Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anpassung eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze an die Mietpreissteigerungen

Aktenzeichen  S 40 AS 2577/15

Datum:
10.5.2016
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 22 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Für die Berechnung der Preissteigerung zwischen zwei eigentlich dem schlüssigen Konzept zugrunde liegenden Mietspiegeln kann auf die Entwicklung des Mietpreises anstelle des allgemeinen Preisindexes abgestellt wird. (red. LS Andreas Hofmann)
Die Entwicklung des Mietpreise ermöglicht eine realistischere Hochrechnung der Angemessenheitsgrenzen, da sich diese nicht an der Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise ausrichten. (red. LS Andreas Hofmann)
Der Nachweis der Unmöglichkeit des Wohnungswechsels verlangt eine erfolglose Wohnungssuche trotz schnellem und entschlossenem Handeln des Leistungsberechtigten auf dem Wohnungsmarkt. Allein eine Anfrage per Email, ob eine  Vermietung an eine alleinerziehende Mutter mit Kind und Katze im Hartz IV-Bezug in Frage kommt, genügt insoweit nicht. (red. LS Andreas Hofmann)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg.
1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz, SGG) zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Eine Klage ist auch gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid zulässig.
2. Streitig ist der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2015. Eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs der Kläger ist noch nicht erfolgt. Eine Entscheidung kann hier unabhängig von der Frage ergehen, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung noch vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R), da in der Sitzung Einigkeit bestand, dass das Ergebnis dieses Verfahrens auch für die endgültige Festsetzung maßgeblich sein soll.
3. Die Kläger begehren ausschließlich höhere Kosten der Unterkunft. Eine solche Beschränkung des Streitgegenstandes ist auch für Zeiträume nach dem 01.04.2011 möglich, da es sich bei der Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung um eine abtrennbare Verfügung handelt (BSG Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R und bei BayLSG Urteil vom 22.07.2015 – L 16 AS 502/14). Sie ist auch möglich bei einer Klage gegen eine vorläufige Bewilligung (BSG Urteil vom 06.04.2011-B 4 AS 119/10 R und vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R). Streitig ist also allein die Differenz zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 118 Euro.
3. Ausgehend davon war die Klage abzuweisen. Ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft besteht nicht.
a) An dem Vorliegen der grundsätzlichen Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II an die Kläger bestehen keine Zweifel. Die Klägerin hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig sind und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Sie und ihr mit ihr in Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) lebender Sohn, der Kläger, sind auch hilfebedürftig.
Das Einkommen des Klägers (188 Euro Kindergeld und 263 Euro Unterhalt monatlich) kann seinen unstreitigen Bedarf (Regelbedarf und unstreitiger Bedarf an Unterkunft und Heizung von 416 Euro monatlich) nicht decken. Der vom Beklagten gemäß den Angaben der Klägerin in der vorläufigen Anlage EKS berücksichtigte vorläufige Gewinn von 398 Euro monatlich reicht nicht aus, um den unstreitigen Restbedarf der Bedarfsgemeinschaft beider Kläger zu decken (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II).
b) Die Kläger haben keinen Anspruch auf weitere 118 € Kosten der Unterkunft monatlich. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Ausgehend davon besteht vorliegend kein Anspruch der Kläger auf Berücksichtigung einer höheren Bruttokaltmiete als 732 Euro monatlich. Die Angemessenheitsgrenzen wurden vom Beigeladenen auf diese Grenze rechtmäßig festgesetzt (vgl. c). Die Kläger haben keine Unmöglichkeit der Anmietung einer kostengünstigeren Wohnung iSv § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nachgewiesen (vgl. d). Auch das angerechnete Einkommen wurde korrekt berechnet (vgl. e).
c) Zur Überzeugung des Gerichts hat der Beigeladene für den streitigen Zeitraum die auch vom Beklagten herangezogene Angemessenheitsgrenze im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II korrekt und rechtmäßig bestimmt. Das Konzept des Beigeladenen zur Ermittlung der Mietobergrenzen vom 15.05.2013 wurde analog zu einem vom BSG gebilligten (Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R) Sachverständigengutachten erstellt und durch die Nachberechnung vom 03.04.2014 angepasst. Dieses Vorgehen erfüllt die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept iSv § 22 Abs. 1 SGB II.
Bei der Prüfung abstrakter Angemessenheit ist nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße (1) und der Wohnungsstandard (2) zu bestimmen, anschließend der räumliche Vergleichsmaßstab festzulegen (3) und dann (4) zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (st Rspr, vgl. für A-Stadt BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R).
(1) Der Beigeladene ist im Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zutreffenderweise auf Basis der Bayerischen Wohnraumförderbestimmungen vom 11.01.2012 (AllMBl 2012, S. 20), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 27.05.2014 (AllMBl S. 327) i. V. m. § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) von 65 qm als angemessene Wohnraumgröße für einen Zwei-Personen-Haushalt ausgegangen (st Rspr sei BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R; vgl. für A-Stadt BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R).
(2) Die infrage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (st. Rspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R und Urteil vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R); jedoch dürfen Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R und vgl. für A-Stadt BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Dies hat der Beigeladene bei der Ermittlung der Mietobergrenzen auf Basis der Daten des Münchner Mietspiegels berücksichtigt, da für den Mietspiegel weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen, noch Wohnungen im Untergeschoss herangezogen werden (vgl. jeweils die Definitionen im Münchner Mietspiegel).
(3) Der Beigeladene hat zutreffend das gesamte Gebiet der Landeshauptstadt A-Stadt als räumlichen Vergleichsmaßstab gewählt (vgl. BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R).
(4) Das von dem vom Beigeladenen beauftragten Sachverständigen gewählte Verfahren zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen genügt den Vorgaben des BSG. Nach dessen ständiger Rechtsprechung ist ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum (BSG Urteil vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R) Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BSG Urteil vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R und für A-Stadt BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R):
– Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,
– es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
– Angaben über den Beobachtungszeitraum,
– Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel),
– Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
– Validität der Datenerhebung,
– Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
– Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Gerichts erfüllt. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 10.09.2013 explizit das damals vom BayLSG für A-Stadt eingeholte Gutachten als rechtmäßige Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze anerkannt (BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Das im streitigen Zeitraum geltende Konzept wurde analog diesem Gutachten erstellt mit zwei Unterschieden: Die Hochrechnung der Preise für die Jahre, in denen keine Daten für den Mietspiegel erhoben wurden, erfolgte – soweit möglich – nicht anhand des Preissteigerungsindexes des Statistischen Bundesamtes, sondern durch eine Berücksichtigung der sich aus den Mietspiegeln ergebenden Mietpreisentwicklung. Zudem wurden im Rahmen der Nachberechnung vom 03.04.2014 nur die im Mietspiegel enthaltenen Neumieten unter Außerachtlassung der im Mietspiegel ebenfalls enthaltenen Bestandsmieten betrachtet, woraus sich ein signifikant höherer Wert für die Mietobergrenze ergab.
Soweit das Konzept des Beigeladenen dem Gutachten des BayLSG entspricht, kann auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 10.09.2013 (B 4 AS 77/12 R) verweisen werden. Dort hat das BSG festgesellt,
– dass durch den Rückgriff auf die Daten des A-Stadt Mietspiegels die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die gesamte Stadt A-Stadt) begrenzt und damit der Vergleichsraum hinreichend eingegrenzt wurde;
– dass als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung zutreffend die Bruttokaltmiete gewählt wurde und eine Größenbegrenzung auf Wohnungen „um den“ maßgeblichen Wert (hier 65 qm) mit der vorgenommenen Gewichtung zulässig ist;
– dass es hinsichtlich des Beobachtungszeitraums in Ordnung ist, auf die zum Stichtag 01.01. erhobenen Daten des A-Stadt Mietspiegels zurückzugreifen, und dass für die Jahre, in denen keine Daten erhoben werden, die Preissteigerung anhand des Preissteigerungsindexes des Statistischen Bundesamtes errechnet werden kann;
– dass der Rückgriff auf den A-Stadt Mietspiegel als Datengrundlage zulässig ist und diese Daten repräsentativ und valide sind;
– dass die Festlegung der Mietobergrenze durch Bestimmung der unteren 20% des preislichen Segments keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach „unten“ (keine Wohnungen des einfachsten Standards) und nach der Größe beinhaltet.
Genau diese Aspekte kennzeichnen auch das im streitigen Zeitraum gültige Konzept des Beigeladenen und Beklagten, so dass an dessen Schlüssigkeit iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kein Zweifel besteht.
Keine Zweifel bestehen auch an der Schlüssigkeit insofern, als für die Berechnung der Preissteigerung zwischen zwei Mietspiegeln – anders als in dem vom BSG gebilligten Gutachten – auf die Entwicklung des Mietpreises anstelle des allgemeinen Preisindexes abgestellt wird. Denn dies ermöglicht eine realistischere, da an der Entwicklung der Mietpreise und nicht der allgemeinen Verbraucherpreise ausgerichtete Hochrechnung.
Auch im Hinblick darauf, dass dem Konzept des Beklagten nur eine Betrachtung der Neumieten und nicht der im Mietspiegel ebenfalls enthaltenen Bestandsmieten zugrunde liegt, bestehen keine Zweifel an der Schlüssigkeit des Konzepts. Dies stellt eine nachvollziehbare Beschränkung des Beobachtungsgegenstands dar. Die Eingrenzung wurde vorgenommen, weil der Sachverständige in seiner ersten Berechnung vom 15.05.2013 deutliche Unterschiede zwischen Bestands- und Neumieten festgestellt hatte. Da es bei Leistungsberechtigten jedenfalls im Rahmen der Suche nach einer kostenangemessenen Unterkunft idR um Neuanmietungen geht, ist es konsequent und zugunsten der Leistungsberechtigten, nur Neumieten zu betrachten.
Schließlich wurden die Obergrenzen auch regelmäßig überprüft und ggf. aktualisiert. Dadurch war sichergestellt, dass die Mietobergrenze den aktuellen Verhältnissen entspricht. Das ursprüngliche Gutachten basierte auf den Werten bis zum Mietspiegel 2013. Die Nachberechnung vom Juli 2014 auf Basis der mit Stichtag 01.01.2014 erhobenen Daten des Mietspiegels 2015 führte zu einer Anhebung der Mietobergrenzen für zwei Personen auf 732 Euro ab 01.10.2014. Die Nachberechnung für 2015 anhand des Preissteigerungsindex des statistischen Bundesamtes (was vom BSG gebilligt wurde, vgl. oben) führte zu keiner Anpassung, da tatsächlich die Preise sogar leicht gefallen waren.
Damit ist die vom Beklagten anerkannte Mietobergrenze von 732 Euro für den streitigen Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 nicht zu beanstanden. An der tatsächlichen Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums (konkrete Angemessenheit) besteht – auch angesichts der von der Klägerin vorgelegten Listen – kein Zweifel. Damit haben die Kläger keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Unterkunftskosten über § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
d) Die Kläger haben nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass ihnen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ein Anspruch auf tatsächliche Unterkunftskosten zusteht. Ein solcher Anspruch bestünde einerseits, wenn den Klägern eine Senkung der Unterkunftskosten unzumutbar wäre. Dafür ist hier nichts ersichtlich oder vorgetragen. Zur Überzeugung des Gerichts war es den Klägern auch nicht unmöglich, die Unterkunftskosten zu senken.
aa) Es bestehen keine Zweifel daran, dass seit Mai 2012 ausreichend viele Wohnungen unterhalb der vom Beklagten als angemessen anerkannten Mietobergrenze verfügbar waren. Dies ergibt sich bereits aus den von der Klägerin vorgelegten Listen und wurde vom Klägerbevollmächtigten auch nicht bestritten. Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu einem angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt, wenn die Mietobergrenze in einem Verfahren bestimmt wurde, das den Anforderungen des BSG entspricht (BSG Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/R und B 14 AS 106/10 R vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R; Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 118).
bb) Sofern – wie hier – vom Vorhandensein einer ausreichenden Zahl angemessener Wohnungen ausgegangen werden kann, käme die Übernahme tatsächlicher Unterkunftskosten nur in Betracht, wenn die Kläger nachgewiesen hätten, dass es Ihnen trotz intensiver Suche unter zur Zuhilfenahme aller zumutbaren und erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel nicht gelungen ist, seit Mai 2002 eine kostengünstigere Wohnung anzumieten (vgl. Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 126 und Münder in LPK-SGB II, 11. Auflage 2013, § 122 Rn. 89). Dabei sind wegen des Regel-Ausnahme-Prinzips strenge Anforderungen an die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unmöglichkeit“ zu stellen (BSG Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 126). Ausgehend davon liegt zur Überzeugung des Gerichts keine Unmöglichkeit im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vor.
Zwar hat die Klägerin über www…de regelmäßig nach angemessenen Wohnungen gesucht. Jedoch erweckt die Art der Bewerbung Zweifel an der Intensität der Kostensenkungsbemühungen der Klägerin. So hat sie sich auf die Anzeigen lediglich per E-Mail beworben, obwohl viele der Anzeigen auch eine Telefonnummer unter den Kontaktdaten des Anbieters benannten. Der an die Anbieter übersandte Text stellte eine Anfrage dar, ob unter Berücksichtigung ihrer wahrheitsgemäß benannten Einschränkungen (allein erziehend mit einem Kind, einer Katze und Alg 2-Bezug) überhaupt eine Vermietung in Betracht kommt. Dem Wortlaut nach handelte es sich also eher um Vorab-Anfragen als um konkrete Bewerbungen um einen Besichtigungstermin. Der Klägerin ist zuzugeben, dass der A-Stadt Wohnungsmarkt sehr eng ist und die Konkurrenz auch mit besser Verdienenden hoch ist. Gerade deshalb ist aber bei angebotenem günstigem Wohnraum zur Überzeugung des Gerichts ein schnelles und entschlossenes Handeln, insbesondere auch eine sehr zeitnahe Anfrage ggf. per Telefon erforderlich. Dies kann das Gericht beim Handeln der Klägerin nicht ausreichend erkennen. Zwar vermag anfangs das Vorgehen der Klägerin noch hinreichend gewesen sein. Nachdem sie aber mit diesem Vorgehen eineinhalb Jahre lang keine Wohnung gefunden hatte, wäre eine Änderung des Vorgehens bei ernsthaftem Willen zur Anmietung einer günstigeren Wohnung zu erwarten gewesen. Dieser Eindruck deckt sich mit den von der Klägerin berichteten Rückmeldungen für die Zeit von Oktober 203 bis September 2014. In drei von fünf Fällen war der Besichtigungstermin bereits ausgebucht, in einem weiteren Fall war bereits ein anderer Mieter vorgemerkt. Nur in einem Fall wurde sie wegen des Alg 2 – Bezugs als Mieterin abgelehnt. Wenn also erkennbar ist, dass Anfragen per E-Mail zu spät kommen, wäre eine andere und schnellere zum Beispiel telefonische Bewerbung zu erwarten gewesen.
Letztlich läge aber – selbst wenn man den Text der Bewerbungen auf Inserate bei www…de als ausreichend erachtete – keine ausreichend intensive Wohnungssuche der Kläger vor.
Die Klägerin hat keine über die Bewerbungen per E-Mail auf Online-Angebote hinausgehenden Bemühungen um eine kostengünstigere Wohnung unternommen. So hat sie selbst trotz der im Jahr 2013 erteilten Zusicherung der Übernahme von Maklerkosten nach eigenen Angaben lediglich einen Makler kontaktiert und diesem auch keinen förmlichen Auftrag erteilt. Angesichts der Vielzahl von Maklern in A-Stadt kann dies nicht als intensive Wohnungssuche auch unter Zuhilfenahme eines vom Beklagten bezahlten Maklers angesehen werden. Darüber hinaus hat die Klägerin sich weder um eine öffentlich geförderte Wohnung und einen Wohnungsberechtigungsschein gekümmert noch beispielsweise bei großen Vermietergesellschaften nachgefragt oder selbst Inserate aufgegeben. Auch deshalb liegt hier zur Überzeugung des Gerichts keine intensive Wohnungssuche durch die Klägerin unter Einbeziehung aller Hilfen und Hilfsmittel vor.
Ihr Vortrag, von diesen Möglichkeiten nichts gewusst zu haben und davon ausgegangen zu sein, dass Bewerbungen auf Internet-Angebote ausreichen, führt zu keiner anderen Bewertung. Bereits im Informationsschreiben vom 20.04.2012 war die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass auch Bestätigungen von Vermietergesellschaften über dort erfolgte Vormerkungen oder selbst aufgegebene Inserate anerkannt werden. Zudem wäre jedenfalls dann, wenn die Wohnungssuche ausschließlich über Internet-Angebote 18 Monate lang nicht zum Erfolg führt, zu erwarten, dass die Klägerin sich über weitere Möglichkeiten zur Anmietung preisgünstigen Wohnraums informiert. Dies ist Obliegenheit der Klägerin. Eine weitergehende Beratung durch den Beklagten, die hier wohl nicht erfolgt ist, wäre zur Überzeugung des Gerichts nicht erforderlich gewesen. So hat die Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass die Jobcenter zwar die Verpflichtung trifft, den Leistungsberechtigten darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den angemessenen Betrag gesenkt werden können (BSGE Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R). Jedoch ist die Verwaltung im Normalfall nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihr als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger „an die Hand zu nehmen“ und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Unterkunftskosten senken bzw. welche Wohnungen er anmieten kann (BSG Urteil vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 70/06 R und vom 19.02.2009 – B4 AS 30/08 R, Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 122). Daher war der Beklagte hier nicht verpflichtet, über die im Informationsschreiben vom 20.04.2012 enthaltenen Hinweise auf die Möglichkeit der Untervermietung, des Wohnungstausches oder Wohnungswechsel hinausgehend darauf hinzuweisen, welche Möglichkeiten und Wege zur Wohnungssuche zur Verfügung stehen. Das Wissen über Sozialwohnungen und öffentlich geförderten Wohnraum wäre zur Überzeugung des Gerichts leicht über eine Internet-Recherche oder Nachfrage beim Beklagten oder anderen Stellen, z. B. Landeshauptstadt A-Stadt herauszufinden gewesen.
Damit lag hier zur Überzeugung des Gerichts seit Mai 2012 keine intensive Wohnungssuche unter Nutzung aller möglichen Hilfen vor. Die Klägerin kann sich also nicht darauf berufen, dass trotz Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl angemessener Wohnungen für sie keine solche Wohnung anzumieten war. Das gilt auch hinsichtlich der vom Bevollmächtigten behaupteten besonderen Vermittlungshindernisse. Auf diese kann sich nur berufen, wer trotz intensiver Suche keine entsprechende Wohnung anmieten konnte.
cc) Kostensenkungsbemühungen waren den Klägern auch subjektiv möglich (vgl. BSG 17.12.2009 – B 4 AS 19/09 R und Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 120 ff) Das Kostensenkungsverfahren wurde mit dem Schreiben vom 20.04.2012 korrekt durchgeführt. Die Klägerin wurde darin auf die bestehende Mietobergrenze, die Unangemessenheit der tatsächlichen Miete und darüber aufgeklärt, wie und in welcher Weise die Kosten auf den angemessenen Betrag gesenkt werden könnten, z. B. Untervermietung, Wohnungswechsel, Wohnungstausch (BSG 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R und Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 122). Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, den Leistungsempfänger „an die Hand zu nehmen“ und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Unterkunftskosten senken bzw. welche Wohnungen er anmieten kann, besteht im Normalfall nicht (BSG 27.2.2008 – B 14/7b AS 70/06 R und vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R, Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 122). Unschädlich ist, dass die vom Beklagten im Schreiben vom 20.04.2012 mitgeteilte Angemessenheitsgrenze später für den streitigen Zeitraum erhöht wurde. Nach st Rechtsprechung stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw. einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Unterkunftskosten angemessen sind (vgl. BSG Urteil vom 22.3.2012 – B 4 AS 16/11 R unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 – B 14 AS 41/08 R und vom10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R).
dd) Die Kläger bezogen nach einer Unterbrechung seit Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Die Übergangsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von sechs Monaten war damit im streitigen Zeitraum bereits lange abgelaufen.
Damit ergibt sich auch über § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II kein Anspruch der Kläger auf höhere Unterkunftskosten.
e) Ein Anspruch auf höhere Unterkunftskosten ergibt sich auch nicht daraus, dass ein zu hohes Einkommen angerechnet wurde. Der vom Beklagten berücksichtigte Gewinn entspricht mit Ausnahme der Fahrtkosten den von der Klägerin in der Anlage EKS gemachten Angaben. Die Fahrtkosten kann die Klägerin nicht geltend machen, da sie nach Belehrung auf die dafür notwendige Führung eines Fahrtenbuchs und damit auf die Geltendmachung der Kosten schriftlich verzichtet hat. Fehler bei der Einkommensberechnung sind nicht ersichtlich und auch nicht gerügt.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
6. Die Berufung ist nicht zulässig, da die Kläger nur in Höhe von insgesamt 708 Euro (118 Euro für 6 Monate) unterlegen sind und damit der Wert des Beschwerdegegenstands nicht die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Summe von 750 Euro erreicht. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Das Urteil weicht weder von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab noch beruht es auf einer solchen Abweichung. Es ist auch keine grundsätzliche Bedeutung der Sache zu erkennen. Das BSG hat über das Gutachten, dem das Konzept des Beigeladenen zur Bestimmung der Mietobergrenzen fast vollständig entspricht, bereits entscheiden und dieses in allen auch hier relevanten Aspekten gebilligt. Die Maßstäbe zur Beurteilung der Unmöglichkeit iSv § 22 Abs. 3 SGB II sind von der Rechtsprechung hinreichend konkretisiert; ob sie hier erfüllt sind, ist eine Frage der Wertung des Einzelfalls.


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