Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auslegung einer Teilungserklärung: Vom Gesetz abweichende Regelung muss klar und eindeutig sein

Aktenzeichen  1 S 8801/16 WEG

Datum:
7.2.2017
Fundstelle:
ZMR – 2017, 330
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Auslegung einer Teilungserklärung kommt es nicht darauf an, was bei Erstellung der Teilungserklärung von den Parteien, dem Notar oder einer sonstigen Person gewollt war, sondern zu welchem Ergebnis man bei einer rein objektiv-normativen Auslegung der Eintragung gelangt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes, welcher das Grundbuchverfahren beherrscht, kommt eine Auslegung der Teilungserklärung nur in Betracht, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Eine vom Gesetz abweichende Regelung muss klar und eindeutig sein und ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Ist eine vom Gesetz abweichende Regelung nicht eindeutig, verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 C 2213/14 2016-01-08 Urt AGLANDSHUT AG Landshut

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 08.01.2016, Aktenzeichen 14 C 2213/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 2.774,05 festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 08.01.2016, Aktenzeichen 14 C 2213/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 13.12.2016 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 31.01.2017 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen der Kammer im Hinweisbeschluss vom 13.12.2016 zu der Frage, was die Parteien mit der Regelung bezweckt haben könnten, reine Hilfserwägungen darstellen. Wie bereits dort ausgeführt und auch klägerseits nochmals betont wurde, kommt es gerade nicht darauf an, was bei Erstellung der Teilungserklärung von den Parteien, dem Notar oder einer sonstigen Person gewollt war, sondern zu welchem Ergebnis man bei einer rein objektiv-normative Auslegung der Eintragung gelangt. (Insofern können allerdings auch die Ausführungen in der Gegenerklärung zu den Hintergründen der Schaffung von Schutzräumen während der Zeit des Kalten Krieges nur bedingt zur Auslegung herangezogen werden.)
Nach einer rein objektiv-normativen Auslegung verbleibt es jedoch dabei, dass die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums die Eigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile tragen, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Etwas anderes – also ein anderer Abrechnungsschlüssel – ist für die Betriebs- und Unterhaltskosten der Tiefgarage (soweit sie den Teil betrifft, der als Schutzraum ausgebaut wurde) aber gerade nicht vereinbart. Ausdrücklich ist lediglich eine gesonderte Abrechnung vereinbart, nicht aber ein anderer Abrechnungsmodus. Auch wenn eine gesonderte Abrechnung ohne abweichenden Abrechnungsschlüssel in der Tat wenig sinnhaft erscheint, so ist es doch nicht so, dass sie sich bereits vom Wortlaut her verbieten würde. Es kann insofern kein zwingender Widerspruch festgestellt werden.
Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollzogen werden, warum nach dem Sinn der Regelung nur eine Umlage auf die Teileigentümer der Tiefgaragenstellplätze in Betracht kommen soll. Es erscheint vielmehr gerade widersprüchlich, dass dies nur für Betriebs- und Unterhaltskosten der Tiefgarage, soweit sie als Schutzraum ausgebaut wurde, gelten soll, während die restlichen Kosten für die Tiefgarage auf sämtliche Miteigentümer umgelegt werden sollen. Dass letztlich diese Unterscheidung nicht relevant geworden ist, weil die gesamte Tiefgarage als Schutzraum ausgebaut wurde, muss hierbei unter Berücksichtigung der Grundsätze einer rein objektiv-normativen Auslegung wiederum außer Betracht bleiben.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes, welcher das Grundbuchverfahren beherrscht, der Auslegung von Teilungserklärungen Grenzen gesetzt sind. Eine Auslegung kommt nur in Betracht, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt (so schon: BGH NJW 1995, 1081). Eine vom Gesetz abweichende Regelung muss klar und eindeutig sein und ist als Ausnahmregelung eng auszulegen (Kammergericht Berlin, ZMR 2009, 135; OLG Hamburg, ZMR 2004, 614). Ist eine vom Gesetz abweichende Regelung – wie hier – nicht eindeutig, verbleibt es bei Zweifeln am Regelungsinhalt bei der gesetzlichen Regelung.
Es verbleibt daher auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung vom 31.01.2017 und nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage dabei, dass das Amtsgericht die Klage zurecht abgewiesen und die Berufung hiergegen zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 49a Abs. 1 GKG bestimmt und orientiert sich an der zutreffenden, unbeanstandeten Festsetzung in 1. Instanz.


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