Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Instandhaltungskosten für selbst bewohntes Wohneigentum – angemessenes Hausgrundstück

Aktenzeichen  S 27 AS 889/20

Datum:
3.2.2022
Gerichtsart:
SG Halle (Saale) 27. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:SGHALLE:2022:0203.S27AS889.20.00
Normen:
§ 22 Abs 2 S 1 SGB 2
§ 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Aus § 22 Abs 2 S 1 SGB II kann sich ein Anspruch auf Übernahme unabweisbarer Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur von Wohneigentum nur ergeben, wenn es sich um ein selbstgenutztes Haus von angemessener Größe iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II handelt. Ist das Wohneigentum unangemessen groß, fehlt eine erforderliche Anspruchsvoraussetzung. (Rn.20)


2. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 2 SGB II. (Rn.27)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme der Kosten für die Erneuerung ihrer Tankanlage der Ölheizung als Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am … 1962 geborene Klägerin bezieht fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Beklagten, im Zeitpunkt des hier streitigen Antrags (Erneuerung Öltanks) aufgrund des Bescheides vom 13. Dezember 2019 in der Fassung nachfolgender Änderungsbescheide.
Sie ist Eigentümerin eines Eigenheims, dessen Größe streitig ist. Die Klägerin bewohnt die Wohnung im Erdgeschoss sowie die im Souterrain gelegenen Räume. Das Obergeschoss bewohnt die Tochter der Klägerin. Deren Ex-Mann, der zuvor ebenfalls das Obergeschoss bewohnt hatte, war am 1. Juni 2017 ausgezogen. Das zugehörige Grundstück hat eine Größe von 742 m². Als Kosten der Unterkunft und Heizung fielen Kosten der Gebäudeversicherung sowie weitere Nebenkosten an.
In den Jahren 2012 bis 2015 gewährte der Beklagte der Klägerin mehrfach Leistungen für Erhaltungsaufwendungen, insbesondere für mehrere Reparaturen der Heizungsanlage.
Im Jahr 2016 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für den Austausch eines Fensters der Sommerküche, was der Beklagte ablehnte. Die Klägerin war mit ihrer Klage in 1. Instanz erfolgreich (Urteil der Kammer vom 15. Oktober 2020, Az.: S 27 AS 3351/16). Das Verfahren ist in der Berufungsinstanz anhängig (Az.: L 2 AS 9/21).
Mit Schreiben vom 27. November 2019 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Erhaltungsaufwandes für die Erneuerung/Reparatur der Dusche, was der Beklagte ebenfalls ablehnte. Sie gab in ihrem Antrag an, die Wohnfläche des Hauses betrage 157,95 m². Die gegen diese Verwaltungsentscheidung am 22. Mai 2020 erhobene Klage hat die Kammer mit Urteil vom 3. Februar 2022 ebenfalls abgewiesen.
Mit Schreiben vom 8. März 2020 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Erhaltungsaufwandes für die Erneuerung/Reparatur der Heizöltankanlage. Sie gab auch in diesem Antrag an, die Wohnfläche des Hauses betrage 157,95 m². Dem Antrag legte sie ein Angebot der Firma HLS Service GmbH i.H.v. 3.900,70 Euro bei. Wenn die Tanks reißen oder platzen würden, würde Öl ins Erdreich dringen. Sie fügte ein Schreiben der HLS Service GmbH vom 18. März 2020 bei, wonach die Tankanlage nicht mehr den aktuellen Sicherheitsbestimmungen entspreche. Mit Bescheid vom 27. März 2020 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin bzgl. der Heizöltanks ab. Die Maßnahme sei nicht unabweisbar. Die Tankanlage sei weder defekt noch unbrauchbar. Die Fachfirma habe lediglich Mängel in Bezug auf die Ölfangwanne bestätigt. Beim Einbau einer neuen Tankanlage handele sich somit nicht um eine Erhaltungsmaßnahme.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16. April 2020 Widerspruch. Es könne nicht abgewartet werden, bis die Tanks gerissen seien und Öl in das Erdreich eindringe. Wenn die Tanks durch Abnutzung in einem Zustand seien, dass sie jederzeit platzen oder reißen könnten, sei die Gefahr bereits gegenwärtig. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2020 zurück. Die Gesamtwohnfläche des Eigenheimes überschreite die angemessene Größe von 90 m².
Die Klägerin hat am 22. Mai 2020 Klage erhoben. Die Öltanks seien altersbedingt verschlissen und sicherheitstechnisch völlig überholt. Zur Erhaltung des Wohnraums müssten die Tanks unvermeidbar erneuert werden. Neue Öltanks hätten eine doppelwandige und damit eine dem heutigen Standard entsprechende Bauweise. Sie könnten im Heizungsraum untergebracht werden. Der jetzige Raum würde dann nicht mehr für die Öltanks benötigt. Soweit der Beklagte im Widerspruchsbescheid auf die unangemessene Größe des Hauses und des Grundstücks abstelle, sei dies nicht maßgeblich. Denn das Hausgrundstück sei nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II sei es, die Leistungsrechte eines Eigentümers eines kleinen Grundstücks zu erweitern. Für ein nicht als Vermögen verwertbares Hausgrundstück gebe es daher keine Vorgaben hinsichtlich dessen Größe. Zudem müsse die Größe anders bewertet werden. Unter Abzug der Dachschrägen habe das von der Tochter der Klägerin bewohnte Obergeschoss eine Fläche von 32,73 m². Das von der Klägerin bewohnte Erdgeschoss habe eine Fläche von 60,98 m² und der Keller eine Fläche von 26,36 m², sodass die Klägerin insgesamt 87,34 m² bewohne. Insgesamt habe das Haus nur eine Wohnfläche von 120,07 m². Der Beklagte habe zusätzlich noch die Garage und den Heizungsraum einbezogen und sei deshalb auf 157,95 m² gekommen. Die von der Klägerin bewohnte Fläche liege unterhalb der maßgeblichen 90 m². Die Wohnung der Tochter dürfe nicht berücksichtigt werden. Zwar zahle sie keine Miete, aber die Nebenkosten des Hauses würden durch zwei geteilt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27. März 2020 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 22. April 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Erhaltungsaufwendungen gemäß § 22 Abs. 2 SGB II für die Instandhaltung und Reparatur der Öltankanlage als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert, es komme nicht darauf an, ob die Klägerin ihre Tochter oder eventuell noch weitere Personen unentgeltlich mit in das Haus aufgenommen habe oder aufnehmen werde. Das Haus stehe im Alleineigentum der Klägerin und sei damit mit seiner gesamten Wohnfläche zu berücksichtigen.
Im Erörterungstermin am 4. November 2021 haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

I.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. März 2020 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 22. April 2020 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von weiteren Kosten der Unterkunft i.H.v. 3.900,70 Euro für Erhaltungsaufwendungen (hier: Öltanks).
1.
Streitig sind lediglich die Kosten der Übernahme von Erhaltungsaufwendungen als Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Streitgegenstand wurde zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung: BSG, Urteil v. 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R – Rn. 10 ff.). Die monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung wurden von der Klägerin – abgesehen von dem geltend gemachten Bedarf für die Dusche (Az.: S 27 AS 888/20) und die Öltanks – nicht angegriffen. Der Beklagte hat diese gewährt.
2.
Die Klägerin erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
3.
Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage (§ 22 Abs. 2 S. 1 SGB II) liegen allerdings nicht vor.
Gem. § 22 Abs. 1 SGB II werden als Bedarfe für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Gem. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II werden als Bedarfe für die Unterkunft auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 3 S. 1 Nr. 4 SGB II anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II ist ein selbstgenutztes Haus von angemessener Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
a.)
Das von der Klägerin bewohnte Eigenheim ist nicht angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II.
Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung – der das Gericht folgt – von einem Grenzwert von 130 m² für einen Vierpersonenhaushalt aus (BSG, Urteil v. 12. Dezember 2013, Az.: B 14 AS 90/12 R, Rn. 31 ff.; BSG, Urteil v. 12. Oktober 2016, Az.: B 4 AS 4/16 R, Rn. 28). Bei einer Belegung von weniger als vier Personen ist der maßgebliche Wohnflächenwert um jeweils 20 m² pro Person zu reduzieren, wobei als Untergrenze bei Familienheimen eine Größe von 90 m² anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Grundstücks ist – anders als von der Klägerin angenommen – die gesamte Wohnfläche des Hauses zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 12. Oktober 2016, Az.: B 4 AS 4/16 R, Rn. 28 m.w.N.). Es ist nur dann auf den vom Leistungsempfänger als Wohnung genutzten Teil eines Gesamtgrundstückes abzustellen, wenn Wohneigentum von Miteigentümern auf einen dem ideellen Miteigentumsanteil entsprechenden realen Grundstücks- und Gebäudeteil beschränkt ist (BSG, Urteil v. 22. März 2012, Az.: B 4 AS 99/11 R, Rn. 17). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, so dass die Gesamtgröße von 157,95 m² zu berücksichtigen ist.
Die Kammer geht von dieser bewohnbaren Gesamtwohnfläche des Gebäudes auf drei Etagen aus. Der Wert von 157,95 m² entspricht zwar nicht den Annahmen der Kammer in ihrem Urteil vom 15. Oktober 2020 und auch nicht der Angabe der Klägerin im gerichtlichen Verfahren (120,07 m²). Letztere erscheint jedoch als zweckgerichteter Vortrag, da im Verwaltungsverfahren von der Klägerin selbst noch die höhere Quadratmeterzahl angegeben worden ist. In ihrem Antrag vom 27. November 2019 auf Gewährung eines Erhaltungsaufwandes für die Dusche gab die Klägerin als Gesamtwohnfläche des Gebäudes nämlich noch mit 157,95 m² an. Auch in ihrem weiteren Antrag auf Gewährung eines Erhaltungsaufwandes für die Öltanks teilte sie unter dem 22. März 2020 erneut die Gesamtwohnfläche des Gebäudes mit 157,95 m² mit. Doch auch wenn die Kammer zugunsten der Klägerin nur von einer bewohnbaren Gesamtwohnfläche des Gebäudes von 120,07 m² ausginge, würde sich an der nachstehenden Bewertung nichts ändern. Das Eigenheim wäre auch in diesem Fall nicht angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II.
Die Wohnflächengrenze einer angemessenen Unterkunft beträgt vorliegend nach den o.g. Maßstäben 90 m², da im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Personen im Eigenheim wohnten. Die Wohnfläche ist damit um 67,95 m² zu groß.
Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Überschreitung der angemessenen Wohnfläche um nicht mehr als 10 % noch von einer angemessenen Wohnfläche auszugehen sein (BSG, Urteil v. 12. Oktober 2016, Az.: B 4 AS 4/16 R, Rn. 30) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn es liegt in jedem Fall eine Überschreitung von mehr als 10 % gegenüber der angemessenen Wohnfläche von 90 m² vor.
b.)
Eine erweiternde Auslegung der Anspruchsgrundlage ist nicht zulässig.
Die Kammer folgt insoweit nicht mehr der in ihrem – in anderer Besetzung – ergangenem o.g. Urteil vom 15. Oktober 2020 (S 27 AS 3351/16 – Fenster der Sommerküche) ausführlich dargelegten Auffassung, dass die Übernahme von Instandhaltungskosten aufgrund der Verweisung auf § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II wegen Unangemessenheit der Grundstücks- und/oder Hausgröße nicht abgelehnt werden dürfe (vgl. hierzu LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8. Januar 2016, Az.: L 8 AS 578/15 B ER). Danach sei § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einengend auszulegen, dass die Regelung auf selbst bewohntes Wohneigentum dann keine Anwendung finde, wenn dieses nach § 12 SGB II bereits aus anderen Gründen nicht als Vermögen zu berücksichtigen sei (Urteil der Kammer v. 15. Oktober 2020, Az.: S 27 AS 3351/16; ebenso: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 8. Januar 2016, Az.: L 8 AS 578/15 B ER, Rn. 27; Berlit in: Münder/Geiger, SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 7. Aufl. 2020, § 22 Rn. 161).
Die Kammer hält an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest. Sie erachtet sie für nicht vereinbar mit dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 SGB II (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2021, Az.: L 29 AS 1920/19, Rn. 27 ff., juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Az.: L 4 AS 431/15 B ER, sowie Beschluss vom 2. Juni 2020, Az.: L 4 AS 167/20 B ER, juris).
Die vorbeschriebene Auslegung kommt schon wegen der Wortlautgrenze nicht in Betracht. Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31. Oktober 2016, Az.: 1 BvR 871/13, Rn. 23). Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 SGB II spielt die Frage nach der wirtschaftlichen Unverwertbarkeit bzw. besonderen Härte einer Verwertung keine Rolle. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II bezieht sich unmissverständlich nur auf § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und nicht auch etwa auf § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II, wonach Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde, nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2021, Az.: L 29 AS 1920/19 –, Rn. 28, juris).
Zudem erscheint es zweifelhaft, die Anspruchsgrundlage des § 22 Abs. 2 SGB II mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 12 SGB II als Ganzes auszulegen. Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 SGB II ist es, die Leistungsrechte des Eigentümers eines nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II angemessen großen Hausgrundstücks im Hinblick auf Erhaltungsaufwendungen zu sichern. Mit einer Erfassung von Eigentümern unverwertbarer Grundstücke im Sinne von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II orientiert sich die Gegenmeinung aber gerade nicht am Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 SGB II, sondern rechtstheoretisch zweifelhaft an dem einer anderen Norm, nämlich an § 12 SGB II. Dies überschreitet die Grenzen der Auslegung. Es handelt sich um eine teleologische Extension der Anspruchsgrundlage, mithin um eine analoge Anwendung.
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 2 SGB II liegen indes nicht vor. Eine Analogie setzt das Bestehen einer unbewussten planwidrigen Regelungslücke voraus (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 2019, Az.: B 1 KR 15/18 R, Rn. 19, juris). Hieran fehlt es. Der Gesetzgeber beschränkt bewusst die Anwendbarkeit von § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II auf den Fall des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II. Er betont das Kriterium der Angemessenheit bereits im Wortlaut des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II, indem die Anerkennung als Bedarf für die Unterkunft unter die Voraussetzung gestellt ist, dass die unabweisbaren Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt „angemessen“ sind. Der Gesetzgeber zieht allein hierdurch einen Vergleich zu den als angemessen übernahmefähigen Unterkunftskosten, die auch bei Mietern berücksichtigt werden könnten (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 98). Daher entspricht es seiner Absicht, § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II auf den Fall des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II, mithin auf ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung zu beschränken (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2021, Az.: L 29 AS 1920/19, Rn. 29, juris).
Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 SGB II ist es, wie auch die oben dargestellte Gegenauffassung annimmt, die Eigentümer eines angemessen großen Hausgrundstücks zu schützen. Nicht Sinn und Zweck der Anspruchsgrundlage ist es dagegen, den Eigentümer eines wesentlich zu großen, unverwertbaren Hauses während des Leistungsbezugs nach dem SGB II Erhaltungsaufwendungen bis zur maximalen Grenze der angemessenen Unterkunftskosten als Zuschuss und ggf. darüber hinaus als Darlehen zu gewähren. Wenn ein unangemessen großes Haus keine Erhaltungsaufwendungen benötigt, kann es, wenn es vermögensgeschützt ist, vom Leistungsbezieher gehalten werden. Dieser kann jedoch keine Erhaltungsaufwendungen für eine erheblich sanierungsbedürftige und unangemessen große Unterkunft bis zur maximalen Grenze der angemessenen Unterkunftskosten beanspruchen, zumal mit der Größe des Anwesens auch Anzahl und Umfang des Reparatur- und Instandhaltungsbedarfs steigen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2021 – L 29 AS 1920/19 –, Rn. 30, juris).
Vielmehr ist es in einem solchen Fall dem Leistungsbezieher zumutbar, sich eine angemessene Mietwohnung zu suchen. Das an dieser Stelle vorgebrachte wirtschaftliche Argument, wonach die Kosten sowieso entstünden, führt nicht zu einer anderen Rechtsanwendung. Zunächst sind wirtschaftliche Erwägungen nicht geeignet, eine als zutreffend erachtete Rechtsauffassung zu entkräften. Zudem dürften diese Erwägungen auch wirtschaftlich nicht tragfähig sein. Zwar könnten die dem Leistungsträger entstehenden Kosten auch nach einem erforderlichen Umzug die maximalen Unterkunftskosten erreichen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Leistungsbezieher sich eine neue Unterkunft sucht, deren Miethöhe den Maximalbetrag erreicht. Sollte der Leistungsbezieher jedoch in seiner erheblich zu großen und erheblich sanierungsbedürftigen Unterkunft bleiben, müsste der Leistungsträger über die angemessenen Kosten hinaus im Falle einer Ermessensreduktion überschießende Kosten als Darlehen gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II bewilligen. Eine solche Ermessensreduktion auf Null dürfte jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn lebenswichtige Installationen (Stromversorgung, Wasserversorgung, Abwasserversorgung, Heizungsanlage) dringend erneuert werden müssen. Hier können über die maximalen Unterkunftskosten hinaus weitere hohe Kosten für den Leistungsträger entstehen.
Auch unter dem Aspekt, dass der Leistungsberechtigte – wie hier – weitere Personen unentgeltlich in das erheblich zu große Haus aufgenommen hat, ergibt sich nichts Anderes. Vielmehr zeigt auch diese Konstellation, dass eine erweiternde Auslegung der Anspruchsgrundlage nicht mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmen kann. Wenn ein Haus im Eigentum eines Leistungsberechtigten nach dem SGB II steht und so groß ist, dass weitere Personen einziehen können und dies auch der Fall ist, ist weder die vollständige noch die kopfteilige Gewährung der Aufwendungen zutreffend. Rechtlich fehlerhaft wäre es, die Aufwendungen in voller Höhe zu bewilligen, ohne zu berücksichtigen, dass diese auch weiteren Personen zugutekommen, und dass durch sie ein unangemessen großes Haus saniert wird. Auch eine kopfteilige Bewilligung muss ausscheiden. In diesem Fall würde das Geld zwar ausgezahlt, diese Zahlung führte aber nicht zur erforderlichen Herstellung der Bewohnbarkeit des Anwesens. Denn dem Leistungsberechtigten stehen regelmäßig keine so hohen Mittel zur Verfügung, um die restlichen Kosten für die unabwendbare Maßnahme selbst zu finanzieren.
c.)
Die Kammer sieht auch keine Rechtfertigung dafür, die Angemessenheit der Wohnfläche dahinstehen zu lassen, weil § 22 Abs. 2 S. 1 HS. 2 SGB II eine Begrenzung der übernahmefähigen Erhaltungsaufwendungen auf die insgesamt angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung enthält (a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 2019 – L 5 AS 965/19 B ER). Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre der Verweis auf ein Haus von angemessener Größe als begrenzendes Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage überflüssig. Davon geht die Kammer jedoch nicht aus und verweist auf die obigen Erwägungen zu Wortlaut und Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 SGB II.
d.)
Es konnte deshalb offenbleiben, ob die geplanten Aufwendungen für die Erneuerung und Verlegung der Heizungsanlage in den Keller und die ebenartige Neuausführung der Dusche unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II wären. Ebenfalls offenbleiben konnte die Frage, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten ihrer Höhe nach um unabweisbare und angemessene Aufwendungen handelt. Jedenfalls insoweit hat die Kammer erhebliche Zweifel.
Dahingestellt bleiben konnte zudem, ob im Zusammenhang aller geltend gemachten Aufwendungen und eventuell noch ausstehender weitere Reparaturen eine Übernahme von einzelnen Kosten entgegenstehen könnte, dass das Haus insgesamt nicht mehr nachhaltig und in einer wirtschaftlich sinnvollen Weise bewohnbar gehalten werden kann (sog. „Fass ohne Boden“, vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Az.: L 4 AS 431/15 B ER). Eine Kostenübernahme scheidet aus, wenn auch künftig mit der Notwendigkeit erheblicher, in der Summe unangemessen hoher Reparaturkosten zu rechnen ist, um die (zweifelhafte) Nutzbarkeit selbst genutzten Wohnraums dauerhaft zu gewährleisten (Hessisches LSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009, Az.: L 7 AS 326/09 B ER, Rn. 23, juris; SG Potsdam, Urteil vom 1. März 2018, Az.: S 31 AS 3142/11, Rn. 31, juris). Der bauliche Zustand des Gebäudes ist nicht hinreichend bekannt, insbesondere nicht bzgl. Stromversorgung, Wasserversorgung, Abwasserversorgung, Heizungsanlage, Fenster und Dach. Es fielen aber jedenfalls seit dem Jahr 2012 mehrfach erhebliche Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltungen an.
4.
Auch ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II war nicht gegeben. Eine Darlehensgewährung kommt nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 98) – unter Beibehaltung der übrigen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II – nur dann in Betracht, wenn die tatsächlichen Aufwendungen bereits oberhalb der für Mieter geltenden Obergrenzen liegen und die übrigen Voraussetzungen vorliegen, also wenn ein Zuschuss nach Abs. 2 S. 1 überhaupt in Betracht kommt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2021, Az.: L 29 AS 1920/19, Rn. 31, juris). Letzteres war hier – wie unter 3. ausgeführt – nicht der Fall.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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