Medizinrecht

vorläufiger Rechtsschutz, immissionsschutzrechtliche Nachbarstreitigkeit, Anspruch auf Einschreiten gegen eine durch Bauarbeiten verursachte Lärmbeeinträchtigung, Ermessensreduzierung auf Null (verneint)

Aktenzeichen  Au 9 E 22.948

Datum:
19.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13014
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
BImSchG § 3 Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 3 Nr. 2
BImSchG § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BImSchG § 25 Abs. 2
BImSchG § 24 Abs. 1
AVV Baulärm
32. BImSchV

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen im Zeitraum zwischen dem 19. April 2022 und dem 21. April 2022 von der Beigeladenen beabsichtigte Gleisbauarbeiten (Schleifarbeiten) an der Gleisanlage der Straßenbahnlinie … im Stadtgebiet ….
Der Antragsteller ist Eigentümer einer vermieteten Eigentumswohnung im Stadtgebiet … (…straße …), die sich in etwa 13 m Entfernung zum Gleiskörper der Straßenbahnlinie … befindet.
Die Beigeladene betreibt seit Dezember 2021 zwischen … Zentrum und Hauptbahnhof … die verlängerte Straßenbahnlinie …. Wiederholt kam es in der Vergangenheit zwischen den Anschlussstellen … Straße und … Zentrum zu Lärmbeschwerden wegen des Betriebs der Straßenbahn.
Die Beigeladene beabsichtigt in der Zeit zwischen dem 19. April 2022 und dem 21. April 2022 zur Nachtzeit am Gleiskörper der Linie … Schleifarbeiten durchzuführen, um so den Geräuschpegel des Straßenbahnbetriebs zu reduzieren. Im vorbezeichneten Zeitraum sind Gleisarbeiten im Zeitraum zwischen 00:30 Uhr und 04:30 Uhr vorgesehen.
Mit Schriftsätzen vom 14. April 2022 und 19. April 2022 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg zuletzt beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verpflichten, die von der … Verkehrsgesellschaft MBH für die Tage Dienstag, den 19. April 2022, Mittwoch, den 20. April 2022 und Donnerstag, den 21. April 2022 jeweils im Zeitraum von 00:30 Uhr bis 04:00 Uhr geplanten GleisSchleifarbeiten der Straßenbahngleisanlage im Stadtgebiet … in einem Bereich von jeweils 500 m nördlich und südlich des Anwesens …straße … in … zu untersagen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller Eigentümer einer von ihm vermieteten Wohnung in der …straße sei, welche in einer Entfernung von etwa 13 m zur G.-strasse zur Straßenbahn zu liegen komme. Der Antrag sei zulässig und insbesondere auch statthaft. Der Antragsteller verfüge über einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Es lägen Verstöße gegen den absoluten Schutz des Kernbereichs der Nacht, gegen die Maximalpegel der TA-Lärm, gegen § 25 Abs. 2 Bundesemissionsschutzgesetz (BImSchG) und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG vor, wobei das Ermessen des Antragsgegners auf Erlass einer Untersagensverfügung in allen Fällen auf Null reduziert sei. Der sogenannte „Kernbereich der Nacht“ d.h. der Zeitraum von ca. 00:00 Uhr bis 05:00 Uhr werde von der Rechtsprechung besonders geschützt. Der Kernbereich der Nacht sei Güterabwägungsresistent. Auch werde gegen den Maximalpegel der TA-Lärm bei seltenen Ereignissen verstoßen. Der Antragsteller könne auch einen Anspruch auf Einschreiben gegenüber dem Betreiber der Schienenanlage aus § 25 Abs. 2 BImSchG geltend machen. Des Weiteren bestehe ein Anspruch auf Erlass einer imissionsschutzrechtlichen Anordnung gegenüber dem Antragsgegner nach § 24 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 22 BImSchG. Aufgrund der Besonderheiten des Gleisschleif-Lärms sei eine Überschreitung der zumutbaren Lärmwerte konkret zu befürchten. Auch sei das Ermessen der Behörde in allen Fällen auf Null reduziert. Auch § 7 Abs. 1 Satz 1 der 32. BImSchV stehe den geplanten Bauarbeiten entgegen. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus dem Anspruch des Antragstellers, die drohenden Gesundheitsgefahren im Wege eines Eilverfahrens abzuwenden.
Auf den weiteren Inhalt der Antragsschriftsätze vom 14. April und 19. April 2022 wird ergänzend verwiesen.
Mit Gerichtsbeschluss vom 19. April 2022 wurde die Betreiberin der Straßenbahnlinie … zum Verfahren notwendig beigeladen. Eine Äußerung ist im Verfahren nicht erfolgt.
Dem Antragsgegner wurde die Antragsschrift zugeleitet und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er begegnet bereits hinsichtlich seiner Zulässigkeit rechtlichen Bedenken, ist aber jedenfalls unbegründet.
1. Der Antrag des Antragstellers auf imissionsschutzrechtliches Einschreiten in Gestalt des Unterlassens der beabsichtigten Gleisbauarbeiten im Zeitraum zwischen dem 19. April und dem 21. April 2022 begegnet bereits deshalb rechtlichen Bedenken, da der Antragsteller lediglich Eigentümer der Eigentumswohnung in der …straße … in … ist, diese Wohnung jedoch nicht selbst bewohnt, sondern diese an Dritte vermietet hat. Zwar befindet sich das Wohnobjekt im Einwirkungsbereich der Straßenbahnlinie … der Beigeladenen, jedoch gilt als Nachbar i.S.d. Imissionsschutzrechtes (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) nur derjenige, der sich unmittelbar im Einwirkungsbereich der emittierenden Anlage bzw. der von ihr verursachten Emissionen befindet (vgl. BayVGH, U.v. 24.8.2007 – 22 B 05.2870 – 22 B 05.2870 – juris Rn. 19; Jarass, BImSchG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 3 Rn. 35). Einen nennenswerten Substanzeingriff in sein Grundeigentum durch die beabsichtigten Gleisbauarbeiten (Schleifarbeiten) der Beigeladenen hat der Antragsteller bereits nicht substantiiert aufgezeigt. Selbst wenn der Antragsteller befürchtet, wegen der geplanten Gleisbauarbeiten Mietminderungsansprüchen ausgesetzt zu sein, so genügt dies aus den nachfolgenden Gründen nicht für ein immissionsschutzrechtliches Einschreiten des Antragsgegners. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da der Antrag jedenfalls in der Sache unbegründet ist.
2. Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Untersagung der für den Zeitraum zwischen dem 19. April 2022 und 21. April 2022 beabsichtigten Gleisbauarbeiten (Schleifarbeiten) im Verlauf der Straßenbahnlinie … im Bereich der …straße.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) darlegt und glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7).
In Anwendung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen einer Sicherungsanordnung auf der Grundlage des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vor.
a) Zwar hat der Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht, da die von der Beigeladenen beabsichtigten Gleisbauarbeiten im Zeitraum zwischen dem 19. April und dem 21. April 2022 zur Nachtzeit (jeweils zwischen 00:30 Uhr und 04:30 Uhr) unmittelbar bevorstehen.
b) Zugunsten des Antragstellers ist jedoch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht i.S.v. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies gilt sowohl für einen Anspruch auf Einschreiten bzw. Untersagung des Antragsgegners gegenüber der Beigeladenen nach § 25 BImSchG als auch gem. § 24 BImSchG.
c) Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 BImSchG liegen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor.
Zwar werden Baumaschinen bzw. längerfristige Baustellen als solche nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG als (nicht genehmigungsbedürftige) Anlagen eingeordnet (vgl. VGH BW, B.v. 5.2.2015 – 10 S 2471/14 – juris Rn. 26; Jarass, BImSchG a.a.O., § 3 Rn. 83, § 22 Rn. 11).
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf § 25 Abs. 2 BImSchG auf ein Einschreiten gegenüber der Beigeladenen zugunsten des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht. Nach dieser Norm soll die zuständige Behörde die Errichtung oder den Betrieb einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage ganz oder teilweise untersagen, wenn die von einer Anlage hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährden und soweit die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann. Die Vorschrift verschafft betroffenen Dritten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf ein Einschreiten soweit kein atypischer Fall anzunehmen ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.1989, 7 C 77.87 – juris Rn. 35; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 25 Rn. 34). Eine über eine bloße erhebliche Belästigung im Sinne einer Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens hinausgehende Gesundheitsschädigung im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist gegeben, wenn durch unmittelbare Einwirkungen von Lärm funktionelle oder morphologische Veränderungen des menschlichen Organismus auftreten, die die natürliche Variationsbreite signifikant überschreiten. Dies muss aufgrund der konkreten Umstände überwiegend wahrscheinlich sein (vgl. VGH BW, U.v. 4.11.2014 – 10 S 1663/11 – juris 37; Jarass, BImSchG, a.a.O., § 25 Rn. 27).
Es ist davon auszugehen, dass die grundrechtliche Zumutbarkeitsgrenze zum Schutz der Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG) regelmäßig bei Lärmwerten von mehr als 70 dB(A) bzw. 60 dB(A) zur Nachtzeit liegt (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2013 – 7 B 40.12 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 14.6.2018 – 8 B 594/18 – juris Rn. 20f.).
Die bloße Überschreitung der Imissionsrichtwerte nach der gem. § 66 Abs. 2 BImSchG zur Bewertung heranzuziehenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschemissionen – vom 19. August 1970 (im Folgenden: AVV Baulärm) reicht nicht aus, weil diese Werte unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr auf den Schutz der erheblichen Belästigungen i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG ausgerichtet sind (OVG NW, B.v. 14.6.2018, a.a.O., juris Rn. 22).
Gemessen an diesen Maßstäben besteht für den Antragsteller, der selbst lediglich Eigentümer einer Wohnung im Bereich der Trasse der Straßenbahnlinie … der Beigeladenen ist, keine für seine Gesundheit bestehende Gefahr in einem für die Glaubhaftmachung nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO erforderlichen Maß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
Insoweit fehlen bereits hinreichende Belege für eine Gesundheitsgefahr aufgrund der künftigen Bauarbeiten im Streckenabschnitt im Umgriff von 500 m zur in …straße … gelegenen Wohnung des Antragstellers (Immissionsort).
Weiter weist das Gericht darauf hin, dass nach der AVV Baulärm der Beurteilungspegel am jeweiligen Emissionsort maßgeblich ist. Dieser Beurteilungspegel ist auch nicht identisch mit einem oder mehreren Maximalschallpegeln, weil einzelne Geräuschspitzen nivelliert werden. Der Beurteilungspegel ist daher erfahrungsgemäß im Regelfall niedriger als der Maximalpegel (vgl. Gebhardt/Lang, Baurecht BauR 2015, 1426ff.). Nach der Stellungnahme des Technischen Immissionsschutzes des Antragsgegners beträgt dieser Beurteilungspegel lediglich 51 db(A) und bleibt damit unter dem für die Annahme einer Gesundheitsgefahr relevanten Grenze von 60 dB(A). Dies erscheint bei einer Vorbeifahrt der Schleifmaschine mit einer Geschwindigkeit von 3 km/h auch durchaus nachvollziehbar.
d) Der Antragsteller hat aber auch keinen Anspruch auf Erlass einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung nach § 24 Satz 1 BImSchG glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 BImSchG und der auf das BImSchG gestützten Rechtsverordnungen erforderlichen Anordnungen treffen. Eine Anordnung nach § 24 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG kann mit dem Ziel erlassen werden, schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (Nr. 1), oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Einwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken (Nr. 2). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 3 BImSchG nicht nur Gefahren, sondern auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen.
Ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Satz 1 BImSchG hier überhaupt erfüllt sind, kann letztlich offen bleiben, da das von § 24 Satz 1 BImSchG eröffnete Erschließungsermessen des Antragsgegners jedenfalls nicht auf Null reduziert ist.
§ 24 Satz 1 BImSchG räumt der Behörde für ihre Entscheidung über das Einschreiten gegen schädliche Umwelteinwirkungen einer Anlage, die unterhalb der in § 25 Abs. 2 BImSchG bezeichneten Grenze (Gefahr für Leben und Gesundheit) bleiben, einen Ermessenspielraum ein (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.1988 – 7 B 154.88 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 24.1.2005 – 21 A 4049/03 – juris Rn. 11).
Das Ermessen ist dabei umso mehr eingeschränkt, je schwerer sich die Beeinträchtigung durch die Emissionen darstellt, also wenn etwa die Grenze der Wohnunverträglichkeit erreicht wird (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 – juris Rn. 24; VGH BW, U.v. 21.9.1993 – 10 S 1735/91 – juris Rn. 60).
Eine Reduzierung des Ermessens bei Geräuschemissionen kommt erst dann in Betracht, wenn diese dem Einwirkungsbereich mit Rücksicht auf dessen durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden können.
Gemessen an diesen Maßstäben ist das (Entschließungs-) Ermessen des Antragsgegners vorliegend jedenfalls nicht auf Null reduziert. Dies gilt umso mehr, als es sich vorliegend um einen kurzfristigen Baulärm im Zeitraum von wenigen Stunden an drei Tagen und damit nicht um einen Baulärm über eine längere Zeit, der sich in einer gesundheitsgefährdenden Größenordnung bewegt handelt. Weiter gilt es zu berücksichtigen, dass es für die Beigeladene nahezu unumgänglich ist, die Gleisarbeiten im Nachtzeitraum (nach Nr. 3.1.2 der AVV Baulärm der Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 07:00 Uhr) durchzuführen. Eine Verlegung in den Tagzeitraum, wie vom Antragsteller angedacht, begegnet erheblichen Bedenken, da dann die Straßenbahnlinie … im Zeitraum der Arbeiten ab der I… Straße nicht mehr südlich in Richtung … geführt werden könnte. Weiter bleibt zu berücksichtigen, dass die Gleisbauarbeiten im Allgemeininteresse durchgeführt werden, um die von der Anwohnerschaft allgemein beanstandete Lärmproblematik der Straßenbahnlinie … zu reduzieren. Nach Nr. 5.2.2 der AVV Baulärm kann selbst bei Überschreiten der Immissionsrichtwerte von einer Stilllegung der Baumaschine abgesehen werden, wenn die Bauarbeiten im öffentlichen Interesse dringend erforderlich sind. Da Maßnahmen zur Minderung des Baulärms auf Seiten der Beigeladenen nicht offensichtlich vorhanden sind, obliegt es den von den Gleisbauarbeiten Betroffenen im durchaus überschaubaren Zeitraum der Bauarbeiten (19. April bis 21. April 2022) Selbsthilfemaßnahmen wie beispielsweise Geschlossenhalten der Fenster zu ergreifen (vgl. hierzu in der baurechtlichen Rechtsprechung BayVGH, B.v. 21.1.2014 – 2 ZB 12.1142 – juris Rn. 5; OVG NW, U.v. 29.10.2012 – 2 A 723/11 – juris Rn. 67; HessVGH, U.v. 8.7.2004 – 3 N 1894/02 – juris Rn. 27).
e) Nichts anderes ergibt sich aus den Vorschriften der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung (32. BImSchV). Diese dürfte vorliegend bereits keine Anwendung finden, da die für den Einsatz vorgesehene Schleifmaschine im abschließenden Katalog der Anlage 1 zur 32. BImSchV nicht genannt ist. Selbst wenn man die 32. BImSchV heranziehen würde können nach § 7 Abs. 2 Satz 4 der 32. BImSchV Ausnahmen von den Einschränkungen des § 7 Abs. 1 der 32. BImSchV von Amts wegen zugelassen werden, wenn dies im sonstigen öffentlichen Interesse erforderlich ist.
f) Da der Antragsteller keine Ermessensreduzierung zu seinen Gunsten geltend
machen kann, bleibt auch sein Hilfsantrag ohne Erfolg. Eine Neuverbescheidung,
ist mit dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes ohnehin nicht vereinbar.
3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Von einer Reduzierung des Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) wurde in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Rechtsschutz des Antragstellers im Antragsverfahren erschöpft, abgesehen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben