Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beweislast, Verpflichtung, Gemeinderatsbeschluss, Auflassung, Winterdienst

Aktenzeichen  51 S 1964/15

Datum:
18.11.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2015, 126437
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1, § 544
EGZPO § 26 Nr. 8
BayStrWG Art. 51 Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 C 96/15 2015-12-02 Endurteil AGLINDAU AG Lindau

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) vom 02.12.2015, Az. 2 C 96/15, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anpassung des notariellen Kaufvertrags vom 15.06.1982, da die Durchführung des Winterdienstes nicht Geschäftsgrundlage dieses Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB war.
Einseitige Erwartungen einer Partei, die für ihre Willensbildung maßgeblich waren, können zur Geschäftsgrundlage gehören, wenn sie dem anderen Teil mitgeteilt und in den gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen worden sind (Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth 40. Edition § 313 RdNr. 19). Wer sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage beruft, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch für den Umstand, dass dem Vertrag bestimmte Vorstellungen zugrunde gelegen haben und die Parteien mögliche Änderungen nicht in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogen haben (Beck’scher Online-Kommentar a.a.O. RdNr. 96 m.w.N.).
Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf den Beschluss des Gemeinderats der Gemeinde O… vom 04.12.1969 (dort zu Ziff. 5) und auf das Schreiben der Stadt Lindau vom 19.11.1976 an die im Grundabtretungsvertrag vom 18.11.1976 aufgeführten Personen berufen. Der Gemeinderatsbeschluss vom 04.12.1969 ist ein rein interner Akt. Um Geschäftsgrundlage eines Vertrages zu sein, hätte dieser Beschluss einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Bürger, der sich darauf berufen möchte, bedurft (so auch zutreffend VG Augsburg, Urteil vom 15.12.2010 -Au 6 K 10.631-, juris). Da es sich bei dem Grundstückskaufvertrag vom 15.06.1982 um einen notariellen Kaufvertrag handelt, hätte diese Nebenabrede (Vereinbarung bzgl. des Winterdienstes) mit beurkundet werden müssen, wenn es sich um eine Gegenleistung der Beklagten gehandelt hat, die für den Verkauf der Vertragsflächen hätte erbracht werden sollen.
Aber auch eine evtl. Berücksichtigung des Schreibens der Stadt Lindau vom 19.11.1976 als Geschäftsgrundlage des notariellen Kaufvertrages vom 15.06.1982 führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Grundstückseigentümer im notariellen Grundabtretungsvertrag mit Auflassung vom 18.11.1976 die Vertragsflächen unentgeltlich an die Stadt Lindau abgetreten haben (vgl. Ziff. IV des notariellen Vertrages) und ihnen deshalb die Beklagte als Gegenleistung die Verpflichtung zum Winterdienst mit dem Schreiben vom 19.11.1976 gem. Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde O… vom 04.12.1969 bestätigt hat.
Im Gegensatz zu diesen notariellen Grundabtretungsverträgen hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin den an die Stadt Lindau verkauften Vertragsgrundbesitz für DM 30 pro Quadratmeter (insgesamt 4.200 DM) veräußert, so dass eine Gleichbehandlung mit den Abtretungsverträgen aus dem Jahr 1976 nicht in Betracht kommt und für den vorliegenden notariellen Kaufvertrag mit diesen Verträgen und dem Schreiben der Stadt Lindau vom 19.11.1976 eine Geschäftsgrundlage nicht bewiesen werden kann.
Aus dem jahrelangen kostenlosen Winterdienst der Stadt Lindau ergibt sich kein schützenswertes Vertrauen, auf das sich die Klägerin rechtlich berufen könnte. Diese tatsächliche Handlung der Beklagten war weder durch einen Vertrag oder einer sonstigen Zusage untermauert, so dass allein daraus kein Vertrauenstatbestand gesetzt wurde, auf den sich die Klägerin berufen könnte.
Gem. Art. 51 Abs. 5 BayStrWG hat die Stadt Lindau am 07.10.1998 eine Winterdienstordnung erlassen. Den erforderlichen Winterdienst hat die Klägerin nach dieser Verordnung zu leisten. Auf eine Anpassung der Geschäftsgrundlage kann sich die Klägerin aus den genannten Gründen nicht berufen. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 02.12.2015 daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
V.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar. Höchstrichterliche Rechtsfragen standen nicht an.


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