Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft

Aktenzeichen  S 42 AS 72/17 ER

Datum:
9.2.2017
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 22 Abs. 1

 

Leitsatz

Leben mehrere Personen in einem gemeinsamen Haushalt zusammen ohne lediglich eine Wohngemeinschaft zu bilden, richtet sich die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft auch dann nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder, wenn nicht alle Haushaltsmitglieder zugleich Mitglied der Bedarfsgemeinscahft sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die 1971 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem 2004 geborenen Sohn in einer Haushaltsgemeinsacht. Der Sohn hat eigenes, bedarfsdeckendes Einkommen durch Kindergeld und Unterhaltszahlungen seines Vaters. Die Antragstellerin erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner. Zuletzt gewährte der Antragsgegner mit (Änderungs-)bescheid vom 24. Januar 2017 der Antragstellerin Leistungen in Höhe von monatlich 745,80 Euro für die Monate Februar bis März 2017.
Bis zum 5. September 2014 lebte die Antragstellerin in der Landeshauptstadt A-Stadt. Nach Zwangsräumung ihrer Wohnung zog sie Anfang September 2014 nach B-Stadt, wo ihr von der Gemeinde eine Unterkunft zur Verhinderung von Obdachlosigkeit zugewiesen wurde. Die Zuweisung wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2015.
Am 31. Dezember 2014 unterzeichnete die Antragstellerin einen Mietvertrag über eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 57 qm in der A-Straße in A-Stadt (A-Teil) mit Mietbeginn zum 1. Januar 2015 und einer monatlichen Grundmiete von 800,- Euro zuzüglich einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten von 150,- Euro.
Das Jobcenter Landkreis A-Stadt lehnte mit Bescheid vom 8. Januar 2015 die Genehmigung der Wohnung in der A-Straße und die Erteilung einer Zusicherung im Sinn des § 22 Abs. 4 und 6 SGB II sowie die Übernahme von Umzugskosten mit der Begründung ab, dass die ohne Zustimmung angemietete Wohnung mit einer Netto-Kaltmiete von 800,- Euro die angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt A-Stadt übersteigen würde. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2015 zurückgewiesen.
Einen Antrag u.a. der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz vom 9. Januar 2015 lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 29. Januar 2015 zum Aktenzeichen S 54 AS 43/15 ER ab. Die Entscheidung wurde vom Bayerischen Landessozialgericht als Beschwerdegericht bestätigt (Beschluss vom 04.02.2015, L 7 AS 75/15 B ER). Ein Anordnungsanspruch für eine Zusicherung der laufenden Kosten der neuen Wohnung nach § 22 Abs. 4 SGB II sowie auf Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten bzw. Mietkaution nach § 22 Abs. 6 SGB II seien nicht glaubhaft gemacht. Es genüge nicht, dass ein Auszug aus der bisherigen Unterkunft notwendig sei, es müsse auch ein Einzug in eine kostenangemessene Unterkunft erfolgen. Nach summarischer Prüfung im Eilverfahren seien die Aufwendungen für die neue Wohnung nicht angemessen. Soweit Anordnungsansprüche dem Ermessen des Antragsgegners unterliegen würden, sei eine Ermessensreduzierung auf Null nicht glaubhaft.
Die Antragstellerin begehrte am 19. Februar 2015 erneut einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, den Antragsgegner u.a. zur Bewilligung der laufenden Kosten der Unterkunft A-Straße ab dem 1. Januar 2015 zu verpflichten. Das Sozialgericht lehnte diesen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 2. März 2015 ab. Auf die Beschwerde der Antragstellerin verpflichtete das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 16 AS 217/15 B ER) den Antragsgegner, der Antragstellerin und ihrem Sohn für die Zeit vom 1. April 2015 bis 30. September 2015 weitere Leistungen nach dem SGB II für ihre Kosten der Unterkunft vorläufig zu gewähren. Denn für die Zeit ab 1. April 2015 hielt es das Beschwerdegericht für überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin und ihr Sohn ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Wohnung in der A-Straße hatten und diese Wohnung seither die tatsächlich genutzte Unterkunft war. Für die Monate Januar bis März 2015 blieb der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 19. Februar 2015 jedoch erfolglos.
Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2017, eingegangen beim Sozialgericht München am 13. Januar 2017, hat die Antragstellerin, zunächst anwaltlich vertreten, einstweiligen Rechtsschutz begehrt.
Der minderjährige Sohn der Antragstellerin erhalte bedarfsdeckendes Einkommen in Form von Kindesunterhalt in Höhe von 640,- Euro sowie Kindergeld in Höhe von 192,- Euro und bilde mit der Antragstellerin daher keine Bedarfsgemeinschaft. Zu Unrecht sei daher vom Antragsgegner bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf einen Zwei-Personen-Haushalt abgestellt worden. Die Antragstellerin sei gegenwärtig gezwungen, die vom Antragsgegner nicht getragenen Kosten der Unterkunft selbst aus den Regelleistungen zu bestreiten, um ihren mietvertraglichen Pflichten nachzukommen. Sie fürchte ansonsten die Kündigung des Mietverhältnisses.
Sie hat mit ihrer Antragsschrift Prozesskostenhilfe beantragt. Ferner hat die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegner zur Gewährung höherer Leistungen nach gesetzlicher Maßgabe des SGB II ab 1. Januar 2017 zu verpflichten.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es sei zwar zutreffend, dass der Sohn der Antragstellerin aufgrund eigenem, bedarfsdeckendem Einkommens mit der Antragstellerin keine Bedarfsgemeinschaft bilde. Gleichwohl müsse von einer Haushaltsgemeinschaft ausgegangen werden. Die Kosten der Unterkunft seien mithin auf Grundlage eines Zwei-Personen-Haushalts zu bewilligen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
1. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.
Für den Rechtsstreit ist der Sozialrechtsweg eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (nicht verfassungsrechtlicher Art) in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der materiell-rechtliche Anspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) als auch von § 51 Abs. 1 SGG (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2011 – L 28 B 1701/08 AS – juris Rn. 15). Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers bzw. Antragstellers darstellt und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BSG, Beschluss vom 22. April 2009 – B 13 SF 1/08 R – juris Rn. 11).
Die Antragstellerin steht im Leistungsbezug beim Antragsgegner und mithin in einem sozialrechtlichen, d.h. öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis, zum Antragsgegner. Die Natur des Rechtsverhältnisses ist mithin öffentlich-rechtlich. Ob tatsächlich eine Anspruchsgrundlage aus dem SGB II für das Begehren der Antragstellerin streitet, ist eine Frage der Begründetheit.
Neben den weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen ist auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis im Interesse der Antragstellerin zu bejahen. Nur wer ein rechtsschutzwürdiges Interesse hat, hat auch Anspruch auf eine Sachentscheidung des Gerichts. Dieses kann fehlen, wenn es einen einfacheren, aber gleichermaßen effektiven Weg gibt, die eigenen Interessen geltend zu machen. Da die Antragstellerin zuletzt mit Schreiben vom 26. Januar 2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Januar 2017 einlegte, geht das Gericht hier im Interesse des Antragstellers vom Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses aus.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch d.h. den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn es bei Abwägung aller betroffenen Interessen unzumutbar erscheint, Entscheidungen in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Anspruch auf die begehrten Leistungen (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft sein, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet, dass für die richterliche Überzeugung von einer Tatsache – anders als bei § 286 Abs. 1 ZPO – hier nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 920 Rn. 9). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, ist die einstweilige Anordnung zu erlassen. Ist sie offensichtlich unbegründet, wird die Anordnung abgelehnt. Ist die Hauptsacheklage offen, ist eine Interessenabwägung erforderlich. Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ohne die einstweilige Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies im Interesse des Antragstellers unzumutbar wäre.
Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht legte der Antragsgegner bei der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft die Werte eines Zwei-Personen-Haushalts zugrunde.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die insoweit geltende Mietobergrenze für einen Zwei-Personenhaushalt beträgt für das Gebiet der Landeshauptstadt A-Stadt seit 1. Januar 2016 und gegenwärtig 732,- Euro. Dies stellt die Bruttokaltmiete dar, d.h. die Grundmiete nebst der Nebenkosten ohne Vorauszahlung für die Heizung. Dieser Wert wurde vom Antragsgegner zutreffend zu Grunde gelegt, indem er als Gesamtbedarf der Haushaltsgemeinschaft der Antragstellerin eine Grundmiete in Höhe von 648,70 Euro und Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 83,32 Euro berücksichtigte.
Die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft kann die Antragstellerin nicht verlangen. Wie der Antragstellerin in vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits hinreichend deutlich gemacht wurde, sind die Kosten der von ihr und ihrem Sohn bewohnten Wohnung unangemessen hoch.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG vom 20.8.2009, B 14 AS 65/08 R, Rz. 13) ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards ist in einem zweiten Schritt festzustellen, welcher räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit maßgebend ist. Sodann ist zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt im streitgegenständlichen Zeitraum aufzuwenden gewesen ist. Abschließend ist zu prüfen, ob der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative bestanden hat. Letzter Prüfungsschritt wurde allerdings wesentlich eingeschränkt. Wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, dann ist davon auszugehen, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (vgl. BSG vom 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R und BSG vom 10.9.2013, B 4 AS 77/12 Rz 38). Die konkrete Verfügbarkeit wird somit vermutet. Die vom Antragsgegner in der Landeshauptstadt A-Stadt angewandte Referenzmiete, hier für einen Zwei-Personen-Haushalt, beruht auf einem schlüssigen Konzept und ist angemessen (vgl. zuletzt Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Dezember 2016 – L 7 AS 241/15 -, juris).
Zu Recht wurde vom Antragsgegner auch die Referenzmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt in Höhe von 732,- Euro bruttokalt berücksichtigt. Denn die Antragstellerin lebt, was sie auch nicht bestreitet, mit ihrem minderjährigen schulpflichtigen Sohn in einem Zwei-Personen-Haushalt. Bewohnen mehrere Personen die Unterkunft, verteilen sich die Wohnkosten grundsätzlich nach Kopfteilen auf die einzelnen Bewohner, auch wenn sie nicht alle im Leistungsbezug stehen. Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist nach ausdrücklicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht deshalb geboten, weil die Unterkunft auch von einem nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kind genutzt wird (BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 13/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 6).
Entscheidend ist mithin nicht, dass die Antragstellerin mit ihrem Sohn keine Bedarfsgemeinschaft (mehr) bildet, sondern dass beide nicht lediglich in einer bloßen Wohngemeinschaft leben. Richtig ist, dass bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Produkttheorie allein auf den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als Einzelperson abzustellen ist, wenn er nicht in einer Bedarfsgemeinschaft, sondern in einer bloßen Wohngemeinschaft lebt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 12). Für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten wäre dann allein auf die Antragstellerin abzustellen, wenn sie mit ihrem Sohn in einer bloßen Wohngemeinschaft lebte.
Insoweit urteilte das Bundessozialgericht:
„Bei einer Bedarfsgemeinschaft kann typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Wohnraum insgesamt gemeinsam genutzt wird. Die Überlassung eines Raumes an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zur ausschließlichen Nutzung, etwa ein Kinderzimmer, erfolgt regelmäßig nicht aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung und vermittelt dementsprechend auch keine Rechtsposition. Bei einer Wohngemeinschaft wird hingegen typischerweise jeweils einem Bewohner ein Recht zur alleinigen Nutzung eines Teils des Wohnraums eingeräumt. Nur ein Teil der Wohnung, zumeist Flur, Küche und Bad, werden gemeinschaftlich genutzt. Unabhängig davon, ob in anderen Bereichen auch gemeinsam gewirtschaftet wird, besteht jedenfalls hinsichtlich des individuellen Wohnraums in aller Regel eine klare Trennung der dem Einzelnen zuzuordnenden Bereiche“
vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R Rn. 22).
Von einer solchen klaren Trennung der Wohnung, wie sie für eine Wohngemeinschaft erforderlich ist, ist vorliegend nicht auszugehen. Mutter und minderjähriger, schulpflichtiger Sohn bilden keine bloße Wohngemeinschaft, sondern führen den Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft „aus einem Topf“ (vgl. zum Begriff der Haushaltsgemeinschaft Mecke, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 9 Rn. 89 f.) Es darf durchaus unterstellt werden, dass die Antragstellerin, wie dies für eine Mutter üblich ist, für sich und ihren Sohn gemeinsam sorgt und nicht nur für sich allein wirtschaftet. Gegenteiliges ist weder ersichtlich und wurde von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen. Vielmehr geht auch die Antragstellerin zu Recht von einer Haushaltsgemeinschaft aus.
Entscheidend ist mit anderen Worten, dass die Antragstellerin mit ihrem Sohn gerade nicht lediglich in einer Wohngemeinschaft lebt. Auch wenn der Antragstellerin zubilligen ist, dass das Bundessozialgericht in dieser von ihr auch zitierten Entscheidung eine Abgrenzung nur zwischen Bedarfsgemeinschaft einerseits und Wohngemeinschaft andererseits vornimmt, so macht auch gerade diese Entscheidung deutlich, dass bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nur dann allein auf den konkreten Hilfebedürftigen abzustellen ist, wenn er mit anderen in einer bloßen Wohngemeinschaft lebt. Nur dann rechtfertigt dies m.a.W. „keine Besserstellung“ gegenüber Hilfebedürftigen, die mit Personen zusammen wohnen, mit denen sie eine Bedarfsgemeinschaft bilden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R Rn. 22). Denn die konkrete Lebenssituation bleibt die gleiche, ob Antragstellerin und ihr Sohn nach § 7 Abs. 3 (Nr. 4) SGB II eine Bedarfsgemeinschaft bilden oder ob der Sohn der Antragstellerin aus selbiger ausscheidet, weil er seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreiten kann.
3. Voraussetzung für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) ist neben dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auch ein Anordnungsgrund. Der Anordnungsgrund ist Ausdruck der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung. Vorliegend ist schließlich auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Zwar hat die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift vom 13. Januar 2017 vortragen lassen, bei Nichtzahlung der Miete drohe die Kündigung der Wohnung durch den Vermieter.
Welche Anforderungen in einem Streit um SGB II-Leistungen für laufende bzw. offene Kosten der Unterkunft an den Anordnungsgrund zu stellen sind, ist umstritten (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. August 2016 – L 8 AS 675/16 B ER – juris Rn. 17). So wird vertreten, dass ein Anordnungsgrund erst dann vorliege, wenn Obdachlosigkeit drohe bzw. der Vermieter Räumungsklage erhoben habe (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.09.2014 – L 7 AS 1385/14 B ER – juris Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 28.03.2014 – L 7 AS 802/13 B ER – juris Rn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2010 – L 5 AS 2025/10 B ER – juris Rn. 3). Nach anderer Ansicht ist ausreichend, dass jedenfalls die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen, auch wenn eine solche noch nicht ausgesprochen und eine Räumungsklage nicht erhoben wurde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.07.2014 – L 10 AS 1393/14 B ER – juris Rn. 5).
Vorliegend ist jedoch keine der aufgeführten Fallgestaltungen gegeben. Denn jeder Mieter, der seine Miete nicht (vollständig) bezahlt, riskiert die Kündigung seiner Wohnung. Vorliegend scheint die Antragstellerin mit ihren Mietzahlungsverpflichtungen jedoch überhaupt nicht im Rückstand zu sein. Nochmals muss die Antragstellerin darauf hingewiesen werden, dass sie sich bewusst für die Anmietung einer Wohnung entschieden hat, die im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II unangemessen teuer ist. Dass sie die Differenz aus tatsächlichen Mietkosten und vom Antragsgegner anerkannten Kosten der Unterkunft aus ihren Regelleistungen bestreiten muss, ist daher hinzunehmen und stellt jedenfalls keine Notlage im Sinne dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dar.
4. Sofern die Antragstellerin auch in Zukunft die Angemessenheit der vom Antragsgegner berücksichtigten Kosten ihrer Unterkunft im Wege einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu hinterfragen gedenkt, wird sie in Zukunft Gefahr laufen, dass ihr von Seiten des Gerichts Kosten für die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe gemäß § 192 SGG auferlegt werden.
Auch wird der Antragstellerin mit Nachdruck empfohlen, ihr Verhalten insoweit zu überdenken, als sie Mitarbeitern des Antragsgegners strafrechtlich relevantes Verhalten vorwirft.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
6. Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung einem Antragsteller, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, dann gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im vorliegenden Fall war die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aber abzulehnen, weil nach dem oben Dargestellten der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz keine Aussicht auf Erfolg hatte.


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