Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschwerde, Rechtspfleger, Vollstreckungsklausel, Rechtsnachfolgeklausel, Zustellung, Erteilung, Zwangsvollstreckung, Erlass, Verfahren, Klausel, Unwirksamkeit, Aktenlage, Anwendung, Unterschrift, sofortige Beschwerde, analoge Anwendung, sofortigen Beschwerde

Aktenzeichen  64 T 216/20

Datum:
6.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51247
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 M 6566/19 2020-06-24 AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 24.06.2020, Az.: …, wird zurückgewiesen.
2. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 04.12.2019 beantragte die Gläubigerin den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 29.06.2019, Az.: … Mit Verfügung vom 10.12.2019 des Amtsgerichts Regensburg wurde der Gläubiger auf verschiedene Mängel im Rahmen des Antrags vom 04.12.2019 hingewiesen. Insbesondere wurde der Gläubiger darauf hingewiesen, dass die erteilte Vollstreckungsklausel nicht der Maßgabe des § 725 ZPO entspreche unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 14.12.2016, V ZB 88/16. Die Vollstreckungsklausel sei mit einem Prägesiegel oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall sei das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht worden. Eine nachträgliche Anbringung des Siegels reiche nicht aus, so dass die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig sei, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genüge. Zudem erfolgte der Hinweis auf die Erforderlichkeit einer neuen Zustellung an den Schuldner gemäß § 750 Abs. 2 ZPO (vgl. Bl. 11 bis 12 d. Akte).
Nach Korrektur weiterer Ungenauigkeiten bzw. Unzulänglichkeiten im Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 04.12.2019 beantragte der Gläubiger am 10.03.2020 erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Hierzu wurde der Gläubiger von Seiten des Amtsgerichts Regensburg mit Verfügung vom 19.03.2020 (vgl. Bl. 30 d. Akte) darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Vollstreckungsklausel ungenügend sei. Das händische Dienstsiegel sei nachträglich angebracht worden. Diese Nachsiegelung werde von Seiten des Amtsgerichts Regensburg nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel müsse mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stelle einen einheitlichen Vorgang dar. Drei Jahre später könne nicht erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht habe eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden müsse.
Der Gläubiger ersuchte sodann das Amtsgericht Coburg um Erteilung einer neuen Klausel.
Mit Schreiben vom 27.04.2020 (Bl. 47 d. Akte) wurde der Gläubiger vom AG Coburg darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Erteilung einer „neuen“ Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Ggf. bedürfe es aufgrund analoger Anwendung des § 703 b Abs. 1 ZPO auf die am 01.03.2017 erteilte Rechtsnachfolgeklausel einer Anbringung eines Prägesiegels nicht mehr. Spätestens mit der Anbringung des Prägesiegels lägen jedoch die Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Weder aus dem Gesetz, noch aus der Entscheidung des BGH vom 14.12.2016, V ZB 88/16, ergebe sich, dass eine solche nachträgliche Anbringung eines Siegels durch die Erlassbehörde nicht möglich sein solle. Diese Praxis werde auch von anderen Gerichten übernommen. Das Amtsgericht Regensburg gehe von einem unheilbaren Formmangel durch ursprünglichen Fehlens des Prägesiegels aus. Diese Rechtsposition werde vom Amtsgericht Coburg nicht geteilt. Die Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nebst Zustellung setze denklogisch voraus, dass die ursprünglich erteilte Klausel unmittelbar oder mittelbar für Unwirksamkeit erklärt werden müsse. Diesbezüglich und im Übrigen wird auf das Schreiben vom 27.04.2020 (Bl. 47 bis 48 d. Akte) verwiesen.
Mit Schreiben vom 23.04.2020 beantragte der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 29.06.2019 und der am 01.03.2017 erteilten Rechtsnachfolgeklausel.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 24.06.2020, Az.: …, wurde der Antrag des Gläubigers vom 04.12.2019 gerichtet auf den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen. Das Amtsgericht führte im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Entscheidung des BGH vom 14.12.2016 ein maschinelles Siegel nicht ausreichend sei und ein händisches Farbdrucksiegel auf einer Ausfertigung erforderlich sei. Aus Sicht des Amtsgerichts sei § 703 b ZPO nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall habe sich der zuständige Rechtspfleger bei Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel aufgrund eindeutigen Wortlauts für eine Klauselerteilung gemäß § 725 ZPO entschieden. Die Rechtsnachfolgeklausel sei gerade nicht im maschinellen Verfahren erteilt worden. Eine direkte Anwendung des § 703 b ZPO scheide aus. Auch eine analoge Anwendung des § 703 b ZPO scheide mangels Gesetzeslücke aus.
Auch sei der vorliegende Mangel durch das nachträgliche Anbringen eines Prägesiegels nicht geheilt worden. Es lasse sich nicht nachvollziehen, wann und von wem die Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 händisch gesiegelt worden sei. Dies sei als bedenklich zu bewerten, da nachträglich Veränderungen vorgenommen worden seien, ohne dies zu kennzeichnen. Die Zulässigkeit einer nachträglichen Siegelung ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Zudem müsse die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach den §§ 727, 725 ZPO als ganzheitlicher Vorgang betrachtet werden. Durch das Erstellen der Klausel, der Unterzeichnung und der Siegelung durch den Rechtspfleger werde sichergestellt, dass die Erteilung der Klausel rechtmäßig gewesen sei. Wäre aus dem Jahr 2020 ein Siegel angebracht, das den Anforderungen der ZPO genüge, dann sei die Klauselerteilung erst in diesem Moment abgeschlossen. Im vorliegenden Fall sei auch zu berücksichtigen, dass die qualifizierte Klausel der vorherigen Zustellung an den Schuldner gemäß § 750 Abs. 2 ZPO bedürfe. Werde nunmehr eine bereits zugestellte Klausel nachgesiegelt, sei für das Vollstreckungsorgan nicht mehr nachvollziehbar, ob das Siegel von Anfang an, oder erst nachträglich angebracht worden sei. Für das Vollstreckungsorgan sei daher nicht mehr nachprüfbar, ob eine wirksame Klausel (mit händischem Siegel) an den Schuldner zugestellt worden sei. Im Falle einer nachträglichen Siegelung sei die Vollstreckungsmaßnahme anfechtbar, weil dem Schuldner keine wirksame Klausel zugestellt worden sei. Da eine bloße Nachsiegelung unzulässig sei, sei die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel erforderlich. Im vorliegenden Fall läge diese nicht vor, so dass der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückzuweisen gewesen sei. Diesbezüglich und im Übrigen wird auf Bl. 56 bis 62 d. Akte verwiesen.
Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Gläubigers am 30.06.2020 zugestellt.
Mit Schreiben vom 10.07.2020, eingegangen am gleichen Tag bei Gericht, legte der Gläubiger sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 24.06.2020 ein. Die sofortige Beschwerde wurde dahingehend begründet, dass eine Nachsiegelung der Rechtsnachfolgeklausel zulässig sei und im Übrigen der einzige gangbare tatsächliche Weg. Da sich das Amtsgericht Regensburg weigere eine Nachsiegelung zu akzeptieren, sei die Vollstreckung damit für den Gläubiger faktisch unmöglich (vgl. Bl. 64 bis 65 d. Akte).
Mit Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 13.07.2020 wurde der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Verfahren wurde zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde dem Landgericht Regensburg vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 793, 567 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht eingereicht.
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wurde zu Recht durch Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 24.06.2020 zurückgewiesen.
Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH vom 14.12.2016, V ZB 88/16, ist das maschinell erstellte Siegel auf der Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom 01.03.2017 nicht ausreichend.
a) Anwendbarkeit des § 703 b ZPO
Eine direkte Anwendung des § 703 b ZPO auf die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 scheidet im vorliegenden Fall aus. Die Rechtsnachfolgeklausel, welche vom Amtsgericht Regensburg am 01.03.2017 erteilt wurde, wurde nicht maschinell erteilt. Aufgrund der eindeutigen Formulierung und der Unterschrift handelt es sich um eine Klausel gemäß § 725 ZPO, welche gerade nicht maschinell erstellt wurde.
Auch eine analoge Anwendung des § 703 b ZPO scheidet daher mangels planwidriger Regelungslücke aus. Bei Erteilung der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel wählte der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Coburg explizit nicht die maschinelle Bearbeitung. Die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel wurde unterschrieben und ursprünglich mit einem maschinell erzeugten Siegel versehen. Mangels Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke verbietet sich daher eine analoge Anwendung des § 703 b ZPO.
b) Heilungsmöglichkeit
Das Beschwerdegericht geht nicht von einer grundsätzlichen Unheilbarkeit der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 aus. Die Frage stellt sich jedoch, inwiefern eine Heilbarkeit möglich ist bzw. zu beachten ist.
Das Amtsgericht Regensburg lehnte zu Recht den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund der vorliegenden qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom 01.03.2017, weiche ursprünglich mit einem maschinellen Siegel versehen war und worauf ein Prägesiegel links davon angebracht worden war, ab.
Hierzu ist zunächst festzustellen und dem Amtsgericht Regensburg beizupflichten, dass in keiner Weise ersichtlich ist, wann das Prägesiegel auf der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel angebracht wurde und vor allem von wem. Im vorliegenden Fall ist allein aufgrund des Verfahrensganges für das Beschwerdegericht aufgrund der Aktenlage und der eingereichten Vollstreckungsunterlagen in Kombination mit der Aktenlage ersichtlich, dass das Prägesiegel offensichtlich im Jahr 2020, sprich 3 Jahre nach Erteilung der ursprünglichen qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel angebracht wurde. Jedoch ist nicht ersichtlich von wem und wann konkret genau dies erfolgt ist. Eine derartige qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel kann nicht als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dienen. Insofern ist den Ausführungen des Amtsgerichts Regensburg im Rahmen des Beschlusses vom 24.06.2020 beizutreten. Für ein Vollstreckungsorgan ist nicht ersichtlich, wann das Prägesiegel, welches aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) erforderlich ist, angebracht wurde. Des Weiteren ist auch insofern den Ausführungen des Amtsgerichts Regensburg im Rahmen des Beschlusses vom 24.06.2020 beizutreten, dass eine erneute Zustellung der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel an den Schuldner gemäß § 750 Abs. 2 ZPO erforderlich ist. Dies birgt gerade die Unsicherheit für das zuständige Vollstreckungsorgan, ob sich im Zeitpunkt der Zustellung das erforderliche Prägesiegel bereits auf der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel befunden hat oder nicht und ob demnach die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung vorlagen oder nicht.
Aufgrund dieser erheblichen Unsicherheiten für das Vollstreckungsorgan reicht eine bloße „Nachsiegelung“ der bereits erteilten qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel nicht aus, wenn sich daraus nicht ergibt, von wem und wann diese „Nachsiegelung“ erfolgt ist.
Ob darin dann die Erteilung einer „neuen“ Rechtsnachfolgeklausel zu sehen ist, wie sie von Seiten des Amtsgerichts Regensburg gefordert wird, kann an dieser Stelle dahinstehen. Jedoch spricht vieles dafür, dass durch das Anbringen eines Prägesiegels mit Datum und Unterschrift die Anforderungen an § 725 ZPO erfüllt sind und die Zwahgsvollstreckung unter Berücksichtigung von § 750 Abs. 2 ZPO betrieben werden kann.
Durch Erteilung einer „neuen“ qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel mit Prägesiegel, welche dem Schuldner vor Durchführung der Zwangsvollstreckung zuzustellen ist, würde jedoch der absolut sicherste Weg gewählt werden zur Durchführung der Zwangsvollstreckung.
Da der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu Recht zurückgewiesen wurde, ist die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde war daher gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zuzulassen.


Ähnliche Artikel


Nach oben