Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anspruch auf Beseitigung der Blendwirkung einer Fotovoltaikanlage auf dem Nachbarhaus

Aktenzeichen  1 O 2697/14

Datum:
2.8.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128395
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 906, § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Bei der Blendwirkung einer Fotovoltaikanlage (bedingt durch die Sonnenlichtreflektion) handelt es sich um Beeinträchtigungen des Eigentums des Nachbarn im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn Lichtreflexe, die von Menschen in der Wohnung des Nachbarn oder auf dem Balkon als erhebliche Blendung wahrgenommen werden, sind für die Bewohner unangenehm und beeinträchtigen die Nutzung des Eigentums. Es handelt sich nicht etwa um „Natureinwirkungen“, die keine Haftung des Zustandsstörers begründen könnten. Denn ursächlich für die Einwirkungen ist zwar auch das Sonnenlicht, aber nur im Zusammenhang mit den Reflexionswirkungen, die durch die auf dem Hausdach installierte Fotovoltaikanlage verursacht werden. (Rn. 33 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Duldungspflicht wegen „Ortsüblichkeit“ iSd § 906 Abs. 2 BGB kann nur dann in Betracht kommen, wenn nicht nur die abstrakte Nutzung des anderen Grundstücks mit einer Fotovoltaikanlage als solche ortsüblich ist, sondern wenn gleichzeitig die durch die konkrete Gestaltung verursachten Beeinträchtigungen für andere Nachbarn „ortsüblich“ sind. In Bezug auf die störende Fotovoltaikanlage wäre das nur dann der Fall, wenn von anderen Fotovoltaikanlagen im selben Ort, bzw. im selben Wohngebiet, Blendwirkungen auf die Nachbarhäuser in ungefähr gleicher Art und gleicher Intensität ausgehen würden. (Rn. 71 – 78) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die von der Photovoltaikanlage auf dem Dach ihres Hauses 8. E., R. Straße 22, ausgehende Blendwirkung in Richtung der nordwestlich dazu gelegenen Maisonettewohnung der Kläger in … E., Ai. An. …, zu beseitigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.
Der Antrag, mit dem die Klagepartei erreichen möchte, dass in der Zukunft für sie Beeinträchtigungen durch FVA der beklagten Partei unterbleiben, ist hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO).
Es reicht aus, dass der Antrag den erstrebten Erfolg beschreibt, aber der beklagten Partei die Mittel überlässt, mit denen sie diesen Erfolg ggf. herbeiführt (bspw. durch Anbringung von Folien, Anbringung eines Sichtschutzes, Aufständerung oder Beseitigung der Paneele auf der Westseite des Daches und Umsetzen auf die Ostseite).
Anders als das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 13.12.2013, 9 U 184/11, zitiert nach juris, Rn. 15 (aus der Entscheidung wird auch im Folgenden passim zitiert), ist der Richter nicht der Ansicht, dass der Tenor das Wort „unzumutbar“ bzw. „wesentlich“ zur Klarstellung enthalten müsste.
Letzteres ergibt sich ohnehin aus § 906 I BGB, wonach eine Verhinderung von Beeinträchtigungen nur insoweit verlangt werden kann, als sie „unzumutbar“ bzw. „wesentlich“ sind.
II. Die Klage ist – im Wesentlichen – begründet.
1. Der Anspruch der Klagepartei auf die Beseitigung von Blendungen durch die FVA am Haus der beklagten Partei beruht auf § 1004 I BGB.
Die beklagte Partei ist passiv legitimiert.
Als Eigentümerin des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen für das klägerische Grundstück ausgehen, ist sie „Zustandsstörerin“.
2. Die von der FVA verursachten Blendungen sind Beeinträchtigungen des Eigentums im Sinne von § 1004 I BGB, die von der Klagepartei nicht zu dulden sind.
a) Es handelt sich um Beeinträchtigungen des Eigentums der Klagepartei im Sinne von § 1004 I 1 BGB.
Denn Lichtreflexe, die von Menschen in der Wohnung der Klagepartei oder auf dem Balkon als erhebliche Blendung wahrgenommen werden, sind für die Bewohner unangenehm und beeinträchtigen die Nutzung des Eigentums.
Es handelt sich nicht etwa um „Natureinwirkungen“, die keine Haftung des Zustandsstörers begründen könnten.
Denn ursächlich für die Einwirkungen ist zwar auch das Sonnenlicht, aber nur im Zusammenhang mit den Reflexionswirkungen, die durch die von der beklagten Partei – willentlich – auf ihrem Hausdach installierte FVA verursacht werden.
b) Für die Beurteilung der Beeinträchtigungen ist von den von den Sachverständigen T. und H. getroffenen Feststellungen auszugehen.
(1) Zu den Grundlagen von deren sachverständiger Beurteilung:
Da für die Beurteilung technischer Anlagen, die Sonnenlicht reflektieren, keine gesetzlichen Grundlagen oder Verordnungen bestehen, zieht der Sachverständige T. als Beurteilungsgrundlage die in der Schrift „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI), Beschluss vom 13.09.2012, Anhang 2, genannten Empfehlungen heran, die für derartige Beurteilungen seit längerer Zeit angewendet würden:
„Im Wesentlichen wird eine Belästigung durch Blendung nach diesem Verfahren dann als erheblich eingestuft, wenn diese an den betreffenden Immissionsorten (schutzwürdige Räume: Wohn-, Schlaf- und Aufenthaltsräume, Büros, Arbeitsräume usw.) die folgenden Werte überschreiten[t]:
– Astronomisch mögliche Einwirkdauer einer Blendung maximal 30 min/Tag und maximal 30 h/Jahr (bei durchschnittlichem deutschem Wetter bedeutet dies eine reale jährliche Einwirkdauer von ca. 8 h – bei Auftreten in der sonnigen Jahreszeit tendenziell mehr, in Herbst und Winter tendenziell weniger)
– Dabei werden Reflexionen jeweils dann als Blendung bewertet, wenn ihre Leuchtdichte über 100.000 cd/m liegt und der Reflex unter Blickwinkeldifferenzen > 10° zur Sonne gesehen wird.
– Bei kleineren Blickwinkeldifferenzen als 10° zwischen Reflex und Sonne werden beide Blendquellen gleichzeitig auf der Netzhaut eines Beobachters abgebildet. Dabei überlagert die um den Faktor ca. 50 höhere Leuchtdichte der Sonne den Reflex. So dass dieser in der Regel nicht mehr als eigene Blendquelle wahrgenommen wird.
Die Einzelheiten des Bewertungsverfahrens für diese Grenzwerte sind nicht festgelegt. Nach diesen Empfehlungen wären grundsätzlich auch stark vereinfachte Berechnungsverfahren unter der Annahme einer idealen Reflexion mit Einfallswinkel = Ausfallswinkel ohne Berücksichtigung der Reflexionseigenschaften der Reflexionsfläche zulässig, die je nach Situation und Berechnungsmethode teilweise stark abweichende Expositionszeiten ergeben können. Die nachfolgende Untersuchung wird mit einem komplexen Berech nungsverfahren auf Basis der ermittelten Reflexionsdaten durchgeführt, das mittlerweile seit ca. 14 Jahren angewendet und in einer Vielzahl von nachträglichen Messungen optimiert und verifiziert wurde.“
Die Bewertung von Blendung durch Reflexionen sei ein komplexer Vorgang, der durch verschiedene Faktoren wie z.B. individuelle physiologische Varianzen, Adaptationszustand des Auges (abhängig von Umgebungshelligkeit, Hintergrundhelligkeit, Fokussie-rung des Auges), Differenzen im Reflexionsverhalten der Oberflächen (z.B. durch Verschmutzung) usw. einen relativ großen Unschärfebereich beinhalte. …
Im Gegensatz zur Einwirkung von Schattenwurf bei Windenergieanlagen sei von einer wirksamen Störung durch Sonnenlichtreflexionen mit hoher Leuchtdichte nur bei relevanten Aufenthaltsplätzen im Freien und bei Vorliegen von für die Nutzung der gegenständlichen Räumlichkeiten relevanten Sichtverbindungen zum Reflex auszugehen.
Relevant für eine mögliche Störung durch solche Reflexionen seien daher in der Regel:
– Balkone, Terrassen und Gartensitzplätze
– die relevanten Bereiche in Räumen, von denen aus der Reflex durch Fenster oder Türen bei typischer Nutzung der Räume und in typischen Blickrichtungen zu sehen ist
– sicherheitsrelevante Bereiche in Gebäuden (z.B. eine Treppe oder andere mögliche Gefahrenquelle, bei der die Sehfähigkeit durch den Reflex beeinträchtigt wird)
– beeinträchtigte repräsentative Bereiche (z.B. Hotellobby oder Eingangsbereich einer Firma)
– bei Verkehrsteilnehmern Blendreflexionen innerhalb des für das Fahren relevanten Sichtfeldes. …
Das Gutachten beziehe sich auf eine Worst-Case-Betrachtung der relevanten Eckpunkte, die durch Messung der erreichten Reflexleuchtdichten der realisierten FVA ermittelt worden seien. Es sei jeweils das direkt in Hauptreflexionsrichtung reflektierte Sonnenlicht und die dadurch verursachte Abbildung der Sonnenscheibe sowie das anhand der Rückrechnung der ermittelten Messwerte abgeschätzte Streulicht betrachtet worden. Die Begutachtung der Blendung beruhe somit sowohl auf den an einem Tag tatsächlich gemessenen als auch auf rechnerischen Ergebnissen auf Basis der vorliegenden Daten, was eine plausible Abbildung der Situation zulasse.
(2) Und konkret aus dem Gutachten T. vom 28.09.2015:
(a, zu den Behauptungen der Klagepartei)
„Die in den Berechnungen der Blendwirkung ermittelten, in diesem Gutachten dargestellten Ergebnisse zeigen, daß die Wohnung der Klägerpartei von den rechnerisch ermittelten Blendwirkungen von Januar bis April und von August bis Oktober in der Zeit von ca. 10:00 Uhr (Winterzeit) bzw. 11:00 Uhr (Sommerzeit) bis ca. 11:00 Uhr (Winterzeit) bzw. 12:30 Uhr (Sommerzeit) betroffen ist. Die im Beweisbeschluß [vom 19.09.2014] angegebenen Jahres- und Uhrzeiten sowie die Angaben zur Lage und Entfernung der Fenster treffen also zu bzw. werden gemäß den Berechnungen noch leicht überschritten.

Die in den Berechnungen der Blendwirkung ermittelten Werte liegen sowohl zeitlich als auch in der Intensität deutlich über den gemäß dem angesetzten Bewertungsverfahren empfohlenen Grenzwerten. Die rechnerisch und meßtechnisch ermittelte Intensität der Blendreflexe übersteigt den Schwellten]wert je nach Zeit und Position des Beobachters um das ca. 11 … 28-fache. Auch die als noch zumutbares Maximum angesetzte tägliche und jährliche Expositionszeit (täglich: max. 30 min/Tag, jährlich: max 30 h/Jahr) wird mit Einwirkzeiten zwischen ca. 68 … 75 min/Tag und zwischen ca. 93 … 127 h/Jahr deutlich überschritten.
Auf Grundlage und bei Anwendung dieses Bewertungssystems ist hier von einer erheblichen Störung auszugehen.

Die ermittelten Blendwirkungen wirken sich vor allem im Treppenhaus besonders stark aus, weil hier eine relativ niedrige Umfeldhelligkeit herrscht. In der in dieser Situation vorliegenden teilweisen Dunkeladaptation sind die Schutzmechanismen im Auge stark reduziert (weit offene Pupille), so daß der Blick in einen Blendreflex mit hoher Intensität und mit hohem Kontrast eine deutlich stärkere physiologische Blendwirkung auslöst. Dies kann im Fall insbesondere beim Begehen der obersten Stufen, bei dem erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich ist und wo auch die Gefahr eines Sturzes am höchsten ist, durchaus zu gefährlichen Situationen führen.
…”
(b, zu den Behauptungen der beklagten Partei)
„Die obige Aussage [vgl. Beweisbeschluss vom, II. 1.] bezieht sich auf Aussagen eines einseitigen Schreibens der Firma Solarwatt, das in solchen Fällen sehr häufig als Beleg für eine angebliche und allgemeine Blendfreiheit von PV-Modulen verwendet wird und das auch der Gerichtsakte als Anlage beiliegt. Die Grundaussage dieses Schreibens ist aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Die Frontgläser von PV-iModulen sind in der Regel leicht strukturiert, weisen aber immer noch eine stark gerichtete Reflexion auf.
Es ist zwar richtig, daß die integralen Reflexionsgrade moderner Photovoltaikmodule in dem angegebenen Bereich von „max. 4-10%“ – bei modernen Typen eher im Bereich 2% … 3,5% – liegen. Diese Aussage hat jedoch für die Bewertung einer möglichen Blendwirkung keinerlei Relevanz. Der Reflexionsgrad beschreibt das einfache Verhältnis zwischen einfallendem und reflektiertem Licht und beinhaltet keine Informationen über die Richtungen des reflektierten Lichtes.
Für die Bewertung der Blendwirkung einer solchen Fläche muß betrachtet werden, wieviel Licht in eine bestimmte Richtung reflektiert wird. Eine Reflexion von z.B. den angegebenen 4% des eingestrahlten Lichtes in Richtung des Beobachters würde im worst ca-se bei einer Leuchtdichte der Sonnenscheibe von ca. 1,6 Mrd. cd/m2 eine Reflexleuchtdichte von 64 Mio cd/m2 bedeuten, was natürlich eine erhebliche Blendwirkung erzeugen würde.
Die Aussage, daß es bei solchen PV-Modulen „nur zu einer diffusen Reflexion komme, die selbst bei direkter Sonneneinstrahlung ab einem Abstand von 20 m nicht als Blendung, sondern als Aufhellung der Moduloberfläche ohne Blendung wahrgenommen werde“ ist unrealistisch. Eine leuchtende Fläche mit so hohen Leuchtdichten wird auch in sehr viel größeren Entfernungen als Blendwirkung mit physiologischen Effekten wahrgenommen.
Von der angesprochenen Antireflexbeschichtung (ARC – Anti Reflection Coating) ist im Datenblatt des verwendeten PV-Moduls nichts zu erkennen, so daß wir davon ausgehen, daß es sich hier um ein PV-Modul ohne ARC handelt. Grundsätzlich ist zu diesen Beschichtungen zu sagen, daß diese in erster Linie für eine erhöhte Wirtschaftlichkeit der Module entwickelt wurden. Die Reflexleuchtdichte wird durch solch eine Antireflexbeschichtung zwar stark gemindert – sie liegt in vielen Fällen jedoch noch deutlich über der Blendgrenze. Man kann also nicht davon ausgehen, daß PV-Module mit einer Antireflexbeschichtung generell blendfrei sind. Der Passus „Man könne auf die Anlage sehen, ohne die Augen zusammen zu kneifen.“ deckt sich nicht mit den Erfahrungen beim Ortstermin. Beim Blick in den Reflex zeigte sich eine starke Blendwirkung mit den natürlichen körpereigenen und unwillkürlichen Abwehrmechanismen (Zwang, die Augen zusammenzukneifen oder wegzuschauen, tränende Augen, Nachbilder, tanzende Punkte im Sichtfeld nach Blick in den Reflex, …). Dies wirkte sich besonders stark beim Blick aus der  Tiefe der Räume, bei dem die Augen auf eine relativ niedrige Umfeldhelligkeit adaptiert sind, aus.“
(3) Und aus dem Gutachten H. vom 09.11.2015:
(a, zu den Behauptungen der Klagepartei)
„Strukturierte Oberflächen des Frontglases bewirken geringfügig höhere Wirkungsgrade bei schräg einfallendem Licht. Die Aussage, dass es bei solchen Modulen nur zu einer diffusen Reflexion komme, die nicht als Blendung wahrgenommen werde, ist nach Aussagen des Sachverständigen T. unrealistisch. Antireflexschichten dienen primär der Ertragssteigerung. Der Begriff ist so zu verstehen, dass möglichst wenig Reflexion stattfinden soll, sodass möglichst viel Licht auf die Zelle fällt und dort in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Die Aussage man habe „dunkle, schwarze Module“ gewählt, um eine größtmögliche Absorption des Lichtes zu gewährleisten ist technisch korrekt. Der Unterschied zu „helleren, blauen Modulen“ liegt in einer Größenordnung von ca. 2% …”
(b, zu den Behauptungen der beklagten Partei)
„Der wirtschaftliche Verlust durch den Abbau der streitgegenständlichen Photovoltaikan-lage zum Stichtag 01.01.2016 wurde vom Sachverständigen [H.] auf 14.000 EUR, netto geschätzt.
Hierbei wurde berücksichtigt, dass ab dem Stichtag keine Einnahmen, Ausgaben, Kosten und Einsparungen mehr zu erwarten sind. Weiterhin ist berücksichtigt, dass durch den Abbau und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes Kosten anfallen und dass das demontierte Material einen Wiederverkaufswert aufweist.
Den vorgetragenen zuzüglichen Verlust von 1.400 EUR jährlich sowie die Wertminderung der Immobilie kann der Sachverständige [H.] nicht nachvollziehen.
Die monatliche Einspeisevergütung und die Einsparung durch Direktverbrauch sind in der Schätzung des wirtschaftlichen Verlusts für den Abbau der Anlage berücksichtigt.
Die Möglichkeiten einer anderen Aufständerung der Anlage sind theoretisch gegeben.
Eine praktische Umsetzbarkeit wäre noch zu prüfen. Die Kosten würden 4.000 EUR übersteigen. Ein Ertragsverlust von 30% ließe sich in einer entsprechend gewählten anderen Aufständerung vermeiden.“
(4) Im Rahmen ihrer Anhörung am 29.06.2016 haben sie angegeben, der
(a) Sachverständige T. – soweit bedeutsam und nicht wiederholend:
„Es ist richtig, dass bereits beim Ortstermin etwas Bewölkung aufgezogen war, die meines Erachtens jedoch stärker geworden ist.
Letztlich hat dies aber keine Auswirkungen auf die Messergebnisse, da wir die relative Methode angewandt haben und entsprechend zurück gerechnet haben.

Es kann sein, dass wir an diesem Tag [15.04.2015] nicht mehr den Hauptreflex festgestellt haben, sondern den Rand der Reflexkeule.
Das würde allerdings die Ergebnisse nur kleiner als 10% verändern, und zwar hinsichtlich der Intensität ändern, die Zeit haben wir relativ genau ermittelt.
Die Werte liegen aber immer noch weit über dem Schwellenwert von 100.000 cd/m2.

Ich habe im Gutachten die Sonnenwanderung berücksichtigt, wie sich insbesondere aus den Abbildungen auf Seite 11 bzw. Seite 22 ergibt.

Diese Grafiken stellen die maximale mögliche Sonneneinstrahlung dar, immer unter der Voraussetzung, dass die Sonne auch tatsächlich scheint.
Wenn ich auf Seite 34 von 68 – 75 Minuten pro Tag Einwirkzeit spreche, dann handelt es sich um eine tatsächliche Einwirkzeit, vorausgesetzt, die Sonne scheint.
Der Jahreswert hingegen ist eher ein theoretischer Wert, weil ja nicht jeden Tag die Sonne scheint; dies ist in den Jahreswerten bereits berücksichtigt worden.
Theoretisch lässt sich die Störwirkung dadurch mindern, dass man die Fenster blickdicht macht. Dies dürfte allerdings nicht mit den üblichen Lebensgewohnheiten in derartigen Räumen übereinstimmen.
Gardinen oder Stores können die Blendwirkung nicht vollständig verhindern.

Wenn man die Sichtachse zur Blendung unterbricht, dann kann auch nichts blenden.
Auch auf dem Balkon könnte man mit einem relativ blickdichten Material die Blendwirkung entsprechend beseitigen.

Solche Blendwirkungen wirken auch, wenn sich der Reflex im peripheren Sichtfeld befindet. Insbesondere bei Aufenthalt in Innenräumen, bei denen das Auge auf niedrige Umgebungsleuchtdichten adaptiert ist, wirken Blendwirkungen stärker als z.B. im Außenbereich.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man, wenn man einen derartigen Raum betritt z.B. durch die Tür, der Blendwirkung ausweichen kann.

Meines Erachtens wird der Schwellenwert der Leuchtdichte soweit [richtig: so weit] überschritten, dass es auf das Alter der nutzenden Kläger nicht mehr ankommt.

Letztlich ändert sich an den Bewertungen nichts, egal ob die Fenster geöffnet oder geschlossen sind.

Wenn keine Photovoltaikanlage vorhanden ist, dann gibt es, außer der von der Sonne ausgehenden Blendwirkung, keine relevante Blendung.
Selbst eine hell gestrichene Hauswand hat allenfalls eine Leuchtdichte von 40.000 cd/m2.
Eine Kumulierung zwischen Photovoltaikanlage und Sonne besteht in den fraglichen Zeitpunkten nicht.
Bei der gegenständlichen Messung wurde durch eine Leuchtdichte-Kamera mit einem Messfeld von 1 Grad ausschließlich der Reflex auf der Photovoltaikanlage gemessen.
Äußere Einflüsse können damit ausgeschlossen werden.“
(b) der Sachverständige H. – soweit bedeutsam und nicht wiederholend:
„Die praktische Umsetzbarkeit [der Möglichkeit einer anderen Aufständerung] wäre durch einen Handwerker zu prüfen, der ein genaues Aufmaß nehmen müsste, hier durch eine Solarfachkraft.
Die Möglichkeit einer anderen Aufständerung der Anlage ist theoretisch gegeben.
Ich verwiese hier auf das Bild 7 (Seite 18 Gutachten) bzw. anschaulicher Bild 8 (Seite 19).
Bei dem möglichen Umbau (siehe Bild 7 rechts oder Bild 8) müssten gegebenenfalls auch baurechtliche Vorschriften beachtet werden, die ich jedoch bisher nicht ermittelt habe.
Ich muss das Bild 7 bzw. das Bild 8 insoweit korrigieren, als ich zwei Module auf der Ostseite in Wegfall bringen müsste, weil im Bestand lediglich 22 Module vorhanden sind.
Es ist auch möglich, die Module auf der Ostseite des Daches liegend aufzubauen (dachparallel). Wie viele dann auf die Ostseite passen würden, kann ich nicht beantworten, das ist eine Frage des Aufmaßes. Jedenfalls passen derzeit nicht alle Module von der Westseite auf die Ostseite, wegen der Dachflächenfenster, wegen der Satellitenanlage und wegen der Schneefanggitter.
Ein Umsetzen der Module von der Westauf die Ostseite hat auf jeden Fall Einschränkungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Anlage, da die Module auf der Ostseite eine Eigennutzung eher am Vormittag ermöglichen und die Module auf der Westseite eine Eigennutzung eher am Nachmittag bzw. Abend ermöglichen.
Ich schätze die Kosten bei einer Umsetzung auf 4.000,00 € bis 10.000,00 €.
Wenn man lediglich wenige Module auf der Ostseite neu installiert und keine Module auf der Westseite belässt, dann wäre dies mit Kosten unter 4.000,00 € realisierbar.“
c) (l) Nach dem Gutachten des Sachverständigen T. werden die kritischen Grenzwerte für Beeinträchtigungen durch Blendungen signifikant überschritten.
Die Solarpaneele auf dem Hausdach der Beklagten bewirken eine nahezu horizontale Reflexion des Lichts in Richtung der Wohnung der Klägerin.
Solche horizontalen Reflexionen sind nicht vergleichbar mit einer möglichen Blendung durch direktes Licht einer hoch am Himmel stehenden Sonne, weil der Betrachter einer direkten Blendung durch die am Himmel stehende Sonne durch sein Verhalten ausweichen kann.
Die Intensität der Blendung ist nach dem Gutachten des Sachverständigen in ihren Auswirkungen für die Klagepartei auch nicht vergleichbar mit einer möglichen Blendung durch eine tief am Horizont stehende Sonne.
(2) Damit bejaht der Sachverständige T. überzeugend eine Beeinträch-ti-gung der Klagepartei durch die FVA der beklagten Partei.
Der Richter macht sich diese eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen. Seine Fachkunde steht außer Zweifel.
Der Sachverständige hat sich nicht nur mit dem schriftlichen Vorbringen der Parteien und deren mündlichen Vorbringen im Termin auseinandergesetzt, sondern seine Ausführungen insbesondere auch mit seinen Erkenntnissen aus dem Ortstermin vom 15.04.2015 untermauert.
Seine Aussagen sind in sich widerspruchsfrei und auch für den (technisch interessierten) Laien, wie den Richter, einleuchtend gewesen.
Unklarheiten in seinen gutachterlichen Ausführungen bestehen nicht.
3. a) Nach diesen Ausführungen ist die Klagepartei nicht etwa verpflichtet, die Blendwirkungen zu dulden, da es sich nicht um „unwesentliche“ Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 I BGB handelt.
Maßgeblich für die „Wesentlichkeit“ ist das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“.
Dabei sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Blendungen, die Intensität der Lichtreflexe und die konkreten Auswirkungen auf die Nutzung des Nachbargrundstücks.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Blendwirkungen durch die FVA im vorliegenden Fall als wesentlich einzustufen. Bei dieser Bewertung spielen die festgestellten erheblichen Zeiten der Einwirkungen und die Intensität der Reflexionen eine wesentliche Rolle. Die horizontale, direkte Blendung vom Nachbarhaus ist nicht vergleichbar mit einer ansonsten durchaus üblichen Blendung durch direktes Sonnenlicht.
Es ist zu beachten, dass die Wahrnehmung der Blendung der FVA von der Wahrnehmung einer direkten Besonnung schon deshalb erheblich abweicht, weil eine direkte Besonnung normalerweise unter weniger kritischen Sonnenhöhenwinkeln erfolgt, auf die sich ein Bewohner, auch bei nach Süden oder Westen ausgerichteten Fenstern bzw. Terrassen, anders einstellen kann.
b) Auch auf die Frage, ob und inwieweit die Klagepartei die Möglichkeit hätte, durch eigene Maßnahmen Blendungen auszuschließen, kommt es nicht an.
In Betracht käme die Nutzung von Jalousien, Rollläden oder Markisen.
Denn solche Maßnahmen würden bspw. den Ausblick aus der Wohnung bzw. den freien Blick vom Balkon für die Klagepartei beeinträchtigen.
4. Die Beeinträchtigungen sind von der Klagepartei auch deshalb nicht hinzu-nehmen, da die Blendwirkungen nicht durch eine „ortsübliche Benutzung“ des Grund-stücks der beklagten Partei entstehen (§ 906 II ZPO).
Die von der FVA der beklagten Partei ausgehenden Blendwirkungen sind nicht „ortsüblich“.
a) Es kommt nicht darauf an, ob FVAn auf Hausdächern im Wohngebiet der Parteien „ortsüblich“ sind.
Nach dem Gesetz (§ 906 II BGB) geht es um „eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks“. Das heißt:
Ortsüblichkeit ist nur dann anzunehmen, wenn nicht nur die abstrakte Nutzung des anderen Grundstücks mit einer FVA als solche ortsüblich ist, sondern wenn gleich-zeitig die durch die konkrete Gestaltung verursachten Beeinträchtigungen für andere Nachbarn „ortsüblich“ sind (Palandt, BGB, 74. A., § 906 BGB, Rn. 23).
Von ortsüblichen Beeinträchtigungen (bzw. einer ortsüblichen Benutzung der Grundstücke) ist auszugehen, wenn eine Mehrheit von Grundstücken in dem für den Vergleich zu betrachtenden Bezirk in annähernd gleicher Weise, d. h. mit einer der Art und dem Maß nach einigermaßen gleichen beeinträchtigenden Einwirkung auf fremde Grundstücke benutzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.1959, V ZR 3/58, Rn. 34, zitiert nach juris).
Es ist erforderlich, dass die Einwirkung öfter vorkommt. Von Ortsüblichkeit spricht man, wenn bestimmte Grundstücksnutzungen, die mit Immissionen verbunden sind, einem bestimmten Gebiet ein „Gepräge“ geben, wenn also die Immissionen für die Mehrheit der Vergleichsgrundstücke eine Rolle spielen.
Diese Voraussetzungen liegen, gerade auch nach dem Vorbringen der beklagten Partei, nicht vor.
Die für die Klagepartei störende Anlage auf dem Dach des Nachbarhauses wäre nur dann „ortsüblich“ im Sinne des Gesetzes, wenn von anderen FVAn im selben Ort, bzw. im selben Wohngebiet, Blendwirkungen auf die Nachbarhäuser in ungefähr gleicher Art und gleicher Intensität ausgehen würden.
Die Darlegungs- und Beweislast für solche gleichartigen Beeinträchtigungen in der Nachbarschaft obliegt der beklagten Partei.
Eventuelle Unklarheiten bei dieser Frage der „Ortsüblichkeit“ würden zu Lasten der beklagten Partei gehen.
b) Nach dem Vortrag der beklagten Partei lässt sich eine „Ortsüblichkeit“ nicht feststellen.
Es ist, nicht ersichtlich, dass in der näheren oder weiteren räumlichen Umgebung der Parteien ähnliche nachteilige Blendungen für Nachbarn durch FVAn auftreten würden.
c) Da die Anlage auf dem Hausdach der beklagten Partei nicht ortsüblich ist, bedarf es keiner Prüfung, auf welche Weise die beklagte Partei die Beeinträchtigungen der Klagepartei verhindern kann (s. erneut oben 3. b)).
d) Es kommt – wegen fehlender Ortsüblichkeit – auch nicht auf die wirtschaftliche Zu-mutbarkeit für die beklagte Partei gemäß § 906 II 1 BGB an.
Es ist Sache der beklagten Partei, ob sie aus ihrer Sicht mögliche und sinnvolle Maßnahmen zur Verhinderung der nicht zumutbaren Beeinträchtigungen findet, oder ob sie die FVA auf ihrem Hausdach beseitigt.
Da jedoch die Voraussetzungen des Unterlassungsbzw. Beseitigungsanspruchs gemäß §§ 1004 I, 906 I BGB vorliegen, braucht die Klagepartei solche Maßnahmen, die die Nutzungsmöglichkeiten der eigenen Wohnung in gewissem Umfang ein-schränken würden, nicht zu ergreifen.
Aus Rechtsgründen gibt es auch keine Abwägung, ob solche Abwehrmaßnahmen der Klagepartei eventuell „zumutbar“ sein könnten.
5. Gesichtspunkte der Ökologie führen nicht zu einer anderen Bewertung.
a) Zwar ist der für die Wesentlichkeit maßgebende Begriff des „verständigen Durchschnittsmenschen“ so zu verstehen, dass dieser nicht nur seine Privatinteressen im Auge hat, sondern dass er auch Allgemeininteressen, insbesondere Gesichtspunkte des Umweltschutzes, berücksichtigt.
Das kann jedoch nur bedeuten, dass ein „verständiger Durchschnittsmensch“ generell die Anbringung von Solarpaneelen auf Hausdächern akzeptiert, nicht jedoch die damit im Einzelfall verbundenen Blendwirkungen.
Denn FVAn auf Hausdächern sind keineswegs zwingend mit Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Blendungen verbunden. Vielmehr werden die Anlagen in der Regel so angebracht, dass für Nachbarn keine Beeinträchtigungen entstehen, insbesondere bei Anlagen auf nach Süden geneigten Hausdächern, die wegen des Einfallswinkels des Sonnenlichts normalerweise nicht zu horizontalen Reflexionen führen können.
Auch unter Berücksichtigung eines gesteigerten Umweltbewusstseins hat ein „verständiger Durchschnittsmensch“ keinen Anlass, die Blendwirkungen vom Hausdach der beklagten Partei als „unwesentlich“ zu betrachten.
b) Dabei kommt es auch nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob die FVA der beklagten Partei wirtschaftlich sinnvoll und ertragreich ist.
Auf die oben zitierten Ausführungen des Sachverständigen H. wird ver-wiesen.
6. Aus air dem ergibt sich, dass der Richter für den vorliegenden Fall nicht der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30.04.2013, 3 U 46/13 (gelesen in juris), folgen kann.
7. Die Klage ist hingegen nicht begründet, soweit sie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 1.086,23 geltend macht.
Für einen Ersatzanspruch gibt es keine rechtliche Grundlage. Insbesondere scheidet ein Anspruch gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB (Schadensersatz bei Verzug) aus.
Die Anwaltskosten der Klagepartei sind durch das vorprozessuale Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 03.03.2014 (K 4) entstanden.
Zum Zeitpunkt dieses Schreibens befand sich die beklagte Partei mit etwaigen Beseitigungsmaßnahmen jedoch noch nicht in Verzug.
Eine verzugsbegründende Mahnung (§ 286 I BGB) vor diesem Anwaltsschreiben ist jedenfalls nicht ersichtlich.
III. Kosten: § 92 II Nr. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben