Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Berufung, Verkehrssicherungspflicht, Fahrbahn, Zufahrt, Haftung, Verkehrssicherungspflichtverletzung, Feststellung, Zahlung, Verschulden, Ersatzpflicht, Anspruch, Schadenspauschale, Klage, Beweisaufnahme, konkrete Anhaltspunkte, Gelegenheit zur Stellungnahme

Aktenzeichen  2 S 9210/20

Datum:
7.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 55154
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Beim Deckel des Domschachtes, der zur Befüllung der unterirdischen Kraftstofftanks einer Tankstelle dient, handelt es sich um eine Anlage im Sinne des § 2 HPflG.

Verfahrensgang

1 C 35/20 2020-11-30 Urt AGNEUSTADTADAISCH AG Neustadt a.d. Aisch

Tenor

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt a.d. Aisch vom 30.11.2020, Az. 1 C 35/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Vorab werden die Parteien zunächst um Nachsicht für die weitere Verzögerung gebeten.
Sodann im Einzelnen:

Gründe

I. Das Amtsgericht hat in der Hauptsache der Klage größtenteils stattgegeben und die Beklagte auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 4.889,40 € verurteilt und lediglich hinsichtlich der Schadenspauschale die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass dem Kläger ein Anspruch aufgrund Verkehrssicherungspflichtverletzung gegen den Beklagten aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB und gem. § 823 Abs. 1 BGB zustehe. Der Beklagte habe als Betreiber einer Tankstelle mit Publikumsverkehr die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz seiner Kunden sowie seiner Lieferanten vor Gefahren zu treffen. Vorliegend habe der Beklagte dafür Sorge zu tragen, dass die Zufahrt zu den Zapfsäulen sowie zu den befüllenden Domschächten gefahrlos möglich sei. Hierzu gehöre zweifelsfrei auch, dass die Fahrbahn eben ist und keine über das normale Maß hinausgehende Gefahrenquellen vorhanden sind. Hierbei habe der Beklagte insbesondere auch Sorge dafür zu tragen, dass die sich auf der Fahrbahn befindlichen Domschachtdeckel nicht von selbst öffnen. Im Rahmen des ihm zumutbaren habe der Beklagte insoweit geeignete Maßnahmen zu ergreifen, welche ein weitgehend ungefährdetes Überfahren der Domschachtdeckel ermöglichen. Hierzu gehöre insbesondere, dass der Beklagte überprüft, ob diese ordnungsgemäß verschlossen sind. Im Rahmen des Zumutbaren sei deshalb vom Beklagten zu verlangen und zu erwarten gewesen, dass vor Betriebsbeginn insoweit zumindest eine Sichtprüfung erfolgt. Aufgrund der Beweisaufnahme kam das Amtsgericht zu der Überzeugung, dass der Beklagte dieser Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner zulässigen Berufung. Zur Begründung führt er aus, dass das Erstgericht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten überspanne. Eine tägliche Überprüfung des Verschlusszustandes sei dem Beklagten nicht zumutbar. Aus seiner Sicht sei eine derartige Überprüfung allein deshalb nicht erforderlich, weil in den langen Jahren des Betriebs seiner Tankstelle, insoweit nie Probleme aufgetaucht seien. Insbesondere der Umstand, dass berechtigt davon auszugehen sei, dass die Nebenintervenientin als Fachfirma für die Reinigung der Domschächte diese nach Abschluss ihrer Arbeiten ordnungsgemäß verschließt, habe dem Beklagten keine Veranlassung gegeben, den Verschlusszustand täglich zu überprüfen. Ferner könne bei einer einfachen Sichtprüfung auch nicht erkannt werden, ob die Deckel nun ordnungsgemäß verschlossen seien.
Die Klägerin verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
II. Die Kammer gelangt nach Beratung der Angelegenheit zu dem Ergebnis, dass der Berufung des Klägers keine Erfolgsaussichten zukommen, da die amtsgerichtliche Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, 1. Alternative, § 546 ZPO), noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1, 2. Alternative ZPO).
1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Feststellungen des Amtsgerichts greift die Berufungsbegründung auch nicht an, wendet sich lediglich gegen deren rechtliche Wertung.
2. Die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen rechtfertigen jedoch keine andere Entscheidung.
Dabei kann dahinstehen, ob – wie die Berufung vorbringt – das Amtsgericht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten überspannt hat. Eine Haftung des Beklagten ergibt sich nämlich unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhaltes bereits aus § 2 Abs. 1 S. 1, 2 HPflG. Demnach gilt:
„Wird durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Das gleiche gilt, wenn der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Elektrizität, der Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, dass sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem Zustand befand.“
Die Norm begründet eine Gefährdungshaftung unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Anlagenbetreibers (BGH, Urteil vom 11.09.2014 – III ZR 490/13, r+s 2014, 557 Rn. 12; Filthaut/Piontek/Kayser/Kayser, 10. Aufl. 2019, HPflG § 2 Rn. 2). Diese Haftung kommt auch dann zum Tragen, wenn – wie hier – ein in Bewegung befindliches Gerät gegen den “festen” Teil einer Anlage gestoßen und dadurch beschädigt worden ist (BGH, Urteil vom 29.06.1995 – III ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1302).
Beim Deckel des Domschachtes, der zur Befüllung der unterirdischen Kraftstofftanks der vom Beklagten betriebenen Tankstelle dient, handelt es sich um eine Anlage im Sinne des § 2 HPflG: Unter einer Anlage ist eine technische Einrichtung im weitesten Sinne zu verstehen (BGH, Urteil vom 11.09.2014 – III ZR 490/13, r+s 2014, 557 Rn. 14). Der zur Aufnahme von Kraftstoff („Flüssigkeit“) im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG bestimmte unterirdische Tank gehört ohne weiteres hierzu. Gleiches gilt damit für den Domschachtdeckel als Teil dieser Anlage (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.1995 – III ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1302).
Dass der Schaden am klägerischen Lkw „auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist“, ist unstreitig.
Damit wäre eine tatbestandsmäßige Haftung des Beklagten nur dann nicht gegeben, wenn sich die Anlage zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem Zustand i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 2 HPflG befunden hätte; hierfür ist der Inhaber der Anlage beweispflichtig (BGH, Urteil vom 22. 6. 2010 – VI ZR 226/09, r+s 2010, 345). Einen solchen ordnungsgemäßen Zustand – konkret also das Verschlossensein des Domschachtdeckels -, behauptet der Kläger aber schon selbst nicht. Tatsächlich geht die Berufungsbegründung zutreffend davon aus, „dass der Verschluss des fraglichen Domschachtdeckels nicht ordnungsgemäß verschlossen war“ (Berufungsbegründung S. 3).
Dafür dass die sich somit aus § 2 Abs. 1 HaftPflG ergebende Ersatzpflicht des Beklagten deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Schaden durch höhere Gewalt i.S. des Absatzes 3 der genannten Vorschrift verursacht worden sei, hat der Beklagte nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Die Anwendung dieses Haftungsausschlusses ist auf ganz seltene Ausnahmefälle beschränkt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. 2. 2010 – 1 U 137/09, NZV 2010, 352).
Die Klägerin muss sich auch weder ein Mitverschulden nach § 4 HaftPflG i.V.m.§ 254 BGB noch die Betriebsgefahr ihres Lkw Sattelschleppers anrechnen lassen. Insoweit kann auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen werden. Die Tatsache, dass der Deckel nicht verschlossen war, war für den Fahrer des klägerischen Sattelzugs nicht erkennbar, der Unfall damit sogar unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG. Dies wird von der Berufung auch nicht in Frage gestellt.
Nach alledem ist das Amtsgericht jedenfalls im Ergebnis beanstandungsfrei zu einer vollen Haftung des Beklagten gekommen. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs greift die Berufung nicht an.
III. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt die Kammer aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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