Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auslegung von Grundbucheintragungen

Aktenzeichen  21 O 822/16

Datum:
20.12.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137586
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 1018

 

Leitsatz

1. Bei der Auslegung von Grundbucheintragungen – also auch bei der Auslegung der Reichweite einer Grunddienstbarkeit – ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung, sowie auf die darin in Bezug genommene Eintragungsbewilligung abzustellen, wie sie sich für einen unbeteiligten Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Auslegung einer Grunddienstbarkeit, die einen Versorgungsanspruch mit Heizkraft nur auf den zur Zeit der Bestellung der Grunddienstbarkeit vorhandenen Heizungskessel beschränkt, ist aufgrund des Wortlauts „von dem auf dem nördlichen Grundstücksteil befindlichen Heizungskessel“ weder aus dem Grundbuch noch aus der Urkunde über die Bestellung der Grunddienstbarkeit für einen unbefangenen Betrachter erkennbar. Die Grunddienstbarkeit ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass der Anspruch auf Versorgung mit Heizkraft, sich auf die jeweils aktuell auf den Grundstück befindlichen Heizungskessel bezieht. (Rn. 22 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch die Beklagten zu 1) und zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht diese vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

A)
Die Klage ist zulässig.
Der Klägerin fehlt insbesondere nicht das (notwendige) Feststellungsinteresse. Denn unstreitig beliefert die Klägerin die Beklagten zu 1) und zu 2) aktuell mit Heizenergie und hat dies auch bislang getan. Wenn sie der Meinung ist, dies bereits deshalb nicht mehr tun zu müssen, weil sie ohnehin – von der Frage eines neuerlichen Austausches ganz abgesehen – auf ihrem Grundstück nicht mehr den zum Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit vorhandenen Heizungskessel betreibe, so begehrt sie eine aktuell entscheidungserhebliche Feststellung über den Umfang ihrer Pflichten aus der vorhandenen Grunddienstbarkeit. An dieser Klärung hat sich auch ein (berechtigtes) rechtliches Interesse, und zwar einmal deshalb, weil damit der tatsächliche Umfang der ihr aus der Grunddienstbarkeit heraus obliegenden Pflichten festgestellt werden kann und zum anderen auch deshalb, weil sie hinreichend schlüssig die Absicht dargestellt hat, die Heizungsanlage auszutauschen und insoweit auch für weitere, zukünftige Verpflichtungen ein Interesse an einer endgültigen Klärung der Rechtslage hat.
B)
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet, da zur Überzeugung der Kammer die zu Lasten der Klägerin eingetragene Grunddienstbarkeit diese verpflichtet, das derzeit im Eigentum der Beklagten zu 1) und zu 2) stehende Grundstück von jedem aktuell auf dem verpflichteten Grundstücksteil befindlichen Heizungskessel mit Heizkraft zu versorgen.
Für diese Auslegung, die gleichzeitig zur Abweisung der Klage als unbegründet führt, sprechen aus Sicht der Kammer folgende Erwägungen:
I. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH DNotZ 2015, 113 und BGHZ 208, 29), der sich die Kammer anschließt, ist bei der Auslegung von Grundbucheintragungen – also auch bei der Auslegung der Reichweite einer Grunddienstbarkeit – vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung, sowie auf die darin in Bezug genommene Eintragungsbewilligung abzustellen, wie sie sich für einen unbeteiligten Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt.
Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Grundstücksrechts nur in soweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (a.a.O.).
II. Unter Heranziehung dieser gesicherten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung unter anderem auch von Grunddienstbarkeiten kann zur Überzeugung des Gerichts die vorliegende Grunddienstbarkeit vom 11. Februar 1980 in ihrer Ziffer II. 1. d (vgl. Anlage K 1, Zeile 2) nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Anspruch auf Versorgung mit Heizkraft, die den Beklagten abgesprochen werden soll, sich auf die jeweils aktuell auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Heizungskessel bezieht.
Hierfür sind aus Sicht der Kammer unter anderem folgende Erwägungen maßgeblich: Eine Auslegung, die diesem Versorgungsanspruch nur auf den zur Zeit der Bestellung der Grunddienstbarkeit vorhandenen Heizungskessel beschränken würde, ist aufgrund des Wortlauts „von dem auf dem nördlichen Grundstücksteil befindlichen Heizungskessel“ weder aus dem Grundbuch noch aus der Urkunde über die Bestellung der Grunddienstbarkeit für einen unbefangenen Betrachter erkennbar. Denn eine entsprechende Einschränkung findet sich in dem eben zitierten Wortlaut gerade nicht.
Weiterhin ist festzustellen, dass es eben gerade nicht – und dies wäre die einzige Berechtigung, Umstände außerhalb der Urkunde zur Ermittlung von Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit heranzuziehen – ohne weiteres für Jedermann erkennbar ist, ob ein aktuell zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandener Heizungskessel derjenige ist, der sich zum Zeitpunkt der Errichtung der Grunddienstbarkeit auf dem nördlichen Grundstücksteil befand oder nicht.
Darüber hinaus verbieten nach Auffassung der Kammer aber auch der Kontext der gesamten Grunddienstbarkeit und Sinn und Zweck der die Heizkraftversorgung des Grundstücks der Beklagten sichernden Klausel eine Auslegung des Wortlautes, die das Begehren der Klägerin in irgendeiner Weise stützen würde:
Denn festzuhalten ist, dass alle anderen Verpflichtungen, die den jeweiligen Eigentümer des klägerischen Grundstückes durch die Grunddienstbarkeit auferlegt werden, gerade dazu bestimmt sind, die notwendige Versorgung des herrschenden, derzeit dem Beklagten gehörenden Grundstückes mit Wasser, Abwasser, Strom und Heizung dauerhaft zu sichern. Denn die Berechtigung zum Anschluss an die Wasserleitung, die Abwasserleitung und die Stromleitung enthalten keinerlei zeitliche Einschränkungen. Es wäre damit zur Überzeugung der Kammer aus dem Kontext heraus sinnwidrig, eine solche Einschränkung gerade bei der Heizungsversorgung dadurch vorzunehmen, dass die Formulierung „befindlicher Heizungskessel“ als „zum Zeitpunkt der Errichtung der Grunddienstbarkeit befindlicher Heizungskessel“ interpretiert wird. Dies widerspräche wie aus dem Kontext eindeutig ersichtlichen und im Übrigen auch wirtschaftlich einzig sinnvollen Regelung, die notwendige Versorgung des herrschenden Grundstückes auf Dauer zu sichern.
Schließlich würde eine solche Auslegung dem Zweck der obergerichtlichen Rechtsprechung, etwaige über eine Grunddienstbarkeit begründete Rechte und Pflichten eindeutig klarzustellen, zuwider laufen. Denn eine derartige Interpretation (auf den damals vorhandenen Heizungskessel) würde ja dazu führen, dass ein etwaiger Erwerber des Grundstückes zunächst einmal aus dem Grundbuch heraus gar nicht erkennen könnte, ob er nun einen Anspruch auf Heizungsversorgung hat, und er zum Zweiten auch nicht wüsste, wie lange in die Zukunft ein solcher Anspruch gesichert ist. Beides würde aus Sicht der Kammer die Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundstückes ganz erheblich einschränken, was Sinn und Zweck der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze vollständig zuwider laufen würde.
Schließlich ergibt sich zur Überzeugung der Kammer auch nichts anderes daraus, dass die Grunddienstbarkeit – wie im zuvor geführten Verfahren festgestellt wurde – gerade keine Regelung über eine Kostenaufteilung für den Fall der Erneuerung enthält. Denn der daraus abzuleitende Gegenschluss – aus Sicht der Klägerin -, dass damit das, was von den Beklagten nicht bezahlt wurde, von diesen auch nicht benutzt werden darf, ist in keiner Weise in der Grunddienstbarkeit ausformuliert, sondern wäre vielmehr eine jegliche Rechtssicherheit zuwider laufende Auslegung.
Daran ändert auch nichts, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) in der Vergangenheit womöglich mit der Klägerseite die Kosten der Beseitigung der alten Öl-Tanks geteilt haben, weil ein solches Zugeständnis zumindestens keinerlei Niederschlag in der Form einer Eingrabung entsprechender Verpflichtungen im Grundbuch gefunden hat.
Nicht entschieden werden muss schließlich die Frage, ob die Klägerin – eine solch ausformulierte Verpflichtung findet sich in der genannten Grunddienstbarkeit nicht – überhaupt gehalten ist, einen Heizungskessel zu betreiben oder ob es ihr nicht auch freisteht, etwa benötigte Heizenergie anderweitig zu beziehen oder auf einer technisch anderen Ebene – etwa durch Etagenheizungen – zu erzeugen. Denn ein entsprechendes Feststellungsbegehren hat die Klägerin in diesem Verfahren nicht gestellt.
C)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.
D)
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
E)
Der Streitwert war auf 5.123,00 € festzusetzen.
Das Feststellungsinteresse der Klägerseite in Höhe von einem Drittel des Nettowertes der vorgesehenen Ersatzbeschaffung erscheint der Kammer gemäß § 3 ZPO angemessen.


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