Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Bestimmung der angemessene Frist zur Erklärung der Kündigung bei Gewerberaummiete

Aktenzeichen  3 U 3284/20

Datum:
11.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35098
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314 Abs. 3, § 535, § 538, § 543 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Bei einer Klage und Widerklage muss ein (zunächst) unzulässiges Teilurteil nicht aufgehoben werden, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen Entscheidungen im Teilurteil und Schlussurteil kommen kann. Eine derartige Heilung kann auch dann angenommen werden, wenn das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts teilt, wonach der mit der Klage geltend gemachte Anspruch unabhängig von dem mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch der Beklagten besteht, weil bei mehreren in der Klage vorgebrachten Kündigungsgründen bereits die Gründe die (dem Räumungsanspruch zugrundeliegende) Kündigung rechtfertigen, die für den Widerklageanspruch nicht maßgeblich sind. (Rn. 16 – 18)
2. Zu den Anforderungen der Erklärung einer außerordentlichen Kündigung binnen angemessener Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund im Bereich der Gewerberaummiete. (Rn. 51 – 54)

Verfahrensgang

14 O 7993/18 2020-09-25 TeU LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.09.2020, Az. 14 O 7993/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Antrag der Beklagten vom 27.10.2020 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.09.2020, Az. 14 O 7993/18, wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
Laut dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist u.a. folgender Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig:
Mit schriftlichem Mietvertrag – unter Verwendung eines Wohnraummietvertragsformulars – vermietete der Kläger das aus insgesamt fünf Wohnungen (drei Zweizimmerwohnungen, zwei Einzimmerwohnungen, jeweils mit Küche, Bad und WC) bestehende Anwesen […] an die Beklagte zur gewerblichen Weitervermietung.
Angedacht war die Unterbringung von Monteuren und Angestellten von Unternehmen. […] Mit Schreiben vom 02.02.2018 kündigte der Kläger den Mietvertrag über das Anwesen ordentlich zum 30.09.2018. Zur Begründung ließ der Kläger ausführen, dass die Beklagte entgegen der Vereinbarung der Parteien nicht die Wohnungen weitervermiete, sondern einzelne Betten im Anwesen, und die Beklagte zudem „widerrechtlich“ den Keller zu Wohnzwecken ausgebaut habe, wofür dieser nicht geeignet sei.
Mit weiterem Schreiben vom 19.04.2018 erklärte der Kläger, die ausgesprochene Kündigung werde nun hilfsweise auch als fristlose Kündigung ausgesprochen und berief sich zum einen auf eine Zweckentfremdung des Anwesens, da dieses nicht geeignet sei, als Monteursunterkunft für 30 40 Monteure zu dienen, und wegen Ausbaus des Kellers ohne Genehmigung des Klägers.
Die Beklagte nützt das Anwesen als sogenannte Monteursunterkunft, das heißt, dass die im Anwesen befindlichen Wohnungen durch mehrere nicht miteinander verwandte oder in einer Beziehung lebende Personen bewohnt werden im Rahmen eines Untermietverhältnisses.
Unstreitig sind darüber hinaus folgende in den Entscheidungsgründen enthaltene Feststellungen:
Unstreitig unterteilte die Beklagte den ursprünglich vorhandenen Kellerraum in zwei Zimmer, schuf ein drittes Zimmer, indem sie den Heizungsraum verkleinerte und baute die Waschküche zu einem Sanitärraum mit zwei Duschen und zwei Toiletten aus. Fortan wurde der Keller als Wohnraum von der Beklagten untervermietet.
Das Landgericht hörte die Parteien informatorisch an und erhob Beweis durch Einvernahme der Zeugen H…(Aufzählung/Name der Zeugen).
Am 25.09.2020 erließ es das folgende Teilurteil:
Die Beklagte wird verurteilt, das gesamte Anwesen F… (Adresse) zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Zur Begründung führte das Landgericht u.a. aus, dass es zulässig sei, gemäß § 301 ZPO über die Klage im Wege des Teilurteils zu entscheiden, da der mit der Klage geltend gemachte Räumungsanspruch entscheidungsreif, der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch der Beklagten auf Erstattung der für die Reparatur der Heizungsanlage im Mietanwesen verauslagten Kosten hingegen nicht entscheidungsreif und unabhängig von dem Räumungsanspruch des Klägers sei. Das Mietverhältnis sei jedenfalls durch die fristlose Kündigung vom 19.04.2018 beendet worden. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger die bauliche Umgestaltung der Kellerräume genehmigt oder wenigstens geduldet habe, denn die Beweisaufnahme habe die Behauptungen der Beklagten nicht zur Überzeugung des Erstgerichtes bestätigt.
Gegen dieses Teilurteil wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung. Sie beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Teilurteils die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt sie aus, dass ein unzulässiges Teilurteil vorliege. Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des Erstgerichts fehlerhaft. Außerdem liege auch bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags kein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor und fehle es an der nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen Abmahnung. Schließlich sei das Kündigungsrecht verwirkt.
Darüber hinaus stellt die Beklagte einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Aufgrund ihrer aktuellen betriebswirtschaftlichen Lage könne die Beklagte eine Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung (jedenfalls in fünfstelliger Höhe) nicht leisten.
B.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet.
I.
Das Landgericht durfte im Wege eines Teilurteils entscheiden.
1. Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH, Urteil vom 21.11.2017 – VI ZR 436/16, NJW 2018, 623 Rn. 7).
Im Hinblick auf Klage und Widerklage bedeutet dies, dass ein Teilurteil über die Klage oder die Widerklage nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also nicht besteht (BGH, Urteil vom 16.06.2010 – VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 Rn. 25). Vor diesem Hintergrund darf beispielsweise über die Klage eines Mieters auf Feststellung, dass sein Mietverhältnis durch fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (hier: nicht ausreichender Brandschutz) beendet worden ist, nicht durch Teilurteil entschieden werden, wenn der Vermieter widerklagend Mietzins für die Zeit vor oder nach dem angeblichen Beendigungstermin begehrt, weil für die Widerklage maßgeblich ist, ob und inwieweit wegen eines nicht ausreichenden Brandschutzes gemindert werden durfte (BGH, Urteil vom 21.01.2009 – XII ZR 21/07, juris-Rn. 7 ff.).
Ein unzulässiges Teilurteil muss nicht aufgehoben werden, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann (BGH, Urteil vom 08.05.2014 – VII ZR 199/13, NJW-RR 2014, 979 Rn. 16). Dies ist beispielsweise für die Fälle anerkannt, in denen das Rechtsmittelgericht die gegen das Teilurteil und das Schlußurteil eingelegten zulässigen Rechtsmittel zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbindet (BGH, Urteil vom 10.07.1991 – XII ZR 109/90, juris-Rn. 10), nach Erlass eines unzulässigen Teilurteils gegen nur einen von zwei Gesamtschuldnern die Klage gegen den zweiten Gesamtschuldner zurückgenommen wird und deshalb eine abweichende Entscheidung in diesem Verfahren ausgeschlossen ist (KG Berlin, Urteil vom 16.08.2004 – 12 U 105/03, juris-Rn. 20) oder über die Vorfrage ein Zwischenfeststellungsurteil gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ergeht, durch das die Möglichkeit eines Widerspruchs zwischen dem Teilurteil und dem Schlußurteil ausgeräumt wird (BGH, Urteil vom 28.11.2002 – VII ZR 270/01 -, juris-Rn. 10).
2. Eine derartige Heilung ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen.
Das Landgericht führte aus, dass der mit der Klage geltend gemachte Räumungsanspruch unabhängig von dem mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch der Beklagten auf Erstattung der für die Reparatur der Heizungsanlage im Mietanwesen verauslagten Kosten sei. Dies war aus der Sicht des Landgerichts zutreffend, da es die – dem Räumungsanspruch zugrundeliegende – Kündigung ausschließlich darauf stützte, dass die Beklagte – durch Ausbau des Kellers zu Wohnzwecken – die Mietsache ohne Zustimmung des Klägers einer erheblichen baulichen Veränderung unterzogen habe. Die vom Kläger zur Begründung der Kündigung ebenfalls ins Feld geführte Zweckentfremdung der Mietsache, da diese nicht dafür geeignet sei, 30 bis 40 Monteure zu beherbergen, spielte für das Landgericht im Zusammenhang mit der Frage des Bestehens eines Kündigungsgrundes keine Rolle. Damit bestand vom Standpunkt des Landgerichts aus keine materiell-rechtliche Verzahnung mit dem Widerklageanspruch, weil für diesen die Frage des Ausbaus des Kellers zu Wohnzwecken nicht relevant ist. Der „zweite“ Kündigungsgrund – die Zweckentfremdung der Mietsache – wäre zwar auch für die Widerklage maßgeblich. Damit hat sich das Landgericht im angegriffenen Teilurteil jedoch nicht befasst, sodass insoweit keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen gegeben ist.
Eine andere Beurteilung wäre nur dann veranlasst, wenn der Senat als Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Landgerichts nicht teilen würde, die Kündigung also nicht bereits auf die bauliche Umgestaltung der Kellerräume gestützt werden könne. Denn dann käme es auf die – auch im Rahmen der Widerklage entscheidungsrelevante – Frage der Zweckentfremdung der Mietsache an. Dies ist jedoch – wie die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffern B.II. und B.III. zeigen – nicht der Fall. Eine potentielle Gefahr einander widersprechender Entscheidungen wurde daher durch die Weiterentwicklung der prozessualen Situation gebannt.
II.
Das Landgericht war nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass der Kläger die bauliche Umgestaltung der Kellerräume genehmigt oder wenigstens geduldet habe. Diese Tatsachenfeststellungen des Landgerichts können im Berufungsverfahren nicht mit Erfolg angegriffen werden. Die Beklagte hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
1. Das Erstgericht hat die Beweislastverteilung zutreffend erkannt. Es ist der Mieter, der die Beweislast für die Gestattung der baulichen Veränderung trägt.
2. Das Erstgericht hat sich mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt. Seine Würdigung ist vollständig und rechtlich möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, weshalb die dabei getroffenen Feststellungen für das Berufungsverfahren bindend sind.
a) Da die Berufung – abweichend von ihrer früheren Funktion als vollwertige zweite Tatsacheninstanz – nunmehr in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient, ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden; eine erneute Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit die erste Instanz die Feststellungen nicht vollständig und überzeugend getroffen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Allerdings können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben. Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt – ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze – und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen (BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, juris-Rn. 5 ff.).
Insbesondere ist für eine erneute Anhörung von Parteien oder Vernehmung von Zeugen in der Berufungsinstanz nicht der bloße Wunsch ausreichend, das Berufungsgericht möge die Aussage abweichend vom Erstgericht verstehen. Die erneute Beweisaufnahme ist eröffnet, wenn sich Zweifel bereits aus dem Protokoll ergeben, also die Beweisaufnahme nicht erschöpfend war oder die protokollierten Aussagen im Widerspruch zu den Urteilsgründen stehen (Heßler, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 529 Rnr. 7). Möchte das Berufungsgericht in der Glaubwürdigkeitsbeurteilung von derjenigen der ersten Instanz abweichen, muss es die Beweisaufnahme wiederholen. Voraussetzung ist aber, dass konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachengrundlage des Erstgerichts aufgrund erkannt falscher Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch das Erstgericht, die sich aus der Vernehmungsniederschrift oder den Bewertungstatsachen im Urteil ergeben, bestehen (Heßler a.a.O., Rnr. 8).
b) Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Berufungsbegründung ersetzt lediglich die Beweiswürdigung des Landgerichts mit ihrer eigenen Beweiswürdigung, was den Anforderungen des § 529 ZPO nicht genügt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts wird Bezug genommen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind folgende ergänzende Hinweise veranlasst:
aa) Das Landgericht hat den Kläger und die Geschäftsführer der Beklagten informatorisch angehört.
Die Parteianhörung nach § 141 ZPO ist zwar kein Beweismittel, so dass auf ihrer Grundlage nicht ein Beweisantrag der Gegenpartei abgelehnt werden kann. Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO jedoch grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann dabei im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann, und ihr im Einzelfall sogar den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen oder des als Partei vernommenen Prozessgegners geben. Dem Berufungsgericht ist eine von der erstinstanzlichen Würdigung abweichende Würdigung einer Parteivernehmung ohne Wiederholung der Vernehmung verwehrt. Nichts anderes gilt für die formlose Parteianhörung (BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 48/17, juris-Rn. 12).
Der Kläger führte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung aus, dass er nach Mietvertragsschluss wenigstens zwei Monate nicht mehr am Mietobjekt gewesen sei und dann festgestellt habe, dass im Keller etwas umgebaut werde. Davon sei er überrascht gewesen, weil dies nicht abgesprochen gewesen sei.
Demgegenüber gab der Geschäftsführer der Beklagten an, dass der Ausbau des Kellers zu Wohnzwecken auf Kosten der Beklagten von Anfang an zwischen den Vertragsparteien abgesprochen gewesen sei und der Kläger die hierfür erforderlichen Baugenehmigungen beschaffen sollte sowie den Zeugen R. J. als Architekten beauftragt habe.
bb) Das Vorbringen des Klägers wird bestätigt durch dessen Email an den Geschäftsführer der Beklagten vom 30.01.2018, wonach die „ohne Vorsprache vorgenommenen Änderungen im Kellerbereich und Nutzung als Wohnbereich gesetzlich nicht erlaubt“ sei.
Eine Bestätigung des Vorbringens der Beklagten durch die Email vom 21.10.2017 vermag der Senat nicht zu erkennen, weil diese Mail den Kellerumbau nicht thematisiert.
Die Email des Klägers an den Geschäftsführer der Beklagten vom 12.12.2016 zeigt zwar, dass dem Kläger bestimmte Umbaumaßnahmen im Keller wie die Errichtung einer Trennwand im Waschkeller und die Anbringung eines Regals, bekannt gewesen waren nicht jedoch eine Nutzungsänderung hin zu Wohnzwecken. Gleiches gilt für die Email des Klägers vom 13.10.2016, weil darin zwar allgemein ausgeführt ist, dass der „Kellerbereich […] vom Mieter ausgebaut“ worden sei, ohne jedoch zu präzisieren, worin der Ausbau bestand.
cc) Die ausführliche Würdigung der Aussagen der Zeugen R. J. und Agim Mehmeti durch das Erstgericht ist nicht zu beanstanden. Auf die landgerichtlichen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugen und Glaubhaftigkeit von deren Angaben wird Bezug genommen.
dd) Diese – sich aus den widersprechenden Angaben der Parteien und Zeugen sowie in der Korrespondenz ergebende – Situation des non-liquet muss letztlich zulasten der beweisbelasteten Beklagten ausgehen.
III.
Da erneute Feststellungen nicht geboten sind, hat der Senat von den Feststellungen des Erstgerichts auszugehen (§ 529 Abs. 1 ZPO). Diese rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Dem Kläger stand ein Grund zum wirksamen Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zur Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 543 BGB zu.
a) Die außerordentliche Kündigung ist gerechtfertigt, wenn aus Sicht der kündigenden Partei ein wichtiger Grund zur sofortigen Vertragsbeendigung vorliegt. Der Begriff des wichtigen Grundes wird in § 543 Abs. 1 S. 2 BGB, auf welchen zur Ausfüllung der von den Parteien getroffenen Vertragsbestimmung abzustellen ist, definiert. Aus dieser Definition ergibt sich, dass über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung („unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“) zu entscheiden ist. Die Interessen des Vermieters an der Vertragsbeendigung und die Interessen des Mieters an der Fortdauer des Mietverhältnisses sind also zu ermitteln und zu bewerten. Weiter erfordert die Vorschrift, dass die Vertragsverletzung so schwer sein muss, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Ein zur Kündigung berechtigender Grund kann gegeben sein, wenn der Mieter eigenmächtig bauliche Veränderungen vornimmt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Mieter den Dachboden eigenmächtig zu Wohnzwecken ausbaut (Mehle, in BeckOGK, 01.07.2020, § 543 BGB Rn. 79 f.; LG Hamburg, Urteil vom 26.04.1991 – 311 S 1/91, juris-Rn. 7) oder zusätzliche Versorgungsleitungen ohne Genehmigung des Vermieters nachträglich installiert (LG Gießen, Urteil vom 01.06.1994 – 1 S 507/93, juris-Rn. 5).
Voraussetzung ist jedoch, dass in dem eigenmächtigen Aus- und Umbau des Mietobjektes durch den Mieter eine Vertragsverletzung zu sehen ist (Alberts, in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, § 543 BGB Rn. 17). Das Recht zur Kündigung steht dem Vermieter von Gewerberaum bei Vornahme baulicher Änderungen seitens des Mieters ohne Zustimmung daher dann nicht zu, wenn das Mietobjekt durch die Baumaßnahmen erst in einen vertragsgemäßen Zustand versetzt wurde (OLG Köln, Urteil vom 19.05.2017 – 1 U 25/16, juris-Rn. 74; OLG Frankfurt, Urteil vom 19.08.1998 – 23 U 116/95, juris-Rn. 6).
b) Im vorliegenden Fall ist im Rahmen der notwendigen Abwägung zum einen zu berücksichtigen, dass gemäß § 12 des Mietvertrages bauliche Veränderungen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Vermieters durchgeführt werden dürfen.
Zum anderen ist zu beachten, dass die streitgegenständlichen Veränderungen an der Mietsache in die Bausubstanz erheblich verändernd eingreifen, eine intensivere Nutzung und damit verbundene erhöhte Abnutzung der Mietsache zur Folge haben und einen hohen Aufwand für ihren Rückbau verursachen. Sie stellen somit einen über den üblichen Gebrauch im Sinne des §§ 535, 538 BGB hinausgehenden Gebrauch der Mietsache dar.
Schließlich kann nicht außer Acht bleiben, dass aus bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten wie Brandschutz, Fluchtwegproblematik oder Belichtung die Kellerräume bautechnisch nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet sind, sodass der Kläger, der als Eigentümer bauordnungsrechtlich für den Zustand des Anwesens haftbar gemacht werden kann, entsprechende Maßnahmen der Bauordnungsbehörde zu gewärtigen hätte.
2. Die Beklagte ist vor Ausspruch der Kündigung vom 19.04.2018 wirksam abgemahnt worden.
a) Die Abmahnung soll dem Mieter Gelegenheit zur Änderung seines Verhaltens geben. Zweck des Abmahnungserfordernisses ist es, dem Mieter vor Vertragsbeendigung noch eine Chance zu vertragsgemäßem Verhalten einzuräumen (BGH, Urteil vom 11.01.2006 – VIII ZR 364/04, NJW 2006, 1585 Rn. 14). Darüber hinaus besteht der Sinn einer Abmahnung darin, dem Empfänger unmissverständlich deutlich zu machen, dass ein bestimmt bezeichnetes vertragswidriges Verhalten nicht mehr länger hingenommen werden wird (BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 345/10, juris-Rn. 12).
Diesen Anforderungen an eine Abmahnung kann auch eine Kündigungserklärung genügen, wenn sie dem Empfänger deutlich vor Augen führte, dass der Vermieter mit einem bestimmten Verhalten nicht einverstanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 345/10, juris-Rn. 12).
b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger zum einen in der Email vom 30.01.2018 der Beklagten mitgeteilt, dass „die ohne Vorsprache vorgenommenen Änderungen im Kellerbereich und Nutzung als Wohnbereich gesetzlich nicht erlaubt ist und sofort unterlassen werden muss.“ Der Kläger werde „die Nutzung des Mietobjekts in der Zukunft in der Form ([…] Kellernutzung als Wohnraum […]) nicht mehr dulden.“
Zum anderen führte der Kläger in der ordentlichen Kündigung vom 02.02.2018 aus, dass die Beklagte „widerrechtlich den Keller, der überhaupt nicht zu Wohnzwecken geeignet ist, ausgebaut“ habe.
Durch diese zwei Schreiben hat der Kläger hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Zustand im Zusammenhang mit dem Kellerausbau nicht mehr länger hinzunehmen bereit ist. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Abmahnung war der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung vom 19.04.2018 somit hinreichend gewarnt.
3. Die Klagepartei hat innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund die Kündigung erklärt.
a) Im Bereich der Gewerberaummiete findet die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB Anwendung (OLG Koblenz, Beschluss vom 05.05.2011 – 2 U 793/10, juris-Rn. 8). Danach muss die außerordentliche und fristlose Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist von dem Zeitpunkt erklärt werden, in welchem der Kündigende vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt.
Die angemessene Frist bestimmt sich unter Berücksichtigung ihres Zwecks, der Bedeutung des Kündigungsgrundes, der Auswirkungen für die Beteiligten und des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen. In einer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof eine Frist von drei Monaten ab der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von dem Kündigungsgrund gebilligt (BGH, Urteil vom 23.04.2010 – LwZR 20/09, juris-Rn. 15). In einem anderen Urteil hat er eine Frist von vier Monaten, die der Kündigende bis zum Ausspruch der Kündigung verstreichen lässt, als angemessen im Sinne von § 314 Abs. 3 BGB angesehen (BGH, Urteil vom 21.03.2007 – XII ZR 36/05, juris-Rn. 21).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen die Pflichtverletzung von Seiten des Vertragspartners in einem Dauerverstoß liegt, die Kündigungsfrist zwar in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Kündigende Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangt hat. Allerdings beginnt durch das wiederkehrende Fehlverhalten immer wieder eine erneute Kündigungsfrist, so dass durch die Abmahnung bzw. die erneute Fristsetzung und den weiter bestehenden Pflichtenverstoß ein neuer Kündigungsgrund entsteht. (OLG Dresden, Beschluss vom 25.08.2015 – 5 U 1057/15, juris-Rn. 36). Nach anderer Auffassung beginnt bei einem pflichtwidrigen Dauerzustand die Frist für die Ausübung des Kündigungsrechtes gemäß § 314 Abs. 3 BGB nicht vor der Beendigung dieses Zustandes zu laufen, da bei andauernden Pflichtverletzungen auch der Kündigungsgrund als solcher fortbesteht (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 18.06.2013 – 3 U 134/11, juris-Rn. 35; KG Berlin, Urteil vom 20.12.2004 – 8 U 66/04, juris-Rn. 32).
b) Die Beklagte trägt im vorliegenden Fall in der Berufungsbegründung zwar zutreffend vor, dass der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung Folgendes angab:
Im März 2017 habe ich erstmals, als ich vor Ort am Mietobjekt war, gesehen, dass der Keller eben ausgebaut wurde. Ich habe dort Handwerker angetroffen, und die haben mir dann gesagt, ich solle den Ist-Zustand dokumentieren, damit dann später wieder alles so gemacht wird, wie es vorher war.
Damit hatte der Kläger spätestens im März 2017 Kenntnis von den Umbaumaßnahmen im Keller und damit auch von der Nutzungsänderung zu Wohnraumzwecken.
Auf diesen Zeitpunkt kann jedoch für den Fristbeginn aufgrund der nachfolgenden Gesichtspunkte nicht abgestellt werden:
Zum einen ist die E-Mail des Klägers vom 30.01.2018 zu berücksichtigen. Darin führt er u.a. aus, dass er mittlerweile in Erfahrung gebracht habe, dass die ohne Vorsprache vorgenommenen Änderungen im Kellerbereich und Nutzung als Wohnbereich gesetzlich nicht erlaubt seien und sofort unterlassen werden müssten. Da die Frage der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der Wohnnutzung im Kellerbereich ein wesentliches Beurteilungskriterium für das Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes ist, ist die Kenntniserlangung dieses Umstandes für den Fristbeginn maßgeblich.
Zum anderen handelt es sich bei der Nutzung des Kellerbereiches zu Wohnzwecken um einen Dauerverstoß. Der Kläger machte mit Schreiben vom 30.01.2018 und 02.02.2018 deutlich, dass er mit dieser andauernden Pflichtverletzung nicht einverstanden war. Vor diesem Hintergrund erfolgte die am 19.04.2018 ausgesprochene Kündigung noch innerhalb angemessener Frist.
4. Das Kündigungsrecht des Klägers ist nicht verwirkt (§ 242 BGB). Es kann dahingestellt bleiben, ob der unter Ziffer B.III.3.b) dargestellte Zeitraum für die Annahme des Verwirkungstatbestandes bereits ausreicht. Jedenfalls hat die Beklagte nichts zu dem Umstandsmoment – also zu konkreten auf dem Verhalten des Klägers beruhenden Umständen, aus denen die Beklagte hätte entnehmen können, dass der Kläger sein Kündigungsrecht nicht ausüben werde – vorgetragen.
IV.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
C.
Der zulässige Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.
Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil – gegen oder ohne Sicherheitsleistung – einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht stets die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits umfassend abzuwägen, wobei die Interessen des Vollstreckungsgläubigers nach Sinn und Zweck der §§ 708 ff. ZPO grundsätzlich als vorrangig zu bewerten sind (OLG Bremen, Beschluss vom 16.05.2008 – 2 U 34/08, juris-Rn. 7).
Umstände, welche eine Abweichung von der gesetzlichen Ausgangswertung rechtfertigen, können nur bestehen, soweit der durch die Einstellungsentscheidung zu sichernde Hauptrechtsbehelf überhaupt Aussicht auf Erfolg hat (BGH, Beschluss vom 11.04.2002 – V ZR 308/01, juris-Rn. 5). Die Prüfung von Einstellungsanträgen hat daher zunächst im Hinblick darauf zu erfolgen, ob das Rechtsmittel des Antragstellers bei summarischer Prüfung überwiegend Aussicht auf Erfolg bietet bzw. nicht von vornherein aussichtslos ist (OLG Bremen, Beschluss vom 16.05.2008 – 2 U 34/08, juris-Rn. 8).
Im vorliegenden Fall ist die Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet. Auf die obigen Ausführungen unter Ziffer B. wird Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund ergibt die vorzunehmende Interessenabwägung, dass der Einstellungsantrag unbegründet ist, zumal bereits nach der erstinstanzlichen Entscheidung die Beklagte die (vorläufige) Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € abwenden darf, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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