dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags, beim Fehlen eines Antrags nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Erstattung bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier von Hundert zu verzinsen ist. Vorliegend ist der Erstattungsantrag am 03.02.2009 bei der zuständigen Einzugsstelle eingegangen. Die Verzinsung endet mit Ablauf des Kalendermonats, der dem Kalendermonat vorausgeht, in dem der Berechtigte über den Erstattungsbetrag verfügen konnte. Da die Einzugsstelle den Erstattungsbetrag am 11.02.2009 zur Zahlung angewiesen hat und damit dieser im gleichen Monat zur Auszahlung gekommen ist, kann die Verzinsung des Erstattungsanspruches nicht beansprucht werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist hinsichtlich des Einganges des Erstattungsantrages nicht auf das Eingangsdatum des Statusfeststellungsantrages vom 31.08.2005 oder des Widerspruches vom 05.12.2005 gegen den Bescheid vom 10.11.2005 abzustellen. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob oder zu welchem Zeitpunkt ein vollständiger Erstattungsantrag vorlag. Denn das Erstattungsverfahren ist ein gesondertes Verfahren, das durch den Statusfeststellungsantrag oder den Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid nicht in Gang gesetzt wird. Das Verwaltungsverfahren zur Erstattung von Beiträgen kann auch nicht als bloßer Annex des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des Status angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um zwei getrennte Verwaltungsverfahren, wobei das Verwaltungsverfahren zur Erstattung der Beiträge erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des sozialrechtlichen Status durchgeführt werden kann (BSG, Urteil vom 05.03.2014 – B 12 R 1/12 R, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2011 – L 4 R 4672/10, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 07.12.2011 – L 2 R 335/11, juris; LSG Bayern, Urteil vom 27.04.2016 – L 10 AL 201/15, juris; LSG NRW, Urteil vom 31.01.2017- L 14 R 512/15, juris). Auch ein „stilschweigender“ Antrag auf Beitragserstattung kann nicht angenommen werden. Das BSG führt hierzu in der Entscheidung vom 05.03.2014 aus, aus einem Verfahren der Statusfeststellung könne nicht automatisch geschlossen werden, der Betroffene werde bei der von der Einzugsstelle getroffenen Feststellung, dass mangels Versicherungspflicht Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien – in jedem Fall automatisch ebenfalls die umfassende Erstattung aller in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entrichteten Beiträge geltend machen. Vielmehr habe der Betroffene gerade in Bezug auf die Rentenversicherungsbeiträge Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. kein Verzicht auf Beanstandungsschutz mit der Rechtsfolge des § 26 Abs. 1 S. 2 SGB IV, Umwandlung in freiwillige Beiträge gemäß § 202 SGB VI), die im wohlverstandenen Eigeninteresse zuvor entsprechende Überlegungen erfordern.
Zwar kann im Einzelfall bei entsprechender Auslegung auch in einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid oder in einer unter Vorbehalt erfolgten, unfreiwilligen Erfüllung einer Beitragsforderung zugleich ein Erstattungsantrag gesehen werden, selbst wenn die Beiträge zu dieser Zeit noch nicht entrichtet waren (vgl. BSG, Urteil vom 16.04.1985 – 12 RK 19/83, juris; BSG, Urteil vom 26.06.1986 – 7 Rar 121/84; BSG, Urteil vom 26.06.1986 – 2 RU 25/85; BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 LW 1/16 R). Bei dem Bescheid der Beklagten vom 10.11.2005 handelte es sich aber gerade nicht um einen Beitragsbescheid. Vielmehr stellte die Beklagte damit im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens des Klägers fest, dieser habe in der Zeit ab 01.01.2005 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und damit u.a. auch der Rentenversicherungspflicht unterlegen. Wie oben ausgeführt, ist das Verwaltungsverfahren zur Erstattung von Beiträgen außerdem nicht als bloßer Annex des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des Status anzusehen; es handelt sich vielmehr um zwei getrennte Verwaltungsverfahren. Dass die Beiträge unter Vorbehalt erfolgten und darin ein Erstattungsantrag gesehen werden könnte, hat der Kläger weder dargetan noch nachgewiesen.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Zinsanspruch auch nicht auf andere Vorschriften oder Rechtsinstitute gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 16.04.1985 – 12 RK 19/83, juris). Die Verzinsung eines Anspruchs auf Erstattung von Beiträgen ist in § 27 SGB IV abschließend geregelt.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 154, 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger gehört nicht zum privilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Gemäß § 154 Abs. 1, 2 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Der Streitwert wird auf 7.291,10 € festgesetzt (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz).


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