Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anordnung gegen Zwischenmieter neben Vorgehen gegen Betreiber und Eigentümer – Wettbüro

Aktenzeichen  AN 9 S 17.02445

Datum:
22.8.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20524
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76
LStVG Art. 9

 

Leitsatz

1 Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer, wird es dabei regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wenn die Bauaufsichtsbehörde gleichzeitig mit der Nutzungsuntersagung gegen die Betreiberin eines Wettbüros auch bauaufsichtliche Anordnungen mit dem Ziel der Beendigung der Nutzung und der Verhinderung der Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung gegen die Zwischenmieterin bzw. Zwischenvermieterin erlassen hat, erfordert dies insbesondere dann, wenn die Betreiberin des Wettbüros als unmittelbarer Handlungsstörer greifbar ist und gegen diese auch vorgegangen wird, eine Begründung (hier nicht vorhanden). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2017, …, wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller hat Räume im Erdgeschoss des Anwesens …, FlNr. …, mit Mietvertrag vom 10. bzw. 11. Oktober 2013 vom Eigentümer, Herrn …, für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016 gemietet, wobei der Mietvertrag durch schriftliche Erklärung des Mieters spätestens sechs Monate vor Endigung der Mietzeit dreimal um drei Jahre verlängert werden kann, falls die Option nicht wahrgenommen wird, verlängert sich das Mietverhältnis um jeweils ein Jahr. In § 2 des Mietvertrags ist als Vertragszweck u.a. der Betrieb eines Wettbüros mit Spielautomaten genannt.
In den vom Antragsteller gemieteten Räumen betrieb ursprünglich die Firma …GmbH, seit dem 1. Mai 2017 die Firma …ein Wettbüro. Gegenüber der Firma … untersagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Juni 2014 die Nutzung als Wettbüro, die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 1. Juli 2015 in den Verfahren …und … abgewiesen, ebenso die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. April 2017, …, wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt, die Nutzungsuntersagungsverfügung ist seit dem 6. Juni 2017 bestandskräftig.
Mit Schreiben jeweils vom 30. August 2017 wandte sich die Antragsgegnerin zum einen an die Firma … sowie an den Eigentümer … und wies diese auf die bestandskräftige Nutzungsuntersagung hin, beide wurden aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens die Nutzung als Wettbüro aufzulassen bzw. dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro beendet werde. Mit Mail vom 6. September 2017 ließ Herr … mitteilen, dass die gegenständlichen Räume an Herrn … vermietet seien, der derzeit untervermietet habe. Mit Schreiben vom 7. September 2017 wandte sich die Antragsgegnerin an den Antragsteller, forderte ihn als Vermieter der gegenständlichen Räume auf, dafür zu sorgen, dass binnen zwei Wochen die Nutzung der gegenständlichen Räume als Wettbüro beendet werde, zugleich wurde ihm der bisherige Hergang geschildert.
Nachdem bei einer Ortseinsicht am 5. Oktober 2017 durch Mitarbeiter der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin festgestellt worden war, dass in den gegenständlichen Räumen weiterhin ein Wettbüro mit 20 Wettannahmestellen, 29 Bildschirmen und drei Geldspielautomaten betrieben werde, setzte die Antragsgegnerin zum einen der Firma …mit Bescheid vom … zur Erfüllung der Anordnung der Nr. 2 des unanfechtbaren Bescheides vom … eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids und drohte ein Zwangsgeld von 15.000,00 EUR an.
Mit Bescheid vom … verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Nr. 1, als Vermieter der gegenständlichen Räumlichkeiten, dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro im Erdgeschoss beendet werde, eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro sei zu unterlassen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids wurde gesetzt und die Nr. 2 für die Nichteinhaltung dieser Frist ein Zwangsgeld von 15.000,00 EUR angedroht. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, „Herr … wird nunmehr unter Nr. 1 dieses Bescheids verpflichtet, als Eigentümer und Vermieter der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens … dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro im Erdgeschoss des Anwesens … beendet wird. Eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro hat er zu unterlassen.
Gegenüber Herrn … als weiterer Vermieter der Räumlichkeiten wurde ebenfalls ein Bescheid gleichen Datums erlassen. Der Betreiberin des Wettbüros, die Firma … (haftungsbeschränkt) wurde für die Erfüllung der Anordnung Nr. 2 des unanfechtbaren Bescheids vom 6. Juni 2017, Az. … mit Bescheid gleichen Datums eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids bestimmt.“
Mit Schriftsatz vom 6. November 2017 trugen die Antragstellervertreter bei der Antragsgegnerin vor, diese gehe von einem falschen Sachverhalt aus, der Antragsteller sei Mieter der streitgegenständlichen Räume, in denen derzeit offenbar die Firma …ein Wettbüro betreibe. Allerdings habe der Antragsteller die Räume an die Firma … vermietet, eine Kopie des Mietvertrags werde vorgelegt. Das Mietobjekt werde zwar zur gewerblichen Nutzung als Wettbüro vermietet, für die Zulässigkeit der Nutzung habe der Antragsteller allerdings keine Gewährleistung übernommen. Der Antragsteller sei weder Zustandsstörer, weil er nicht Eigentümer der Räume sei, noch Handlungsstörer, denn er verantworte nicht den Betrieb des Wettbüros ohne Genehmigung. Er sei nicht einmal in der Lage, der Handlungsstörerin den Betrieb des Wettbüros zu untersagen, da sein Mietvertrag mit der … abgeschlossen sei. Der mit dem Schreiben vorgelegte Mietvertrag zwischen dem Antragsteller und der …datiert vom 31. Mai 2014, er umfasst die Miete der gegenständlichen Räume im Erdgeschoss des Anwesens …, genau bezeichnet durch einen zum Bestandteil des Vertrags gemachten Lageplans, zur gewerblichen Nutzung als Wettbüro (mit Öffnungszeiten von maximal 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr), wobei der Mieter das Mietobjekt nur zu dem vertraglich bestimmten Zweck nutzen darf. Das Mietverhältnis beginnt nach dem Vertrag am 1. Juli 2014 und endet am 31. Dezember 2016 (Laufzeit entspricht Dauer des Hauptmietvertrags). Bei Wunsch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses komme der Mieter bis 31. Dezember 2015 auf den Vermieter zu.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 wurde der Antragsteller vom Vertreter des Vermieters und Eigentümers aufgefordert, den Betrieb des Wettbüros bis spätestens 13. September 2017 einstellen zu lassen.
Mit Schreiben vom 15. November 2017 wurde die …von der Antragsgegnerin auf den bisherigen Hergang aufmerksam gemacht und darüber informiert, dass die Weitervermietung bzw. anderweitige Übergabe der Räume an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro unzulässig sei und ihr aufgegeben, alles zu tun, was erforderlich sei, um die unzulässige Nutzung aufzugeben und alles zu unterlassen, wodurch die Nutzung als Wettbüro fortgesetzt werden könne binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2017 wandten sich die Antragstellervertreter an die Antragsgegnerin, legten ein Schreiben an die … vor, in dem der Antragsteller diese wegen der Nutzung der Räume als Wettbüro abmahnt und auffordert, diese Nutzung unverzüglich einzustellen, andernfalls drohe fristlose Kündigung.
Nachdem auch die Firma …gegen den ihr gegenüber ergangenen Bescheid am … Klage erhoben hatte (…), ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. November 2017 am gleichen Tag Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2017 erheben und beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei Mieter von Räumen im Erdgeschoss des Hauses …, in denen er bis Frühjahr 2014 eine Pfandleihe, ein Juweliergeschäft und anderes betrieben habe. Bis zum Ablauf der Restlaufzeit des Mietvertrages habe er die Räume nach Verlegung seiner bisherigen Geschäfte an die … vermietet. Für dieses Untermietverhältnis gelte der in Anlage ASt 2 vorgelegte Mietvertrag vom 31. Dezember 2016. Hintergrund der Änderung des Mietzwecks im neuen Untermietvertrag sei gewesen, dass sich die …keinesfalls auf den Betrieb eines Wettbüros festlegen wollte.
Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da vom Antragsteller nicht nur ein Handeln, sondern auch der Eintritt eines Handlungserfolgs erfordert werde, den dieser jedenfalls in der dafür gesetzten Frist nicht zu erreichen vermöge. Der geforderte Erfolg sei für den Adressaten des Verwaltungsakts subjektiv unmöglich zu erreichen. Handlungsstörerin sei soweit ersichtlich die …, mit der der Antragsteller keinerlei vertragliche Beziehungen unterhalte. Der Antragsteller könne sich nur an seinen Untermieter, die …, halten, Selbsthilferechte stünden ihm nicht zu, eine Unterbindung der Nutzung als Wettbüro innerhalb der angeordneten Frist sei ihm nicht möglich. Schließlich liege eine offensichtlich fehlerhafte Störerauswahl vor. Der Antragsteller sei weder Eigentümer der Räume noch Zustandsstörer, die Tatsache, dass er Geschäftsräume untervermiete, die vom tatsächlichen Nutzer dann ohne Erlaubnis als Wettbüro genutzt würden, rechtfertigten seine Inanspruchnahme nicht. In dem als Anlage K2 zur Klage vorgelegten Mietvertrag sei kein konkretes Mietobjekt genannt, insbesondere fehle eine Angabe der Adresse, unter der sich die Räume befinden sollen. Das Mietverhältnis beginnt am 1. Januar 2017 mit dreijähriger Mietdauer sowie jeweils einjähriger Verlängerungsoption und enthält in § 12 die Klausel, dass Untervermietung durch den Mieter ohne ausdrücklich schriftliche Zustimmung des Vermieters nicht zulässig ist.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 28. Februar 2018, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde zunächst der Hergang dargestellt und im Übrigen ausgeführt, die Klage und der Antrag seien unbegründet. Der Antragsteller sei als Vermieter und daher Handlungs- und Zustandsstörer zum Verfahren hinzugezogen worden. Auf Grund der in der jüngeren Vergangenheit aufgetretenen vermehrten Neueröffnungen von Wettbüros durch die Firmen …und …, welche auf Grund von Untermietverträgen die Örtlichkeiten als Wettbüro nutzten, sei auch der Antragsteller aufgefordert worden, dafür zu sorgen, dass die Nutzung beendet werde. Berücksichtigt worden sei eine mögliche wirtschaftliche Verflechtung mit den genannten Firmen und der Firma …, welche ebenfalls unter der Geschäftsadresse … agierten. Es sei verwunderlich, dass der Antragstellervertreter dem Gericht einen gänzlich anderen Mietvertrag (Anlage K2) vorgelegt habe, als den Mietvertrag, welchen er mit Schreiben vom 6. November 2017 der Bauordnungsbehörde vorgelegt habe, hier als Anlage K3 bezeichnet. In dem Mietvertrag Anlage K2 fehlten wesentliche Vertragsinhalte wie das Mietobjekt und der Mietzweck. Der Mietvertrag Anlage K3 mit dem Mietzweck „Wettbüro“ sei demgegenüber vollständig ausgefüllt. Nach beiden Mietverträgen habe der Vermieter das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach den gesetzlichen Bestimmungen, z.B. bei vertragswidrigem Gebrauch des Mietobjekts nach § 4 Nr. 4.2. Die Firma … habe offensichtlich das Wettbüro an die Firma … unerlaubt untervermietet, somit liege ein vertragswidriger Gebrauch des Mietobjekts vor und damit ein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Antragstellervertreter habe bei der Bauordnungsbehörde erst mit Schreiben vom 24. November 2017 einen Nachweis vorgelegt, woraus sich ergebe, dass der Antragsteller die Firma …aufgefordert habe, die unzulässige Nutzung zu beenden, eine außerordentliche Kündigung sei jedoch nicht ausgesprochen worden. Die Frist von einem Monat ab Zustellung der angefochtenen Bescheide sei angemessen, dem Antragsteller sei es möglich, im Rahmen der privatrechtlichen Verhältnisse die Frist einzuhalten, da die unzulässige Nutzung als Wettbüro regelmäßig einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietvertrags darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die dort vorhandenen Bescheide und Verträge, sowie auf die beigezogenen Akten der Verfahren … verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts – wie hier – angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft dabei, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind (1.) und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung (2.). Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allen den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abweichung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat die Hauptsacheklage mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt hier insoweit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, als die Antragsgegnerin zu Recht festgestellt hat, dass eine Nutzungsuntersagung bei einer rechtswidrigen Nutzung wegen der Breiten- und Nachahmungswirkung und deshalb regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse liegt, da eine Verfestigung baurechtswidriger Zustände zu befürchten ist. Allerdings geht die Begründung im angefochtenen Bescheid gegen den Antragsteller davon aus, dass es sich um die Anordnung einer Nutzungseinstellung handelt, während dem Antragsteller in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids die Verpflichtung auferlegt wird, dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro beendet wird und darüber hinaus ihm geboten wird, eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro zu unterlassen. Zwar sind an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs dann keine zu hohen Anforderungen zu stellen, wenn der Sofortvollzug zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Ordnung im Bauwesen geboten ist und ohne diesen insbesondere eine Schlechterstellung rechtstreuer Bauantragsteller erfolgen würde (vgl. VG Ansbach, B.v. 30.7.2018 – …). Allerdings hat die Begründung des Sofortvollzugs die jeweilige konkrete Anordnung zu behandeln, was hier nicht der Fall ist. Die Anordnung des Sofortvollzugs begegnet hier somit schon aus formellen Gründen rechtlichen Bedenken.
2. Die Anordnung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin ist nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig und verletzt den Antragsteller aller Voraussicht nach in seinen subjektiven Rechten. Da sich dies auch auf die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheids erstreckt, wird nach derzeitigem Sach- und Streitstand die Anfechtungsklage aller Voraussicht nach Erfolg haben. Dem von der Antragsgegnerin verfolgten öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahme kommt deshalb vor diesem Hintergrund kein Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers, vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in Anspruch genommen zu werden, zu.
2.1 Nachdem die Klage gegen die an die frühere Betreiberin des Wettbüros in den gegenständlichen Räumen ergangene Nutzungsuntersagungsverfügung sowohl von der erkennenden Kammer als auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden war und die betreffende Nutzung weiterhin ohne Genehmigung stattfindet, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin weiterhin grundsätzlich zu Recht die Aufgabe dieser Nutzung verlangen und gegen den richtigen Adressaten auch durchsetzen kann. Allerdings bestehen hier erhebliche Zweifel der Kammer daran, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers im angefochtenen Bescheid rechtmäßig erfolgte. Die Begründung für die Störerauswahl im angefochtenen Bescheid bezieht sich hier ersichtlich nicht auf den Antragsteller als Adressaten, sondern auf den Eigentümer …, die entsprechenden Absätze wurden – vermutlich versehentlich – aus dem an den Eigentümer gerichteten Bescheid in den Bescheid gegen den Antragsteller übernommen. Eine weitere Begründung, weshalb der Antragsteller als Zwischenmieter der gegenständlichen Räume neben der Betreiberin, der … sowie dem Eigentümer Herrn … in Anspruch genommen wird, enthält der Bescheid nicht.
2.2 Bauaufsichtsrechtliche Anordnungen ergehen gegenüber derjenigen Person, die die sicherheitsrechtliche Verantwortung für den baurechtswidrigen Zustand trägt. Mangels spezialgesetzlicher Regelung in der Bayerischen Bauordnung ist für die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Adressaten auf die allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen, insbesondere auf Art. 9 LStVG. Demnach kann die Anordnung sowohl gegenüber dem sogenannten Handlungsstörer, dem Zustandsstörer oder dem Nichtstörer ergehen. Handlungsstörer ist derjenige, dessen Verhalten die Gefahr oder die Störung verursacht hat, Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache oder einer Immobilie, deren Zustand Grund für die Gefahr oder Störung ist. Handlungsstörer ist bezogen auf eine Nutzungsuntersagung also derjenige, der für die formelle und materiell-rechtswidrige Nutzung unmittelbar verantwortlich ist. Die baurechtswidrige Nutzung der Räumlichkeiten ist vorliegend hier zunächst dadurch veranlasst, dass die Firma …dort als Rechtsnachfolgerin der früheren Betreiberin … ein Wettbüro betreibt.
Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Gesetzliche Richtschnur für die fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren Störern sind die Umstände des Einzelfalles, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrbeseitigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer, wird es dabei regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2001 -1 ZB 01.664 -, VG AN, U.v. 16.8.2018 – …). Wenn die Antragsgegnerin gleichzeitig mit der Nutzungsuntersagung gegen die Betreiberin auch bauaufsichtliche Anordnungen mit dem Ziel der Beendigung der Nutzung und der Verhinderung der Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung gegen die Antragstellerin als Zwischenmieterin bzw. Zwischenvermieterin erlassen hat, erfordert dies insbesondere dann, wenn die Betreiberin des Wettbüros als unmittelbarer Handlungsstörer greifbar ist und gegen diese auch vorgegangen wird, einer Begründung, die vorliegend aber im Bescheid nicht enthalten ist.
2.3 Darüber hinaus erscheint es der Kammer als zweifelhaft, wenn die Antragstellerin von der Antragsgegnerin als Handlungsstörerin in Anspruch genommen wird. Zwar hat die Antragstellerin die gegenständlichen Räume an die … mit dem Mietvertrag vom 31. Mai 2014 ausdrücklich zum Betrieb eines Wettbüros vermietet, wobei sogar die maximalen Öffnungszeiten im Mietvertrag geregelt waren. Deshalb wäre eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als Handlungsstörerin im Hinblick auf den Vertragszweck des Mietvertrags möglich, allerdings endet der Mietvertrag bereits zum 31. Dezember 2016, ohne dass eine automatische Verlängerungsregelung, anders als bei den anderen vorgelegten Mietverträgen, vorhanden wäre. Zwar hat der Antragstellervertreter diesen Mietvertrag der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 6. November 2017 vorgelegt und dazu ausgeführt, die Antragstellerin habe die Räume an die Firma … vermietet zur gewerblichen Nutzung als Wettbüro. Allerdings ergibt sich die Fortdauer des Mietverhältnisses weder aus diesem Mietvertrag noch aus dem im Klageverfahren vorgelegten Mietvertrag vom 31. Dezember 2016, da dieser schon mangels der Bezeichnung des Mietobjekts und des Mietzwecks keine Wirksamkeit besitzen kann. Im Übrigen ist dem Bescheid auch nicht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin berücksichtigt hat, dass die Antragstellerin die gegenständlichen Räume nicht an die Betreiberin des Wettbüros, sondern an die Firma …vermietet hat, die diese wiederum erst wieder an die Betreiberin untervermietet hat. Es erscheint deshalb auch als zweifelhaft, ob die konkrete Anordnung Nr. 1 des angefochtenen Bescheids in Verbindung mit der Fristsetzung und der Anordnung des Sofortvollzugs von der Antragstellerin in der vorgegebenen Frist bewirkt werden kann, wenn man bedenkt, dass die Antragstellerin ihre Vertragspartnerin, die …, erst dazu bewegen und gegebenenfalls zwingen müsste, ihrerseits gegen die Betreiberin vorzugehen. Damit bestehen nach Auffassung der Kammer erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung gegen die Antragstellerin.
Da die Antragsgegnerin auch aus der rechtskräftigen Nutzungsuntersagungsverfügung gegen die Betreiberin vorgehen kann und vorgeht, verlangen das öffentliche Interesse und das Interesse der Antragsgegnerin an der Herstellung baurechtsgemäßer Zustände auch nicht zwingend, zeitgleich, in der geschehenen Art und mit Sofortvollzug gegen die Antragstellerin vorzugehen, zumal auch noch der Eigentümer und die … von der Antragsgegnerin in Anspruch genommen werden. Eine solche Inanspruchnahme mehrerer unterschiedlicher Beteiligter an der zu unterbindenden Störung erfordert eine ermessensgerechte Auswahl und deren Begründung, was hier aber ersichtlich im angefochtenen Bescheid nicht geschehen ist.
Auch die Klage- und Antragserwiderung vom 28. Februar 2018 kann diesen Mangel nicht heilen, da dort nicht dargelegt wurde, weshalb eine gleichzeitige Inanspruchnahme der Antragstellerin mit der Betreibergesellschaft erforderlich und geboten, jedenfalls aber zulässig und ermessensgerecht war, sondern lediglich darauf verwiesen wurde, dass die Firmen … und … verschiedene Wettbüros betrieben und dass eine mögliche wirtschaftliche Verflechtung mit den Firmen und der Firma …gegeben sei, die ebenfalls unter der Geschäftsadresse … agierten. Allerdings wird eine konkrete wirtschaftliche oder personelle Verflechtung hier nicht dargetan, im Übrigen insbesondere nicht dargestellt, wieweit der Antragsteller in ein solches wirtschaftliches Geflecht einbezogen sein sollte. Die Tatsache, dass er seine Wohn- und eine Geschäftsadresse unter der gleichen Anschrift wie die genannten Firmen hat, reicht hierfür ersichtlich nicht aus, da auch im selben oder in nebeneinander gelegenen Gebäuden verschiedene wirtschaftlich voneinander unabhängige Gesellschaften und Einzelpersonen ihren Sitz oder Wohnsitz haben können.
Damit war dem Antrag stattzugeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Da die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes vorliegend 15.000,00 EUR beträgt und für die Klage gegen die Grundverfügung selbst ein Streitwert von 15.000,00 EUR angemessen erscheint, wurde dieser für das Eilverfahren halbiert.


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