Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Abtretung, Schadensersatzanspruch, Schadensersatz, Schmerzensgeld, Berufung, Versicherungsnehmer, Genehmigung, Verletzung, Schadensereignis, Hund, Haftung, Unfall, Revision, Mangel, Die Fortbildung des Rechts, beide Elternteile, elterlichen Sorge

Aktenzeichen  32 S 61/19

Datum:
7.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39758
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

17 C 1316/18 2019-06-12 Endurteil AGCOBURG AG Coburg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 12.06.2019, Az. 17 C 1316/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Coburg, durch das ihre Klage aus abgetretenem Recht auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einer Tierhalterhaftpflichtversicherung als unzulässig abgewiesen wurde.
Die Klägerin ist die Tochter des … der bei der Beklagten eine Tierhalterhaftpflichtversicherung unterhält. Sie wächst bei ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt auf; der Vater lebt von ihnen getrennt. Am 05.11.2016 ging die seinerzeit dreijährige Klägerin mit spazieren, der seinen von ihm gehaltenen Hund angeleint mitführte. Als der Hund unvermittelt seine Laufrichtung änderte, stürzte die Klägerin über die sich dadurch plötzlich straffende Leine und fiel auf das Gesicht. Hierbei erlitt sie Luxationen der Zähne 61 und 62 sowie eine Riss-Quetsch-Wunde der oralen Lippenschleimhaut, die noch am selben Tag operativ versorgt werden musste. Ihr wurde eine Schiene eingesetzt, die am 29.11.2016 operativ wieder entfernt wurde. Die Verletzung der oralen Lippenschleimhaut führte zu einem Geschwulst an der Oberlippe, dessen Beseitigung mittels Operation noch bevorsteht.
Unter dem 04.01.2018 unterzeichneten die Kindsmutter und der Kindsvater ein als „Abtretungsvereinbarung zwischen Herrn … und Frau …, vertr. d. Frau …“ bezeichnetes Dokument, das folgenden Inhalt hatte:
㤠1
Hiermit trete ich, Herr … sämtliche Ansprüche gegenüber der welche mir gegen diese aus dem bestehenden Versicherungsverhältnis aufgrund des Schadensereignisses vom 05.11.2016 zur Schaden-Nr. … zustehen, an …, vertr. d. Frau. …, ab.
§ 2
Ich, … vert. d. Frau …, nehme die Abtretung hiermit an.“
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgebracht, durch den Sturz und die darauffolgenden Behandlungsmaßnahmen erheblich psychisch beeinträchtigt zu sein. Außerdem sei eine Schädigung der Keimlinge der bleibenden Zähne aufgrund des Sturzes zu befürchten.
Sie hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 2.000,00 € nebst Zinsen sowie zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 334,75 € zu verurteilen sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 05.11.2016 festzustellen, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits unzulässig, da die Klägerin nur durch die Mutter vertreten Klage erhoben habe, zur ordnungsgemäßen Prozessführungsführungsbefugnis aber eine Vertretung durch beide sorgeberechtigten Elternteile erforderlich gewesen sei. Weiter meint sie, eine Haftung des … als Tierhalter sei gemäß § 1664 BGB ausgeschlossen. Diese Haftungsbeschränkung sei auf deliktische Schadensersatzansprüche, auch auf solche aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB, anwendbar mit der Folge, dass eine Haftung nur bei Missachtung der Maßstäbe eigenüblicher Sorgfalt in Betracht komme. Schließlich sei die Klägerin aus § 1618a BGB und dem darin enthaltenen Prinzip der familiären Solidarität zum Verzicht auf die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gegenüber dem Vater gehalten.
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die in eigener Person gemäß § 51 Abs. 1 ZPO prozessunfähige Klägerin sei nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB sei eine Vertretung durch beide Eltern gemeinschaftlich erforderlich gewesen, den Nachweis einer Genehmigung der Klage durch den Vater … habe die Klägerin aber nicht erbracht. Darüber hinaus hält das Amtsgericht die unzulässige Klage auch für unbegründet. Die Klägerin sei bereits nicht aktivlegitimiert, da es an einer wirksamen Abtretung fehle. Die Abtretungserklärung sei möglicherweise schon nicht hinreichend bestimmt. Jedenfalls aber fehle es an einer wirksamen Annahme der Abtretung, da diese lediglich durch die Mutter … erklärt worden sei. Gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB sei aber eine entsprechende Erklärung beider sorgeberechtigten Elternteile erforderlich gewesen.
Darüber hinaus geht das Amtsgericht davon aus, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe das Haftungsprivileg des § 1664 BGB entgegen. Diese Vorschrift sei auf die Tierhalterhaftung anwendbar. Da der Vater der Klägerin unstreitig die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt habe walten lassen, hafte er gemäß § 1664 BGB nicht.
Gegen dieses ihrer Rechtsvertreterin am 19.06.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 19.07.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese – nach entsprechend gewährter Fristverlängerung – mit Schriftsatz vom 19.09.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tage, begründet.
Mit ihrer Berufung, verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiter. Sie rügt im Wesentlichen, die Klageabweisung wegen Unzulässigkeit beruhe auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs. Zweifel an der ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin habe das Gericht erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2019 geäußert. Die Klägervertreterin habe daraufhin erklärt, sie sei zwar zunächst tatsächlich nur von … beauftragt worden, … habe der Beauftragung aber zugestimmt (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 50 d.A.). Es sei nicht erkennbar gewesen, dass diese Erklärung dem Gericht nicht ausgereicht habe. Wäre ein entsprechender Hinweis erfolgt, dann hätte sie Beweis durch Zeugeneinvernahme des … angeboten, die das Ergebnis einer wirksamen Genehmigung erbracht hätte.
Weiter wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Amtsgerichts, die Abtretungserklärung sei mangels gemeinsamer Annahme durch beide Elternteile unwirksam. … habe als Versicherungsnehmer der Beklagten die Abtretung selbst erklärt. Als Zedent sei er gemäß §§ 181, 1629, 1795 BGB von der Annahme der Abtretungserklärung ausgeschlossen. Anderenfalls sei die Abgabe der Erklärung zugleich als konkludente Annahme zu sehen. Die Abtretungserklärung sei zudem hinreichend bestimmt.
Schließlich tritt die Klägerin der Rechtsansicht des Amtsgerichts entgegen, die Haftungsbeschränkung des § 1664 BGB sei auf § 833 BGB anwendbar. Vielmehr sei die Norm als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und erfasse insbesondere keine Gefährdungshaftungstatbestände. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unanwendbarkeit des Haftungsprivilegs des § 1664 BGB auf die Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG und auf den motorbetriebenen Wassersport. Die gleichen Grundsätze müssten für die Tierhalterhaftung gelten. Auch bei der Hundehaltung gebe es eine Vielzahl detaillierter Regelungen und Verhaltensweisen zum Schutz vor einer Gefährdung Dritter. Die Rechtslage sei daher mit derjenigen im Straßenverkehr vergleichbar. Zudem dürfe Klägerin nicht schlechter stehen, wenn sie durch ein Familienmitglied verletzt werde, als wenn ein Dritter ihre Verletzungen verursacht habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 12.06.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Coburg, Az. 17 C 1316/18,
1. wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von € 2.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.01.2017 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welche der Klägerin aus dem Schadensereignis vom 05.11.2016 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einzelne Versicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 334,75 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Meinung, selbst bei unterstellter Zulässigkeit sei die Klage jedenfalls in der Sache erfolglos. Das Haftungsprivileg des § 1664 BGB greife vorliegend ein; eine Vergleichbarkeit mit der Rechtsprechung zur Haftung beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Motorbootes sieht sie nicht.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin führt zu einer Abänderung des Urteils lediglich dergestalt, dass die Klage als unbegründet statt als unzulässig abzuweisen war.
1. Zulässigkeit
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Insbesondere wurde die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO gewahrt, nachdem sie auf Antrag der Klägerin um einen Monat verlängert worden war, § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO. An der Zulässigkeit der Berufung im Übrigen bestehen keine Zweifel.
2. Begründetheit
Das Amtsgericht hat die Klage zwar im Ergebnis zu Recht abgewiesen, jedoch hätte die Abweisung nicht als unzulässig erfolgen dürfen. Vielmehr war die Klage zulässig, jedoch unbegründet.
a) Zulässigkeit der Klage
Die Klage zum Amtsgericht Coburg war zulässig. Insbesondere war die Klägerin gemäß § 51 ZPO prozessfähig. Die zum Unfallzeitpunkt dreijährige Klägerin bedarf gemäß §§ 51, 52 ZPO zur Prozessfähigkeit der ordnungsgemäßen gesetzlichen Vertretung.
Das Amtsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass gesetzliche Vertreter unter elterlicher Sorge stehender Minderjähriger grundsätzlich die Eltern gemeinsam sind (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB), und zwar auch dann, wenn sie getrennt voneinander leben, § 1671 BGB (Althammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 51 Rdnr. 3). Ebenso zutreffend führt das Amtsgericht aus, ein Mangel der gesetzlichen Vertretung könne rückwirkend durch Genehmigung geheilt werden (Hübsch, in: BeckOK-ZPO, 35 Ed., 01.01.2020, § 51 Rdnr. 31). Die Kammer folgt der Einschätzung des Amtsgerichts aber nicht, die Klägerin habe die Genehmigung des weiteren gesetzlichen Vertreters … nicht nachgewiesen.
Die Prozessfähigkeit ist ebenso wie die Prozessführungsbefugnis eine Prozessvoraussetzung. Das Gericht hat sie im Wege des Freibeweises von Amts wegen festzustellen, wobei das Beweismaß des § 286 ZPO gilt (BGH, Urteil vom 28.11.1962 – V ZR 9/61 -, NJW 1963, 297, 298; Beschluss vom 26.06.1997 – V ZB 10/97 – NJW 1997, 3319, 3320; Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 284 Rdnrn. 22, 24). Im Berufungsverfahren ist das Gericht an die Feststellungen des Erstgerichts im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, und zwar auch zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage (Rimmelspacher, in: MüKO-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 529 Rdnr. 5; Wulf, in: BeckOK-ZPO, 35. Ed., 01.01.2020, § 529 Rdnr. 6).
Eine Wiederholung der informatorischen Anhörung in der Berufungsinstanz war nicht erforderlich. Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien ohne Beweiserhebung festzustellen, was als wahr und was als unwahr zu erachten ist (BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 48/17 -, NJW-RR 2018, 249, 250). Will das Berufungsgericht von der Würdigung der Angaben einer Partei in der informatorischen Anhörung abweichen, etwa eine Aussage als glaubhaft erachten, die das Erstgericht für unglaubhaft gehalten hat, muss es die Anhörung wiederholen (BGH a.a.O.). Vorliegend hat aber das Amtsgericht nicht die Angabe der (ohnehin nicht von der Klägerin persönlich, sondern von ihrer Rechtsvertreterin) getätigten Aussage, … habe der Prozessführung zugestimmt, für unglaubhaft gehalten. Vielmehr hat es die informatorische Anhörung nicht berücksichtigt. Dementsprechend weicht die Kammer auch nicht von der Würdigung der Aussage ab, sondern bildet sich aufgrund des vorhandenen Parteivortrags eine eigene Überzeugung.
Aufgrund des Vortrags der Klägerin im Termin vor dem Amtsgericht vom 22.05.2019 und in der Berufungsbegründung – der, selbst wenn er als neu angesehen würde, jedenfalls nach § 533 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen wäre, weil das Amtsgericht auf die aus seiner Sicht offenbar bestehende Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung zur Prozessfähigkeit nicht gemäß § 139 ZPO hingewiesen hat – ist die Kammer auch ohne Zeugenvernehmung des … davon überzeugt, dass die zur Prozessführungsbefugnis der Klägerin erforderliche Zustimmung des Kindsvaters … vorliegt. Im Termin des Amtsgerichts vom 22.05.2019 war die Mutter der Klägerin … anwesend. Über ihre Rechtsvertreterin ließ sie erklären, der Kindsvater … habe der Beauftragung der Rechtsanwältin zur Klageerhebung zugestimmt. Auf diese Äußerung geht das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen nicht ein, sondern beschränkt sich auf den nicht weiter begründeten Satz, die Klägerin habe den Nachweis einer Genehmigung zur Prozessführung nicht erbracht. Erkenntnisquelle der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist aber ausdrücklich auch die Äußerung bei einer Anhörung gemäß § 141 ZPO (Greger, in: Zöller, a.a.O., § 286 Rdnr. 14). Warum die Behauptung der Klägervertreterin, der Vater habe der Prozessführung zugestimmt, falsch sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Im Gegenteil deutet das gesamte vorprozessuale Verhalten auf eine entsprechende Zustimmung hin: … hat in der „Abtretungsvereinbarung“ vom 04.01.2018 seiner Tochter zustehende Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Sturz vom 05.11.2016 abgetreten. Unabhängig von der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung hat er damit deutlich zu erkennen gegeben, dass er eine Durchsetzung der Ansprüche wünscht. Vor diesem Hintergrund ist die Angabe der Klägervertreterin, der Vater habe der Prozessführung zugestimmt, ohne Einschränkung glaubhaft.
Die Klage war daher entgegen der Ansicht des Amtsgerichts zulässig.
b) Begründetheit der Klage
Die zulässige Klage war jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
aa) Allerdings folgt die Kammer nicht der Ansicht des Amtsgerichts, der Klägerin fehle es wegen Unwirksamkeit der Abtretungserklärung von Ansprüchen des … gegen die Beklagte an der Aktivlegitimation.
(1) Richtigerweise geht das Amtsgericht davon aus, dass eine Abtretung gemäß § 398 BGB ein Vertrag zwischen dem Zedenten und dem Zessionar ist, der dementsprechend Angebot und Annahme erfordert (Schulze, in: ders., HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 398 Rdnr. 2). Ebenso zutreffend legt es zugrunde, dass die Klägerin grundsätzlich gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB zur Annahme des Abtretungsangebots nur durch beide Elternteile gemeinsam wirksam gesetzlich vertreten werden konnte. Allerdings ist eine solche gemeinschaftliche Annahme vorliegend – auch wenn der Wortlaut der „Abtretungsvereinbarung“ dies nicht ausdrücklich beinhaltet – durch beide Elternteile erfolgt. Dies ergibt eine an den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB orientierte Auslegung.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Für die Bestimmung des Parteiwillens ist ihre Interessenlage von maßgeblicher Bedeutung (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 133 Rdnr. 18 m.w.Nachw.). Der „Abtretungsvereinbarung“ vom 04.01.2018 lag vorliegend der übereinstimmende Wille von Kindsvater und Kindsmutter zugrunde, Ansprüche des Vaters gegen die Beklagte aus der Tierhalterhaftpflichtversicherung den gegenständlichen Unfall betreffend an die Klägerin abzutreten. Die Erklärung kann damit nicht anders verstanden werden, als dass … die Abtretung nicht nur anbieten, sondern auch als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter annehmen wollte. Hieran war er auch nicht gemäß § 181 BGB gehindert, da die Abtretung seiner Ansprüche für die Klägerin ausschließlich rechtlich vorteilhaft war (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1972 – IV ZR 225/69 – NJW 1972, 2262, 2263; Spickhoff, in: MüKO-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1795 Rdnr. 20; Veit, in: BeckOK-BGB, 52. Ed., 01.11.2019, § 1629 Rdnr. 31). Vor diesem Hintergrund wäre es lebensfremd anzunehmen, dass … die Abtretung zwar anbieten, aber nicht annehmen wollte.
Selbst wenn man § 181 BGB als anwendbar ansähe und davon ausginge, … habe die angebotene Abtretung nicht im Namen der Tochter wirksam angenommen, dann läge jedenfalls eine Genehmigung der Alleinvertretung durch … vor. Indem … in seiner Erklärung die Zessionarin mit „…“ vertr. d. Frau … bezeichnete, hat er zu erkennen gegeben, dass er seine eigene Vertretungsmacht für die Annahme des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts auf die Kindsmutter überträgt.
(2) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die Abtretungserklärung auch hinreichend bestimmt. Zur Bestimmbarkeit ist nicht erforderlich, dass der Klausel die von der Abtretung erfassten Forderungen von vornherein zweifelsfrei entnommen werden können. Vielmehr ist ausreichend, wenn sich zum Entstehungszeitpunkt einer Forderung ersehen lässt, ob sie von der Abtretung erfasst ist (BGH, Urteil vom 20.09.2012 – IX ZR 208/11 -, NJW-RR 2013, 248, 248; Grüneberg, in: Palandt a.a.O., § 398 Rndr. 14). Vorliegend ist keine Forderung des … aufgrund des Unfallereignisses vom 05.11.2016 gegen die Beklagte aus der – in der Vereinbarung genau bezeichneten – Tierhalterhaftpflichtversicherung denkbar, bei der unklar ist, ob sie der Abtretung unterfällt. Dem verfügungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist damit Genüge getan.
bb) Jedoch ging die wirksame Abtretung vorliegend ins Leere, da … keine Ansprüche gegen die Beklagte aus der Tierhalterhaftpflichtversicherung wegen des Schadensereignisses vom 05.11.2016 hat.
Zwar wurde die Klägerin durch ein Tier verletzt, dessen Halter … war. Dementsprechend kommt gemäß § 833 S. 1 BGB ein Anspruch aus Tierhalterhaftung in Betracht. Der Sturz der Klägerin ist auch auf die spezifische Tiergefahr zurückzuführen, nämlich ein unvorhersehbares Verhalten des Hundes. Eine eventuell falsche Leinenführung durch den Vater ist nicht ersichtlich und würde einer Haftung als Tierhalter gemäß § 833 BGB auch nicht entgegenstehen, da bereits eine Mitverursachung durch die Tiergefahr zur Haftungsbegründung ausreichend ist (Sprau, in: Palandt, a.a.O., § 833 Rdnr. 7).
Indes besteht kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihren Vater aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB, da kein Sorgfaltspflichtverstoß des … vorliegt. Zwar ist die Tierhalterhaftung für Luxustiere – wie hier – gemäß § 833 S. 1 BGB grundsätzlich verschuldensunabhängig ausgestaltet, vorliegend ist die Haftung aber gemäß § 1664 BGB auf die Verletzung eigenüblicher Sorgfalt beschränkt.
(1) Die Haftungsprivilegierung des § 1664 BGB ist auf die Gefährdungshaftung gemäß § 833 S. 1 BGB anwendbar (so zur vergleichbaren Vorschrift des § 1359 BGB: KG, Urteil vom 06.04.2001 – 9 U 2200/99 -, MDR 2002, 35, 36; Sprau, in: Palandt, a.a.O., § 833 Rdnr. 12).
Die Haftungsmilderung des § 1664 BGB gilt auch für deliktische Schadensersatzansprüche – jedenfalls dann, wenn ein innerer Zusammenhang des deliktischen Verhaltens mit der elterlichen Sorge gegeben ist. Für die verschuldensabhängige Haftung gem. § 823 BGB entspricht dies der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich die Kammer anschließt (etwa BGH, Urteil vom 01.03.1988 – VI ZR 190/87 -, NJW 1988, 2667, 2669; Beschluss vom 27.10.1988 – III ZR 8/88 – Rn. 14, juris; Huber, in MüKo-BGB, 8. Auflage 2020, § 1664 Rdnr. 9; Veit, in: BeckOK-BGB 52. Ed. 01.11.2019, § 1664 Rdnr. 7.1). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut, als auch der Ratio der Norm. Eine Beschränkung der Haftungsmilderung auf bestimmte Ansprüche lässt sich dem Wortlaut des § 1664 BGB nicht entnehmen. Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung des § 1664 BGB ist die Vermeidung von innerfamiliärem Streit. Der innerfamiliäre Frieden gerät aber durch einen Streit über deliktische Ansprüche in gleicher Weise in Gefahr wie über auf § 1664 BGB als Anspruchsgrundlage gestützte (Heilmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 1664 Rn. 35). Die Norm des § 1664 BGB ist eine allgemeine Haftungsbeschränkung, die dementsprechend auf umfassende Wirkung angelegt ist. Sie liefe weitgehend leer, wenn sie auf die Haftung aus der Sonderbeziehung der elterlichen Sorge beschränkt Wäre (Huber a.a.O.). Haftet ein Sorgeberechtigter gem. § 1664 BGB nicht, weil er seinem Kind zwar leicht fahrlässig, aber im Rahmen eigenüblicher Sorgfalt einen Schaden zugefügt hat, dann ist er auch nicht auf Grundlage desselben Vorgangs gem. § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
Ist damit der Haftungsmaßstab des § 1664 BGB auf verschuldensabhängige deliktische Schadensersatzansprüche anwendbar, so muss dies ebenso gelten, wenn sich derselbe Anspruch alternativ aus deliktischer Gefährdungshaftung herleiten lässt. Für die Fälle einer Begrenzung der Vertragshaftung auf bestimmte Schuldformen ist anerkannt, dass wegen derselben Handlung auch keine Haftung nach strengeren Deliktsvorschriften eintreten kann, weil ansonsten der besondere Haftungsmaßstab weitgehend außer Kraft gesetzt würde (KG a.a.O.; Spickhoff, in: BeckOGK-BGB, Stand 01.08.2019, § 833 Rn. 146 f., jeweils m.w.Nachw.). Diese für vertragliche Haftungsbegrenzungen anerkannte Wirkung muss für gesetzliche ebenso gelten. Wenn der Sorgeberechtigte leicht fahrlässig durch ein von ihm gehaltenes Tier die Verletzung eines Kindes herbeiführt, wäre es widersprüchlich, wenn seine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB gem. § 1664 BGB ausgeschlossen wäre, er aber aufgrund desselben Ereignisses aus § 833 S. 1 BGB dennoch haftete. Demnach muss der mildere Haftungsmaßstab für verschuldensabhängige deliktische Ansprüche auch parallele verschuldensunabhängige Ansprüche erfassen.
Konsequenterweise muss dann aber für die Tierhalterhaftung aus § 833 S. 1 BGB der Haftungsmaßstab des § 1664 BGB auch dann gelten, wenn der deliktische Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB mangels Verschuldens ausscheidet, also nur eine Haftung aus § 833 S. 1 BGB in Betracht kommt. Ansonsten entstünde das widersprüchliche Ergebnis, dass ein schuldlos handelndes Elternteil bei Schadenszufügung durch ein Tier haftet, ein leicht fahrlässig handelndes aber nicht. Dieses Ergebnis kann nur vermieden werden, wenn die Haftungsprivilegierung auf § 833 S. 1 BGB uneingeschränkt anwendbar ist, unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Tierhalters (Kammergericht a.a.O.).
Soweit die Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unanwendbarkeit der §§ 1359, 1664 BGB im Bereich der Haftung im Straßenverkehr aus § 7 StVG hinweist, ist diese mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Die Haftungsprivilegierung ist im Straßenverkehr nicht etwa deshalb unanwendbar, weil sich die Haftung in diesem Bereich regelmäßig aus Gefährdungstatbeständen ergibt, sondern weil nach Sinn und Zweck der Verkehrsvorschriften kein Raum für eigenübliche Sorgfalt bleiben darf. Eine Besserstellung desjenigen, der regelmäßig Verkehrsvorschriften missachtet, wäre mit den Grundsätzen des Straßenverkehrs unvereinbar. (BGH, Urteil vom 11.03.1970 – IV ZR 772/68 -, NJW 1970, 1271, 1272; Urteil vom 18.06.1973 – III ZR 207/71 -, NJW 1973, 1654, 1655). Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die Haftungsmilderung des § 1359 BGB finde auf einen Unfall bei der gemeinsamen Ausübung des Wasserskisports keine Anwendung (Urteil vom 24.03.2009 – IV ZR 79/08 -, NJ 2009, 291, 292), beruht auf einer Übertragung der Rechtsprechung zum Straßenverkehrsrecht. Wenn für die Ausübung des motorgetriebenen Wassersports ein derart enges Regelwerk existiert wie beim Straßenverkehr (im zu entscheidenden Fall gab es neben den allgemeinen Vorschriften einen Ministerialerlass mit detaillierten Regelungen), so gibt es dort ebenso wenig Raum für individuelle Sorgfaltsmaßstäbe.
Bei der Tierhalterhaftung ist die Situation eine andere. Hier geht es nicht um die Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen, sondern um die Zuweisung des Risikos einer Verwirklichung der Tiergefahr, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt (KG a.a.O.). Das Regelwerk ist auch trotz zunehmender Normendichte nicht zuletzt durch kommunale Satzungen, auf die die Klägerin grundsätzlich zu Recht hinweist, mit demjenigen des Straßenverkehrs nicht vergleichbar, zumal sich ein Tier auch halten lässt, ohne dass es mit der Öffentlichkeit in Kontakt kommen muss (anders als ein Kraftfahrzeug, das bei Betrieb zwangsläufig in den öffentlichen Verkehrsraum gelangt).
Einer Anwendung des § 1664 BGB auf die Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB steht auch nicht die hierdurch bedingte Schlechterstellung des Familienmitglieds entgegen. Zwar ist eine gewisse Ungleichbehandlung des Kindes gegenüber einem geschädigtem sonstigen Dritten nicht von der Hand zu weisen, diese ist aber vom Gesetz ausdrücklich bezweckt (KG a.a.O.). Außerdem wird die Schlechterstellung dadurch abgemildert, dass das Kind anders als der Dritte durch seine Unterhaltsansprüche gegen die Eltern auch ohne Schadensersatzansprüche einen weitgehenden Schutz erfährt (Huber; in: MüKo-BGB a.a.O., § 1664 Rn. 9).
(2) Die Voraussetzungen des § 1664 BGB liegen vor: Die Klägerin ist Kind des Dass beide nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist unschädlich. Der Unfall der Klägerin steht auch in innerem Zusammenhang mit Ausübung der elterlichen Sorge, da er sich bei einem gemeinsamen Spaziergang ereignete.
Hat der Versicherungsnehmer … damit nur für die Verletzung eigenüblicher Sorgfalt einzustehen, so sind Ansprüche gegen ihn vorliegend ausgeschlossen. Dafür kann offenbleiben, wie gewissenhaft er seinen Pflichten als Tierhalter für gewöhnlich nachkommt. Selbst wenn er stets penibel jegliche Vorsicht walten lassen sollte, hat er die Maßstäbe eigenüblicher Sorgfalt nicht verletzt. Ein Fehlverhalten, und sei es nur im Grad leichtester Fahrlässigkeit, wird vorliegend von keiner Seite behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr beruhte der Sturz der Klägerin allein auf der Realisierung der spezifischen Tiergefahr, konkret einer unvorhersehbaren, plötzlichen Änderung der Laufrichtung des Hundes.
Da der Klägerin nach alledem keine Ansprüche gegen … aus dem Schadensereignis vom 05.11.2016 zustehen, hat dieser keine Ansprüche gegen die Beklagte aus der Tierhalterhaftpflichtversicherung, die an die Klägerin im Wege der Abtretung hätten übertragen werden können.
cc) Dementsprechend steht der Klägerin auch kein Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu.
Die Klage erweist sich deshalb insgesamt als unbegründet.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Zwar wurde das angegriffene Urteil auf die Berufung der Klägerin hin abgeändert, in der Klageabweisung als unbegründet statt als unzulässig liegt aber kein Erfolg. Für die Kostenentscheidung kommt es auf die Gründe für das letztliche Unterliegen nicht an (BGH, Urteil vom 21.09.1953 – III ZR 347/52 -, BGHZ 10, 303, 306; OLG Zweibrücken; Urteil vom 23.04.1999 – 2 UF 191/98 -, NJW-RR 1999, 1666).
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
3. Die Revision gegen dieses Urteil war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordern. Die hier relevante Frage einer Anwendbarkeit des Haftungsmaßstabes aus § 1664 BGB auf die Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB Ist soweit ersichtlich höchstrichterlich noch nicht geklärt. Es handelt sich auch um eine. Problematik, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat.


Ähnliche Artikel


Nach oben