Medizinrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen das “2-G-Zugangsmodell” für nicht privilegierte Geschäfte des Einzelhandels

Aktenzeichen  3 R 216/21

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0111.3R216.21.00
Normen:
§ 47 Abs 6 VwGO
§ 28a Abs 5 IfSG
§ 28a Abs 7 Nr 4 IfSG
§ 28a Abs 1 Nr 14 IfSG
§ 28a Abs 8 IfSG
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Die Zugangsbeschränkung für Einrichtungen des nicht privilegierten Einzelhandels auf Personen, die eine Impfung oder Genesung nachweisen (sog. 2-G-Zugangsmodell), und die damit einhergehende Kontrollpflicht des jeweiligen Einrichtungsverantwortlichen finden aller Voraussicht nach in § 32 Satz 1 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 Nr. 14 IfSG eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.(Rn.33)
2. Der Verordnungsgeber durfte die Zugangsbeschränkung zu Geschäften des Einzelhandels und deren Kontrolle durch die Betreiber nach summarischer Prüfung auch als gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG notwendig ansehen; insbesondere wird voraussichtlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.(Rn.45)
3. Eine Pflicht zum Tragen einer FFP2-Schutzmaske für sämtliche sich in Innenräumen des Einzelhandels aufhaltende Personen stellt unter Berücksichtigung des dem Verordnungsgeber insoweit einzuräumenden Einschätzungsspielraum kein gleich geeignetes Mittel zur Reduzierung von Kontakten und den damit einhergehenden Infektionsrisiken dar.(Rn.58)
4. Die mit der Zugangsbeschränkung und Kontrollpflicht verbundenen Grundrechtseingriffe erweisen sich gemessen an dem mit ihnen bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung als verhältnismäßig im engeren Sinne.(Rn.65)
5. Es verstößt jedenfalls nicht offensichtlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Verordnungsgeber bestimmte Bereiche des Einzelhandels als Teil der sicherzustellenden (Grund-)Versorgung der Bevölkerung bzw. der Bedarfsdeckung von Handwerkern und Gewerbetreibenden dienend angesehen und daher von der Zugangsbeschränkung und Kontrollpflicht ausgenommen hat.(Rn.71)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung der durch die Fünfzehnte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 23. November 2021 (GVBl. LSA S. 516), im Folgenden 15. SARS-CoV-2-EindV, zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Dezember 2021 (GVBl. LSA S. 619), den Betreibern bestimmter Ladengeschäfte auferlegten Pflicht, die in Bezug auf ihre Verkaufsstellen nach der 15. SARS-CoV-2-EindV grundsätzlich auf geimpfte und genesene Personen beschränkte Zugangsberechtigung (2-G-Zugangsmodell) ihrer Kunden zu prüfen.
Die insoweit maßgebliche Regelung in § 2a der 15. SARS-CoV-2-EindV hat folgenden Wortlaut:
„§ 2a
Verpflichtendes 2-G-Zugangsmodell (Geimpfte und Genesene) in geschlossenen Räumen
(1) Abweichend von den in den §§ 3 und 5 bis 11 jeweils genannten Zutrittsregelungen dürfen die Veranstalter, Betreiber und Anbieter (Verantwortliche) bei den nachfolgend aufgeführten Veranstaltungen, Einrichtungen oder Angeboten in geschlossenen Räumen ausschließlich den Personen nach Satz 2 Zutritt gewähren:
1. bis 8. […]
9. Ladengeschäfte mit Kundenverkehr für Handelsangebote nach § 10 Abs. 1; wobei der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, ebenso Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, E-Zigaretten-Geschäfte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungs- und Zeitschriftenverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte und die Direktvermarktung von Blumen und Pflanzen, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Kfz-Teileverkaufsstellen, Fahrradläden, Baumärkte, Garten- und Gartenbaumärkte, Poststellen und der Großhandel ausgenommen sind,
10. […].
Nach Satz 1 zutrittsberechtigte Personen sind:
1. geimpfte Personen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, die einen auf sie ausgestellten Impfnachweis nach § 2 Nr. 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vorlegen,
2. genesene Personen nach § 2 Abs. 2 Nr. 3, die einen auf sie ausgestellten Genesenennachweis nach § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vorlegen,
3. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres; im Zeitraum vom 18. Dezember 2021 bis zum 9. Januar 2022 gilt dies abweichend von Halbsatz 1 für Kinder und Jugendliche ab Vollendung des 6. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres mit der Maßgabe eine Testung im Sinne des § 2 Abs. 1 mit negativem Testergebnis vorzulegen oder durchzuführen, sofern keine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 vorliegt,
4. Personen, die eine Testung im Sinne des § 2 Abs. 1 mit negativem Testergebnis vorlegen oder durchführen, sofern keine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 vorliegt, und für die aus gesundheitlichen Gründen keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission ausgesprochen wurde oder in den letzten drei Monaten aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden konnten, wenn sie grundsätzlich durchgehend eine FFP2-Maske ohne Ausatemventil tragen; die gesundheitlichen Gründe sind vor Ort durch ein schriftliches ärztliches Zeugnis im Original nachzuweisen.
(2) Die Personen nach Absatz 1 Satz 2 haben dem Verantwortlichen sowie auf Verlangen der zuständigen Behörde den Nachweis über einen vollständigen Impfschutz oder einen Genesenennachweis, jeweils in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis, einen Schülerausweis oder einen amtlichen Lichtbildausweis, aus dem sich die Nichtvollendung des 18. Lebensjahres ergibt, oder das schriftliche ärztliche Zeugnis im Original vorzulegen. Der Verantwortliche hat sicherzustellen, dass die Vorgaben nach Satz 1 personenbezogen geprüft werden, um eine wirksame Zugangskontrolle zu gewährleisten.
(3) Wenn Mischsortimente in Ladengeschäften angeboten werden, gelten die Maßgaben der Absätze 1 und 2 nicht, sofern der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 Halbsatz 2 genannte Sortimentsteil überwiegt; die betreffenden Verkaufsstellen dürfen dann alle Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich auch verkaufen. Wenn bei einer Verkaufsstelle der nicht in Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 Halbsatz 2 genannte Teil des Sortiments überwiegt, gelten die Maßgaben der Absätze 1 und 2 für die gesamte Verkaufsstelle.
(4) […]“.
Die Antragstellerin betreibt in Deutschland rund 1.800 Filialen des Textileinzelhandels, darunter einige Filialen im Land Sachsen-Anhalt. Nach ihrem Vorbringen haben ihre Filialen in Deutschland im Durchschnitt eine Größe von 172 m² Verkaufsfläche und werden während der Öffnungszeiten typischerweise regelmäßig nur von einem Mitarbeiter vor Ort betreut.
Die Antragstellerin macht in Bezug auf die von ihr angegriffenen Regelungen im Wesentlichen geltend: Für die in der 15. SARS-CoV-2-EindV geregelte Verpflichtung von Privaten zu Impfpass- und Ausweiskontrollen fehle es an einer recht- und verfassungsmäßigen Ermächtigungsgrundlage. Die ihr auferlegte besondere Kontrollpflicht diene der Überwachung und dem Vollzug der mit der 15. SARS-CoV-2-EindV zugleich angeordneten (teilweisen) Beschränkung des Zugangs zum Einzelhandel auf immunisierte Personen. Für eine Indienstnahme Privater für den ordnungsrechtlichen Vollzug sei eine eigene Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Die derzeitigen Regelungen des IfSG seien insoweit nicht ausreichend.
Außerdem genüge die 15. SARS-CoV-2-EindV nicht den sich aus § 28a Abs. 5 IfSG ergebenden formalen Anforderungen, wonach die Verordnung mit einer allgemeinen Begründung zu versehen sei. Dies erfordere einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Verordnung und deren Begründung im Rahmen der Verkündung. Selbst wenn man eine spätere Veröffentlichung der Verordnungsbegründung als ausreichend ansähe, habe dies in Anbetracht der mit der Verordnung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffe in einem geordneten rechtsförmigen Verfahren zu erfolgen und die Begründung müsse für die Rechtsunterworfenen auffindbar sein. Die Bekanntgabe der Verordnungsbegründung auf einer Webseite – hier über das Corona-Informationsportal der Landesregierung des Antragsgegners – mit einem von mehreren dort abgebildeten Einträgen genüge nicht.
Überdies sei die angegriffene Verordnungsregelung gleichheitswidrig. Dabei könne dahinstehen, ob die in der Norm angelegte Ungleichbehandlung zwischen Waren des täglichen Bedarfs und längerfristigen Bedarfen grundsätzlich mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sei. Jedenfalls entspreche die Abgrenzung der kontrollpflichtigen von den insoweit privilegierten Betriebstypen nicht den verfassungsmäßigen Anforderungen, da insbesondere mit den E-Zigaretten-Geschäften, Buchhandlungen, Bau- und Gartenmärkten Geschäfte privilegiert seien, die nicht den täglichen Bedarf bedienten. Es sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum der Verordnungsgeber diesen Betriebstypen ein besonderes Gewicht in der Grundversorgung der Bevölkerung zubillige. Während der von der Verordnung abgedeckten Teile der Winterzeit entstehe der Bedarf nach Gartenartikeln regelmäßig nicht so häufig und spontan, dass eine vorherige Nachweiskontrolle oder gegebenenfalls eine Bestellung zur Abholung oder im Versandhandel die rechtzeitige Deckung des Bedarfs verhindern würde. Entsprechendes gelte für die Privilegierung der E-Zigaretten-Geschäfte, Baumärkte und des Buchhandels. Auch insoweit sei nicht ersichtlich, dass die Beschaffung der dort verkauften Warengüter für die Grundversorgung und allgemeine Lebensführung typischerweise dringender wäre als beispielsweise von beruflich benötigter Bekleidung.
Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liege zudem in Bezug auf den Einzelhandel mit gemischten Sortimenten vor. Dieser unterliege keinen vergleichbaren Einschränkungen, solange das durch den Verordnungsgeber privilegierte Warenangebot überwiege. In den Non-Food-Sortimenten etwa des Lebensmitteleinzelhandels würden verbreitet nicht nur Waren des täglichen Bedarfs geführt, sondern darüber hinaus vor allem Waren des längerfristigen Bedarfs wie Haushaltsgeräte und Textilien. Demgemäß gehörten von der Regelung begünstigte und von der Antragstellerin namentlich benannte Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zu den umsatzstärksten Anbietern von Bekleidung. Die kontrollfreie Zulassung gemischter Sortimente überschreite somit die Grenzen einer allgemein zulässigen Pauschalierung, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliege. Tatsächlich drohe hier eine erneute erhebliche Umsatzverlagerung gerade im Bereich der niedrigpreisigen Textilien in den Lebensmitteleinzelhandel. Angesichts der absehbaren Dauer der Beschränkungen für die kommenden Wintermonate sei es angezeigt, den Lebensmitteleinzelhandel insoweit vor die Wahl zu stellen, entweder sein Sortiment durch eine Abdeckung von Regalen oder ähnlichem zu beschränken oder die verpflichtenden Zugangskontrollen einzuführen.
Des Weiteren stelle die angegriffene Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dar. Die Erfahrungen aus dem durchgehend geöffneten, insbesondere lebensmittelbezogenen Einzelhandel zeigten, dass es bei konsequenter Einhaltung von Maskenpflicht und Hygiene- und Sicherheitskonzepten zu keiner relevanten Ausbreitung des Corona-Virus durch das bloß zeitweise Aufeinandertreffen von Menschen innerhalb eines Ladengeschäfts komme. Insbesondere stelle eine verschärfte Maskenpflicht, z. B. zum Tragen von FFP2-Masken eine vergleichbar wirksame, aber deutlich weniger eingriffsintensive Maßnahme zur Reduzierung der Infektionsgefahren dar. Auch eine allgemeine Impfpflicht sei geeignet, die Zahl der nicht vollständig immunisierten Personen zu reduzieren und so den Infektionsdruck vergleichbar wirksam zu vermindern. Jedenfalls erweise sich die Kontrollverpflichtung nicht mehr als angemessen im engeren Sinne. Mittlerweile gebe es zahlreiche Studien, nach denen das Infektionsrisiko beim Einkaufen in einem Einzelhandelsbetrieb aufgrund der geringen Kontaktdauer vergleichsweise niedrig sei. Demgegenüber sei die Kontrollverpflichtung mit erheblichen Risiken für die Einzelhandelsbeschäftigten verbunden. Dies äußere sich in einer Vielzahl von Vorfällen in den Ladengeschäften der Antragstellerin, darunter sogar handgreifliche Angriffe. Die infolge der Kontrollverpflichtung gestiegene Sicherheitsrisiken für ihre Beschäftigten beträfen sie – die Antragstellerin – als Arbeitgeberin und führten auch zu Mehraufwendungen. Da die von ihr in Sachsen-Anhalt betriebenen Filialen nur zu 15 % in gut frequentierten Einzelhandelsbereichen von Innenstädten, Fußgängerzonen oder dergleichen lägen, verschafften ihr die in diesen Bereichen regelmäßig praktizierten sog. „Bändchen-Lösungen“ keine maßgebliche Entlastung.
Selbst bei offenen Erfolgsaussichten müsse ihrem Antrag aufgrund einer Folgenabwägung entsprochen werden. Nach den Erfahrungen mit den Betriebsverboten im vergangenen Winter sei davon auszugehen, dass entsprechende Beschränkungen, die sich auf alle von der angegriffenen Regelung betroffenen Einzelhändler auswirkten, bis in das kommende Frühjahr andauern würden. Gerade kleinere Einzelhandelsgeschäfte seien besonders betroffen, da sie typischerweise wenig Personal hätten und nur in seltenen Fällen über präsentes Sicherheitspersonal verfügten. Würden hingegen die beanstandeten Vorschriften vorläufig außer Vollzug gesetzt, bliebe dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, Publikumsverkehr in Einzelhandelsbetrieben nur unter der Bedingung der Erstellung und Anwendung strenger Hygienekonzepte, etwa der verpflichtenden Verwendung von FFP2-Masken zu gestatten. Auch könne der Verordnungsgeber besondere Pflichten lokal auf diejenigen Orte und Regionen beschränken, die eine relativ hohe Inzidenzzahl aufweisen und deren intensivmedizinische Kapazitäten stark ausgelastet seien. Dies könnte etwa eine verpflichtende Impfung betreffen. Jedenfalls sei eine unzumutbare Belastung von Einzelhandelsgeschäften anzuerkennen, die mit weniger als 300 m² Verkaufsfläche typischerweise nur von ein oder zwei Verkäufern je Schicht betrieben würden.
Die Antragstellerin beantragt,
durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Fünfzehnte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 23. November 2021 bis zur Entscheidung in der Hauptsache insoweit außer Vollzug zu setzen, als darin durch § 2a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 der 15. SARS-CoV-2-EindV den Verantwortlichen für Ladengeschäfte mit Kundenverkehr für Handelsangebote die personenbezogene Prüfung der Vorgaben nach § 2a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der 15. SARS-CoV-2-EindV auferlegt wird.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
II.
A. Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin in Bezug auf die von ihr ausweislich ihres Antrags und der Antragsbegründung allein angegriffenen Regelungen des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 i. V. m. Satz 2 und Abs. 2 der 15. SARS-CoV-2-EindV antragsbefugt. Die Antragstellerin ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches gerichtsbekannt auch in Filialen im Land Sachsen-Anhalt Textilien und Accessoires anbietet. Sie gehört somit nicht zu den (privilegierten) Einzelhandelsbetrieben, die von der angegriffenen Regelung ausgenommen sind. Die in den streitgegenständlichen Bestimmungen normierte Zugangsbeschränkung für Kunden und die damit einhergehende Kontrollverpflichtung des verantwortlichen Ladenbetreibers lassen jedenfalls eine Verletzung der Antragstellerin in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit als möglich erscheinen.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrages eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, so dass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte. Erweist sich, dass Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dagegen dann nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (zum Ganzen: vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 – juris Rn. 12).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die angegriffenen Regelungen voraussichtlich mit höherrangigem Recht vereinbar.
aa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin finden die streitgegenständlichen Bestimmungen aller Voraussicht nach in § 32 Satz 1 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 Nr. 14 IfSG vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5162), eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen – unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite – ermächtigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, wozu nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen wie des Einzelhandels gehören können.
Diese Normen ermöglichen es zweifellos, den Zugang zu diesen Betrieben und Einrichtungen vom Nachweis der Impfung oder Genesung abhängig zu machen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 – 20 NE 21.2821 – juris Rn. 20; OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 3 MR 31/21 – juris Rn. 14; NdsOVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 13 MN 477/21 – juris Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021 – 13 B 1858/21.NE – juris Rn. 8). Auch wenn in § 28a Abs. 7 Nr. 4 IfSG nicht ausdrücklich von einer Pflicht des jeweiligen Betreibers die Rede ist, die Berechtigung derjenigen zu kontrollieren, die Zugang begehren, ermächtigt die Norm bei vorläufiger Betrachtung jedenfalls nach ihrem Sinngehalt zu der Anordnung einer dahingehenden Verpflichtung (ähnlich OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 10 des BA). Zunächst korrespondiert eine Vorlagepflicht denknotwendig mit einer Kontrolle. Außerdem ist die durch die Norm zugelassene Beschränkung des Zugangs zu den betroffenen Betrieben und Einrichtungen auf diejenigen, die einen entsprechenden Nachweis vorlegen, nicht als allein an die Vorlageverpflichteten adressiert anzusehen. Aus der Verbindung einer Nachweisvorlagepflicht und der Beschränkung des Zugangs auf diejenigen, die dieser Pflicht nachkommen, folgt vielmehr eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschränkung des Betriebes und der Einrichtung selbst. Hieraus resultiert die Pflicht des Berechtigten, Zutritt nur denjenigen zu gewähren, die den geforderten Nachweis vorlegen. Dies macht eine Kontrolle durch den Berechtigten unumgänglich. Das vom Gesetzgeber mit der in § 28a Abs. 7 Nr. 4 IfSG vorgesehenen Schutzmaßnahme verfolgte Ziel, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in bestimmten Situationen den Zugang zu bestimmten Angeboten von der Vorlage entsprechender Nachweise abhängig zu machen (vgl. BT-Drs. 20/15 S. 30), kann nur dann wirkungsvoll erreicht werden, wenn man den Anwendungsbereich dieser Ermächtigung dahingehend auslegt, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich auch eine Kontrollpflicht der Berechtigten, deren Betrieb oder Einrichtung von der Schutzmaßnahme erfasst ist, regeln darf. Dass auch der Gesetzgeber von einer Kontrollpflicht hinsichtlich der für einen Zugang erforderlichen Nachweise ausgeht, zeigt sich nicht zuletzt an den Erwägungen in der Gesetzesbegründung zur Frage der Datenverarbeitung. Danach seien die datenschutzrechtlichen Anforderungen zu beachten, soweit eine Datenverarbeitung zum Zwecke der Vorlage und der Beschränkung des Zugangs erforderlich ist (vgl. BT-Drs. 20/15, a. a. O.). Derartiger Erwägungen bedürfte es nicht, wenn keine Kontrolle stattfinden müsste.
Selbst wenn man die die betreffenden Geschäftsbetriebe einschränkende Verpflichtung, den Publikumszugang nur nach entsprechender Kontrolle derartiger Nachweise zu gewähren, nicht als von § 28a Abs. 7 Nr. 4 IfSG erfasst ansähe, ließe sich diese Maßnahme als Beschränkung des Einzelhandels im Sinne von § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 14 IfSG einordnen. Der Begriff der Beschränkung ist weit gefasst und dürfte es weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ausschließen, aus Gründen des Infektionsschutzes eine Beschränkung des Publikumsverkehrs sicherzustellen (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 11 S 109/21 – juris Rn. 35). Nach § 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG kann u. a. Absatz 1 auch nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach§ 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite angewendet werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in einem Land besteht und das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 feststellt, wobei nach§ 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 IfSG lediglich die Schließung von Betrieben des Einzelhandels ausgeschlossen ist. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2022 – und damit vor Inkrafttreten der 15. SARS-CoV-2-EindV in der zuletzt geänderten Fassung – hat der Landtag von Sachsen-Anhalt die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID-19 in Sachsen-Anhalt und die Anwendbarkeit des § 28a Abs. 1 bis 6 IfSG festgestellt (vgl. Stenografischer Bericht 8/8 vom 14. Dezember 2021, S. 59, 74 f.).
bb) Der Senat geht auch davon aus, dass § 32 Satz 1 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a IfSG – bei summarischer Prüfung – den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts genügen (vgl. Beschlüsse vom 10. Dezember 2020 – 3 R 254/20 – juris Rn. 60 ff. und vom 8. Januar 2021 – 3 R 297/20 – juris Rn. 18; in diesem Sinne auch LVerfG LSA, Beschluss vom 2. Februar 2021 – LVG 4/21 – juris Rn. 53 f.).
cc) Die 15. SARS-CoV-2-EindV unterliegt auch keinen rechtlichen Bedenken hinsichtlich ihrer formellen Rechtmäßigkeit. Nach § 28a Abs. 5 IfSG sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen. Diese Vorgaben gelten gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG entsprechend für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG, ebenso für solche nach § 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG (vgl. § 28a Abs. 8 Satz 2 IfSG).
Die Begründungspflicht dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, und damit insbesondere der Verfahrensrationalität und der Legitimationssicherung. Sie soll als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleisten. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen, ohne dass insoweit eine empirische und umfassende Erläuterung geschuldet wäre. Sie ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen (vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 74). Angesichts des in den Gesetzesmaterialien hinreichend zum Ausdruck kommenden Willens des Gesetzgebers, wonach eine spätere – aber zeitnahe – Veröffentlichung der Verordnungsbegründung jedenfalls ausreichend sein soll, verfängt der Einwand der Antragstellerin nicht, § 28a Abs. 5 IfSG zwinge durch die Verwendung des Wortes „versehen“ den Verordnungsgeber zur Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Rechtsverordnung und ihrer Begründung im Rahmen der Verkündung. Die Betrachtung des Wortlauts ist nur eine von mehreren anerkannten Auslegungsmethoden zur Ermittlung des Regelungsinhalts von Gesetzesnormen. Der Zweck einer Norm ergibt sich regelmäßig aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der anhand des Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung, nach Sinn und Zweck sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte zu ermitteln ist. Dabei schließen sich diese Auslegungsmethoden nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich, wobei keine unter ihnen einen unbedingten Vorrang vor der anderen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvF 1/20 – juris Rn. 106). Dass die Verordnung mit einer Begründung zu „versehen“ ist, mag Raum für die von der Antragstellerin befürwortete Auslegung geben. Der Wortsinn des Verbes „versehen“ schließt allerdings nicht jede andere Auslegung von vornherein aus. Infolgedessen darf der hinreichend dokumentierte Wille des Gesetzgebers, der unmissverständlich in eine andere Richtung als die von der Antragstellerin unter alleinigen Hinweis auf den Wortlaut der Norm vertretene Auffassung weist, bei der Bestimmung der sich aus § 28a Abs. 5 IfSG ergebenden formellen Anforderungen an die Verordnungsbegründung nicht außer Acht gelassen werden.
Der Verordnungsgeber hat den sich aus § 28a Abs. 5 IfSG ergebenden formalen Begründungsanforderungen mit der Veröffentlichung der Begründung zu der 15. SARS-CoV-2-EindV in der aktuellen Fassung im Internet auf der Webseite mit amtlichen Informationen der Landesregierung (https://coronavirus.sachsen-anhalt.de/amtliche-informationen/) sowie auf der Webseite des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt zu aktuellen Informationen zum Coronavirus (https://ms.sachsen-anhalt.de/themen/gesundheit/aktuell/coronavirus/) voraussichtlich Genüge getan. Anders als die Antragstellerin meint, erfordert der mit der § 28a Abs. 5 IfSG verfolgte Zweck nicht zwingend die Veröffentlichung der Begründung in einem rechtsförmigen Verfahren. Mit der an den Verordnungsgeber adressierten prozeduralen Pflicht, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die von ihm getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, wollte der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ersichtlich vor allem dazu anhalten, sich der tragenden Gründe für die von ihm zur Eindämmung der Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 ergriffenen Schutzmaßnahmen in Anbetracht der damit verbundenen, teilweise tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigungen in besonderem Maße bewusst zu werden und diese Gründe nach außen, insbesondere für die betroffenen Grundrechtsträger, auch kenntlich und nachvollziehbar zu machen. Eines besonderen bzw. wie die Antragstellerin meint „geordneten“ rechtsförmigen Verfahrens bedarf es hierfür nicht. Die Verordnungsbegründung ist für die Allgemeinheit im Internet auch ohne Weiteres mithilfe der verbreitet verwendeten Suchmaschinen auffindbar.
Neben dem Begründungserfordernis hat der Verordnungsgeber in Bezug auf die 15. SARS-CoV-2-EindV auch der weiteren formalen Anforderung des § 28a Abs. 5 IfSG Genüge getan, indem er die Verordnung bis zum Ablauf des 18. Januar 2022 befristet hat (vgl. § 22 Abs. 2 der 15. SARS-CoV-2-EindV).
dd) Die von der Antragstellerin angegriffenen Bestimmungen halten sich auch im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG, ebenso des § 28a Abs. 8 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 14 IfSG, wenn man § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG nicht für einschlägig hielte.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. § 28a IfSG konkretisiert § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Bezug auf die Schutzmaßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) notwendig sein können. Die sich daraus ergebenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Handeln des Verordnungsgebers liegen vor. Dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bestimmungen und auch gegenwärtig eine hohe Anzahl an Übertragungen des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in der Bevölkerung in Deutschland und damit verbunden zahlreiche Erkrankungen an COVID-19 in einem Maße zu beobachten sind, dass von einer Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung auszugehen ist, ist nicht zweifelhaft und wird von der Antragstellerin auch in Abrede gestellt (vgl. hierzu im Einzelnen die Einschätzung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Instituts – RKI – im Wöchentlichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 23. Dezember 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-12-23.pdf?__blob=publicationFile, sowie die Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 5. Januar 2022, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;
jsessionid=537C2F5D991619960B6F1FEFFD3FA818.internet092?nn=2386228, beide aufgerufen am 10. Januar 2022).
Der Verordnungsgeber hat ebenfalls die auch für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 – und nach § 28a Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG – geltenden weiteren materiell-rechtlichen Anforderungen des § 28a Abs. 3 IfSG hinreichend beachtet. Gemäß § 28a Abs. 3 S. 1 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. Dabei sind absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen. Wesentlicher Maßstab für weitergehende Schutzmaßnahmen ist gemäß § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG insbesondere die Anzahl der in Bezug auf COVID-19 in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Weitere Indikationen wie die unter infektionsepidemiologischen Aspekten differenzierte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen sollen gemäß § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG bei der Bewertung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden. An diesen gesetzlichen Maßgaben hat sich der Verordnungsgeber orientiert (vgl. S. 1 bis 3 der Verordnungsbegründung, abrufbar unter https://ms.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MS/MS/Presse_Corona/VO/15_VO/211227_barrierefrei_2021-12-21_Begruendung_3._AEVO_15._SARS-COV-2-EindV.pdf, aufgerufen am 10. Januar 2022).
ee) Der Verordnungsgeber durfte die von der Antragstellerin beanstandete Zugangsbeschränkung zu Geschäften des Einzelhandels und deren Kontrolle durch die Betreiber auch als gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG notwendig ansehen. Mit den angegriffenen Regelungen wird der sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ergebende strenge Verhältnismäßigkeitsvorbehalt voraussichtlich gewahrt.
(1) Die angegriffenen Maßnahmen dienen der Erfüllung des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden staatlichen Schutzauftrags und damit verfassungsrechtlich legitimen Zwecken. Sie zielen darauf ab, die weitere Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu verlangsamen sowie deren exponentielles Wachstum zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems insgesamt zu vermeiden und die medizinische Versorgung sicherzustellen. Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Zwecke (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. – juris Rn. 176).
(2) Die Zugangsbeschränkung zu Geschäften des Einzelhandels, die nicht der Grundversorgung oder der Deckung des täglichen Bedarfs dienen, und die damit im Zusammenhang stehende Kontrollpflicht der Betreiber sind auch geeignet, um die legitimen Ziele des Verordnungsgebers zu erreichen.
Eine Maßnahme ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt grundsätzlich, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Normgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele der Norm zu erreichen. Erfolgt der Eingriff – wie hier – zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 185; s. beispielsweise auch Beschluss des Senates vom 5. März 2021 – 3 R 20/21 – juris Rn. 35 f.).
Diesen Einschätzungsspielraum hat der Verordnungsgeber mit den hier streitgegenständlichen Maßnahmen nicht überschritten. Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, liegt in Anbetracht der Wege, auf denen das Coronavirus SARS-CoV-2 übertragen wird, auf der Hand (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 5. März 2021, a. a. O. Rn. 38). Die von der Antragstellerin angegriffenen Maßnahmen tragen jedenfalls dazu bei, Kontakte zu reduzieren und damit mögliche Ansteckungen zu vermeiden. Dies gilt auch für die Kontrollpflichten der Betreiber. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Besucher der Geschäfte des nicht privilegierten Einzelhandels, für welche die Maßnahmen gelten, die Zutrittsbeschränkungen von sich aus beachten (so auch OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 40). Es steht außer Zweifel, dass es in Ladengeschäften zu einem Zusammentreffen von Personen kommt, die sich ansonsten nicht begegnen. Werden diese Kontaktgelegenheiten durch die grundsätzliche Beschränkung des zugangsberechtigten Personenkreises auf Geimpfte und Genesene verringert, ist die Maßnahme – was wie ausgeführt ausreichend ist – zumindest als zur Erreichung des angestrebten Ziels förderlich anzusehen.
Dem vermag die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass im Einzelhandel unter den gegenwärtig praktizierten Vorsichtsmaßnahmen kein besonderes Infektionsrisiko bestehe, weil die Kontaktdauer innerhalb der Ladengeschäfte jeweils kürzer als 15 Minuten sei und damit nicht die Zeitspanne erreiche, die als Mindestkontaktdauer als Definition von Hochrisikokontakten angewendet werde, und weil es bei der Arbeit im Einzelhandel nicht zu einer erhöhten Infektionsgefährdung durch das Corona-Virus komme sowie von einer vergleichsweise geringen Aerosolkonzentration auszugehen sei. Denn aus alledem folgt nicht, dass in Einzelhandelsgeschäften keinerlei Infektionsgeschehen stattfindet (so auch OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 41; OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 26; s. auch OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 15 f. BA). Vielmehr ist die Ursache von Infektionen mit dem Coronavirus derzeit nach wie vor in einer Vielzahl der Fälle nicht feststellbar. So führt das RKI aus, dass sich viele Infektionsketten nicht nachvollziehen ließen. Ausbrüche träten in vielen verschiedenen Umfeldern auf. SARS-CoV-2 verbreite sich überall dort, wo Menschen zusammenkämen, insbesondere in geschlossenen Räumen (vgl. z. B. die Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 5. Januar 2022, a. a. O.). Das RKI hat zudem seine Empfehlungen mit Blick auf die pandemische Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron aktualisiert. Es empfiehlt nun, dass Zugangsbeschränkungen zu Ladengeschäften, die nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienen, sofort eingeführt und kontrolliert werden (vgl. S. 2 der ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron, Stand: 21. Dezember 2021, aufrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-ges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-12-21.pdf?__blob=publicationFile, aufgerufen am 10. Januar 2022). Hiervon ausgehend ist es nicht offenkundig fehlsam anzunehmen, dass die Vermeidung von Kontakten in diesen Einzelhandelsbereichen zu einer Verringerung des Infektionsgeschehens beiträgt.
Die Eignung der Maßnahme wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zugangs-beschränkung nur für nicht immunisierte Personen gilt, sich aber auch immunisierte Personen mit dem neuartigen Coronavirus infizieren und dieses weitergeben können (vgl. hierzu OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 14 f.; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 28). Nach den Erkenntnissen des RKI reduzieren die in Deutschland zur Anwendung kommenden COVID-19-Impfstoffe symptomatische und asymptomatische SARS-CoV-2-Infektionen mit der Delta-Variante in einem erheblichen Maße. Darüber hinaus sei die Virusausscheidung bei Personen, die trotz Impfung eine SARS-CoV-2-Infektion haben, kürzer als bei ungeimpften Personen mit SARS-CoV-2-Infektion (vgl. die Ausführungen des RKI zur Frage „Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?“, Stand: 21. Dezember 2021, aufrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.html;jsessinid=DC601D3DD7EA2A0E62E6C7C48
953ACFD.internet061#FAQId15332334, aufgerufen am 10. Januar 2022).
Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass sich nunmehr verstärkt die Omikron-Variante ausbreitet, bei der das RKI davon ausgeht, dass sich auch (zweifach) immunisierte Personen mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit mit dieser Variante infizieren werden, als dies noch bei der Delta-Variante der Fall war (vgl. die vorstehend zitierten Ausführungen des RKI, a. a. O.). Denn das RKI misst von allen empfohlenen Maßnahmen konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen und dem Einsatz von infektionspräventiven Maßnahmen im Hinblick auf die durch die Omikron-Variante im gesamten Bundesgebiet befürchtete schlagartige Erhöhung der Infektionsfälle die größten Effekte auf die Dynamik der Omikron-Welle bei (vgl. S. 1 der ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron, Stand: 21. Dezember 2021, a. a. O.). Die hier streitgegenständliche Maßnahme der Kontaktreduzierung in bestimmten Bereichen des Einzelhandels trägt also auch im Hinblick auf die Omikron-Variante weiterhin zur Reduzierung möglicher Ansteckungen bei. Zudem ist nach einer Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung davon auszugehen, dass die Immunisierung auch im Falle einer Infektion mit der Omikron-Variante jedenfalls teilweise Schutz vor schwerer Erkrankung mit COVID-19 bietet (vgl. Erste Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu COVID-19 vom 19.12.2021, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1992410/7d068711b8c1cc02f4
664eef56d974e0/2021-12-19-expertenrat-data.pdf?download=1, aufgerufen am 10. Januar 2022). Hiervon ausgehend trägt die streitgegenständliche Maßnahme auch zu einer Schonung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten bei (so auch OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 15; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 45 ff.; Beschluss vom 28. Dezember 2021 – 13 B 1928/21.NE – juris Rn. 48 ff.).
(3) Die streitgegenständlichen Maßnahmen sind voraussichtlich auch erforderlich, um die vom Verordnungsgeber verfolgten legitimen Ziele zu erreichen.
Eine in Grundrechte eingreifende Maßnahme ist dann nicht erforderlich, wenn das mit der angegriffenen Regelung verfolgte Ziel durch andere gleich wirksame Mittel erreicht werden kann, welche die betroffenen Grundrechte weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belasten. Unter mehreren gleich gut geeigneten Mitteln muss der Normgeber das am wenigsten belastende auswählen. Dabei muss er aber keine Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der zur Verfügung stehenden Mittel in Kauf nehmen (vgl. Beschluss des Senates vom 22. März 2021 – 3 R 22/21 – juris Rn. 53). Vielmehr muss die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Normgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzlichen Eignungsprognose beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 203 ff.).
Diesen Einschätzungsspielraum hat der Verordnungsgeber nach summarischer Prüfung nicht überschritten. Es drängen sich keine im vorgenannten Sinne milderen Mittel auf, mit denen der vom Verordnungsgeber verfolgte Zweck in gleicher Weise wie mit der streitgegenständlichen Maßnahme erreicht würde (ebenso OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 65 ff.; OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 44; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 17; a.A. NdsOVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 34 ff.).
Soweit die Antragstellerin auf mögliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen, wie die von ihr angeführte Pflicht zum Tragen einer FFP2-Schutzmaske für sämtliche sich in Innenräumen des Einzelhandels aufhaltende Personen verweist, stellen diese zwar mildere, aber keine gleich geeigneten Mittel dar (a. A. NdsOVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 40 ff.). Denn anders als mit den vom Verordnungsgeber ergriffenen Schutzmaßnahmen werden nicht immunisierte Personen hierbei nicht von möglichen Kontakten innerhalb der betreffenden Einzelhandelsgeschäfte ausgeschlossen, sodass in diesen Bereichen ein Infektionsgeschehen unter ihrer Beteiligung weiter stattfinden kann. Hygiene- und andere Schutzmaßnahmen mögen die Gefahr der Virusübertragung ebenfalls mindern, reichen aber an das Ergebnis einer vollständigen Kontaktvermeidung prinzipiell nicht heran (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 45; OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 29). Das gilt auch für die Nutzung von FFP2-Masken. Diese senken das Ansteckungsrisiko für den Träger nur dann weitestgehend, wenn sie durchgängig und korrekt getragen werden. Dies ist jedoch durch die Beschäftigten der Einzelhandelsbetriebe kaum zuverlässig kontrollierbar und würde zudem mit einem erheblich höheren Zeitaufwand und Konfliktpotential einhergehen als die einmalige Unterscheidung von immunisierten und nicht immunisierten Personen im Rahmen der Zugangskontrolle (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 17; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 75).
Entsprechendes gilt für die Beibringung eines negativen Testnachweises durch nicht immunisierte Personen. Ein negatives Testergebnis lässt nicht sicher den Schluss darauf zu, dass eine Person nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert ist. Den auf dem deutschen Markt erhältlichen Antigentests kommt insbesondere bei asymptomatischoder präsymptomatisch Infizierten nur eine beschränkt zuverlässige Aussagekraft zu (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 67 ff. m.w.N.). Auch das RKI empfiehlt mit Blick auf die Omikron-Variante maximale Kontaktbeschränkungen und maximale infektionspräventive Maßnahmen wie den „Zugang zu Ladengeschäften mit 2G, aber mit MNS/FFP2“ bis Mitte Januar 2022 (vgl. S. 2 der ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron, Stand 21. Dezember 2021, a. a. O.).
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Empfehlung verfängt auch der Einwand der Antragstellerin nicht, dass das Infektionsrisiko im Einzelhandel gering sei. Wie bereits erörtert, bestehen weiterhin Unklarheiten über Infektionsherde und das Ausbruchsgeschehen (vgl. die Risikobewertung des RKI zu COVID-19, Stand: 5. Januar 2022, a. a. O.). Als gesichert anzusehen ist aber, dass Zusammenkünften in geschlossenen Räumen – wozu auch die Innenräume der Verkaufsstellen des Einzelhandels zählen – mit einer Anzahl regelmäßig ansonsten nicht zusammentreffender Personen ein potenziell erhöhtes Risiko der Verbreitung von SARS-CoV-2 innewohnt (vgl. Beschluss des Senates vom 5. März 2021 – 3 R 20/21 – juris Rn. 40; s. auch VGH BW, Beschluss vom 11. Juni 2021 – 1 S 1533/21 – juris Rn. 76 m.w.N.). Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass es auch bei Kontakten in Einzelhandelsgeschäften zu Virusübertragungen kommen kann. Überdies ist der Verordnungsgeber nicht darauf beschränkt, nur in den Bereichen Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen, die in der Vergangenheit bereits eindeutig als typische Treiber der Pandemie identifiziert wurden (vgl. OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 30; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 18; OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2021 – 13 B 47/21.NE – juris Rn. 68). Insofern ist für die Erforderlichkeit der Maßnahme jedenfalls mitentscheidend, dass die Beschränkung des Kundenzugangs zu den nicht privilegierten Einzelhandelsgeschäften auf im Grundsatz geimpfte oder genesene Personen die Bewegungsströme der Ungeimpften einschränkt und somit die mit dem Aufenthalt in Geschäften in Zusammenhang stehenden Sozialkontakte (Zuwegung, Aufenthalt) reduziert werden (vgl. zur Beachtlichkeit derartiger Auswirkungen für die Beurteilung der Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen, die keine typischen Infektionstreiber betreffen, z. B. Beschluss des Senates vom 5. März 2021, a. a. O. Rn. 41; Beschluss vom 18. Februar 2021 – 3 R 13/21 – juris Rn. 43; s. auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 59 f.).
Soweit die Antragstellerin schließlich auf die Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht hinweist, ergibt sich hieraus zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon mit Blick auf den diesbezüglich benötigten Zeitraum für die Erlangung der für eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens notwendigen Immunisierung der Bevölkerung keine zwingend vorzuziehende mildere Maßnahme (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 47).
(4) Nach summarischer Prüfung stellen sich die von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen auch bei Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Belange als verhältnismäßig im engeren Sinne dar.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Normgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Zwecke andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird ein Handeln des Normgebers umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Normgebers. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich dann darauf, ob der Normgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostische Entscheidung setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 216 f. m.w.N.).
Der Verordnungsgeber hat seinen Einschätzungsspielraum mit den streitgegenständlichen Maßnahmen voraussichtlich nicht überschritten. Die Zugangsbeschränkungen für den nicht privilegierten Einzelhandel und die damit im Zusammenhang stehende Kontrollpflicht der Betreiber greifen zwar als Berufsausübungsregelungen in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG und in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) potenzieller nicht immunisierter Kunden ein (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 50; OVG Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 18 f.; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 80 und 84). Diese Grundrechte werden jedoch – wie auch andere Grundrechtspositionen – nicht unbeschränkt gewährt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt. Dass ihnen im Ergebnis der durchzuführenden Abwägung ein unbedingter Vorrang gegenüber dem vom Verordnungsgeber bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gebührt, solange – wie bereits dargestellt – weiterhin eine pandemische Lage mit hohen Gefährdungen für die Gesundheit der Bevölkerung und nicht ohne Weiteres vorhersehbaren Auswirkungen der sich rasch verbreitenden mutierten ansteckenderen Virusvarianten auf die Gefährdungslage besteht, ist nicht festzustellen. Der staatliche Auftrag zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit der Bevölkerung als Rechtsgüter von überragender Bedeutung verpflichtet den Normgeber bei dieser Sachlage prinzipiell zu Maßnahmen des Gesundheits- und Lebensschutzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021, a. a. O. Rn. 231; siehe auch Beschluss des Senates vom 22. März 2021, a. a. O. Rn. 69 m.w.N.; ebenso OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 19).
Dies zugrunde gelegt erweisen sich die mit den angegriffenen Maßnahmen verbundenen Grundrechtseingriffe gemessen an dem mit ihnen bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung als gerechtfertigt.
Die 7-Tage-Inzidenz lag bei Erlass der 15. SARS-CoV-2-EindV in der aktuellen Fassung in Sachsen-Anhalt bei 659,7 und damit mit am höchsten im Bundesvergleich (vgl. S. 2 des Täglichen Lageberichts des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 20. Dezember 2021, aufrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2021/2021-12-20-de.pdf?__blob=publicationFile, aufgerufen am 10. Januar 2022). Das RKI hat zu diesem Zeitpunkt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch und für vollständig Geimpfte als hoch angesehen. Die Belastung der Intensivstationen durch die Vielzahl schwer erkrankter COVID-19-Patienten bleibe hoch. Zwar werde in Deutschland immer noch der weit überwiegende Anteil der Infektionen durch die Deltavariante (B.1.617.2) verursacht. Allerdings steige die Zahl der Fälle mit Infektion durch die neue besorgniserregende Variante (Variant of Concern, VOC) Omikron in den letzten Wochen deutlich an. Inzwischen sei die VOC Omikron in allen Bundesländern nachgewiesen worden und dem RKI würden auch einzelne Ausbrüche mit dieser Variante berichtet. Die aktuelle Entwicklung sei weiter sehr besorgniserregend. Die Zahl der schweren Erkrankungen und der Todesfälle werde weiter auf hohem Niveau bleiben und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten würden regional überschritten. Eine Intensivierung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen und eine zugleich rasche weitere Erhöhung der Impfraten sei dringend erforderlich, um die Behandlungskapazitäten vor Beginn einer zu erwartenden Omikron-Welle, soweit möglich, zu entlasten. Die maximale Reduktion der Übertragungen sei auch notwendig, um die zu erwartende Ausbreitung der Omikronvariante zu verlangsamen (vgl. S. 3 f. des Wöchentlichen Lageberichts vom 23. Dezember 2021, a. a. O.). In der geimpften Bevölkerung (mit Grundimmunisierung oder Auffrischimpfung) habe sowohl die Inzidenz der symptomatischen Fälle als auch die Hospitalisierungsinzidenz in allen dargestellten Altersgruppen und zu jedem Zeitpunkt deutlich unter der jeweiligen Inzidenz der ungeimpften Bevölkerung gelegen (vgl. S. 27 des Wöchentlichen Lageberichts vom 23. Dezember 2021, a. a. O.). Letzteres legt den Schluss nahe, dass gerade die Gruppe der noch nicht immunisierten Personen in besonderer Weise zur Belastung des Gesundheitssystems beiträgt (ebenso OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 51; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 19).
Diese vom Verordnungsgeber in seiner Begründung der 15. SARS-CoV-2-EindV aufgegriffene besorgniserregende Entwicklung des Infektionsgeschehens sowie der Belastung des Gesundheitssystems im Hoheitsbereich des Antragsgegners wird auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen.
Angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuinfektionen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, muss in einer Güterabwägung das Interesse der Betreiber an einem ungehinderten Geschäftsbetrieb hinter dem mit der angegriffenen Regelung bezweckten Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung zurückstehen. Dies gilt auch in Ansehung des von der Antragstellerin angeführten Umstandes, dass sie bereits in der Vergangenheit teils erhebliche wirtschaftliche Einbußen aufgrund phasenweiser Schließungen hinzunehmen hatte, wenn diese auch teilweise durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen abgefedert worden sein mögen. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass der überwiegende Teil der potenziellen Kunden weiterhin zum Betreten der Verkaufsstätten des nichtprivilegierten Einzelhandels berechtigt ist (so auch OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 20; OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 52; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 95; OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 34). So waren in Sachsen-Anhalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 15. SARS-CoV-2-EindV in der aktuellen Fassung über 66 % der Bevölkerung vollständig geimpft (vgl. S. 1 der Verordnungsbegründung, a. a. O.). Damit ist zumindest der überwiegende Teil der Bevölkerung des Bundeslandes auch während des Geltungszeitraumes der angegriffenen Vorschrift zum Betreten der streitgegenständlichen Verkaufsstellen des Einzelhandels berechtigt. Hinzu kommen genesene Personen, die ebenfalls berechtigt sind, diese Verkaufsstellen zu betreten sowie die weiteren in § 2a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 der 15. SARS-CoV-2-EindV benannten Personengruppen. Hierdurch dürften die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Betreiber erheblich abgemildert werden, zumindest soweit diese tatsächlich auf die Zugangsbeschränkungen als solche und nicht auf das angesichts der verschlechterten Pandemielage ohnehin veränderte Kundenverhalten zurückzuführen sind.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Kontrollpflichten zu einer zusätzlichen Belastung sowie in Einzelfällen auch einer möglichen Gefährdung des regulären Personals der Einzelhandelsgeschäfte führten, folgt für die Abwägung zwischen den betroffenen grundrechtlich geschützten Interessen keine andere Bewertung. Die vorstehenden Belastungen sind den Betroffenen in Anbetracht der überragenden Bedeutung der Rechtsgüter der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, deren Schutz die Maßnahmen dienen, zuzumuten. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich diese Belastungen des regulären Verkaufspersonals dadurch abmildern lassen, dass die ihnen gegenüber arbeitsrechtlich zum Schutz verpflichteten Arbeitgeber vorübergehend zusätzlich auf externe und in der Regel für Kontrollaufgaben geschulte Mitarbeiter professioneller Sicherheitsdienste zurückgreifen, womit sich auch Belästigungen und eventuelle Gefährdungen des regulären Verkaufspersonals abwenden ließen (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 53). Dass Entsprechendes faktisch oder wirtschaftlich nicht zu bewerkstelligen wäre, ist weder durch die Antragstellerin geltend gemacht worden, die selbst vorbringt, in ihren rund 1.800 Filialen des Textileinzelhandels in Deutschland im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Umsatz von über 700 Mio € erzielt zu haben, noch sonst ersichtlich. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die hier angegriffenen Regelungen befristet sind und es sich daher um Belastungen von begrenzter zeitlicher Dauer handelt.
Auch die Teilhaberechte nicht immunisierter Kunden müssen vorübergehend zurückstehen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Grundversorgung auch nicht immunisierter Personen weiterhin gewährleistet ist. Der Verordnungsgeber hat eine Vielzahl von Einzelhandelsbereichen, denen er eine besondere Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung zubilligt, von der 2G-Zutrittsbeschränkung ausgenommen. Hinzu kommt, dass den Betroffenen weiterhin die Möglichkeit des Erwerbs von Waren im Rahmen des – auch von der Antragstellerin angebotenen – Onlinehandels eröffnet ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 20; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 98; OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 52).
ff) Die angegriffenen Regelungen verstoßen nach summarischer Prüfung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (a.A. SaarlOVG, Beschluss vom 27 Dezember 2021 – 2 B 282/21 – juris Rn. 31 ff.; zweifelnd: NdsOVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 63).
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 – juris Rn. 72 m.w.N.). Dieser Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, wenn auch der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger ist, weil nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen gegeben (Art. 80 Abs. 1 GG). In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 – juris Rn. 39 m.w.N.).
Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11 – juris Rn. 30 m.w.N.; Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 – juris Rn. 65 m.w.N.). Für Rechtsbereiche der Gefahrenabwehr, wie das Infektionsschutzrecht, ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltung ihre Entscheidungen hier oftmals – wie in der vorliegenden Pandemie – unter Zeitdruck und unter Bedingungen einer sich ständig verändernden Lage zu treffen hat. Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen weniger streng (vgl. OVG BB, Beschluss vom 17. April 2020 – OVG 11 S 22/20 – juris Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 107). Auch dürfte die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden können (vgl. HambOVG, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 Bs 48/20 – juris Rn. 13; ThürOVG, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 3 EN 88/21 – a.a.O. Rn. 142; NdsOVG, Beschluss vom 11. März 2021 – 13 MN 70/21 – juris Rn. 65; OVG Bremen, Beschluss vom 5. März 2021 – 1 B 81/21 – Rn. 26).
Mit der Privilegierung einzelner Sparten von Einzelhandelsbetrieben und Einrichtungen in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Halbs. 2 der 15. SARS-CoV-2-EindV hat der Verordnungsgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich überschritten. Gemäß des hier nach § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG anwendbaren § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können gemäß § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist.
Es ist jedenfalls nicht offensichtlich unvertretbar, dass der Verordnungsgeber die genannten Ausnahmen als Teil der sicherzustellenden (Grund-)Versorgung der Bevölkerung bzw. der Bedarfsdeckung von Handwerkern und Gewerbetreibenden dienend angesehen hat (vgl. S. 17 f. der Verordnungsbegründung, a. a. O.; so zu früheren ähnlichen Privilegierungen bereits Beschluss des Senates vom 22. März 2021, a. a. O. Rn. 80). Sie entsprechen im Übrigen im Wesentlichen der § 28b S. 1 Nr. 4 IfSG a.F. (Bundesnotbremse) zugrunde liegenden Wertung des Bundesgesetzgebers (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 109 ff. unter Hinweis auf BT-Drs. 19/28444, S. 13). Der Umstand, dass nicht immunisierte Personen vom Zugang zum Einzelhandel mit Ausnahme der privilegierten Ladengeschäfte gänzlich ausgeschlossen sind, spricht dafür, den Grundversorgungsbedarf so weit zu fassen, dass hierunter auch Produkte fallen, die zwar nicht täglich, aber voraussichtlich in dem mutmaßlichen Zeitraum der Schließungen von vielen Menschen benötigt werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 115). Die privilegierten Bereiche decken, wie z. B. die von der Antragstellerin als ungerechtfertigt bevorzugt angesehenen E-Zigaretten-Geschäfte, jedenfalls für bestimmte Kundenkreise einen regelmäßig wiederkehrenden Bedarf. Dies gilt auch für Buchhandlungen. Ihnen kommt insbesondere mit Blick auf die Bildung (Schule und Studium) ein besonderer Versorgungsauftrag zu (vgl. OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 42; OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 56; s. bereits auch Beschluss des Senates vom 29. April 2020 – 3 R 71/20 – juris Rn. 60). Bei Gartenmärkten gilt Ähnliches im Hinblick auf die notwendige Bewirtschaftung gärtnerischer und landwirtschaftlicher Flächen sowie die Grabpflege (vgl. S. 18 der Verordnungsbegründung, a. a. O.). Hieraus ergibt sich ein jeweils saisonal neu entstehender Bedarf, für den – anders als z. B. bei Kleidung – nicht auf Anschaffungen aus dem Vorjahr zurückgegriffen werden kann (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 115; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 21 f.). Bau- und Gartenmärkte erfüllen mit Blick auf Wartung und Reparatur bei Privatpersonen und Materialversorgung von Gewerbetreibenden einen besonderen Versorgungsbedarf der Bevölkerung. Ein spontan auftretender Bedarf kann durch ein kurzfristiges Verweilen im Geschäft effektiv gedeckt werden (vgl. OVG SH, Beschluss vom 14. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 41; s. hierzu auch S. 18 der Verordnungsbegründung, a. a. O., sowie Beschluss des Senates vom 22. März 2021, a. a. O. Rn. 80).
Schließlich drängt sich ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch nicht insoweit auf, als es Einzelhandelsgeschäften, die überwiegend privilegierte Warensortimente anbieten, nach § 2a Abs. 3 der 15. SARS-CoV-2-EindV gestattet ist, nicht nur diese Warensortimente, sondern auch nicht privilegierte Warensortimente zu verkaufen, ohne den hier streitgegenständlichen Maßnahmen zu unterliegen. Diese Unterscheidung zu nicht privilegierten Einzelhandelsgeschäften wie dem der Antragstellerin ist mit Gründen des Infektionsschutzes zu rechtfertigen. Da nur denjenigen Stellen der Verkauf nicht privilegierter Waren ohne verpflichtende Einhaltung des 2-G-Zugangsmodells gestattet ist, die überwiegend privilegierte Warensortimente anbieten, beschränkt sich deren Anziehungswirkung für noch nicht immunisierte Kunden und damit die Gefahr einer vermehrten Übertragung des Virus auf diejenigen Verkaufsstellen, die zur Deckung des täglichen Bedarfs, etwa mit Lebensmitteln, ohnehin aufgesucht werden. Dann aber führt der dortige zusätzliche Verkauf von (nicht überwiegenden) nicht privilegierten Warensortimenten, etwa von Non-Food-Artikeln in Lebensmittelmärkten, nicht notwendig zu einer Erhöhung des Ansteckungsrisikos, der der Verordnungsgeber gesondert hätte Rechnung tragen müssen. Denn auch wenn derartige Angebote dazu führen, dass in den privilegierten Verkaufsstellen nicht nur notwendige Besorgungen erledigt werden, kommt es bei einer nach den genannten Grundsätzen zulässigen typisierenden Betrachtung prinzipiell nicht zu einer signifikanten Erhöhung der Kontakte, wie sie anzunehmen wäre, wenn für derartige Besorgungen ohne jede Einschränkungen eine weitere Verkaufsstelle – wie die der Antragstellerin – aufgesucht würde (vgl. OVG BB, Beschluss vom 30. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 58; OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21 – S. 22; ähnlich bereits Beschluss des Senates vom 22. März 2021, a. a. O. Rn. 51 m.w.N.; Beschluss des Senates vom 5. März 2021 – 3 R 20/21 – juris Rn. 60).
Auch dass nicht immunisierte Personen anders als immunisierte Personen keinen Zugang zu bestimmten Einzelhandelsgeschäften haben, verstößt unter Anwendung des oben aufgezeigten Maßstabs voraussichtlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung von immunisierten und nicht immunisierten Personen ist durch Sachgründe gerechtfertigt. Sie sind zum einen noch darin zu sehen, dass immunisierte Personen – wie dargestellt – bei der derzeit noch dominierenden Delta-Variante weniger zum Infektionsgeschehen beitragen. Zum anderen trägt dies dem Umstand Rechnung, dass nicht immunisierte Personen, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren, deutlich gefährdeter sind, so schwer zu erkranken, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen und somit in weitgehenderem Maße dazu beitragen, dass dort eine Überlastungssituation droht. Dies gilt voraussichtlich auch – wie ausgeführt – mit zunehmender Verbreitung der Omikron-Variante, auch wenn sich mit ihr wahrscheinlich auch mehr doppelt geimpfte Personen infizieren werden (zum Vorstehenden OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021, a. a. O. Rn. 120 ff.).
c) Selbst wenn die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens als offen angesehen würden, wäre der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten. Die vorzunehmende Folgenabwägung fiele zu Lasten der Antragstellerin aus.
Die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm fallen schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für die Antragstellerin. Die angegriffene Zugangsbeschränkung für nicht immunisierte Personen ist ein wesentlicher Baustein der Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners, die im Falle einer teilweisen Außervollzugsetzung in ihrer Wirkung reduziert würde, mit der Folge der Gefahr zusätzlicher (unentdeckter) Ansteckungen mit dem Virus und der Erkrankungen oder sogar des Todes weiterer Menschen. Der vom Verordnungsgeber bezweckten Abwendung dieser Gefahren kommt höheres Gewicht zu als den wirtschaftlichen Interessen der von einem weiteren Vollzug der Regelungen betroffenen Einzelhandelsbetriebe und potenziell ausgeschlossenen Kunden. Eine absehbare Existenzgefährdung hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Eine solche drängt sich schließlich im Hinblick auf den für einen deutlich überwiegenden Teil der Bevölkerung weiterhin möglichen unbeschränkten Zugang zu ihren Verkaufsstellen auch nicht auf. Gleiches gilt im Hinblick auf die mit Zusatzkosten verbundenen, ggf. zum Schutz ihrer Mitarbeiter notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
C. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei erachtet es der Senat in Anbetracht des von der Antragstellerin zwar nicht zahlenmäßig, aber als nicht unerheblich angeführten Umfangs wirtschaftlicher Einbußen als Folge der angegriffenen Maßnahme als sachgerecht, die sich aus dem Antrag für die Antragstellerin ergebende Bedeutung der Sache nicht nur mit dem (einfachen) Auffangwert, sondern in entsprechender Heranziehung des Nr. 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beil. 2013, 58 ff.) zugrunde liegenden Ansatzes mit 15.000,00 € zu bemessen. Dies rechtfertigt sich nicht zuletzt deshalb, weil die Antragstellerin im Hoheitsbereich des Antragsgegners mehrere Filialen betreibt. Eine Halbierung (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs) im Hinblick darauf, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, scheidet aus, weil der Antrag faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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