Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anwendung werkvertraglicher Gewährleistungsregeln bei Übernahme einer Herstellungsverpflichtung durch Veräußerer eines Altbaus

Aktenzeichen  27 U 851/19 Bau

Datum:
28.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46766
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 633, § 634

 

Leitsatz

Der Veräußerer eines Altbaus haftet für Mängel des Kaufgegenstandes nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts, wenn er eine vertraglich übernommene Herstellungsverpflichtung verletzt. Dies gilt auch dann, wenn er eine Herstellungsverpflichtung übernommen hat, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten nicht vergleichbar ist (unter Hinweis auf BGH BeckRS 2005, 13880; Abgrenzung zu BGH BeckRS 2015, 14545; BeckRS 2015, 14973). (Rn. 20 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 851/19 Bau 2019-09-03 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Kempten vom 18.01.2019, Az. 13 O 2083/13, wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieser Beschluss sowie das unter Ziffer I. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 235.088,85 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft P. straße 3 in 8… K1. aus den jeweiligen Erwerberverträgen der Kläger mit der Beklagten sowie um die Frage der Ausbaufähigkeit der Dachfläche des streitgegenständlichen Gebäudes.
Die Kläger begehren wegen einer Vielzahl von nach ihrer Ansicht nicht ausgeführter bzw. mangelhaft ausgeführter Leistungen Vorschuss für die Ersatzvornahme sowie die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Dachfläche des Gebäudes zu verkaufen oder darauf eine Wohnung oder sonstige bauliche Einrichtung zu errichten.
Mit Endurteil vom 18.01.2019 hat das Landgericht Kempten die Beklagte verurteilt, an die Kläger 135.088,85 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2013 sowie weitere 1.982,13 € an außergerichtlichen Kosten zu zahlen, sowie festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Dachfläche des Gebäudes P.straße 3, …K., zu verkaufen oder darauf eine Wohnung, Dachterrasse oder sonstige bauliche Einrichtung zu errichten.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht im wesentlichen aus,
die Klage sei zulässig und auch begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung von Vorschuss in Höhe von 135.088,35 €. In den jeweiligen Kaufverträgen habe sich die Beklagte neben der Übertragung von Eigentum bzw. Eigentumsanteilen verpflichtet, die jeweils genannten Renovierungsleistungen zu erbringen. Die Ansprüche hierauf jedenfalls seien nach Werkvertragsrecht zu beurteilen. Hinsichtlich der Bebauung des Daches des streitgegenständlichen Anwesens ist das Landgericht der Ansicht, dass eine solche jedenfalls nicht mehr zulässig sei. Der Zeitraum von 18 Monaten ab Baubeginn sei bereits abgelaufen. Als Zeitpunkt des Baubeginns sei nicht der Zeitpunkt des Beginns der Arbeiten am Aufbau eines weiteren Stockwerks zu sehen, sondern spätestens der Zeitpunkt des Beginns der Dachsanierung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die in der Berufungsinstanz folgenden Antrag stellt:
Das am 18.01.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Kempten, Az. 13 O 2083/13, wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte im wesentlichen aus,
die Kläger seien nicht prozessführungsbefugt.
Desweiteren habe das Landgericht rechtsfehlerhaft den Anspruch der Kläger auf Werkvertragsrecht gestützt. Tatsächlich seien die streitgegenständlichen Ansprüche jedoch nach Kaufrecht zu beurteilen. Zudem befinde sich die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts mit der Erfüllung ihrer vertraglichen Leistungspflichten bis heute nicht in Verzug.
Die WEG wäre im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet gewesen, den von der Beklagten geschuldeten Leistungsgegenstand auf Grundlage der Verträge so festzulegen, dass die Beklagte ihre vertraglich geschuldete Leistung gegenüber allen Eigentümern schuldbefreiend hätte erbringen können. Dieser Pflicht sei die WEG jedoch nicht nachgekommen.
Zudem habe das Landgericht die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten fehlerhaft ausgelegt. Hinsichtlich der Sprech- und Klingelanlage sei ein Austausch des Haustelefons nicht mit umfasst.
Hinsichtlich der Fassade seien allenfalls Renovierungsarbeiten in Höhe von 9.520,00 € geschuldet. Mit einem vollständigen Austausch der Fassadendämmung zum Preis von über 100.000,00 € habe die Leistungspflicht der Beklagten nichts mehr zu tun.
Bezüglich des Treppenhauses bestehe nur für ein einziges Stockwerk Renovierungspflicht. Soweit im Eingangsbereich darüber hinaus von den einzelnen Eigentümern Arbeiten vorgenommen worden seien, seien zudem jegliche Gewährleistungsansprüche verwirkt.
Bezüglich der Elektroinstallation sei nur vereinbart, dass die vorhandene Installation funktioniere, auch gehöre die Dämmung der Rohrleitungen nicht zur Renovierung der Heizungsanlage.
Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 23.04.2019 (Blatt 517 – 527 der Akte) Bezug genommen.
II.
Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 03.09.2019 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird.
Die Stellungnahme der Beklagten vom 21.10.2019 enthält keine weiteren, nicht bereits im Senatshinweis ausführlich behandelten Aspekte und führt damit auch zu keiner anderen rechtlichen Wertung.
Hierzu ist noch im einzelnen wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Die Haftung der Beklagten richtet sich nach Werkvertragsrecht.
Auf die Ausführungen auf Seite 4 des Hinweisbeschlusses unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung wird Bezug genommen.
Die von der Beklagten nunmehr zitierten Urteile des BGH vom 24.07.2015 (Az. V ZR 167/14 und V ZR 145/14) sind nicht einschlägig und führen zu keiner anderen Wertung. Im Gegensatz zum streitgegenständlichen Fall lagen den Entscheidungen des BGH Verträge über den Kauf gebrauchter Eigentumswohnungen ohne Herstellungs- bzw. Renovierungsverpflichtungen zugrunde.
Vorliegend hat sich die Beklagte jedoch in § 5 der notariellen Verträge unter der Überschrift „Zusatzvereinbarungen zum Kaufvertrag“ zur Durchführung einer Vielzahl von Renovierungs- bzw. Erneuerungsarbeiten verpflichtet.
In § 1 der notariellen Verträge wurde vereinbart, dass jegliche Ansprüche und Rechte der Käuferseite wegen Sachmängeln jeder Art am Vertragsgegenstand nur ausgeschlossen werden, soweit nicht die Zusatzvereinbarung in § 5 greift.
Hinsichtlich der streitgegenständlichen, noch auszuführenden Arbeiten, greift somit diese ausdrücklich und detailliert im Notarvertrag aufgenommene Zusatzvereinbarung.
Wie die Berufung selbst zitiert, ist, nur soweit ein Veräußerer keine Herstellungspflichten übernommen hat, wegen Mängeln des Objekts Kaufrecht anwendbar.
Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens sind jedoch die von der Beklagten in der Zusatzvereinbarung gemäß § 5 der notariellen Verträge übernommenen Herstellungspflichten.
2. Zur Anregung der Berufung, das Verfahren an den 14. Senat des OLG München abzugeben, ist darauf hinzuweisen, dass das streitgegenständliche Verfahren vom 14. Senat an den hiesigen Senat entsprechend der Geschäftsverteilung des OLG München als Bausache abgegeben wurde.
3. Hinsichtlich des Feststellungsanspruchs der Kläger bleibt der Senat bei seiner Rechtsauffassung, dass als spätester Zeitpunkt für den Beginn der 18 Monatsfrist der Zeitpunkt der Beginn der Dachsanierung anzusetzen ist mit der Folge, dass diese Frist längst verstrichen ist.
Eine Auslegung dahingehend, dass entscheidend der Beginn der Arbeiten an der noch zu errichtenden Dacheinheit sei, hätte zur Folge, dass dieser von der Beklagten ohne zeitliche Begrenzung hinausgezögert werden könnte.
Soweit die Berufung zu diesem Punkt erstmals die Einvernahme der Zeugin Notarin K2. sowie eines Erwerbers S. beantragt, ist diesem Antrag bereits deshalb nicht nachzugehen, da in das Wissen dieser Zeugen keinerlei Tatsachenbehauptungen gestellt werden, sondern lediglich deren Rechtsauffassung und Verständnis.
Nach alledem erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend. 27 U 851/19 Bau – Seite 6 – Die Berufung der Beklagten war daher gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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