Medizinrecht

Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung, Dringlichkeitsfestsetzung, Wohnungssuchende in Studium oder Ausbildung, Aktuelle Wohnsituation nicht nachgewiesen

Aktenzeichen  M 12 E 21.1563

Datum:
3.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40184
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
Art. 5 BayWoBindG.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Verfahren M 12 E 21.1563 und M 12 K 20.6879 werden hinsichtlich der Entscheidung über die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
IV. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin im Verfahren M 12 E 21.1563 und Klägerin im Verfahren M 12 K 20.6879 (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beklagten (im Folgenden: Antragsgegnerin), die Dringlichkeit ihres Antrags auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung höher als bislang erfolgt festzusetzen. Diese Verpflichtung soll im Wege einstweiligen Rechtsschutzes bereits bis zur Entscheidung in der Hauptsache angeordnet werden.
Die am … … … geborene, schwerbehinderte und unter gesetzlicher Betreuung stehende Antragstellerin absolvierte vom 28. August 2018 bis zum 27. August 2021 eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin bei der Stiftung … … Vom 1. Januar 2017 bis zum 15. September 2020 war die Antragstellerin in D. … gemeldet. Der Ausbildungsvertrag der Antragstellerin mit der Stiftung … … vom 1. Oktober 2018 wie auch der Förderbescheid der Bundesagentur für Arbeit aus dem Januar 2020 benennt als Wohnanschrift der Antragstellerin ebenfalls die dort genannte Adresse in D. … Am 20. Oktober 2020 erfolgte – rückwirkend zum 15. September 2020 – die Ummeldung auf eine Adresse in der S. H1. Straße in M., wo die Antragstellerin in einem Internat der Stiftung … … wohnte. Die Wohnungsgeberbestätigung der Stiftung … … vom 23. September 2020 wiederum benennt als Anschrift der Antragstellerin die T. H2.Straße in München.
Seit 1. Juni 2021 ist die Antragstellerin unter einer Adresse im G… Ring in München gemeldet.
Am … November 2020 beantragte die Antragstellerin bei der Beklagten die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung als Einzelperson. Zur Begründung wurde u.a. geltend gemacht, der Antragstellerin drohe in absehbarer Zeit die Wohnungslosigkeit, da diese nach Abschluss ihrer Ausbildung im Sommer 2021 nicht mehr weiter in der Wohngemeinschaft ihres derzeitigen Ausbildungsbetriebes wohnen dürfe, da diese nur Auszubildenden zur Verfügung stünde. Für die Zeit nach Ende ihrer Ausbildung habe die Antragstellerin bereits eine Beschäftigung in München in Aussicht gestellt bekommen.
Mit streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2020 wurde die Antragstellerin als Einzelperson für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt (Nr. 1), als angemessene Wohnungsgröße 1 Wohnraum festgesetzt (Nr. 2) sowie die Dringlichkeit des Antrags unter Verweis mit 30 Gesamtpunkten (10 Grundpunkte; 20 Vorrangpunkte, wegen Schwerbehinderung) festgesetzt (Nr. 4). Das Zusprechen von lediglich 10 Grundpunkten wurde damit begründet, dass sich die Antragstellerin nach den strengen Maßstäben des sozialen Wohnungsbaus nur zur Ausbildung in München aufhalte. Denn zwischen dem Zuzug der Antragstellerin nach München und dem Beginn ihrer Ausbildung bestünde ein enger zeitlicher Zusammenhang.
Hiergegen hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom … Dezember 2020, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 12 K 20.6879) und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2020 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die soziale Dringlichkeit des Wohnungsantrages der Antragstellerin mit Grundpunkten zu wenigstens 90 zu beurteilen. Die Klage wurde zugleich sowie ergänzend mit Schriftsatz vom … März 2021 wie folgt begründet: Die Antragsgegnerin habe das Zuzugsdatum nach München „falsch gewichtet“. Die Antragstellerin habe bereits 2017 ein Internat in München bezogen und mit der Ausbildung begonnen. Sie habe sich nur deshalb nicht umgemeldet, weil ihr gesagt worden sei, dies wäre nicht erforderlich. Zudem sei der Antragstellerin im Rahmen ihres derzeitigen Praktikums eine eventuelle Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach Abschluss ihrer Ausbildung in Aussicht gestellt worden. Die Antragstellerin müsse ihre derzeitige Unterkunft im Sommer verlassen, anderweitiger Wohnraum stehe ihr nicht zur Verfügung. Pendeln sei der Antragstellerin aufgrund ihrer Behinderung nicht zumutbar. Die Antragsgegnerin stelle bei ihrer Bewertung zwar auf ein nachvollziehbares Punktesystem ab, allerdings sei die konkret drohende Wohnungslosigkeit und die besondere Bedeutung der Behinderung bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden, diese daher ermessensfehlerhaft.
Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Bevollmächtigte zudem einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten gestellt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 ZPO ging am 8. Januar 2021 bei Gericht ein.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2021 hat die Antragsgegnerin beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Zuzug der Antragstellerin sei zu Ausbildungszwecken erfolgt, wofür nach den einschlägigen Dienstanweisungen der Beklagten lediglich 10 Grundpunkte zuzuerkennen seien. Die im Verlauf des Verwaltungsverfahrens gemachte Angabe, die Antragstellerin sei bereits 2017 und damit noch vor Beginn ihrer Ausbildung bei der Stiftung … … nach München gezogen, sei angesichts der anderslautenden Angaben im Ausbildungsvertrag der Antragstellerin mit der Stiftung … … vom 1. Oktober 2018, dem Förderbescheid der Bundesagentur für Arbeit aus dem Januar 2020 und insbesondere der erst am 20. Oktober 2020 erfolgten Ummeldung, bei welcher als Einzugsdatum zudem der 15. September 2020 angegeben wurde, unglaubhaft. Angesichts der Tatsache, dass die Wohnungsgeberbestätigung der Stiftung … … vom 23. September 2020 als Adresse nicht die S. H1. Straße, sondern die T. H2. straße in M. enthalte, seien die Angaben zu den Wohnverhältnissen der Antragstellerin darüber hinaus insgesamt widersprüchlich.
Sofern zudem geltend gemacht worden sei, dass der Antragstellerin für die Zeit nach Beendigung ihrer Ausbildung eine Arbeitsstelle in Aussicht gestellt worden sei, habe die Antragstellerin bzw. deren gesetzliche Vertreterin trotz entsprechender Aufforderung durch die Antragsgegnerin bislang keine entsprechende Bestätigung des künftigen Arbeitgebers vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom … März 2021 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,
die Beklagte im Wege einstweiligen Rechtsschutzes mittels einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die soziale Dringlichkeit des Wohnungsantrages der Klägerin bis zur Hauptsacheentscheidung mit Grundpunkten zu wenigstens 90 zu beurteilen (M 12 E 21.1563).
Mit Schriftsatz vom 7. April 2021 hat die Beklagte beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Mit Beschluss vom 3. Dezember 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (M 12 E 21.1563) sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verfahren M 12 E 21.1563 und M 12 K 20.6879 haben keinen Erfolg.
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 ZPO ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch; bedeutet hier: den Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Erteilung einer gemeinsamen Vormerkung für die Antragstellerin und ihren Sohn) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung bei Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Grundsätzlich dürfen jedoch die getroffenen einstweiligen Anordnungen nur dazu dienen, die Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache offen zu halten (BVerwG, B.v. 27.01.1995 – 7 VR 16/94; BayVGH, B.v. 23.01.2017 – 10 CE 16.1398), nicht jedoch bereits der Durchsetzung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch unter Vorwegnahme der Hauptsache. Das Gericht kann somit grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur im Hauptsacheprozess erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen, da mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar, ist es daher, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft und dadurch vollendete Tatsachen schafft (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).
Der Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt allerdings auch dann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn das Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerwG in st. Rspr., z.B. B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13). Einem Begehren, eine Entscheidung zu erwirken, die eine Hauptsacheentscheidung vorwegnähme, kann daher nur stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde. Würde der Antragsteller mit einer einstweiligen Anordnung, wie hier, bereits das in einem Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel erreichen, ist an die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 6 VR 3.13).
Vorliegend konnte die Antragstellerin schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Die in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids vorgenommene Dringlichkeitsfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Insbesondere hatte die Antragstellerin zum maßgeblichen Zeitpunkt weder einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit noch auf eine erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist Art. 5 BayWoBindG. Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Dieses Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Antragsgegnerin eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14.4.1999 – 24 S 99.110).
Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Festsetzung einer höher als die bereits festgesetzten, 30 Gesamtpunkten betragenden, Dringlichkeit.
Denn die Antragsgegnerin hat die Dringlichkeit vorliegend, insbesondere auch im Rahmen der von Antragstellerseite gerügten Bemessung der Grundpunkte, nach Maßgabe der zum Zeitpunkt dieser Entscheidung geltenden, seitens der Antragsgegnerin strukturell angewandten Dienstanweisungen bewertet.
Gemäß Ziff. 4 der Punktetabelle ist die Dringlichkeit von Wohnungsanträgen mit 10 Grundpunkten zu bewerten, soweit die aktuelle Wohnsituation nicht oder nicht ausreichend durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen ist. Aufgrund der in Ziffer 2 Punktetabelle geregelten Grundpunktebegrenzung bleibt der Grundpunktestand in diesem Fall auch dann auf die Zahl 10 begrenzt, wenn Gründe vorliegen, die für sich genommen eine höhere Zahl an Grundpunkten generieren würden.
Die Antragstellerin ist ausweislich einer durch das Gericht am 2. Dezember 2021 durchgeführten Meldeabfrage seit dem 1. Juni 2021 nicht mehr in der S. H1. Straße in M., sondern im G. …-Ring in M. gemeldet. Der bisherige Vortrag inklusive der vorgelegten Unterlagen, sowohl im Verwaltungsverfahren vor der Antragsgegnerin, wie auch im gerichtlichen Verfahren, beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Wohnsituation in der S. H1.Straße in M. Hinsichtlich der neuen Wohnsituation wurde seitens der Antragstellerin bzw. ihres Bevollmächtigten nichts mehr vorgetragen, so dass die Dringlichkeit des Wohnungsantrages zum Zeitpunkt dieser Entscheidung mit 10 Grundpunkten (aktuelle Wohnsituation nicht nachgewiesen) sowie 20 Vorrangpunkten, aufgrund der Schwerbehinderung der Antragstellerin zu bemessen ist.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
III. Auch die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) unter Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes der Antragstellerin (§ 121 Abs. 2 ZPO) haben sowohl für das Eilverfahren (M 12 E 21.1563) als auch für das Hauptsacheverfahren (M 12 K 20.6879) keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2016 – 10 C 15.724 – juris Rn. 14 m.w.N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1; BayVGH, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da zum o.g. Zeitpunkt weder der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO noch die Klage hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO hatten und sich die Erfolgsaussichten auch nicht bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin geändert haben.
1. Die Klage der Antragstellerin im Verfahren M 12 K 20.6879 hatte zum Zeitpunkt des Eintritts der Bewilligungsreife (Januar 2021) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. So hatte die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt weder einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit noch auf eine erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung.
a) Ein derartiger Anspruch ergibt sich zum einen nicht unter Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Denn die Antragsgegnerin hat die Dringlichkeit vorliegend, insbesondere auch im Rahmen der von Antragstellerseite gerügten Bemessung der Grundpunkte, entsprechend der aktuell geltenden, seitens der Antragsgegnerin strukturell angewandten Dienstanweisungen bewertet.
(1) Nach Ziff. 4 der Punktetabelle i.V.m. Ziff. 2.1. der Dienstanweisung „Anerkennung als Münchner oder auswärtiger Haushalt“ (im Folgenden: DA) gilt bezüglich Wohnungssuchenden, die sich derzeit in einer Ausbildung befinden, Folgendes: Stehen Zuzug und Aufnahme der Ausbildung in einem engen zeitlichen Zusammenhang, wird der Wohnungssuchende gemäß Ziff. 2.1.1 der DA – auch wenn derzeit mit Hauptwohnsitz in München gemeldet – gleich einem auswärtigen Haushalt behandelt und mit 10 Grundpunkten eingestuft. Aufgrund der in Ziffer 2 Punktetabelle geregelten Grundpunktebegrenzung bleibt der Grundpunktestand auch dann auf die Zahl 10 begrenzt, wenn Gründe vorliegen, die grundsätzlich eine höhere Zahl an Grundpunkten generieren würden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Ausbildung innerhalb eines Jahres nach Zuzug nach München aufgenommen wurde oder sich der Wohnungssuchende beim Zuzug bereits in Ausbildung befand. Legt der Wohnungssuchende jedoch eine Bestätigung eines Arbeitgebers vor, dass er nach Beendigung der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird, gilt der Wohnungssuchende nach Ziffer 2.1.2 dennoch als Münchner Haushalt und unterliegt als solcher nicht mehr der oben beschriebenen Grundpunktebegrenzung nach Ziffer 2 Punktetabelle.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin nicht als Münchner, sondern als auswärtigen Haushalt und infolge dessen – ohne Beachtung einer etwaig drohenden Wohnungslosigkeit – mit 10 Grundpunkten einzustufen, entspricht – zum für diese Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt – den in den Dienstanweisungen gemachten Vorgaben.
Zum einen erfolgte der Zuzug der Antragsgegnerin jedenfalls nicht bereits ein Jahr vor Aufnahme ihrer Ausbildung (Ende August 2018). Ausweislich Ziffer 1 DA stellt die Antragsgegnerin hinsichtlich des Zuzuges auf den Meldestatus des Wohnungssuchenden ab. Ausweislich der vorliegenden Meldedaten war die Antragstellerin bis zum 15. September 2020 und damit bis weit nach Beginn ihrer Ausbildung offiziell noch in D…, nicht in München gemeldet. Davon abgesehen konnte die von Antragstellerseite gemachte Behauptung, die Antragstellerin wohne faktisch bereits seit 2017 (und damit – je nach Datum – bereits mehr als ein Jahr vor Aufnahme der Ausbildung) in München, angesichts der anderslautenden Angaben im Ausbildungsvertrag der Antragstellerin mit der Stiftung … … vom 1. Oktober 2018, dem Förderbescheid der Bundesagentur für Arbeit aus dem Januar 2020 und insbesondere der erst am 20. Oktober 2020 erfolgten Ummeldung, bei welcher als Einzugsdatum zudem der 15. September 2020 angegeben wurde, sowie mangels entsprechender Nachweise für einen solchen Zuzug nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden.
Zum anderen hat die Antragstellerseite auf ihre Aussage hin, der Antragstellerin sei für die Zeit nach Beendigung ihrer Ausbildung eine Arbeitsstelle in Aussicht gestellt worden, trotz entsprechender Aufforderungen der Antragsgegnerin, bis heute keine entsprechende Bestätigung des behaupteten künftigen Arbeitgebers vorgelegt.
(2) Die Antragsgegnerin hat zudem entsprechend Ziffer 3 der Punktetabelle der Antragstellerin zusätzlich 20 Vorrangpunkte aufgrund ihrer Schwerbehinderung zuerkannt.
b) Des Weiteren führt die – grundsätzlich als ermessensgerecht zu bewertende (s.o.) – Anwendung der Punktetabelle sowie der diese flankierenden Dienstanweisungen im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise zu einer den Zielen der gesetzlichen Ermessenseinräumung widersprechenden bzw. die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitenden Bewertung der Dringlichkeit (§ 114 Satz 1 VwGO) und damit einhergehend zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung der Antragstellerin im Rangverhältnis zu den übrigen Antragstellern. Die Antragstellerin hat daher auch vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf zumindest erneute, ermessensfehlerfreie Festsetzung ihrer Dringlichkeit unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Umstände ihres Falles unter Abweichung von den Vorgaben der Punktetabelle (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 Satz 1 VwGO), geschweige denn auf Festsetzung eines bestimmten Punktebetrages infolge Ermessensreduktion auf Null (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
In diesem Zusammenhang war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Schwerbehinderung der Antragstellerin – wie gesetzlich gefordert – durch Zuerkennung entsprechender Vorrangpunkte bereits auf Basis der Punktetabelle berücksichtigt hat.
2. An den Erfolgsaussichten hat sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch nichts zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
Wie soeben unter Ziffer I. 1. der Entscheidungsgründe dargelegt, hat die Antragstellerin auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen entsprechenden Anspruch (s.o.).
3. Wie zudem unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe dargelegt, hat auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren M 12 E 21.1563 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.


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