Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anforderungen an eine verjährungshemmende Klageschrift

Aktenzeichen  17 S 6211/18

Datum:
2.11.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28533
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die verjährungshemmende Wirkung einer Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass die Klageschrift den wesentlichen Erfordernissen des § 253 ZPO entspricht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Danach muss der Tatsachenvortrag jedenfalls so viel enthalten, wie zur Identifizierung im Sinne einer Abgrenzung des Prozessgegenstandes vom Gegenstand eines anderen Prozesses erforderlich ist, wobei auch auf den Empfängerhorizont des konkreten Beklagten abzustellen ist (vgl. BGH BeckRS 2015, 11751 Rn. 18 f.). Dabei kann auch auf Anlagen Bezug genommen werden, wenn diese aus sich heraus verständlich sind. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Den dargestellten Anforderungen wird eine Klageschrift, mit der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer geltend gemacht werden, nicht gerecht, wenn die Angaben in der Klageschrift es dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer nicht ermöglichen, den geltend gemachten Anspruch einem bestimmten Versicherungsverhältnis zuzuordnen. Die bloße Angabe des Aktenzeichens der das Unfallereignis betreffenden polizeilichen Ermittlungsakte genügt nicht, wenn die Akte(nauszüge) nicht als Anlage beigefügt werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

322 C 27339/16 2018-03-29 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.03.2018, Az. 322 C 27339/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1.175,04 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.02.2017 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten der 1. Instanz und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) je zu 1/2. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Im Übrigen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten der 2. Instanz hat die Klagepartei zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.175,04 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Klage vom 30.12.2016, welche per Telefax vorab am 30.12.2016 eingereicht wurde, machte die Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 2) Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 03.01.2013 geltend. In der Klageschrift wurde insoweit vorgetragen, dass die Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall resultieren würden, den der Beklagte zu 1) mit einem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug am 03.01.2013 in München verursacht und verschuldet habe. Dabei sei das Leasingfahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen M-WS 330 beschädigt worden. Die Klageschrift wurde mit Verfügung vom 26.01.2017 an den Beklagten zu 1) am 20.02.2017 und an die Beklagte zu 2) am 30.01.2017 zugestellt.
Mit der Klage machte die Klägerin Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Wertminderung und eine Unkostenpauschale als Schadensersatzpositionen geltend, die insgesamt Euro 1180,04 betrugen.
Sie beantragte daher, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Euro 1180,04 nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Mit Schriftsatz vom 13.02.2017 bestellte sich die Beklagte zu 2) und beantragte, die Klage abzuweisen.
Sie erachtete die Klage für unzulässig, da nicht den Anforderungen des § 253 ZPO entsprechend und erhob ferner die Einrede der Verjährung. Im Übrigen bestritt die Beklagte zu 2) die Aktivlegitimation, den Unfallhergang und die Schadenshöhe.
Für den Beklagten zu 1 hat) sich niemand bestellt. Im Termin ist der Beklagte zu 1) nicht erschienen. Infolgedessen hat die Klägerin gegen den Beklagten zu 1) den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Das Amtsgericht hat die Frage der Verjährung verneint und im Übrigen die Klage unter Kürzung der Unkostenpauschale gegen beide Beklagten im Wege eines Endurteils zugesprochen.
Gegen dieses Urteil vom 29.03.2018, das der Beklagten zu 2) am 03.04.2018 zugestellt wurde, hat die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 03.05.2018 Berufung eingelegt, mit dem Antrag, das Urteil des Amtsgerichts München aufzuheben und die Klage gegen die Beklagte zu 2) abzuweisen.
Die Klagepartei beantragt, die Berufung der Beklagten zu 2) zurückzuweisen.
Die Kammer hat Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. In diesem Termin vom 26.10.2018 wurde durch die Kammer darauf hingewiesen, dass die Klageschrift nicht die Voraussetzungen des § 253 ZPO erfüllt und damit die Verjährung der klägerischen Ansprüche nicht rechtzeitig gehemmt wurde.
II.
Die Berufung ist statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 511,517, 520 ZPO).
Die Berufung ist auch begründet.
Die Ansprüche der Klage gegenüber der Beklagten zu 2) sind verjährt.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts wurde vorliegend die Verjährung nicht durch die Einreichung der Klageschrift nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wirksam gehemmt.
Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die Erhebung der Klage noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist zum 31.12.2016 erfolgt ist. Denn die Zustellung der Klage wirkt dann auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, sofern die Zustellung demnächst erfolgt ist. Hiervon kann vorliegend ausgegangen werden, wie dies vom Amtsgericht zutreffend festgestellt wurde.
Die Klageschrift muss überdies den wesentlichen Erfordernissen des § 253 ZPO entsprechen. Dazu muss die Klage das Klagebegehren unterhalb der Stufe der Substantiierung individualisieren und den Streitgegenstand bestimmen.
Nach § 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO muss die Klageschrift insbesondere auch die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Zwar muss der maßgebliche Lebenssachverhalt dazu nicht bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben, bzw. der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden sein. Allerdings ist es erforderlich, entsprechend des Zwecks der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderung zu verdeutlichen, als der Anspruch als solcher identifizierbar ist. Daher muss der Tatsachenvortrag jedenfalls so viel enthalten, wie zur Identifizierung im Sinne einer Abgrenzung des Prozessgegenstandes vom Gegenstand eines anderen Prozesses erforderlich ist. Dabei kann die Individualisierung auch durch Bezugnahme auf Anlagen erfolgen, wobei diese aus sich heraus verständlich sein müssen.
Genau diese Voraussetzungen erfüllt die Klageschrift im vorliegenden Fall allerdings nicht. Hierbei ist insbesondere auch auf den Empfängerhorizont der Beklagten zu 2) abzustellen, die durch die Klage erkennen können muss, „worum es geht“. Der Regelung des § 204 BGB liegt das Prinzip zugrunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht. Der Gläubiger muss dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klarmachen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden. Entscheidend ist mithin, ob die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung die geforderte Warnfunktion erfüllt (vgl. BGH, Urt. V. 18.06.2015 – III ZR 198/14).
Dem Schuldner muss durch die Individualisierung vor allen Dingen auch die Möglichkeit einer Beurteilung eröffnet werden, inwiefern er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden, sondern hängt vielmehr hinsichtlich Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220 f Rn. 13 mwN; vom 23. September 2008-XI ZR 253/07, NJW-RR 2009, 544 Rn. 18 vom 17. November 2010-VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9).
Vorliegend macht die Klägerin Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis geltend. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bestehen keine direkten Vertragsbeziehungen. Vielmehr steht die Beklagte zu 2) als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung eines Dritten lediglich mit diesem, ihrem Versicherungsnehmer (= Halter, Eigentümer), in einer vertraglichen Beziehung. Der Fahrer ist lediglich mitversicherte Person. Der Kläger selbst kann den Anspruch gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung des Halters / Eigentümers über §§ 115, 117 VVG herleiten. Für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs durch die Beklagte zu 2) ist jedenfalls erforderlich, dass diese erkennen kann, aus welchem zugrundeliegenden Versicherungsverhältnis sie in Anspruch genommen wird. Hierzu bedarf es zumindest der Angabe, wer versicherte Person, bzw. welches Fahrzeug konkret versichert ist.
Gerade diese Angaben enthält jedoch die Klageschrift nicht. Die Klägerin spricht lediglich davon, dass der Beklagte zu 1) das bei der Beklagten zu 2) versicherte Fahrzeug fuhr bzw. dass der Beklagte zu 1) mit einem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug einen am 03.01.2013 in München stattgefundenen Unfall verursacht und verschuldet hat, bei dem das Leasingfahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen M-WS 330 beschädigt wurde. Mit diesen Angaben allein ist es jedoch der Beklagten zu 2) nicht möglich, den geltend gemachten Anspruch dahingehend zu individualisieren und einem Versicherungsverhältnis zuzuordnen, als weder der Halter noch das Kennzeichen des Fahrzeugs in der Klageschrift angegeben wurden. Der Beklagte zu 1) wird lediglich als Fahrer in der Klage bezeichnet und lässt sich damit einem bestimmten Versicherungsverhältnis nicht zuordnen. Auch lässt sich eine entsprechende Zuordnung nicht aus der grundsätzlich möglichen Bezugnahme auf die beigelegten Anlagen vornehmen. Zwar hat die Kägerin als Beweis die Beiziehung der amtlichen Ermittlungsakte der Polizei München Perlach Aktenzeichen BY 8524-000096-13/2 beantragt, aber eben nicht als Anlage beigefügt.
Die Klageschrift erfüllt mithin nicht die erforderlichen Mindestanforderungen in Bezug auf die Individualisierung, sodass die Klage nicht geeignet war, die Verjährung rechtzeitig zu unterbrechen.
Dementsprechend war das Urteil des Amtsgerichts München teilweise aufzuheben und dahingehen abzuändern, dass gegen die Beklagte zu 2) die Klage abzuweisen ist.
Kosten: §§ 91, 92, 100 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO
Streitwert: § 3 ZPO


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