Medizinrecht

Widerruf der Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst

Aktenzeichen  S 28 KA 236/20 ER

Datum:
22.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50432
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
NADO-KVB § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
SGB X § 24 Abs. 2 Nr. 1
Ärzte-ZV § 21

 

Leitsatz

Zur Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem eine Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst mangels Eignung widerrufen und dessen sofortige Vollziehung angeordnet worden ist.
1. Die Regelung des § 21 Ärzte-ZV gilt für die Frage der Ungeeignetheit umfassend. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst  greift in die Berufsfreiheit des Arztes ein. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.10.2020 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem seine Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst mangels Eignung widerrufen worden ist und dessen sofortige Vollziehung die Antragsgegnerin angeordnet hat.
Der Antragsteller ist seit 1997 als Allgemeinarzt in S in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Antragsgegnerin erteilte ihm am 13.3.2002 die unbefristete Genehmigung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Notarztdienst am Notarztwagenstandort R und am Notarztwagenstandort C (L).
Die Antragsgegnerin erhielt u.a. zu einem Notarzteinsatz des Antragstellers am 15.12.2016 Beschwerden wegen des Vorwurfs ärztlichen Fehlverhaltens und ermittelte daraufhin von Amts wegen. Der Antragsteller nahm wegen des von der Antragsgegnerin geäußerten Verdachts eines Verstoßes gegen vertragsärztliche Pflichten mit Schreiben vom 22.1.2017 Stellung.
Am 31.5.2017 erhielt der Antragsteller einen Anruf von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Diensteinteilung zum Notarztdienst ab sofort ausgesetzt werde.
Mit Schreiben vom 12.6.2017 protestierte der Antragsteller hiergegen und bat die Antragsgegnerin um nähere Begründung ihrer Entscheidung.
Die Antragsgegnerin teilte ihm mit Bescheid vom 20.7.2017 mit, dass aufgrund von Vorfällen im Dezember 2016, zu denen er bereits angehört worden sei, erhebliche Zweifel an seiner Geeignetheit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen des Notarztdienstes bestünden. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts würde sie pflichtgemäß prüfen, ob ein Widerruf seiner Genehmigung vom 13.3.2002 angezeigt sei. Bis zur vollständigen Aufklärung der Vorfälle, der Entscheidung über das weitere Vorgehen und der Entscheidung über die Geeignetheit des Antragstellers zur Teilnahme am Notarztdienst sei es aufgrund der Schwere der Vorwürfe geboten, seine Diensteinteilung bis auf weiteres auszusetzen.
Die Antragsgegnerin wies mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2018 den Widerspruch des Antragstellers hiergegen zurück.
Die Staatsanwaltschaft R2 stellte das (aufgrund Unterrichtung der Antragsgegnerin gem. § 81 Abs. 4 SGB V eingeleitete) Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen fahrlässiger Tötung (unterlassene Reanimation) am 17.1.2019 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Sie hatte zuvor ein kardiologisches Sachverständigengutachten eingeholt, auf dessen Grundlage nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft der erforderliche Kausalitätsnachweis eines Verhaltens des Antragstellers für den Tod der Patientin nicht geführt werden konnte.
Mit Urteil vom 7.10.2020 hob das Sozialgericht München die Bescheide der Antragsgegnerin vom 31.5.2017 und vom 20.7.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2018, soweit sie die Aussetzung der Teilnahme des Antragstellers am Notarztdienst für die Dauer des Verfahrens zur Überprüfung der Eignung regelten, mit Wirkung zum 1.7.2019 auf (Az. S 28 KA 122/18).
Mit Bescheid vom 29.10.2020 widerrief die Antragsgegnerin die Genehmigung des Antragstellers zur Teilnahme am Notarztdienst vom 13.3.2002 und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst sei zu widerrufen, da der Antragsteller ungeeignet zur weiteren Teilnahme am Notarztdienst sei. Es lasse sich ein hochgradig medizinisches Fehlverhalten in einem (Beschwerde-) Fall festhalten, welcher die Patientin an ihrer Gesundheit gefährdet und ihre Überlebenschancen im weiteren (Behandlungs-)Verlauf drastisch reduziert habe. Es werde vollumfänglich auf das kardiologische Sachverständigengutachten des Klinikums N verwiesen. Das erste medizinische Fehlverhalten des Antragstellers habe in diesem Fall aufgrund versäumter Blutzuckermessung vorgelegen, welche laut Gutachten bei der Arbeitsdiagnose „Schlaganfall/zerebrales Geschehen“ obligat sei. Der Verzicht sei „grob fahrlässig“. Nach Auffassung der Sachverständigen hätte spätestens zum Zeitpunkt der Verschlechterung der Kreislaufsituation, also vor Eintreten eines Herzkreislaufstillstandes, die Anlage eines venösen Zuganges zur Kreislaufstabilisierung mittels Flüssigkeit sowie kreislaufunterstützende Medikamente durchgeführt werden müssen, um eine weitere Verschlechterung zu vermeiden. Diese Maßnahmen hätte der Antragsteller unterlassen. Die nach den gültigen Leitlinien zum Herz-Kreislaufstillstand vorgesehenen Reanimationsmaßnahmen seien vom Antragsteller nicht durchgeführt worden. Die Sachverständigen hätten der Aussage des Antragstellers, dass das Kriterium der Aussichtslosigkeit erfüllt gewesen sei, denn die Patientin habe nach seinen Angaben derart schwere Vorerkrankungen gehabt, welche das Überleben eines Herz-Kreislaufstillstands unmöglich gemacht hätten, widersprochen. Die Wiederbelebungsmaßnahmen hätten durchgeführt werden müssen. Das Vorgehen des Antragstellers weiche erheblich vom allgemein akzeptierten Vorgehen ab. Ferner sei das Vorgehen des Antragstellers hinsichtlich der Übergabe im Klinikum C fragwürdig gewesen. Die Entscheidung, keine Reanimation aufgrund der dem Antragsteller vorliegenden Informationen zu beginnen, sei nicht an das Personal der Klinik weitergegeben worden, so dass die vom Antragsteller mutmaßliche Intention, Schaden und Leid von der Patientin abzuwenden, durch sein eigenes Verhalten konterkariert worden sei. Aus Sicht der Antragsgegnerin sei der Antragsteller nicht nur vorübergehend ungeeignet zur Teilnahme am Notarztdienst. Die Antragsgegnerin sehe auch eine potentielle Wiederholungsgefahr, denn es seien nicht nur medizinisch gebotene Handlungen nicht vorgenommen, sondern (auch) in der Stellungnahme vom 22.1.2017 eine innere Haltung zum Ausdruck gebracht worden. Der Antragsteller habe absichtlich, laut Sachverständigen aufgrund von medizinisch nicht nachvollziehbaren Erwägungen, von weiteren Reanimationsmaßnahmen an der Patientin Abstand genommen. Gleichwohl habe der Antragsteller zugelassen, dass die Patientin in der aufnehmenden Klinik umgehend reanimiert worden sei. Diese Pflichtverletzung wiege schwer und sei so gröblicher Natur, dass die Entziehung der Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst zur Erhaltung der Sicherheit der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei. Der Widerruf sei auch verhältnismäßig. Der Widerruf verfolge den Zweck, künftige Notfallpatienten, die nach dem BayRDG besonders schutzbedürftig seien, an Leib und Leben zu schützen. Durch das Gutachten sei nachgewiesen, dass der Antragsteller nicht, insbesondere nicht unverzüglich, die notwendigen und erforderlichen medizinischen Maßnahmen ergriffen und die Patientin dadurch geschädigt habe. Auch die Entscheidungsgründe des Antragstellers für das Unterlassen der Reanimation seien für die Gutachter medizinisch nicht nachvollziehbar, daher stehe zu befürchten, dass etwaige Fehlentscheidungen wiederholt werden könnten. Dies könne aber gerade bei sich in Lebensgefahr befindlichen Patienten, oder Patienten, bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten seien, wenn sie nicht unverzüglich die erforderliche medizinische Versorgung erhielten, eine größere Gefahr darstellen, als beispielsweise Behandlungen durch den Antragsteller im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit als niedergelassener Arzt oder im Bereitschaftsdienst. In diesen Fällen hätten die Patienten in der Regel noch die Möglichkeit, den Arzt frei zu wählen oder eine Behandlung abzubrechen. Die Maßnahme sei auch geeignet, künftige gleich gelagerte Fehlentscheidungen oder medizinisch nicht lege-artis durchgeführte Behandlungen an Notfallpatienten zu verhindern. Die Maßnahme sei auch erforderlich. Insbesondere wäre die Teilnahme des Antragstellers an etwaigen „Refresher-Kursen“ in der Notfallmedizin nicht milder gewesen als der Widerruf der Genehmigung. Der Antragsteller habe in seiner Stellungnahme vom 22.1.2017 eine innere Haltung niedergelegt, die Reanimation (nach gutachterlich nicht nachvollziehbarer Weise) gar nicht erst durchzuführen. Für die Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich, wie zukünftige potentielle Pflichtverletzungen gleicher Art durch medizinische Kurse verhindert werden könnten. Die Maßnahme sei auch angemessen, denn der Schutz der Notfallpatienten an Leib und Seele sei höher zu werten als der Eingriff in die berufliche Ausübung der notärztlichen Tätigkeit des Antragstellers nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Entscheidung berücksichtigt, dass der Antragsteller durch die übermäßig lange Verfahrensdauer der Aussetzung seit dem 1.7.2019, welche die Aussetzung seiner Teilnahme nachträglich rechtswidrig gemacht habe, nicht mehr am Notarztdienst teilnehmen konnte.
Dennoch wäre die Entscheidung der Antragsgegnerin zu der Geeignetheit des Antragstellers nach § 21 Ärzte-ZV auch zu einem früheren Zeitpunkt nicht anders verlaufen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten, da eine Gefährdung und mögliche Schädigung von Leben und Gesundheit der im Rahmen des Notarztdienstes zu behandelnden Patienten bei einer weiteren Ausübung der notärztlichen Tätigkeit durch den Antragsteller zu befürchten sei. Unterbliebe die Anordnung der sofortigen Vollziehung, bestünde aufgrund der im Raum stehenden Ungeeignetheit für die Teilnahme am Notarztdienst eine nicht hinzunehmende Gefährdung für die wichtigen und unverzichtbaren Rechtsgüter Leben und Gesundheit etwaiger Notfallpatienten. Eine Entscheidung in der Hauptsache könne daher, sofern der Antragsteller Rechtsmittel geltend machen möchte, nicht abgewartet werden. Das öffentliche Interesse an der umgehenden Beseitigung drohender Gefährdungen überwiege das Individualinteresse an der Weiterführung der notärztlichen Tätigkeit bis zu einer abschließenden Entscheidung.
Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 29.10.2020 am 9.11.2020 Widerspruch.
Er hat am 30.11.2020 beim Sozialgericht München die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Nachdem die Antragsgegnerin derart lange zugewartet habe, um über die Eignung des Antragstellers zu entscheiden, sei es nunmehr insbesondere vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Berufsfreiheit nicht mehr verhältnismäßig, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Verzögerungen auf Seiten der Antragsgegnerin könnte nicht zulasten des Antragstellers gehen. Ferner liege der angebliche Verstoß gegen vertragsärztlichen Pflichten fast vier Jahre zurück. Seitdem sei der Antragsteller weiterhin als Arzt tätig gewesen und es habe keinerlei Probleme geben. Im Übrigen sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft, da die Antragsgegnerin die Interessen des Antragstellers nicht hinreichend in ihre Entscheidung eingestellt habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.10.2020 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den Antragsteller für ungeeignet zur Teilnahme am Notarztdienst. Es wäre in sich nicht kongruent, hätte sie nach dieser Entscheidung nicht die sofortige Vollziehung angeordnet. Hier müsse das berufliche Interesse des Antragstellers gegenüber dem Allgemeinwohl zurückstehen. Die ärztliche Tätigkeit als Facharzt für Allgemeinmedizin in einer Gemeinschaftspraxis und als Arzt im Bereitschaftsdienst sei nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines Notarztes. Die Antragsgegnerin verweist im Übrigen auf eine Stellungnahme von I, der nach der Durchsicht des kardiologischen Gutachtens und der Stellungnahme des Antragstellers vom 22.1.2017 zu dem Ergebnis kommt, dass dieser nicht geeignet sei, am Notarztdienst teilzunehmen und Notfallpatienten zu behandeln. Müsste er sich nach den ihm vorliegenden Daten jetzt im Augenblick entscheiden, wäre es medizinisch nicht vertretbar, den Antragsteller weiterhin Notfallpatienten behandeln zu lassen. Der Antragsteller habe in seiner Stellungnahme vom 22.1.2017 eine unterlassene Hilfeleistung zugegeben. Das kardiologische Sachverständigengutachten sei mit evidenz-basierten Literaturangaben (insbesondere auf der Leitlinienbasis der ERC-2015) vollkommen begründet.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Gerichtsakte im Verfahren S 28 KA 122/18 verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen allesamt vor.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Im Rahmen der Entscheidung gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist das Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der aufschiebenden Wirkung zu beachten. Das Gericht prüft, ob die Anordnung formell rechtmäßig getroffen worden ist. Ist das nicht der Fall, stellt das Gericht die aufschiebende Wirkung wieder her. Gleiches gilt, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtswidrig ist. Darüber hinaus hat das Gericht auch zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgehend von einer Interessenabwägung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufrechterhalten bleiben kann, weil das überwiegende Vollzugsinteresse auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss. Bei Drittbetroffenheit sind die Interessen des Adressaten des VA und des Drittbetroffenen sowie das öffentliche Interesse gegeneinander abzuwägen. Die Grundsätze zur Berücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind im vorliegenden Zusammenhang nur modifiziert anzuwenden. Ist der VA offensichtlich rechtswidrig, wird die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit spricht zwar dafür, die aufschiebende Wirkung nicht wiederherzustellen. Die Anordnung des Sofortvollzugs bedarf aber auch bei einem offensichtlich rechtmäßigen VA zusätzlich eines öffentlichen Interesses daran, den VA vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Anordnung des Sofortvollzugs rechtswidrig ist, muss es die aufschiebende Wirkung vollumfänglich anordnen, außer wenn der Sofortvollzug hinsichtlich eines verbleibenden abtrennbaren Teils formell rechtmäßig angeordnet und materiell in diesem Umfang durch öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 12i m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers abzulehnen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 29.10.2020 ist rechtmäßig.
Die formellen Anforderungen gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG sind erfüllt. Die Antragsgegnerin war für die Entscheidung zuständig und hat diese schriftlich begründet. Die schriftliche Begründung enthält die für die Anordnung des Sofortvollzugs entscheidenden Gründe der Antragsgegnerin und lässt noch ausreichend erkennen, warum das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung (Schutz von Leben und Gesundheit etwaiger Notfallpatienten) in dem konkreten Einzelfall das Interesse des Antragstellers an der Weiterführung seiner notärztlichen Tätigkeit überwiegt.
Auch in materiellrechtlicher Hinsicht ist die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Frage der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens kommt das Gericht auf Grundlage einer summarischen Überprüfung zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29.10.2020 eher keine Aussicht auf Erfolg hat.
Rechtsgrundlage für den Genehmigungswiderruf ist § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NADO-KVB (in der Fassung vom 19.3.2016, geändert durch Beschluss vom 17.11.2018), wonach die Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst zu widerrufen ist, wenn der Notarzt aus den in § 21 Ärzte-ZV genannten Gründen zur weiteren Teilnahme am Notarztdienst ungeeignet ist. Darauf, ob bereits bei Erteilung der Genehmigung am 13.3.2002 eine § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NADO-KVB entsprechende Vorschrift existierte, kommt es nicht an, da anhand von Rechtsvorschriften auch der Widerruf von solchen Verwaltungsakten eingeführt werden kann, die bei Inkrafttreten der Vorschriften bereits erlassen oder auch bestandskräftig sind (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 49 Rn. 45). Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NADO-KVB geht dem in der Genehmigung vom 13.3.2002 geregelten Widerrufsvorbehalt (Nr. 7 „kann“) vor.
Es bestehen zwar Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29.10.2020. Diese sind jedoch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens heilbar bzw. im Ergebnis unbeachtlich.
Nach Einschätzung des Gerichts hätte die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass des Widerrufsbescheids zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen anhören müssen (§ 24 Abs. 1 SGB X); zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gehört auch das kardiologische Sachverständigengutachten von R/P. Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass ausnahmsweise von der Anhörung abgesehen werden konnte, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien (§ 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X). Eine dahingehende Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller nicht zumindest eine kurze Anhörungsfrist hätte eingeräumt werden können. Zudem hätte die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen, dass sie selbst erst die Dringlichkeit der Entscheidung hervorgerufen hat, da sie trotz Abschluss der Sachverhaltsermittlungen im Februar 2019 in der Folgezeit nicht über die Eignung des Antragstellers entschied (Urteil vom 7.10.2020, Az. S 28 KA 122/18; zu einer solchen Fallgestaltung vgl. auch Siefert in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 24 Rn. 27 m.w.N.). Das Gericht geht aber davon aus, dass die erforderliche Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X) und dieser formelle Mangel dadurch unbeachtlich wird.
In diesem – was den Verfahrensablauf betrifft (vgl. hierzu Urteil vom 7.10.2020, Az. S 28 KA 122/18) – besonders gelagerten Fall lässt sich diskutieren, ob die Antragsgegnerin nicht zudem gegen die Vorschrift des § 9 Satz 2 SGB X verstoßen hat, wonach das Verwaltungsverfahren u.a. zügig durchzuführen ist. Auf die Frage eines derartigen Verstoßes kommt es vorliegend aber nach Einschätzung des Gerichts nicht an, da offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 SGB X; vgl. auch Mutschler in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 2020, SGB X, § 9 Rn. 11 m.w.N.).
Auch in materiellrechtlicher Hinsicht ist der Bescheid vom 29.10.2020 voraussichtlich eher nicht zu beanstanden.
Die Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NADO-KVB zu widerrufen, wenn der Notarzt aus den in § 21 Ärzte-ZV genannten Gründen zur weiteren Teilnahme am Notarztdienst ungeeignet ist. Ungeeignet für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist ein Arzt, der aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben (§ 21 Satz 1 Ärzte-ZV). Die Regelung des § 21 Ärzte-ZV gilt für die Frage der Ungeeignetheit umfassend (Clemens in: Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 3).
Die Antragsgegnerin hat aufgrund des von der Staatsanwaltschaft R2 eingeholten kardiologischen Sachverständigengutachtens ein hochgradig medizinisches Fehlverhalten des Antragstellers in einem notärztlichen Behandlungsfall am 15.12.2016 festgestellt, welches die Patientin an ihrer Gesundheit gefährdet und ihre Überlebenschancen im weiteren Behandlungsverlauf drastisch reduziert hat. Fehlerhafte Behandlungsleistungen bzw. Verstöße gegen die Regeln der ärztlichen Kunst seien vertragsärztliche Pflichtverletzungen.
Nach dem aktuellen Verfahrensstand schließt sich das Gericht der Auffassung der Antragsgegnerin an, dass vorliegend von einem schweren medizinischen Fehlverhalten des Antragstellers auszugehen ist, dass seine Eignung zur weiteren Teilnahme am Notarztdienst entfallen lässt. Allerdings erscheint es offen, ob nicht im Hauptsacheverfahren noch weitere medizinische Sachverhaltsermittlungen notwendig werden, insbesondere nach ordnungsgemäßer Anhörung des Antragstellers (§ 24 Abs. 1 SGB X).
Die Aussagen des kardiologischen Sachverständigengutachtens von R/P (Klinikum N) sind aus Sicht des Gerichts eindeutig. Danach sind dem Antragsteller im Hinblick auf den Notarzteinsatz am 15.12.2016 mehrere Behandlungsfehler zur Last zu legen. Neben der grob fahrlässigen Nichtdurchführung bzw. Nichtdokumentierung der Blutzuckermessung (Seite 9 des Gutachtens) sowie des Unterlassens der Anlage eines venösen Zugangs zur Kreislaufstabilisierung mittels Flüssigkeit sowie kreislaufunterstützenden Medikamenten (Seite 10 des Gutachtens) wird dem Antragsteller vor allem das Unterlassen der Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen vorgeworfen, das „erheblich von dem allgemein akzeptierten Vorgehen“ abweiche (Seite 16 des Gutachtens). Darüber hinaus sei auch das Vorgehen des Antragstellers im Rahmen der Übergabe im Klinikum fragwürdig, bei der er seine Entscheidung, warum er keine Reanimation begonnen habe, nicht an das Personal im Klinikum weitergegeben habe (Seite 16 des Gutachtens). Eine lege artis durchgeführte Reanimation hätte die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neurologischer Schäden oder eines Multiorganversagens sicherlich reduziert (Gutachten Seite 17). Die von der Antragsgegnerin im Verwaltungssowie im Gerichtsverfahren eingeholten kurzen Stellungnahmen von I (Facharzt für Anästhesiologie sowie Klinische Pharmakologie; Zusatzbezeichnungen u.a. Intensivmedizin, Notfallmedizin) bestätigen die (Kern-) Aussagen des Sachverständigengutachtens des Klinikums N; zugleich bestätigt I, dass das Sachverständigengutachten auf evidenz-basierten Literaturangaben (insbesondere auf der Leitlinienbasis der ERC-2015) beruhe.
Nach den Beurteilungen der Gutachter handelt es sich um derart schwerwiegende Behandlungsfehler, dass nach dem aktuellen Verfahrensstand nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller in der Lage ist, seine notärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben.
Die Antragsgegnerin hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die (aktuelle) Praxis- und Bereitschaftsdiensttätigkeit des Antragstellers nicht mit der Tätigkeit eines Notarztes, die die zeitkritische notfallmedizinische Versorgung von Notfallpatienten am Notfallort und den Notfalltransport umfasst, vergleichbar ist. Daher kommt es nicht darauf an, dass es seit dem 15.12.2016 „keinerlei Probleme“ bei der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit des Antragstellers gab.
Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 29.10.2020 nachvollziehbar ausgeführt, dass kein milderes Mittel ersichtlich sei, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sowie den Schutz der Notfallpatienten gleichermaßen zu gewährleisten. Insbesondere sei die Teilnahme an etwaigen „Refresher-Kursen“ in der Notfallmedizin kein milderes Mittel. Der Antragsteller habe in seiner Stellungnahme vom 22.1.2017 eine innere Haltung niedergelegt, die Reanimation aus (gutachterlich nicht nachvollziehbaren) Gründen gar nicht erst durchzuführen, so dass nicht ersichtlich sei, wie zukünftige potentielle Pflichtverletzungen gleicher Art durch die Teilnahme an medizinischen Kursen verhindert werden könnten. Der Antragsteller ist, wie dem Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 24.5.2019 im Verfahren S 28 KA 122/18 zu entnehmen ist, offensichtlich auch nach Kenntnis des kardiologischen Sachverständigengutachtens von R/P (Klinikum N) der Überzeugung, dass Wiederbelebungsmaßnahmen bei der Patientin am 15.12.2016 von Anfang an sinnlos gewesen waren. Er hält das Gutachten für eine exzellente (wissenschaftlich begründete) Darstellung des optimalen Vorgehens im Notarztdienst, dem jedoch stellenweise der Themenbezug fehle (Schriftsatz vom 16.8.2019 im Verfahren S 28 KA 122/18). Konkrete, auf den Fall bezogene medizinische Einwände hat der Antragsteller bisher jedoch nicht gegen das Sachverständigengutachten angeführt. Die in den Ausführungen des Antragstellers (bzw. seines Bevollmächtigten) zum Ausdruck kommende fehlende Einsicht hinsichtlich der Bewertung der Frage der Aussichtslosigkeit der Situation begründen nach Einschätzung des Gerichts nicht unerhebliche Zweifel, ob der Antragsteller hinsichtlich der komplexen medizinischen und ethischen Fragen zur Reanimation mit Hilfe von sog. Refresher-Kurse im notwendigen Maße fortgebildet werden kann.
Im Übrigen hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung auch berücksichtigt, dass der Antragsteller durch die übermäßig lange Verfahrensdauer der Aussetzung seit dem 1.7.2019 nicht mehr am Notarztdienst teilnehmen konnte. Sie hat zugleich darauf hingewiesen, dass ihre Entscheidung über die Geeignetheit des Antragstellers zu einem früheren Zeitpunkt nicht anders verlaufen wäre. Aus Sicht des Gerichts kann der Gesichtspunkt der Verfahrensverzögerung vorliegend keinen Einfluss auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des (nicht nur vorübergehenden) Genehmigungswiderrufs haben. Dass mittlerweile vier Jahre seit den in Frage stehenden Behandlungsfehlern des Antragstellers vergangen sind (und der Antragsteller seit ca. 3 1/2 Jahren nicht mehr am Notarztdienst teilnimmt), ändert nichts hinsichtlich der Frage der Eignung des Antragstellers. Es erfordert auch keine strengeren Maßstäbe bezüglich der Frage der Rechtfertigung des Eingriffs in die Rechte des Antragstellers als diejenigen, die von der Antragsgegnerin angesetzt wurden.
Die Anordnung des Sofortvollzugs durch die Antragsgegnerin ist darüber hinaus auch mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Genehmigung zur Teilnahme am Notarztdienst durch die Antragsgegnerin greift in die Berufsfreiheit des Antragstellers ein. Die Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Grundverfügung (§ 86a Abs. 1 SGG) stellt einen selbständigen Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen dar. Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) wird die berufliche Betätigung des Antragstellers schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache beeinträchtigt. Es handelt sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2009, Az. 1 BvR 1876/09, Rn. 13 m.w.N., zum Widerruf einer Substitutionsgenehmigung).
Greift eine Behörde durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung in die Berufsfreiheit eines Betroffenen ein, so muss dieser nach Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung herbeizuführen. Im Rahmen des Verfahrens nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG den formellen Anforderungen entspricht und ob in materieller Hinsicht überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit des Antragstellers aufgrund der streitgegenständlichen Genehmigung während des laufenden Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, ebenda, Rn. 14 m.w.N.).
Vorliegend kommt das Gericht bei einer Gesamtwürdigung aller konkreten Umstände zu dem Ergebnis, dass konkrete Gefahren für die Gesundheit und Leib und Leben von Notfallpatienten nicht ausgeschlossen werden können, wenn der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin am Notarztdienst teilnimmt.
Dabei berücksichtigt das Gericht die eindeutigen Aussagen der Gutachter R/P (Klinikum N) in ihrem kardiologischen Sachverständigengutachten vom 27.12.2018, die insbesondere hinsichtlich des Unterlassens der Durchführung von Reanimationsmaßnahmen durch den Antragsteller auf ein „erheblich von dem allgemein akzeptierten Vorgehen“ abweichendes Vorgehen hinweisen. Die Gutachter widersprechen zudem den vom Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 22.1.2017 angeführten Gründen für den Verzicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen. So widersprechen sie der Aussage des Antragstellers, nach welcher der Sterbeprozess der Patientin bereits eingetreten gewesen sei. Insbesondere für die Zeit vor dem Eintreten das Herz-Kreislaufstillstandes habe die Möglichkeit bestanden, durch Gabe von kreislaufstabilisierenden Medikamenten eine drohende Verschlechterung abzuwenden. Auch nach Eintreten des Herz-Kreislaufstillstandes sei eine Therapie möglich und grundsätzlich indiziert gewesen (Seite 13 f. des Gutachtens). Nach Ansicht der Gutachter war auch das Kriterium der Aussichtslosigkeit in dem Notarztfall am 15.12.2016 nicht erfüllt. Zudem seien die Voraussetzungen für die Reanimation günstig gewesen, da der Herz-Kreislaufstillstand von medizinischem Fachpersonal beobachtet worden sei. Desweiteren sei der Transportweg ins Klinikum kurz gewesen, so dass ein Transport unter Reanimationsbedingungen zur weiteren Diagnostik und Therapie ebenfalls gut möglich gewesen wäre. Nach Einschätzung der Gutachter spreche in der Zusammenschau nichts gegen den Beginn von Wiederbelebungsmaßnahmen, diese hätten durchgeführt werden müssen (Seite 15 f. des Gutachtens). Der von der Antragsgegnerin beigezogene I bestätigt die Aussagen des Gutachtens uneingeschränkt. Aus Sicht des Gerichts liegen keine Anhaltspunkte vor, an der Richtigkeit der gutachterlichen Aussagen zu zweifeln.
Aufgrund der von den Gutachtern festgestellten (groben) Behandlungsfehler des Antragstellers am 15.12.2016 ist zu befürchten, dass es der Antragsteller in ähnlichen künftigen notärztlichen Situationen erneut unterlässt, u.a. notwendige Wiederbelebungsmaßnahmen sofort einzuleiten. Eine Wiederholungsgefahr kann insbesondere auch im Hinblick auf die Ausführungen des Antragstellers in seiner Stellungnahme vom 22.1.2017 sowie in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten vom 24.5.2019 und 16.8.2019 (im Verfahren S 28 KA 122/18) nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen ist, dass in solchen Notfällen wie dem am 15.12.2016 in kürzester Zeit schwierige medizinische, teils auch ethische Bewertungen und Entscheidungen getroffen werden müssen. Dadurch, dass der Antragsteller im konkreten Fall die Frage der Sinnhaftigkeit von Wiederbelebungsmaßnahmen selbst nach Kenntnis des Sachverständigengutachtens weiterhin verneint, ist nach Einschätzung des Gerichts zu befürchten, dass auch in Zukunft bei einer weiteren notärztlichen Tätigkeit des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Gesundheit bzw. Leib und Leben von Notfallpatienten konkret gefährdet werden können, weil der Antragsteller die Frage der Aussichtslosigkeit von Wiederbelebungsmaßnahmen anders bewertet als nach dem allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse.
Bei dem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers (Art. 12 Abs. 1 GG) ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine Haupteinkünfte aus seiner (weiterhin uneingeschränkt möglichen) Praxistätigkeit als Vertragsarzt erzielt und die Einkünfte aus seiner Notarzttätigkeit nur einen geringen Teil seiner Einnahmen darstellen (s. interne Stellungnahme der Beklagten vom 2.5.2018, Bl. 127 der Verwaltungsakte). Der Schutz vor einer möglichen Gefährdung von Leib und Leben von (Notfall-)Patienten überwiegt hier nach Überzeugung des Gerichts gegenüber dem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers.
Bei Abwägung aller Interessen ist nach Auffassung des Gerichts dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Vorrang zu geben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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