Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anforderungen an Mindestausstattung einer Obdachlosenunterkunft, Wohnwagen, Heizlüfter nicht als dauernde Heizquelle im Winter geeignet

Aktenzeichen  B 1 E 21.1167

Datum:
29.11.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52574
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 6, 7 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit bis zu einer Entscheidung im Verfahren B 1 K 21.1164 eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, die den Maßstäben der Unterbringung von Obdachlosen nach Maßgabe der Entscheidungsgründe genügt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die vorübergehende Einweisung in eine Unterkunft, die dem Mindestmaßstab an eine Unterbringung für Obdachlose genügt.
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 6. November 2021 Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage und einen Antrag auf Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Bayreuth beantragen. Mit der zu erhebenden Klage solle der Antragsgegner verpflichtet werden, den Antragsteller in eine andere ausreichend ausgestattete Unterkunft umzusetzen, die den Mindestanforderungen an die Ausstattung von Wohnraum entspricht, insbesondere über folgende Mindestausstattung verfügt:
1. ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung,
2.Schutz gegen Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit,
3.Anschluss von Energie-, Wasserversorgung und Entwässerung,
4.Feuerstätte oder Heizungsanlage,
5.Anschluss für eine Kochküche oder Kochnische und
6.sanitäre Einrichtung.
Die Ausstattung muss funktionsfähig und nutzbar sein.
Der Antragsteller ließ über seinen Bevollmächtigten mit E-Mail vom 25. Oktober 2021 bei dem Antragsgegner beantragen, diese Forderungen bis zum 10. November 2021 umzusetzen.
Der Antragsgegner antwortete darauf mit E-Mail vom 29. Oktober 2021, dass unter Umständen der Bezug einer Wohnung in W…, welche sich im Privateigentum befinde, möglich sei. Der Eigentümer sei gewillt, Wohnraum zu gewähren, wenn die Miete durch das Jobcenter bezahlt werde. Der Vermieter habe auch eine Wohnung in E… zur Verfügung. Es sei aber fraglich, ob diese großzügige Wohnung (80 qm) vom Jobcenter anerkannt werde. Der Eigentümer sei Herr G., mit welchem Kontakt aufzunehmen sei.
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten gegenüber dem Antragsgegner vortragen, dass die Zustände der derzeitigen Unterbringung durch die Gemeinde (Wohnwagen) unzumutbar seien. Das Freibadgelände, auf welchem sich der Wohnwagen befinde, stehe offen und ständig würden Fremde auftauchen, die Toiletten benützen, Volleyball spielen oder ihre Hunde laufen lassen. Es sei dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin nicht zumutbar, mit Herrn G. einen Mietvertrag zu schließen. Dieser habe die ehemalige Wohnung zwangsräumen lassen. Der Vermieter habe ständig Druck auf den Antragsteller ausgeübt, einen Stromzähler eingebaut, über welchen auch von anderen Benutzern verbrauchter Strom gelaufen sei, Umbauarbeiten am Abend, den Wochenenden oder an Feiertagen durchgeführt. Es werden noch weitere Fälle aufgeführt. Eine erneute „Mietsklaverei“ komme nicht in Betracht. Der Antragsteller leide unter Mukoviszidose.
Der Antragsgegner antwortete hierauf, dass es sich bei der neuen Wohnung nicht um die Wohnung handele, die geräumt worden sei. Das persönliche Problem mit dem Vermieter könne nicht dazu führen, dass der Gemeinde vorgeworfen werde, sie stelle keinen geeigneten Wohnraum zur Verfügung. Der Antragsgegner appelliere, eine der beiden Wohnungsangebote anzunehmen. Für ein weiteres Tätigwerden werde keine Veranlassung gesehen.
Zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrags führte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 6. November 2021 aus, dass dieser zusammen mit seiner Lebensgefährtin keine Chance habe, auf dem Wohnungsmarkt innerhalb der Mietobergrenze eine Wohnung zu bekommen. Er sei schwer krank, überschuldet und müsse vom Regelsatz leben. Der Antragsgegner habe einen Wohnwagen auf dem Gelände eines stillgelegten Freibads als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Der Wohnwagen erfülle in der kalten Jahreszeit nicht die Mindestanforderungen, die an eine solche Unterkunft zu stellen seien. Die Toiletten befänden sich neben dem Wohnwagen, seien unbeheizt und befänden sich in einem Raum, der nicht vollständig verschließbar sei. Der Antragsteller müsse sich in der Turnhalle der Schule duschen. Diese sei 250 m vom Wohnwagen entfernt, zuvor müsse der Schlüssel bei der Gemeinde abgeholt werden. Eine Dusche sei nur von Montag bis Donnerstag (nachmittags) gestattet. Der Wohnwagen verfüge nicht über Wasser – eine Leitung würde in der kalten Jahreszeit einfrieren. Der Antragsteller müsse das Wasser im Handwaschbecken in den Räumen der Toilette in Plastikflaschen füllen, dann in den Wohnwagen verbringen und das Wasser auf der Elektroplatte erhitzen. Sollte das Wasser im Freibad wegen Frostes abgestellt werden, so wäre selbst dies nicht mehr möglich. Die Stromversorgung sei marode und schon öfters ausgefallen. Eine Notfallnummer werde nicht mitgeteilt. Das Gelände um den Wohnwagen sei nicht beleuchtet, das Gras nicht gemäht. Es stehe so hoch, dass man insbesondere nachts auf dem Weg zur Toilette stolpern könne. Auch ein Schlüssel für das Gelände, um Fremde aussperren zu können, sei ihnen nicht gegeben worden. Der Bürgermeister habe auf Wohnungsangebote eines Herrn G. verwiesen, an erster Stelle in einer anderen Gemeinde. Herr G. kaufe Schnäppchenhäuser auf, um sie an Arbeitslosengeldempfänger zu Lasten der öffentlichen Hand zur Mietobergrenze zu vermieten. Er sei auch der letzte Vermieter des Antragstellers gewesen. Die Wohnung in der … straße in E… sei vom Antragsteller und seiner Lebensgefährtin im Jahr 2016 gemietet worden. Herr G. und Herr Ö. seien am 27. Oktober 2020 Eigentümer des Anwesens geworden. Die Wohnung sei feucht gewesen, die Wände verschimmelt. Herr G. habe aus der Wohnung eine Dauerbaustelle gemacht. Er habe einen großen Teil der Wohnung abgetrennt, dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin die Sachen weggenommen und von ihnen ungemindert die noch mit den Vorbesitzern bei Gericht in einem Räumungsvergleich am 2. Dezember 2020 vereinbarte Miete verlangt. Die in dem Vergleich vereinbarte Miete beinhalte auch die Stromkosten. Herr G. habe aber bei dem Antragsgegner erwirkt, dass ein Stromzähler eingebaut werde. Auf diesem Stromzähler laufe aber nicht nur der Strom aus der Wohnung, sondern auch aus anderen Teilen des Hauses, zumindest aus der abgetrennten Wohnung. Die Liste könne man noch weiter fortführen, insbesondere wegen der Kosten des Zwangsräumungsverfahrens und wegen der einbehaltenen Minderungen und wegen des Schadensersatzes für Sachen, die Herr G. dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin weggenommen habe. Umbauarbeiten hätten abends, an den Wochenenden und an Feiertagen stattgefunden. Herr G. habe die Wohnung ohne Mundschutz betreten, um am letzten Bankarbeitstag des Monats Bargeld von der Lebensgefährtin des Antragstellers herauszuverlangen. Am 28. Juni 2021 sei die Zwangsräumung erfolgt. Das Verhältnis zwischen Herrn G. und dem Antragsteller erlaube es in keinem Fall, mit diesem einen erneuten Vertrag zu schließen.
Mit Schreiben vom 15. November 2021 legte der Antragsgegner die Akten vor und ließ durch seinen Bevollmächtigten beantragen, den Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Berufsbetreuer beim Termin der Räumung der ehemaligen Wohnung des Antragstellers nicht anwesend gewesen sei. Der Antragsgegner habe im Nachhinein erfahren, dass der Antragsteller zusammen mit seiner Lebensgefährtin bei Familienangehörigen in N… untergebracht worden sei. Mit E-Mail vom 29. Juli 2021 habe sich der Berufsbetreuer an den Antragsgegner gewandt und ausgeführt, dass trotz aller Bemühungen eine Aussicht auf eine Wohnung nicht bestünde. Dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin sei ein weiterer Besuch in der beengten Wohnung der Angehörigen nicht länger zumutbar. Die Zuweisung in den Wohnwagen sei zum 4. Oktober 2021 erfolgt. Die Unterbringung entspreche den Anforderungen, die an eine menschenwürdige Wohnung zu stellen seien. Die Toiletten seien absperrbar. Eine Notfallnummer sei übergeben worden, die Stromversorgung sichergestellt. Für die Nutzung im Wohnwagen sei angedacht, dass ein Frostschutzwächter installiert werde. Ein Abstellen des Wassers müsste dann nicht erfolgen, gleiches gelte für die Wasserversorgung in den Toilettenanlagen. Es wird auf eine E-Mail des Ersten Bürgermeisters vom 29. Oktober 2021 Bezug genommen, in welchem auf alternative Wohnungsangebote verwiesen werde. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vermieter sei nicht erfolgt. Das Wohnungsangebot in der … straße … betreffe nicht die Wohnung, aus welcher der Antragsteller ausgezogen sei. Ein Mietverhältnis sei auf Grund der persönlichen Differenzen mit dem Berufsbetreuer nicht zustande gekommen. Es lägen bereits mehrere Wohnungsangebote vor. Den Betroffenen sei es möglich, durch ihren Berufsbetreuer die Wohnungslosigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen. Selbst wenn man aber von einer fortbestehenden Verpflichtung der Sicherheitsbehörde ausgehen würde, so hätte der Antragsgegner die Verpflichtung erfüllt. Der Antragsgegner habe einen weiten Ermessensspielraum. Ein eigenes Bad sei in der Wohnung nicht erforderlich, es sei zumutbar die Duschmöglichkeit der Schule zu nutzen. Ferner wohne der Vater des Antragstellers im Markt E. sodass auch dort eine Möglichkeit gegeben sei, sich zu duschen.
Eine telefonische Nachfrage der Berichterstatterin beim Antragsgegner ergab Folgendes: Es sei angedacht, einen Frostwächter für das Wasser der sanitären Anlagen zu installieren. Es gebe nur kaltes Wasser, das Toilettenhaus sei nicht beheizt. Die Kabinentüre der Toilette könne abgesperrt werden, die Eingangstür zum Toilettenhaus könne geschlossen, aber nicht zugesperrt werden. Der Wohnwagen selbst habe keinen Wasseranschluss.
Mit Beschluss vom 16. November 2021 gab das Verwaltungsgericht Bayreuth dem Prozesskostenhilfeantrag statt.
Mit Schreiben vom 18. November 2021 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antrag im Rahmen einer einstweiligen und vorläufigen gerichtlichen Anordnung,
die Antragstellerin in eine ausreichend ausgestattete Unterkunft einzuweisen.
Die Begründung entspricht der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags.
Mit Schreiben vom 23. November 2021 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass sich die Situation mit zunehmender Kälte zuspitze. Es wurden E-Mail-Nachrichten mit dem Antragsgegner vorgelegt. Hiernach wurde dem Antragsteller und seinem Bevollmächtigten für die Wohnung des Herrn G. in der … straße … ein Besichtigungstermin am 24. November 2021 um 10.15 Uhr angeboten. Die Wohnung sei bezugsfertig und Herr G. bereit, die Wohnung an den Antragsteller und seine Lebensgefährtin zu vermieten. Der Bevollmächtigte lehnte eine Besichtigung mit der Begründung ab, dass ein Mietverhältnis mit Herrn G. nicht zumutbar sei. Der Antragsteller wandte sich ebenfalls an den Antragsgegner und führte aus, dass die Wohnung zu teuer und das Haus mit Schimmel befallen sei. Seine Lebensgefährtin habe Angst vor Herrn G., da er sich in ihre Lebensverhältnisse einmische. Er habe ihnen Sachen weggenommen.
Mit Schreiben vom 26. November 2021 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Der Wohnwagen sei mit einer Gasflasche ausgestattet (11 kg), den Antragstellern seien zudem zwei weitere Heizlüftgeräte zur Verfügung gestellt worden. In den Sanitärräumen seien „Elektroheizungen“ installiert worden. Hierzu wurden Lichtbilder vorgelegt. Der Wassertank des Wohnwagens sei aufgefüllt worden. Weiter wurde eine Notfallnummer übergeben.
Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass durch die Heizlüfter im Wohnwagen Brandgefahr bestünde. Zudem seien die Geräte nicht an die Steckdose direkt, sondern über Wurfgabel und Kabeltrommeln an das Stromnetz angeschlossen, wobei nicht sicher sei, dass diese den Außenbereichsanforderungen entsprechen würden. Der Zünder der Gastherme des 25 Jahre alten Wohnwagens funktioniere nicht. Sollte es brennen, stünde nicht einmal ein Feuerlöscher zur Verfügung. Da sich der Antragsgegner über die Situation von Wohnungslosen in der Gemeinde auch in der Presse geäußert habe, sei davon auszugehen, dass es noch schwerer sei, eine Wohnung zu finden.
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners fasste mit Schreiben vom 29. November 2021 den Sachverhalt abermals zusammen und vertrat die Ansicht, dass der Antragsgegner zum Einschreiten nicht verpflichtet sei, da der Antragsteller die Wohnungslosigkeit aus eigener Kraft beseitigen könne, wenn er bzw. sein Berufsbetreuer einen Mietvertrag mit Herrn G. schließe. Alternative Unterbringungsmöglichkeiten bestünden, da sich der Antragsteller bis Oktober bei Verwandten in N… aufgehalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
1. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. Dazu gehört die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser. Bei der Auswahl unter den geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten verfügt die Gemeinde über ein sehr weites Ermessen, das nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände eingeschränkt ist. Die Anforderungen an die zur Verfügung zu stellende Unterkunft richten sich danach, was zur Abwendung der infolge der Obdachlosigkeit drohenden Gefahr erforderlich ist. Die zur Verfügung gestellte Unterkunft muss nicht den an eine Wohnung zu stellenden Anforderungen genügen, es besteht auch kein Anspruch des Obdachlosen auf Einweisung in eine bestimmte Unterkunft oder auf Einweisung in eine Pension. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2010 – 4 C 09.3073 und B.v. 10.10.2008 – 4 CE 08.2647 – beide juris) ist es auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Da Obdachlosigkeit eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, ist die Gemeinde als Sicherheitsbehörde verpflichtet, diese Störung zu beseitigen (Art. 57 Abs. 1 GO, Art. 6 LStVG). Die Unterbringung kann dabei immer nur eine Notlösung sein, so dass ein Obdachloser auch eine weitgehende Einschränkung seiner Wohnansprüche hinnehmen muss (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Mai 2018, Art. 7 Rn. 184).
b) Als obdachlos im rechtlichen Sinne gilt nicht, wer sich unter Ausschöpfung aller ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Eigenmaßnahmen, auch finanzieller Art, selbst eine nur vorübergehende und den Mindestanforderungen genügende Bleibe verschaffen kann (zur Subsidiarität des Obdachlosenrechts siehe die ständige Rechtsprechung, etwa BayVGH, B.v. 10.3.2005 – 4 CS 05.219 – juris). Der Antragsteller ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl noch als obdachlos anzusehen, da die Erfolgsaussichten der Anmietung einer Ersatzwohnung durch den Antragsteller noch völlig offen sind. So schrieb der erste Bürgermeister des Antragsgegners mit E-Mail vom 29. Oktober 2021, dass der Bezug einer Wohnung in W… oder E… unter Umständen möglich wäre. Voraussetzung wäre die Direktbegleichung der Mietkosten durch das Jobcenter. Ob eine solche Übernahme der Kosten erfolgen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgesehen werden. Auch liegen aktuell keine Angaben zum Zustand der Wohnung vor und wann diese zur Verfügung gestellt werden kann. Erst wenn von einer tatsächlich bestehenden Option der Unterbringung bzw. der Beschaffung einer Unterkunft ohne sachlich nachvollziehbaren Grund kein Gebrauch gemacht wurde, kann die dadurch eingetretene oder fortdauernde Obdachlosigkeit als „freiwillig“ angesehen werden (BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 4 CE 17.1663 – juris Rn. 8). Solange nicht feststeht, dass sich dem Antragsteller auf dem örtlichen Wohnungsmarkt tatsächlich die Möglichkeit zum Abschluss eines Mietvertrags bietet, bleibt der Antragsgegner zum vorläufigen Einschreiten verpflichtet (BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 4 CE 17.1663 – juris Rn. 11, unter Rn. 10 zur Frage, ob die Gemeinde auf das Gebiet einer anderen Gemeinde verweisen kann; vgl. hierzu auch Empfehlungen für das Obdachlosenwesen, Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit und des Innern vom 4. Juli 1997, Az.: IV 2/5671/5/97 und I C 2-2123.1 unter Nr. 5.2.1). Hinzu kommt, dass auch offen ist, ob auf Grund der in der Vergangenheit stattgefundenen Differenzen dem Antragsteller ein Abschluss eines Mietvertrags mit Herrn G. zumutbar ist. Das Gericht hält es aber für möglich, dass der Antragsgegner mit Herrn G. selbst einen Mietvertrag schließt und den Antragsteller sodann in eine Wohnung des Herrn G. zur Beseitigung von Obdachlosigkeit einweist, wenn die Wohnung die Mindestanforderungen erfüllt. In diesem Fall könnte sich der Antragsteller bei Beschwerden, die die Wohnung betreffen, an den Antragsgegner wenden und wäre nicht auf Verhandlungen mit Herrn G. angewiesen.
c) Es bestehen zwar keine grundsätzlichen Bedenken, den Antragsteller in einem Wohnwagen unterzubringen (BayVGH, B.v. 3.8.2012 – 4 CE 12.1509 – juris: zur Unterbringung in einem Wohnwagen an einem Standort mit Toilette und Waschgelegenheit).
d) Der konkrete Wohnwagen entspricht aber in der kalten Jahreszeit nicht den Mindestanforderungen an die Ausstattung einer derartigen Unterkunft.
Nach der Rechtsprechung liegt die Untergrenze für die Mindestausstattung einer Obdachlosenunterkunft dort, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (VG Würzburg, U.v. 5.11.2020 – W 5 K 19.1650 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 10.10.2008 – 4 CE 08.2647 – BeckRS 2008, 2850 und B.v. 26.4.1993 – 21 B 91.1461 – BayVBl. 1993, 569). Zur Mindestausstattung der zugewiesenen Räume gehört neben der Heizung ein Stromanschluss. Erforderlich sind außerdem ein Wasseranschluss bzw. eine Waschgelegenheit sowie die Möglichkeit der Mitbenutzung der Toilette bzw. einer Dusche oder eines Bades (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 7 Rn. 185; Huttner, Die Unterbringung Obdachloser, 4. Aufl. 2007, Nr. 10.5.4.4, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Es steht nicht fest, dass die sanitären Anlagen in der kalten Jahreszeit benutzt werden können und dass der Wasseranschluss funktionsfähig ist, insbesondere dass der Antragsteller Zugang zu Trinkwasser hat. Zwar soll ein Frostwächter installiert werden, allerdings verfügt das Toilettenhaus über keine Heizung, sodass fraglich erscheint, ob der Wasseranschluss hierdurch tatsächlich funktionsfähig gewährleistet werden kann. Zudem ist es für den Antragsteller unzumutbar, die Waschgelegenheit in der kalten Jahreszeit nutzen zu müssen, da nur kaltes Wasser zur Verfügung steht und der Raum zudem nicht beheizbar ist. Zwar mag ein Kaltwasseranschluss ausreichen – zumindest eine funktionsfähige Heizung müsste dann aber zur Verfügung stehen (VG Augsburg, B.v. 28.12.2011 – Au 5 E 11.1926 – juris Rn. 26 f).
Bei den nunmehr zur Verfügung gestellten „Elektroheizungen“ handelt es sich nach den Lichtbildern um Heizlüfter. Diese sind nicht für den dauernden Gebrauch geeignet und können die Toilettenanlage auf Grund von deren Größe nicht mit der für den Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausreichend heizen. Zudem ist ein Spritzwasserschutz nicht vorhanden, ein Gerät ist genau hinter der Eingangstür, ein weiteres unterhalb des Waschbeckens (!) angebracht (zum Gebrauch von Heizlüftern: TÜV Rheinland AG – https://www.presseportal.de/pm/31385/2624655, abgerufen am 29. November 2021). Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Lichtbilder zeigen zudem, dass die Sicherheitsanforderungen durch den Anschluss über Verlängerungskabel und Kabeltrommel nicht eingehalten sind. Ein Heizlüfter ist sogar neben dem Wasserhahn an das Verlängerungskabel angeschlossen. Das Gelände steht der Öffentlichkeit zur Verfügung. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Türen des Toilettenhauses offen stehen bleiben, was ebenfalls gegen eine dauernde Temperatursicherung spricht. Die Turnhalle mit der Duschmöglichkeit ist nicht immer zugänglich, sodass zumindest eine andere zumutbare Waschgelegenheit gegeben sein muss. Zudem bestehen Bedenken, ob hygienische Verhältnisse bei der Entnahme von Trinkwasser durch Wasserflaschen im Bereich des öffentlich zugänglichen Toilettenhauses gewährleistet sind. Auch eine ausreichende Heizungsmöglichkeit des Wohnwagens (Heizlüfter, Gasflasche) ist zumindest für einen Dauergebrauch im Winter nicht gegeben. Gegen den ununterbrochenen Einsatz von Heizlüftern sprechen Sicherheitserwägungen (Brandgefahr). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller unter Mukoviszidose leidet (ärztliches Attest vom 9. Juni 2021). Auch ein Dauergebrauch der Gasheizung im Wohnwagen (so diese denn funktionieren sollte) ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesichert, da der Antragsgegner nicht vorgetragen hat, wie diese auf Dauer sichergestellt werden soll (Auswechseln der Gasflasche, Kostentragung hierfür).
Der Antragsgegner hat dafür zu sorgen, dass die zur Verfügung gestellte Unterkunft eine beheizte Waschgelegenheit in der kalten Jahreszeit bietet. Zudem muss die Unterkunft selbst beheizbar sein. Hierbei wird eine Heizung durch Heizlüfter nicht als ausreichend erachtet. Der Zugang zu Trinkwasser muss gewährleistet sein. Die Wohnung darf zum Zeitpunkt des Bezugs durch den Antragsteller nicht mit Schimmel befallen sein.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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