Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Aktenzeichen  3 S 9/19

Datum:
21.5.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47050
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

102 C 403/18 2018-12-17 AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Bamberg vom 17.12.2018, Az. 0102 C 403/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, das Wohnhaus in …, zu räumen und geräumt mit allen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Kosten, welche für das schriftliche und mündliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen … entstanden sind; diese Sachverständigenkosten sind allein von den Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Den Beklagten zu 1) und 2) wird eine Räumungsfrist bis zum 21.02.2022 gewährt.
4. Das Urteil ist nach Maßgabe der gewährten Räumungsfrist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1) und 2) können die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.176,00 € € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe des Anwesens … in … Mit Mietvertrag vom 31.05.2008 mieteten die Beklagten zu 1) und 2) das vorgenannte Anwesen zu einer monatlichen Kaltmiete von 598,00 €. Damaliger Vermieter war …. Als Mietbeginn war der 15.06.2008 vereinbart. Wie von Anfang an vorgesehen, bezogen die Beklagten zu 1) und 2) das Anwesen gemeinsam mit ihrer schwerbehinderten Tochter …, geboren am 25.06.1999. Die Beklagten zu 1) und 2), welche jeweils Transferleistungen erhalten bzw. der Beklagte zu 1) seit 01.10.2020 volle Erwerbsminderungsrente, bilden schon seit Jahren keine nichteheliche Lebensgemeinschaft mehr und haben dementsprechend bereits jahrelang separate Schlafzimmer.
Jedenfalls seit Juni 2018 wohnte auch die Beklagte zu 3) in dem Anwesen; die Beklagten zu 1) und 2) hatten sie mit Zustimmung des damaligen Eigentümers in ihren Haushalt aufgenommen. Im Dezember 2018 zog die Beklagte zu 3) wieder aus.
In der Mietvertragsurkunde vom 31.05.2008 ist unter anderem folgende Regelung getroffen: „Wenn der Mieter seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, verlängert sich der Vertrag von selbst jeweils und immer auf drei Jahre.“ Weiter heißt es gegen Ende des Mietvertrags: „Sollten die oben genannten vertraglichen Bestimmungen nicht eingehalten werden, so hat das die fristlose Kündigung des Mietvertrags zur Folge.“ Hinsichtlich des weiteren Vertragsinhalts wird auf die Mietvertragsurkunde vom 31.05.2008 (Anlage K 1) Bezug genommen.
Mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 26.04.2017 erwarb der Kläger im Rahmen des dortigen Zwangsversteigerungsverfahrens für 130.000,- € (Meistgebot) das Alleineigentum an dem streitgegenständlichen Anwesen. Insgesamt beliefen sich die Kosten für den Kläger auf 186.000,- €.
Mit zwei Anwaltsschreiben jeweils vom 22.05.2017, adressiert zum einen an den Beklagten zu 1) und zum anderen an die Beklagte zu 2), erklärte der Kläger die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses „zum nächst zulässigen Termin zum 28.02.2018“ wegen Eigenbedarfs. Diesen begründete er damit, dass er mit seiner Ehefrau … gegenwärtig sehr beengt in einer lediglich 15 qm großen Wohnung in …, wohne. Die beiden Töchter, geboren am 18.11.2009 und am 05.06.2014, seien gegenwärtig noch in Moldawien bei den Großeltern wohnhaft. Er beabsichtige, mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammenzuziehen und benötige hierfür das Anwesen …. Wie es in der Kündigung weiter heißt, wolle der Kläger zudem, seinen gegenwärtig in Barcelona wohnhaften und an Hepatitis C schwer erkrankten Bruder zu sich zu holen, um ihn zu pflegen.
Das an die Beklagte zu 2) adressierte Kündigungsschreiben vom 22.05.2017 wurde dieser am 24.05.2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 28.12.2017 wiesen die Beklagten zu 1) und 2) auf die fehlende Zustellung an den Beklagten zu 1) hin und erklärten zugleich vorsorglich den Kündigungswiderspruch verbunden mit einem unbefristeten Fortsetzungsbegehren. Dies begründeten sie damit, dass die Beendigung des Mietverhältnisses im Hinblick auf ihre im Haushalt lebende schwerkranke Tochter eine unzumutbare Härte bedeuten würde, insbesondere auch geeigneter Ersatzwohnraum bislang nicht zu finden gewesen sei.
Mit zwei weiteren Anwaltsschreiben jeweils vom 31.01.2018 erklärte der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1) und 2), diesen zugestellt jeweils am 02.02.2018, erneut die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs „zum nächst zulässigen Termin zum 30.11.2018“. Die angegebene Begründung des Eigenbedarfs ist identisch mit derjenigen der vorangegangenen Kündigungsschreiben. Auch dieser Kündigung widersprachen die Beklagten zu 1) und 2) schriftlich Ende September 2019.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2018 – nach Schluss der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht – erklärte der Kläger erneut die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs „zum nächst zulässigen Termin zum 31.08.2019“.
Die Beklagten zu 1) und 2) räumten das Anwesen bislang nicht.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, Eigenbedarf liege vor, da er das gegenwärtig von den Beklagten bewohnte Anwesen benötige, um mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern, die sich derzeit in Moldawien befänden, zusammenzuziehen. Seine gegenwärtige Wohnung in …, sei hierfür mit lediglich 15 m² zu beengt. Zudem wolle er seinen an Hepatitis C schwer erkrankten Bruder aus Barcelona und ebenso seine derzeit in Moldawien lebende und an Krebs erkrankte Schwiegermutter nach Deutschland holen und mit ihnen in dem streitgegenständlichen Anwesen zusammenwohnen, um diese gemeinsam mit seiner Frau zu pflegen. Das Kündigungsschreiben vom 22.05.2017 sei auch dem Beklagten zu 1) am 24.05.2017 zugestellt worden. Das Mietverhältnis sei daher bereits durch die erste Kündigung wirksam beendet worden, jedenfalls aber durch die weitere Kündigung zum 30.11.2018.
Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 25.07.2018 die zunächst lediglich gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichtete Klage auf die Beklagte zu 3) erweitert hatte, hat er in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das Wohnhaus … zu räumen und geräumt mit allen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben, sowie darüber hinaus hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Kündigung vom 22.05.2017 für unwirksam erachten würde, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe zum 30.11.2018 zu verurteilen.
Die Beklagten haben in erster Instanz Klageabweisung beantragt. Sie haben hierzu vorgetragen, dass das Kündigungsschreiben vom 22.05.2017 dem Beklagten zu 1) zu keiner Zeit zugegangen sei und die erste Kündigung bereits deshalb unwirksam sei. Der zugestellte Briefumschlag habe aufgrund eines offensichtlichen Fehlers des Gerichtsvollziehers ein für eine andere Person bestimmtes Schreiben (Mitteilung über den Erlass/ die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses) enthalten. Weiter haben sie die Rechtsauffassung geäußert, dass die Kündigungen auch aufgrund der Vorschrift des § 57a ZVG unwirksam seien, da sie nicht zum ersten möglichen Termin nach Zuschlag erfolgt seien. Es sei zudem anzunehmen, dass der Kläger nicht über die erforderlichen Mittel zur Finanzierung des Anwesens verfüge und er lediglich als „Strohmann“ für eine dritte Person, mutmaßlich seinen Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten … von der Firma …, das Objekt erworben habe, sodass ihm nach Auffassung der Beklagten bereits die Aktivlegitimation fehle. Der klägerseits behauptete Eigenbedarf sei lediglich vorgeschoben und nicht ernsthaft verfolgt. Überdies bedeute die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten zu 1) und 2) eine unzumutbare Härte. Hierzu haben sie insbesondere vorgetragen, dass ihre schwerbehinderte, am sog. Leigh-Syndrom erkrankte Tochter … rund um die Uhr betreut und umfassend fremdversorgt bzw. gepflegt werden müsse, was nur im Zusammenwirken der beiden Elternteile in einer – wie aktuell – behindertengerecht ausgestatteten, problemlos mit dem Spezialrollstuhl ihrer Tochter zugänglichen und ausreichend großen Wohnung hinreichend gewährleistet sei (mindestens fünf bis sechs Zimmer mit genug Platz, um Therapiemaßnahmen durchzuführen und die notwendigen pflegerischen und medizinischen Hilfsmittel und Verbrauchsmaterialien zu lagern); anderenfalls sei die Gesundheit ihrer Tochter erheblich gefährdet. Ein solcher angemessener (Ersatz-)Wohnraum sei zu zumutbaren Bedingungen unter Berücksichtigung der eingeschränkten finanziellen Mittel der Beklagten zu 1) und 2) nicht zu finden. Entsprechende Suchbemühungen seien bislang erfolglos geblieben. Ein Umzug sei auch deshalb mit erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Tochter der Beklagten verbunden, weil selbst eine Verlegung des Wohnsitzes um nur 5 km einen Verlust der bisherigen – im nahen Umkreis ansässigen und nur im näheren Umkreis Hausbesuche durchführenden – Therapeuten und Ärzte bedeute, welche nicht zuletzt auch Bezugspersonen für … seien.
Wegen des weiteren wechselseitigen Vortrags in erster Instanz und der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme wird ergänzend auf die dortigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle des Amtsgerichts über die mündliche Verhandlung vom 20.06.2018, vom 29.08.2018 und vom 07.11.2018 Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage in dem angefochtenen Endurteil vom 17.12.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, bereits die formelle Wirksamkeit im Sinne des § 573 Abs. 3 BGB sei fraglich, da die vernommene Ehefrau des Klägers, die Zeugin …, ihre Wohnsituation zum damaligen Zeitpunkt und diejenige der Kinder erheblich anders geschildert habe als sie in den Kündigungsschreiben vom 22.05.2017 und vom 31.01.2018 dargestellt sei. Jedenfalls aber sei das Gericht aufgrund dieser Abweichungen nicht vom Vorliegen des Eigenbedarfs überzeugt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Amtsgerichts wird auf das Endurteil vom 17.12.2018 Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 19.12.2018 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner bei Gericht am 21.01.2019 eingegangenen und vollumfänglich eingelegten Berufung vom 21.01.2019, die er – nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – mit Schriftsatz vom 19.03.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet hat.
Nachdem die Beklagte zu 3) im Dezember 2018 aus dem streitgegenständlichen Anwesen ausgezogen war, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache, soweit er die Beklagte zu 3) betrifft, am 10.05.2019 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Im Übrigen verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter und wiederholt und vertieft hierzu seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er ist der Auffassung, dass die Kündigungsschreiben entgegen der amtsgerichtlichen Bedenken formell wirksam seien, da sie die sog. Kerntatsachen enthielten. Weiter greift er die Beweiswürdigung des Amtsgerichts an und ist der Auffassung, dass die Aussage der Zeugin … den Eigenbedarf bestätigt habe, nämlich dass die Familie durch Landesgrenzen getrennt und überwiegend ohne den Vater lebe und die Überwindung dieser Situation durch den Einzug in das streitgegenständliche Objekts beabsichtigt sei. Das Amtsgericht habe zu Unrecht einen relevanten Widerspruch zu den Kündigungsschreiben konstruiert und sich mit dem Begriff des Wohnens nicht hinreichend auseinandergesetzt, etwa auch nicht berücksichtigt, dass die Ehefrau des Klägers unter dessen Wohnanschrift in Deutschland gemeldet sei, dies auch bereits zum Kündigungszeitpunkt, und in der Bevölkerung oft der Irrtum vorherrsche, das man an dem Ort wohne, an dem man gemeldet sei. Zudem seien die Voraussetzungen des § 574 BGB für eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht erfüllt, insbesondere seien die Beklagten ihrer Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche nicht hinreichend nachgekommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bamberg vom 17.12.2018 die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, das Wohnhaus …, zu räumen und geräumt mit allen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Für den Fall der Verurteilung der Beklagten zur Räumung beantragen sie weiter die Einräumung einer angemessenen Räumungsfrist von einem Jahr sowie die Zulassung der Revision.
Sie verteidigen das amtsgerichtliche Urteil und wiederholen und ergänzen ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen, bestreiten insbesondere bereits das Vorliegen von Eigenbedarf.
Die Angaben im Kündigungsschreiben seien bewiesenermaßen falsch, da die Ehefrau des Klägers nicht bei diesem in Deutschland wohne. Es bestehe auch weiterhin die Vermutung, dass der Kläger lediglich als „Strohmann“ für seinen Arbeitgeber handele und der behauptete Eigenbedarf nur vorgeschoben sei. Jedenfalls aber falle die Interessenabwägung im Rahmen des § 574 BGB zugunsten der Beklagten aus. Neben der besonderen Härte mit Blick auf die Tochter … (wie bereits erstinstanzlich vorgetragen) falle bei der Abwägung zusätzlich auch der zwischenzeitlich sehr schlechte Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) – insbesondere aufgrund einer lebensbedrohlichen Schädigung des Herzens verbunden mit der Notwendigkeit des Tragens eines mobilen Defibrillators und einer Herzleistung von zuletzt nur noch 20%, zudem aufgrund erheblich eingeschränkter Lungenfunktion, lebensbedrohlicher Nierenschäden und hochgradiger Diabetes – ins Gewicht, der einen Umzug ebenfalls unzumutbar mache. Aufgrund einer zwischenzeitlich tieferen Depression sei auch Suizidgefahr zu befürchten. Ein Ortswechsel aus dem gegenwärtig bewohnten Hausanwesen würde die bestehenden Erkrankungen verstärken. Hinsichtlich ihrer Bemühungen um Ersatzwohnraum haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 29.11.2019 ferner eine Reihe von Wohnungsanzeigen/ -angeboten betreffend den Zeitraum Januar 2018 bis Oktober 2019 vorgelegt, welche allesamt aus verschiedenen Gründen – teils zu klein, teils zu teuer, oder nicht behindertengerecht – letztendlich nicht passend gewesen seien, zudem insgesamt achtzehn – unstreitige – eigene Wohnungsanzeigen im Zeitraum April 2018 bis Juni 2019 im „Steigerwaldkurier“ für eine „große 5- bis 6-Zi.-Whg. im EG oder Haus zur Miete“. Wie die Beklagten weiter vortragen, würden sie auch seither die einschlägigen Zeitschriften und Internetportale täglich bemühen, wobei sie auch Suchanzeigen in verschiedenen Portalen eingestellt und zudem eine Reihe von Personen gebeten hätten, sie bei der Wohnungssuche zu unterstützen, welche auch bereits seit Beginn des Räumungsprozesses durch Nachfragen nach verfügbaren Objekten in ihrem jeweiligen privaten und beruflichen Umkreis – jedoch im Ergebnis erfolglos – intensive Bemühungen unternommen hätten. Für 800,00 € warm als ihr absolutes Limit für Wohnkosten sei angemessener, den Bedürfnissen ihrer Tochter gerecht werdender Ersatzwohnraum bestehend aus mindestens fünf bis sechs Zimmern nicht zu finden. Eine verbindliche Information darüber, in welcher Höhe Mietkosten maximal vom Leistungsträger übernommen würden, hätten sie bislang nicht. Schließlich sind die Beklagten der Auffassung, dass die Formulierung im Mietvertrag, dass dieser sich von selbst immer um drei Jahre verlängere, wenn der Mieter seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, einen entsprechenden Verzicht des Vermieters auf das gesetzliche Kündigungsrecht beinhalte, und im Falle der vermieterseitigen Kündigung die Kündigungsfrist stets drei Jahre zum Ende Juni betrage.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. … Hinsichtlich dieser Beweiserhebungen wird insbesondere Bezug genommen auf das Protokoll der Kammer über die mündliche Verhandlung vom 09.04.2021 sowie auf das schriftliche Gutachten vom 09.11.2020, welches der Sachverständige im Termin vom 09.04.2021 erläutert und ergänzt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird zudem ergänzend auf die dortigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Kammer über die mündliche Verhandlung vom 10.05.2019 und vom 09.04.2021 Bezug genommen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere in gesetzlicher Form und Frist eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Endurteil den geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch des Klägers verneint. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet, da die Kündigung vom 31.01.2018 gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu einer wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.11.2018 führte. Den Beklagten zu 1) und 2) ist jedoch gemäß § 721 Abs. 1 ZPO eine Räumungsfrist von neun Monaten zuzubilligen.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Amtsgericht zunächst von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen. Dieser wurde aufgrund des Zuschlagsbeschlusses vom 26.04.2017 unstreitig Alleineigentümer des streitgegenständlichen Anwesens und trat infolgedessen gemäß § 57 ZVG i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB anstelle des bisherigen Vermieters in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis, wie es mit Mietvertrag vom 31.05.2008 begründet wurde, ein. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger agiere lediglich als „Strohmann“, ist für die Aktivlegitimation unerheblich, da auch die Beklagten nicht bestreiten, dass der Kläger im Wege der Zwangsversteigerung das Eigentum an dem Anwesen erwarb.
2. Entgegen der beklagtenseits geäußerten Rechtsauffassung sind die vom Kläger ausgesprochenen Eigenbedarfskündigungen nicht von vornherein aufgrund der Vorschrift des § 57a ZVG mangels Kündigung „für den ersten Termin“ unwirksam. Die Vorschrift begründet für den Ersteher ein von vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen unabhängiges Sonder- bzw. außerordentliches Kündigungsrecht (BGH, Beschluss vom 21.04.1982, VIII ARZ 16/81; Urteil vom 30.10.2013, XII ZR 113/12). Seine Wirkung besteht darin, dass eine etwaige vertragliche Kündigungsfrist auf die gesetzliche Frist abgekürzt wird. Wenn der Ersteher nicht zum erstzulässigen Termin nach dem Zuschlag kündigt, hat dies bloß den Wegfall dieses Sonderkündigungsrechts zur Folge, sodass der Ersteher an etwaige vertragliche Kündigungsfristen gebunden ist (Böttcher in: Böttcher, ZVG, 6. Auflage, § 57a Rn. 12 und 13; Lüke in: Bub/Treiner, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Kapitel X Rn. 226). Eine „Ausübungsfrist“ für jegliche vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten dergestalt, dass nach Verstreichenlassen des erstzulässigen Termins nach dem Zuschlag eine Kündigung generell ausgeschlossen ist, schafft § 57a ZVG hingegen nicht.
3. Den auf Eigenbedarf gestützten Kündigungen des Klägers stand ferner kein vertraglich vereinbarter Kündigungsausschluss oder -verzicht entgegen. Ein solcher wurde jedenfalls ausdrücklich in der Mietvertragsurkunde vom 31.05.2008 nicht vereinbart. Er lässt sich – anders als die Beklagten meinen – auch nicht im Wege der Auslegung aus der mietvertraglichen Bestimmung ableiten, wonach „sich der Vertrag von selbst jeweils und immer auf drei weitere Jahre“ verlängert, „wenn der Mieter seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt“. Ebenso wenig kann in dieser Vertragsbestimmung eine wirksame Vereinbarung einer besonderen Kündigungsfrist bzw. eines bestimmten Kündigungszeitpunkts gesehen werden.
a) Zunächst ist klarstellend festzuhalten, dass es sich aufgrund dieser Klausel nicht um einen befristeten bzw. Zeitmietvertrag im Sinne des § 575 BGB handelt, da ausweislich des Vertragstextes nicht vorgesehen ist, dass das Mietverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt „automatisch“ bzw. durch Zeitablauf von selbst – insbesondere ohne Kündigungserklärung – endet. Ungeachtet dessen wären auch die Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegend nicht erfüllt.
b) Auf der anderen Seite bringt die genannte Vertragsklausel durchaus zum Ausdruck, dass das Mietverhältnis gerade nicht zeitlich unbegrenzt gewissermaßen „auf Lebenszeit“ der Mieter ohne Beendigungsmöglichkeit für den Vermieter laufen soll, und zwar auch dann nicht, wenn der Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt, da nach dem Wortlaut der Vertragsklausel unter dieser Voraussetzung eine „Verlängerung“ (lediglich) um drei weitere Jahre – anstatt zeitlich unbeschränkt – vorgesehen ist. Bereits dies verdeutlicht, dass die in Rede stehende Vertragsklausel entgegen der beklagtenseits geäußerten Rechtsauffassung keinen umfassenden und dauerhaften Kündigungsausschluss oder -verzicht, solange die Beklagten zu 1) und 2) als Mieter ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, enthält. Aber auch im Übrigen gibt der Wortlaut dieser Vertragsbestimmung einen wie auch immer gearteten, insbesondere auch den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs umfassenden Kündigungsausschluss schlichtweg nicht her. Aufgrund der Anknüpfung an die Voraussetzung „wenn der Mieter seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt“, wäre ein Kündigungsausschluss nicht nur reichlich unkonkret, sondern überdies auch wenig praktikabel, sobald Uneinigkeit über diese Voraussetzung herrscht. Ein etwaiges Verständnis als Kündigungsbeschränkung dergestalt, dass lediglich im Falle der mieterseitigen Nichterfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen – dies nach dem Wortlaut allerdings ohne Einschränkungen – ein Kündigungsrecht bestehen soll, würde zudem eine Erweiterung der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsgründe und damit eine Unwirksamkeit gemäß §§ 573 Abs. 4, 569 Abs. 5 BGB bedeuten.
Weiter zeigt sich auch in einer Zusammenschau mit der an späterer Stelle folgenden Vertragsbestimmung: „Sollten die oben genannten vertraglichen Bestimmungen nicht eingehalten werden, so hat das die fristlose Kündigung des Mietvertrags zur Folge“, dass das Vertragswerk nicht auf eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten angelegt ist; ganz im Gegenteil wird hier ein im Vergleich zu den gesetzlichen Kündigungsvorschriften unmissverständlich eine – letztendlich nach §§ 573 Abs. 4, 569 Abs. 5 BGB unwirksame – Erweiterung bzw. erleichterte Kündigungsmöglichkeit für den Vermieter zum Nachteil der Mieter geschaffen. Dies spricht dagegen, dass der Vermieter sich hinsichtlich seiner gesetzlichen Kündigungsrechte – auch außerhalb von Vertragsverletzungen – in irgendeiner Form einschränken wollte. Insbesondere kann diese vertragliche Regelung einer fristlosen Kündigungsmöglichkeit im Falle der Vertragsverletzung aufgrund der vorstehenden Erwägungen sowie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und des insgesamt nur sehr knappen Regelungsinhalts der Vertragsurkunde auch keineswegs als abschließende Regelung der vermieterseitigen Kündigungsmöglichkeit unter (konkludenter) Abbedingung der gesetzlichen Kündigungsgründe aufgefasst werden.
Letztendlich vermag die Kammer nach alledem die weitreichende Rechtsfolge eines Kündigungsausschlusses oder -verzichts, insbesondere bezogen auf den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs, weder dem Wortlaut und der Systematik der Vertragsurkunde noch sonstigen erkennbaren Umständen zu entnehmen, sondern die „Verlängerungsklausel“ schlichtweg dergestalt zu verstehen, dass zur Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen angehalten werden soll. Es mag schließlich sein, dass der damalige Vermieter mit Rücksicht auf die schwierige Situation der Beklagten zu 1) und 2) im Hinblick auf ihre schwerkranke Tochter ein grundsätzlich langfristiges – sich immer wieder „verlängerndes“, mithin unbefristetes – Mietverhältnis in Aussicht stellte; es liegen jedoch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich damit auch dauerhaft und weitreichend seine eigenen gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten nehmen wollte.
c) Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen ist aus Sicht der Kammer auch eine Auslegung der „Verlängerungsklausel“ dergestalt, dass es sich um eine von § 573c BGB abweichende Regelung der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins handelt, abzulehnen. Darüber hinaus hätte eine Auslegung dergestalt, dass zulässiger Kündigungstermin jeweils nur der 15.06. alle drei Jahre nach Vertragsbeginn sein kann, eine Unwirksamkeit nach § 573c Abs. 4 BGB zur Folge, zumal auch keine Regelung getroffen wäre, bis zu welchem Zeitpunkt die Kündigung spätestens (vor dem 15.06.) auszusprechen ist.
Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass ein (nach Vorstehendem ohnehin nicht anzunehmender) Kündigungsausschluss bzw. -verzicht oder die Vereinbarung einer dreijährigen Kündigungsfrist bzw. eines Kündigungstermins nur alle drei Jahre jedenfalls auch mangels Einhaltung der gebotenen Schriftform unwirksam wäre. Auch eine Vereinbarung über den Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs für mehr als ein Jahr bedarf der Schriftform des § 550 BGB (BGH, Urteil vom 04.04.2007, VIII ZR 223/06). Nach Auffassung der Kammer hat 3 S 9/19 – Seite 11 – dies auch bei der Vereinbarung einer Kündigungsfrist von mehr als einem Jahr bzw. entsprechender Kündigungstermine zu gelten. Zweck des § 550 BGB ist es, dem Grundstückserwerber, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, zu erleichtern, sich über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen zu unterrichten (BGH, a.a.O.). Dabei folgt aus diesem Zweck des Schutzes des Informationsinteresses eines potentielles Grundstückserwerbers aus Sicht der Kammer insbesondere auch, dass im Falle eines langjährigen Kündigungsausschlusses oder -verzichts oder vergleichbarer Beschränkungen, die lediglich das Resultat einer ergänzenden Auslegung sind, die Schriftform nur gewahrt ist, wenn sich der hypothetische Parteiwille aus der Urkunde oder anderen, auch für einen Erwerber erkennbaren Umstände ergibt (so auch Häublein in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 573 Rn. 138). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
4. Dass der Kläger den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs durch den Erwerb der an die Beklagten zu 1) und 2) vermieteten Wohnung selbst verursachte, schließt eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ebenfalls nicht aus. Eine Gesetzesauslegung, die dem Eigentümer das Kündigungsrecht allein deshalb versagt, weil er den Bedarfsgrund willentlich herbeigeführt hat, würde die durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Befugnis des Eigentümers missachten, sein Leben unter Nutzung seines Eigentums nach seinen Vorstellungen einzurichten (BverfGE 79, 292, 305; BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19).
5. Weiter sind die beiden Kündigungsschreiben vom 31.01.2018 den Beklagten zu 1) und 2) unstreitig am 02.02.2018 zugegangen. Soweit die Beklagten den Zugang des vorangegangenen Kündigungsschreibens vom 22.05.2017 beim Beklagten zu 1) bestritten haben, ist die Kammer unter Würdigung der protokollierten Aussage des diesbezüglich vom Amtsgericht vernommenen Zeugen T. U., wie sie dem Sitzungsprotokoll vom 29.08.2018 zu entnehmen ist und insoweit als Urkundenbeweis Verwertung findet, nicht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) das Schreiben erhalten hat. Vielmehr ist anzunehmen, dass dem Beklagten zu 1) aufgrund eines Versehens des Gerichtsvollziehers U. gänzlich andere, für eine dritte Person bestimmte Unterlagen zugestellt wurden. Da die Kündigung eines Mietverhältnisses, an dem auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, wirksam nur gegenüber allen Vertragspartnern erfolgen kann (BGH, Urteil vom 19.09.2018, VIII ZR 261/17 m.w.N.), ist die Kündigung vom 22.05.2017 somit unwirksam. Die Kündigung vom 31.01.2018 ist formell wirksam, weil die beiden an die Beklagten zu 1) und 2) adressierten und zugestellten Kündigungsschreiben den Anforderungen des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB genügen.
a) § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB schreibt vor, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben anzugeben sind. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 167/17 m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen werden die betreffenden Kündigungsschreiben gerecht, da es vorliegend im Kern darum geht, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern, welche sich noch in Moldawien befinden, in Deutschland gemeinsam leben und zu diesem Zweck mit seiner Familie in die an die Beklagten vermietete Wohnung einziehen möchte, da die aktuelle Wohnsituation des Klägers ein Zusammenziehen aufgrund der sehr kleinen Größe nicht zulässt. Diese sog. Kerntatsachen sind in den Kündigungsschreiben enthalten. Ob hingegen die dort ebenfalls enthaltenen Angaben, dass die Ehefrau des Klägers „gegenwärtig“ bei ihm in der Wohnung … wohne und die Kinder bei den Großeltern in Moldawien, zutreffend sind bzw. zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs waren, mag für die Beurteilung der strittigen Frage, ob tatsächlich Eigenbedarf vorliegt bzw. ernsthaft verfolgt wird, relevant sein, ändert jedoch nichts daran, dass der Kündigungsgrund identifizierbar angegeben wurde und die Kündigung damit im Sinne des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB formell wirksam ist. Ein etwaiges „Dramatisieren“ der – an sich im Kündigungsschreiben identifizierbar angegebenen – Eigenbedarfssituation hat nicht zur Folge, dass es an der nach § 573 Abs. 3 BGB erforderlichen Begründung fehlt (BGH, Urteil vom 17.03.2010, VIII ZR 70/09).
7. Dem beweisbelasteten Kläger ist es gelungen, den Kündigungsgrund des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB, wie er in dem Kündigungsschreiben vom 31.01.2018 ausreichend angegeben ist, zur Überzeugung der Kammer nachzuweisen.
Gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich nur kündigen, wenn er an dessen Beendigung ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das Tatbestandsmerkmal des Benötigens erfordert dabei nicht, dass der Vermieter oder einer der genannten Angehörigen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist, sondern ist bereits dann erfüllt, wenn der ernsthaft verfolgte Eigenbedarfswunsch des Vermieters auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt wird (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 167/17 m.w.N.).
a) Ausgehend hiervon stellt der klägerseits vorgetragene Wunsch, in das Anwesen … einzuziehen, um mit seiner Familie in Deutschland zusammenleben zu können, einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für die Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.
b) Weiter haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gerichte zwar den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung künftig selbst zu nutzen oder durch den eng gezogenen Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen. Zur Wahrung der Belange des Mieters haben die Gerichte jedoch den vom Mieter bestrittenen Eigennutzungswunsch des Vermieters darauf zu überprüfen, ob er ernsthaft verfolgt wird. Denn auch ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund, das vermietete Objekt selbst nutzen zu wollen, berechtigt nur dann zur Kündigung wegen Eigenbedarfs, wenn der Nutzungswunsch ernsthaft verfolgt wird, was der Vermieter, wenn der Eigenbedarf – wie hier – vom Mieter bestritten wird, zu beweisen hat (vgl. zum Vorstehenden statt vieler: BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 167/17 m.w.N.)
Dieser Nachweis ist dem Kläger gelungen. Bei Würdigung der Gesamtumstände und Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der informatorischen Anhörung des Klägers sowie der Aussage der Zeugin … im Termin vom 09.04.2021, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger ernsthaft den Wunsch verfolgt, mit seiner Familie, d.h. jedenfalls mit seiner Ehefrau … und den beiden minderjährigen Töchtern, die in Moldawien leben, in das Anwesen … einzuziehen, um die seit nunmehr Jahren bestehende räumliche Trennung zu seiner Familie zu überwinden.
aa) Der Kläger schilderte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in sich schlüssig und nachvollziehbar die Hintergründe für den Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens und seinen Wunsch, dort mit seiner Familie einzuziehen und zusammenzuleben, sobald dies möglich ist. Er gab insbesondere an, nach wie vor in … zu arbeiten und zu wohnen, und zwar weiterhin in einem Wohncontainer am …. Er sei dort aber meistens nur am Wochenende und ansonsten auf Montage. Das Haus habe er gekauft, um dort mit seiner Ehefrau … und seinen zwei Kindern, die aktuell sechs und elf Jahre alt und nach wie vor in Moldawien wohnhaft seien, zusammenzuwohnen. Er bekräftigte, dass dies auch weiterhin ihr Wunsch sei.
Angesichts der in den vergangenen Jahren und aktuell bestehenden Familiensituation, wie sie vom Kläger überzeugend dargelegt wurde und welche hiernach von einer räumlichen Trennung des in Deutschland lebenden Klägers und seiner jedenfalls überwiegend in Moldawien lebenden Familie mit lediglich gelegentlichen wechselseitigen Besuchen geprägt ist, stellt sich dies für die Kammer als glaubhaft dar. Da der Kläger nun bereits seit mehreren Jahren in … lebt und arbeitet, ist die Kammer trotz des Umstands, dass die Familie in Moldawien über ein Haus verfügt, auch davon überzeugt, dass der Kläger – wie er bekundete – weiterhin in Deutschland bleiben möchte. Es ist gerichtsbekannt, dass sich die Lebens- und Einkommenssituation in Deutschland wesentlich besser als in Moldawien darstellt. Dementsprechend ist auch die Aussage des Klägers plausibel, die Zustände in Moldawien seien unsicher und sie hätten daher schon früh den Gedanken gehabt, das Land zu verlassen bzw. in Deutschland Fuß fassen zu wollen, wobei die Idee, sich ein eigenes Haus zuzulegen, nach der Schilderung des Klägers im Sommer 2016 aufkam.
bb) Die Angaben des informatorisch angehörten Klägers decken sich im Wesentlichen mit der Aussage der Zeugin … im Termin vom 09.04.2021. Sie schilderte ebenfalls in sich schlüssig und nachvollziehbar den Wunsch, dass die Familie in dem aktuell von den Beklagten bewohnten Anwesen zusammenleben möchte. Ihr Mann – der Kläger – sei im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Es sei dann ihr gemeinsamer Wunsch gewesen, in Deutschland einen Wohnsitz zu bekommen, ein Haus oder eine Wohnung, da auch ihre Kinder nach Deutschland kommen und hier zur Schule gehen sollen. Das Haus habe ihr Mann dann im Internet gefunden und es habe ihnen aufgrund der örtlichen Lage gefallen.
cc) Für die Kammer ergab sich im Rahmen der informatorischen Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeugin … kein Grund, an der Glaubwürdigkeit ihrer Person oder der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu zweifeln. Beide tätigten ihre Angaben ruhig und sachlich sowie gut nachvollziehbar und widerspruchsfrei, wobei sie auch auf Nachfragen spontan und flüssig antworteten. Ferner war zu keinem Zeitpunkt in ihrem Aussageverhalten erkennbar, dass sie ihren Eigenbedarf „überdramatisierten“. Demgegenüber kann allein aufgrund der Nähebeziehung zum Kläger und des Eigeninteresses der Zeugin … am Ausgang des Prozesses ihrer Aussage nicht der Wahrheitsgehalt abgesprochen werden. Die Zeugin bekundete überdies durchaus Verständnis für die schwierige Lage der Beklagten, wies aber zugleich glaubhaft auch darauf hin, dass eben auch ihre Familie zusammenleben wolle.
dd) Entgegen der beklagtenseits geäußerten Ansicht vermag die Kammer ferner nicht festzustellen, dass der Aussage der Zeugin … aufgrund einer im Vorfeld des Termins erfolgten „Absprache“ mit dem Kläger kein Glauben geschenkt werden kann. Eine auffällige Deckungsgleichheit der jeweiligen Angaben in sämtlichen Details liegt nicht vor. Dass die Angaben sich aber durchaus im Wesentlichen decken, spricht gerade für ihre Glaubhaftigkeit. Zudem antwortete die Zeugin – wie bereits erwähnt – auf Nachfragen spontan und flüssig. Insgesamt wirkte ihr Aussageverhalten natürlich und keineswegs „auswendig gelernt“. Gleiches gilt für den informatorisch angehörten Kläger.
ee) Vor diesem Hintergrund kann etwa auch der Umstand, dass die Zeugin im Termin vom 09.04.2021 recht detaillierte Angaben zu Kaufpreis und zu den ungefähren sonstigen Erwerbskosten des streitgegenständlichen Objekts tätigen konnte, wohingegen sie in ihrer amtsgerichtlichen Vernehmung ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 07.11.2018 auf Nachfrage nach der Höhe des Eigenkapitals darauf verwies, dass sich der Kläger damit beschäftigt habe, aus Sicht der Kammer keine Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Zeugenaussage begründen. Insoweit ist zunächst zu sehen, dass die Zeugin bereits beim Amtsgericht – ebenso wie im Termin vom 09.04.2021, mithin konstant und auch in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers – aussagte, dass das Haus mit den Ersparnissen und zusätzlich mit geliehenem Geld von Freunden und des Bruders ihres Mannes finanziert worden sei. Weiter weckt es kein Misstrauen, dass die Zeugin, die glaubhaft bekundete, ihr Mann habe sich um den Hauskauf bzw. die Finanzierung gekümmert, im Rahmen ihrer amtsgerichtlichen Vernehmung aus dem Stegreif keine Angaben zur Höhe des Eigenkapitals tätigen konnte. Dass die Zeugin dann im Termin vom 09.04.2021 auf Nachfrage nähere Angaben zu Kaufpreis und Erwerbskosten machen konnte, belegt allenfalls, dass sie sich im Nachgang zu dem amtsgerichtlichen Termin über die Kosten und die Finanzierung näher informierte, was an sich – da es um die finanziellen Verhältnisse ihrer eigenen Familie geht – keineswegs auffällig oder gar verwerflich ist. Dass dies im Rahmen einer gezielten Absprache zur Vorbereitung auf weitere Zeugenvernehmungen erfolgte, kann daraus aber nicht geschlussfolgert werden und – zumal unter Berücksichtigung des bereits dargelegten überzeugenden Gesamteindrucks ihres Aussageverhaltens – ebenso wenig, dass sämtliche Angaben der Zeugin im Vorfeld abgesprochen waren und unwahr sind.
ff) Auch im Übrigen vermag die Kammer im Vergleich der Zeugenaussage vom 09.04.2021 zu der amtsgerichtlichen Zeugenvernehmung vom 07.11.2018, soweit deren Inhalt dem damaligen Protokoll entnommen werden kann, keine relevanten Abweichungen oder gar unüberwindbare Widersprüche erkennen, wobei ohnehin auch der zwischenzeitliche Zeitablauf zu berücksichtigen ist. Dass die Zeugin im Termin vom 07.11.2018 ausweislich des Verhandlungsprotokolls ihre bisherigen Aufenthalte in Deutschland bzw. des Klägers in Moldawien seit dessen Arbeitsaufnahme in Deutschland nur ungefähr, aber nicht hinsichtlich der genauen Zeitpunkte und der genauen Dauer angab, stellt sich aus Sicht der Kammer schon deshalb nicht als auffällig dar, da nicht jeder Mensch über eine entsprechend gute Gedächtnisleistung verfügt, zudem gerade das Offenlegen von Erinnerungslücken für ein Bestreben, wahrheitsgemäß auszusagen, spricht.
gg) Eine Würdigung der in zweiter Instanz im Termin vom 27.09.2019 getätigten Aussage der Zeugin … ist der Kammer in der gegenwärtigen Besetzung hingegen nicht möglich. Die Kammerbesetzung war damals eine völlig andere, sodass die aktuell für die Entscheidung gemäß Geschäftsverteilung zuständigen Kammermitglieder über keinerlei eigene Wahrnehmung bezogen auf die damalige Zeugenaussage verfügen und deren Inhalt mangels Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll vom 27.09.2019 auch nicht im Wege des Urkundenbeweises Verwertung finden kann. Inwieweit darin ein Verfahrensverstoß gegen §§ 160 Abs. 3 Nr. 4, 161 Abs. 1 ZPO liegt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da die Vernehmung der Zeugin … am 09.04.2021 in der aktuellen Kammerbesetzung wiederholt und protokolliert und ein etwaiger Verfahrensfehler damit geheilt wurde.
hh) Darüber hinaus verkennt die Kammer nicht, dass die Angaben in den Kündigungsschreiben sowohl vom 22.05.2017 als auch vom 31.01.2018 den Eindruck erwecken, dass die Ehefrau des Klägers damals längerfristig bei diesem unter der Anschrift … wohnte, und dies nach der gewählten Formulierung („gegenwärtig“) gerade auch zu den Kündigungszeitpunkten, und weiter, dass die Kinder des Klägers damals längerfristig bzw. hauptsächlich bei den Großeltern in Moldawien wohnten. Auch in der Klageschrift wurde zum Eigenbedarf entsprechend den Formulierungen in den Kündigungsschreiben vorgetragen. Mit Schriftsatz vom 25.07.2018 wurde dann klägerseits vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der Klage die Ehefrau des Klägers bei ihm gewohnt habe, aber gegenwärtig in Moldawien sei, um die kranke Schwiegermutter zu pflegen.
(1) Ausgehend hiervon hat das Amtsgericht maßgeblich deshalb, weil es diese bezüglich der Ehefrau und der Kinder beschriebene Wohnsituation durch die Aussage der Zeugin … bestätigt, sondern vielmehr abweichend geschildert sah, einen ernsthaften Eigennutzungswunsch als nicht nachgewiesen angesehen. Hingegen konnte sich die Kammer im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der vorstehenden Umstände eine entsprechende Überzeugung verschaffen, auch wenn sich ein längerfristiges Wohnen der Zeugin … im Wohncontainer am … im Sinne eines faktischen und hauptsächlichen Lebensmittelpunktes) und ebenso ein (hauptsächliches) Wohnen der Kinder bei den Großeltern – wie es in den Kündigungsschreiben und in der Klageschrift angegeben wurde – im Verlauf des Prozesses nicht bestätigte.
(2) Maßgeblich ist für die Kammer insoweit, dass sowohl die Zeugin … als auch der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung die Wohnsituation der Familienmitglieder – namentlich: Kläger in Schlüsselfeld, Ehefrau und Kinder in Moldawien, wobei in der Vergangenheit (und weiterhin) wechselseitige, insbesondere auch mehrwöchige Besuche erfolgten – glaubhaft und übereinstimmend sowie ohne erkennbare „Dramatisierungstendenzen“ schilderten. Hätte sich der Kläger den Eigenbedarf bloß ausgedacht bzw. von seinem Arbeitgeber vorgegeben bekommen, wäre zu erwarten gewesen, dass die dem vorgetäuschten Eigenbedarf zugrundeliegende Wohnsituation – zumal überschaubar – auch im Prozess in genauer Übereinstimmung mit den Kündigungsschreiben von ihm und seiner Ehefrau „aufgesagt“ worden wäre. Gerade der Umstand, dass dies nicht der Fall war, sondern sie übereinstimmend die bisherige Wohnsituation der einzelnen Familienmitglieder – gewissermaßen abweichend von den Angaben in den Kündigungsschreiben bzw. dem dort vermittelten Eindruck – klarstellten, lässt ihre Schilderungen glaubhaft erscheinen.
(3) Dass der Kläger diesbezüglich in den Kündigungsschreiben bewusst unwahre bzw. bewusst verzerrte Angaben veranlasste oder solche absichtlich zu Beginn des Prozesses schriftsätzlich vortragen ließ, ist im Übrigen gerade vor dem Hintergrund der nur mangelhaft vorhandenen Deutschkenntnisse des Klägers, von denen sich die Kammer im Termin vom 09.04.2021 einen eigenen Eindruck verschaffen konnte, und der erfahrungsgemäß nicht selten vorkommenden Informationsverluste oder Missverständnisse zwischen der Partei und ihrem Bevollmächtigten, welche sich im Prozess – wie die Kammer schon häufig beobachten konnte – in Abweichungen zwischen dem schriftsätzlichen Vorbringen und der informatorischen Anhörung widerspiegeln, letztendlich nicht feststellbar. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Zeugin … nach ihrer glaubhaften Schilderung und den gleichsam überzeugenden Angaben des informatorisch angehörten Klägers in der Vergangenheit wiederholt für insbesondere auch mehrwöchige Besuche nach Deutschland reiste, dies teils ohne die Kinder, und während dieser Aufenthalte bei dem Kläger „wohnte“ (während die Kinder bei den Großeltern in Moldawien blieben) und die Zeugin … – wie sie bereits in ihrer amtsgerichtlichen Vernehmung angab und am 09.04.2021 nochmals glaubhaft wiederholte – mit ihrem Wohnsitz in … unter der klägerischen Anschrift behördlich gemeldet ist. Dies wird ferner bestätigt durch die klägerseits vorgelegten Meldebescheinigungen (Anlage K 20, Bl. 136 f. d.A.), aus welchen hervorgeht, dass die Zeugin … (ebenso der Kläger) bereits geraume Zeit vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens in … gemeldet war.
(4) Soweit schriftsätzlich vorgetragen wurde, die Zeugin … sei wegen ihrer kranken Mutter wieder nach Moldawien gereist, vermag die Kammer vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen – anders als das Amtsgericht meint – nicht zu erkennen, dass es sich insoweit um eine erhebliche Abweichung zu der von der Zeugin ausweislich des Sitzungsprotokolls erstinstanzlich getätigten Angabe handelt: „Ich wollte einmal etwas länger bleiben und musste dann zurück, da die Mutter krank war.“
ii) Soweit das Amtsgericht als weiteres Indiz gegen einen ernsthaften Eigennutzungswunsch die fehlende Vorbereitung des Umzugs nach Deutschland herangezogen hat, teilt die Kammer auch diese Bewertung nicht. Das Amtsgericht hat in diesem Zusammenhang nicht bedacht, dass für den Kläger und seine Familie von Beginn an völlig ungewiss war, wann sie mit einem Auszug der Beklagten und dementsprechend ihrem eigenen Einzug in das gegenständliche Anwesen rechnen können. Dies belegt gerade auch der nunmehr schon Jahre andauernde und in zweiter Instanz geführte Rechtsstreit. Nachvollziehbar ist insoweit auch die Aussage der …, dass sie bezüglich ihrer Kinder deshalb noch nichts Konkretes unternommen hätten, weil es für sie keinen Sinn mache, zu einer Schule zu gehen und zu fragen, ob sie die Kinder nehmen, wenn sie nicht wüssten, wann sie kämen. Aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin … und des Klägers ist die Kammer zudem überzeugt, dass ihre Kinder bereits Deutsch lernen.
jj) An dem ernsthaften Eigennutzungswunsch des Klägers und seiner Familie besteht nach alledem kein Zweifel. Demgegenüber stellt sich die These der Beklagten, der Kläger habe das Anwesen lediglich als „Strohmann“ für seinen Arbeitgeber bzw. Herrn … von der Firma … erworben, als reine Mutmaßung dar.
(1) Soweit die Beklagten diese Vermutung auf ihre (nicht belegte) Behauptung stützen, der Kläger habe nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um das Anwesen für sich selbst zu erwerben, stehen dieser Behauptung die schlüssigen Angaben des Klägers zur Finanzierung gegenüber, wie er sie in seiner informatorischen Anhörung vom 09.04.2021 tätigte und die durch die Zeugenaussage der … – mit unwesentlichen Abweichungen hinsichtlich der Höhe – bestätigt wurden. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten hält die Kammer es auch keineswegs für unplausibel, dass der Kläger, der – wie er angab – eine „gute Arbeit“ in Deutschland hat bzw. bereits vor dem Hauserwerb hatte und nach seiner Schilderung bereits rund zweieinhalb Jahre im Vorfeld gespart habe, in der Lage war, circa 90.000,- € als Eigenkapital aufzubringen, sich darüber hinaus Geld von seinem Bruder und auch von Freunden lieh und der Kläger mittlerweile dieses geliehene Geld auch wieder zurückzahlen konnte, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Unterhalt für seine Familie in Moldawien im Vergleich zu den hiesigen Verhältnissen sehr gering sein dürfte, der Kläger zudem seit geraumer Zeit in einem Wohncontainer seines Arbeitgebers – mit wohl allenfalls geringer Miete – lebt, sodass auch seine eigenen Lebenshaltungskosten in Deutschland vergleichsweise niedrig sein dürften. Vorstehendes steht im Übrigen aus Sicht der Kammer auch nicht im Widerspruch zu der Äußerung des Klägers, das im Sommer 2016 für einige Monate angemietete „Stockwerk“ mit einer Miete von 800,- € sei ihnen „zu teuer“ gewesen, da bekanntermaßen Mieten auf Dauer teuer als ein Immobilienkauf ist, und die Entscheidung des Klägers, etwas zu kaufen anstatt zu mieten, zu respektieren ist. Soweit die Beklagten die Angaben des Klägers hinsichtlich der Finanzierung des Anwesens zudem auch deshalb in Zweifel ziehen, weil er in seiner informatorischen Anhörung ebenfalls angab, derzeit circa 120.000,- € auf dem Konto zu haben, was – so die Auffassung der Beklagten – bei seinem Einkommen und unter Berücksichtigung der Erwerbskosten für das Anwesen (insgesamt 186.000,- €) nicht möglich sei, lassen sich aus dem aktuellen Kontostand des Klägers entgegen der Ansicht der Beklagten schon deshalb keine (wie auch immer gearteten) Schlussfolgerungen ziehen oder Berechnungen herleiten, weil nicht einmal klar ist, wie und wann der Kläger dieses Geld im Einzelnen erworben hat.
(2) Soweit die Beklagten für ihre Behauptung eines „Strohmann“-Geschäfts weiter als Indiz heranziehen, dass bei der Versteigerung nicht der Kläger selbst, sondern Herr … die Gebote im Namen des Klägers abgegeben habe, kann dieser Umstand als wahr unterstellt werden, ohne dass dies im Rahmen der Gesamtschau an der Überzeugungsbildung der Kammer etwas ändert, da es sich schlichtweg um eine arbeitgeberseitige Unterstützungshandlung für den Kläger nicht zuletzt vor dem Hintergrund bestehender Sprachschwierigkeiten gehandelt haben kann. Dies würde sich auch in das Vorbringen des Klägers einfügen, Herr … habe ihn während der Versteigerung beraten, weil er sich selbst nicht so gut ausgekannt habe.
Dass der Kläger gerade auch mit Blick auf seine unzureichenden Deutschkenntnisse die Unterstützung seines Arbeitgebers, für den er nach seinem glaubhaften Bekunden nunmehr bereits langjährig tätig ist, genießt, wird auch dadurch deutlich, dass der dort ebenfalls tätige Herr S. als „Übersetzungshilfe“ mit zum Termin am 09.04.2021 erschien, wobei klarstellend anzumerken ist, dass die Kammer hierauf nicht zurückgriff, sondern die anwesende Dolmetscherin zur informatorischen Anhörung hinzuzog. Für die Anwesenheit des Herrn … andere Gründe zu unterstellen, wäre eine bloße Mutmaßung.
Auch der Umstand, dass – wie die Beklagten weiter vortragen und klägerseits nicht bestritten ist – ein Mitarbeiter der Firma des Herrn … nach der Versteigerung bei den Beklagten zu 1) und 2) anrief und Details wegen der Wasserversorgung abfragte, lässt sich ebenso als Unterstützung oder Gefallen für den Kläger erklären. Jedenfalls ein Rückschluss auf eine „Strohmann-Geschäft“ lässt sich hieraus nicht ziehen. Gleiches gilt, soweit nach dem Vortrag der Beklagten in den vergangenen Jahren Nebenkostenabrechnungen vom Kläger unter Nutzung der Ressourcen seines Arbeitgebers an die Beklagten zu 1) und 2) übermittelt wurden. Da der Kläger in seinem Wohncontainer lebt und daher sicherlich nicht über ein voll ausgestattetes Arbeitszimmer verfügt, erscheint dies der Kammer nachvollziehbar und keineswegs auffällig.
(3) Als weitere Indizien gegen einen ernsthaften Eigennutzungswunsch des Klägers und für die Verwicklung der Firma … behaupten die Beklagten zudem eine Reihe von Äußerungen, welche vor, während und nach dem Versteigerungstermin von verschiedenen Personen getätigt worden sein sollen; namentlich: Vor der Versteigerung habe ein Mitarbeiter der Firma … das Anwesen „für einen Freund“ besichtigt und dabei, nachdem er von der im Haushalt der Beklagten lebenden schwerbehinderten Tochter Kenntnis erlangt habe, geäußert, dass sich die Sache dann erledigt habe. Ferner sei der Beklagte zu 1) anlässlich des Versteigerungstermins – kurz nach dem Zuschlag – von Herrn … angesprochen worden, der unter anderem geäußert habe, dass „wir Sie raus haben wollen“ und sie darin Erfahrung hätten; zudem habe er ein schriftliches Angebot angekündigt, das jedoch nie bei den Beklagten eingegangen sei. Weiterhin habe der Kläger im Rahmen einer Besichtigung des Anwesens nach dem Versteigerungstermin, nachdem er die schwierige Situation der Familie gesehen habe, gegenüber dem Beklagten zu 1) geäußert, dass er nicht mehr einziehen wolle, und ergänzend hinzugefügt: „…Aber sagen Sie davon ja nichts dem Herrn ….“
Klägerseits wurden diese Äußerungen umfassend bestritten. Die seitens der Beklagten zum Beweis angebotene Parteieinvernahme kommt nicht in Betracht. Mangels Einverständnisses des Klägers kann diese nicht auf der Grundlage des § 447 ZPO durchgeführt werden. Aber auch die Voraussetzungen für eine Vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO liegen nicht vor. Eine solche setzt zunächst voraus, dass auf Grund einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die durch die Parteivernehmung zu beweisende Tatsache spricht, sog. Anbeweis (vgl. nur BGH, Urteil vom 19.04.2002, V ZR 90/01, sowie vom 08.07.2010, III ZR 249/09 m.w.N.). Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend. Ferner handelt es sich bei der Parteieinvernahme gemäß § 448 ZPO grundsätzlich um ein Mittel zur Gewinnung letzter Klarheit (BGH, Urteil vom 19.04.2002, V ZR 90/01). Davon darf das Gericht nur dann Gebrauch machen, wenn es aufgrund einer Gesamtwürdigung von bisheriger Verhandlung und Beweisaufnahme weder von der Wahrheit noch von der Unwahrheit der zu beweisenden Behauptung überzeugt ist, also eine echte Nonliquet-Situation besteht (BGH, a.a.O.). Auch das ist hier nicht der Fall, da die Kammer – wie dargelegt – aufgrund der überzeugenden Aussage der Zeugin … und der Angaben des informatorisch angehörten Klägers von deren ernsthaftem Eigennutzungswunsch überzeugt ist.
Daran würde sich auch selbst dann nichts ändern, falls die von den Beklagten behaupteten Vorgänge bzw. Äußerungen vor, während und nach der Versteigerung sich tatsächlich so ereignet hätten, da damit zunächst einmal nur nachgewiesen wäre, dass der Kläger – was er auch nie in Abrede stellte – hinsichtlich der Ersteigerung des verfahrensgegenständlichen Objekts und der Beendigung des bestehenden Mietverhältnisses die Unterstützung und Hilfe seitens seines Arbeitgebers erhält, was die Kammer nicht als ungewöhnlichen Vorgang ansieht und keineswegs in Widerspruch zu der Eigennutzungsabsicht des Klägers steht. Soweit insbesondere der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) vor dem Hintergrund ihrer schwierigen Situation aufgrund der Erkrankung bzw. Behinderung ihrer Tochter einmal geäußert haben soll, dass er nicht mehr einziehen wolle, würde dies gerade dafür sprechen, dass er zuvor, d.h. von vornherein durchaus beabsichtigte, das Anwesen zu beziehen, mag er dies auch kurzzeitig aufgrund Mitgefühls für die Beklagten zu 1) und 2) in Frage gestellt haben. Selbst wenn er insoweit – aus der Situation und Emotion heraus – kurzzeitig den Nichteinzug bekundet hätte, würde dies nach Überzeugung der Kammer die Ernsthaftigkeit seines Eigennutzungswunsches unter Berücksichtigung des bisherigen Beweis- und Verhandlungsergebnisses nicht in Frage stellen, und ließe sich zudem zwanglos als Beleg dafür heranziehen, dass der Kläger eben von vornherein selbst die „Entscheidungsgewalt“ hinsichtlich der Nutzung des ersteigerten Anwesens innehatte. Allein die Ergänzung, die Beklagten mögen davon nichts dem Herrn … sagen, würde ebenfalls keine andere Bewertung rechtfertigen, da diese Bemerkung schlichtweg vor dem Hintergrund der bereits geleisteter Unterstützungshandlungen seitens des Herrn …, welche im Falle des Nichteinzugs „vergeblich“ gewesen wären, gefallen sein kann.
kk) Nach umfassender Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Verhandlung und Beweisaufnahme und in Ansehung der vorstehenden Erwägungen, vor allem mit Blick auf die – wie dargelegt – glaubhaften Angaben der Zeugin … und des informatorisch angehörten Klägers, nach denen für die Kammer insbesondere feststeht, dass der Kläger nunmehr schon seit Jahren über eine gut bezahlte Arbeitsstelle in Deutschland verfügt, die er weiterhin ausüben möchte, während seine Ehefrau und Kinder mangels ausreichend großen Wohnraums des Klägers in Deutschland (überwiegend) in Moldawien leben, diese räumliche Trennung jedoch nachvollziehbarer Weise dauerhaft keinen tragfähigen Zustand für die Familie darstellt, sowie auch unter eingehender Würdigung bzw. Auseinandersetzung mit sämtlichen nach Ansicht der Beklagten gegen die Wahrheitsgemäßheit der bekundeten Eigennutzungsabsicht sprechenden Umstände und Indizien, bleibt es somit im Ergebnis dabei, dass die Kammer von dem ernsthaft verfolgten Eigennutzungswunsch des Klägers überzeugt ist.
c) Da der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB folglich bereits mit Blick auf den beabsichtigten Einzug des Klägers, seiner Ehefrau und seiner Kinder in das streitgegenständliche Anwesen nachgewiesen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger daneben auch die Absicht verfolgt, seinen Bruder zu sich nach Deutschland zu holen und diesen ebenfalls in das Anwesen einziehen zu lassen. Soweit darüber hinaus klägerseits auch ein beabsichtigter Einzug der erkrankten Schwiegermutter vorgetragen ist, hat dies bereits mangels Angabe im Kündigungsschreiben unberücksichtigt zu bleiben, § 573 Abs. 4 BGB.
8. Die Beklagten zu 1) und 2) widersprachen der Kündigung vom 31.01.2018 form- und fristgerecht, § 574b BGB. Eine Ablehnung seitens des Klägers im Sinne des § 574b BGB erfolgte zudem nicht. Im Ergebnis scheidet eine Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß §§ 574, 574a BGB – sei es unbefristet oder befristet – jedoch aus.
a) Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn dessen Beendigung für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Dabei kommen nur solche für den Mieter mit einem Umzug verbundenen Nachteile als Härtegründe in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 03.02.2021, VIII ZR 68/19 m.w.N.). Unter anderem können Erkrankungen des Mieters in Verbindung mit weiteren Umständen einen Härtegrund darstellen; in bestimmten Fällen, nämlich wenn der gesundheitliche Zustand des Mieters einen Umzug nicht zulässt oder im Fall eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters besteht, kann sogar allein dies einen Härtegrund darstellen (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18 m.w.N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen begründen die von den Beklagten vorgetragenen Umstände weder einzeln für sich betrachtet noch in der Zusammenschau einen zur Fortsetzung des Mietverhältnisses führenden Härtegrund im Sinne des § 574 BGB.
aa) Dies gilt zunächst, soweit sich die Beklagten auf die Erkrankung ihrer Tochter … als Härtegrund berufen. Der Nachweis ihrer Behauptung, der gesundheitliche Zustand ihrer Tochter lasse einen Umzug nicht zu bzw. bei einem Wohnungswechsel (gleich welcher Art bzw. egal wohin) bestehe die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation, ist den Beklagten nicht gelungen.
(1) Im Ausgangspunkt steht für die Kammer dabei aufgrund der überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen … in seinem schriftlichen Gutachten vom 09.11.2020 und seinen mündlichen Erläuterungen im Termin vom 09.04.2021 sowie der beklagtenseits vorgelegten ärztlichen Unterlagen betreffend … außer Frage, dass die Tochter der Beklagten zu 1) und 2) schwerst krank ist, namentlich dass sie an Morbus Leigh (subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie) leidet, einer sich progredient entwickelnden genetischen Erkrankung, die im Zuge einer Energiestoffwechselstörung zu einem zunehmenden Abbau neuraler Strukturen führt. Dabei liegt im Rahmen dieser schwerwiegenden Grunderkrankung bei … bereits ein fortgeschrittenes Störungsbild mit einer schwerstgradigen kognitiven und allgemeinen hirnorganischen Beeinträchtigung vor, verbunden insbesondere mit epileptischen Anfällen, einer spastischen Tetraparese, Immobilisationssyndrom, Störungen des Schluckens, Sprechens und Atmens. Fest steht ebenso aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme – ergänzt durch den eigenen Eindruck, den die Kammer im Rahmen der Verhandlung vom 09.04.2021 von der anwesenden Tochter der Beklagten gewinnen konnte -, dass … einen Spezialrollstuhl benötigt, sich selbständig nicht fortbewegen kann, eine PEG-Sonde zwecks Ernährung benötigt, teilweise beatmet werden muss und letztendlich auf eine umfassende medizinische und pflegerische Betreuung sowie Fremdversorgung rund um die Uhr angewiesen ist.
(2) Allerdings ist die Kammer aufgrund der auch im Übrigen in sich schlüssigen und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen …, an dessen Sachkunde die Kammer keine Zweifel hat und dessen Erläuterungen sie sich nach kritischer Prüfung und Würdigung insgesamt zu eigen macht, ebenso davon überzeugt, dass trotz der beschriebenen schwerwiegenden Erkrankungen bzw. Behinderungen gleichwohl der Gesundheitszustand der Tochter der Beklagten einen Umzug zulässt und hierdurch eine ernsthafte Gefährdung einer Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation nicht zu erwarten ist.
(a) Wie der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten feststellte, ist … mobilisierbar. Dies wird ferner durch den Umstand bestätigt, dass es den Beklagten zu 1) und 2) möglich war, gemeinsam mit ihrer Tochter zu dem Verhandlungstermin vom 09.04.2021 zu kommen. Der Umzug als solcher bzw. Transport in ein neues Zuhause ist für … hiernach gefahrlos möglich.
(b) In seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens führte der Sachverständige zudem näher aus, dass zwar vollkommen klar sei, dass … einer umfassenden ärztlichen und pflegerischen Betreuung bedürfe, die auch im Falle eines Umzugs weiterhin sichergestellt sein müsse. Dabei dürfe sich die Qualität der Pflege, auch was die räumliche Situation anbelangt, im Vergleich zur jetzigen Situation nicht verschlechtern, wobei dies – wie er bereits in seinem schriftlichen Gutachten darlegte – auch eine ausreichend große und barrierefreie Wohnung erfordere. Vorstehendes bedeute jedoch nicht, dass – anders als etwa bei einem Demenzkranken – die Tochter der Beklagten in Deutschland an ein bestimmtes Haus, ein bestimmtes Anwesen oder eine bestimmte Wohnung gebunden sei. … könne (ohnehin) selbständig nichts unternehmen. Insgesamt sei aus medizinischer Sicht eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes aufgrund eines Ortswechsels nicht zu befürchten.
(c) In diesem Zusammenhang legte der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar dar, dass mit Blick auf den fortgeschrittenen Zustand und den Schweregrad der Erkrankung die bisher betreuenden Ärzte austauschbar seien. Hinsichtlich der Frage der Auswirkungen eines etwaigen Therapeutenwechsels infolge eines Umzugs ist die Kammer aufgrund der detaillierten mündlichen Erläuterungen des … zudem überzeugt, dass dies allenfalls – möglicherweise – anfangs zu vorübergehenden Schwierigkeiten führen wird, insbesondere in Form einer Verweigerungshaltung der …, die allerdings nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen nur vorübergehend wäre. Eine Veränderung ihres körperlichen gesundheitlichen Zustands sei hierdurch – so der Sachverständige weiter – nicht zu erwarten, sondern lediglich eine gewisse Verunsicherung und emotionale Belastung denkbar, dies jedoch bloß vorübergehend und überwindbar und ohne dass dies als „Stresssituation“ bezeichnet werden könne.
(3) Schließlich hat die Kammer auch keine Zweifel, dass sich das erstattete Gutachten des Sachverständigen … trotz des Umstands, dass er die Tochter der Beklagten nicht selbst persönlich untersucht hat, als ausreichend fundiert und belastbar darstellt. Nicht nur, dass der Sachverständige sich zumindest im Verhandlungstermin vom 09.04.2021 einen persönlichen Eindruck von der ebenfalls anwesenden … und deren – wie auch für die Kammer ohne Weiteres ersichtlich – schweren Erkrankung und Behinderung, einhergehend mit der Notwendigkeit einer umfassenden Betreuung und Fremdversorgung, verschaffen konnte, lagen dem Sachverständigen für seine Begutachtung zudem umfassende Unterlagen verschiedener Ärzte aus den Jahren 2003, 2005 und 2017 vor, insbesondere ein im Rahmen des Betreuungsverfahrens erstelltes nervenärztliches Gutachten vom 19.10.2017 und ein ausführliches Attest der „Kinder-Praxen …“ vom 21.12.2017. Der Sachverständige … legte in diesem Zusammenhang in seiner mündlichen Erörterung vom 09.04.2021 plausibel dar, dass diese Unterlagen für ihn aussagekräftig und ausreichend für die Erstellung seines Gutachtens waren. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, … zum Zwecke der Begutachtung zu sehen bzw. selbst zu untersuchen; dies hätte keinen weiteren Erkenntnisgewinn gebracht. Für die Kammer ist kein Grund ersichtlich, an dieser sachverständigen Einschätzung zu zweifeln.
Soweit die Beklagten zu 1) und 2) die Untersuchung ihrer Tochter in ihrem häuslichen Umfeld beantragt haben, war diesem Antrag daher nicht nachzukommen, zumal der Sachverständige ohnehin – im Sinne der Beklagten bzw. ihren Vortrag bestätigend – unmissverständlich klarstellte, dass sich die Situation der Pflege und häuslichen Versorgung, gerade auch bezüglich der räumlichen Gegebenheiten und behindertengerechte Ausstattung der Wohnung, durch einen Umzug nicht verschlechtern darf. Dies steht einem Umzug aber eben nicht von vornherein entgegen. Eine Härte im Sinne des § 574 BGB kann dies unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen allenfalls in Verbindung mit dem Gesichtspunkt bzw. der Frage, ob angemessener, insbesondere dem Gesundheitszustand der Tochter der Beklagten hinreichend gerecht werdender Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschaffbar ist, darstellen (dazu s. später unter II.8. cc)). Bei einem Umzug in eine geeignete Ersatzwohnung ist eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands unter Zugrundelegung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … hingegen nicht zu erwarten. Dies steht im Übrigen auch zwanglos im Einklang mit der im Attest der „Kinder-Praxen …“ vom 21.12.2017 geäußerten ärztlichen Einschätzung; auch dort werden bedrohliche Auswirkungen eines Umzugs auf den Gesundheitszustand der … letztendlich lediglich für den Fall konstatiert, dass der neue Wohnraum mit Blick auf die Größe und die gegebene Notwendigkeit der behindertengerechten Ausstattung und Einrichtung eine – gemessen an der aktuellen Situation – ausreichende Pflege, Versorgung und Durchführung von Therapiemaßnahmen nicht mehr zulässt.
(4) Schließlich waren aufgrund der vorstehenden Erwägungen und mit Blick auf das eingeholte Sachverständigengutachten auch die von den Beklagten im Zusammenhang mit der Erkrankung ihrer Tochter angebotenen Zeugen nicht zu vernehmen.
(5) Dass der Gesundheitszustand der Tochter der Beklagten zu 1) und 2) bereits für sich betrachtet eine zur Fortsetzung des Mietverhältnisses zwingende Härte im Sinne des § 574 BGB darstellt, ist nach alledem nicht feststellbar.
bb) Weiterhin vermag die Kammer nicht festzustellen, dass der behauptete schlechte Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) einen Umzug nicht zulässt bzw. im Falle eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Beklagten zu 1) bestünde, was bereits für sich genommen einen Härtegrund darstellen könnte (s.o.). Die Beklagten haben zwar verschiedentlich eine Reihe von Erkrankungen des Beklagten zu 1) vorgetragen; aus ihrem Vortrag ergibt sich jedoch nicht bzw. jedenfalls nicht schlüssig und nicht ausreichend substantiiert, dass diese einen Umzug nicht zulassen bzw. inwiefern überhaupt eine Verschlechterung (und sei es nur geringen Ausmaßes) des aktuellen – ohnehin schlechten – Gesundheitszustands infolge eines Umzugs konkret zu befürchten ist. Im Einzelnen:
(1) Voranzustellen ist dabei zunächst, dass der Umstand, dass die Beklagten in ihrem Widerspruchsschreiben den – damals ohnehin jedenfalls nicht in dieser Ausprägung vorliegenden – schlechten Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) noch nicht geltend gemacht haben, unschädlich ist, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob das durch eine wirksame Kündigung beendete Mietverhältnis aufgrund einer Anordnung des Gerichts gemäß § 574a BGB fortzusetzen ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18).
(2) Die Beklagten sind der Auffassung, dem Beklagten zu 1) sei ein Umzug aus dem streitgegenständlichen Anwesen aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands nicht zumutbar, und legen hierzu insbesondere dar, dass der Beklagte zu 1) an einer erheblichen Herzschwäche leide, einen mobilen Defibrillator trage und wegen der starken Schädigung des Herzens auf ein Spenderherz warte, wobei seine Herzleistung gegenwärtig nur noch rund 20% betrage. Darüber hinaus bestünden lebensbedrohliche Nierenschäden und hochgradiger Diabetes. Auch seine Lungenfunktion sei erheblich eingeschränkt, sodass er sauerstoffpflichtig sei und sein Aktionsradius nur noch wenige Meter betrage.
Die Kammer unterstellt als wahr, dass der Beklagte zu 1) an diesen Erkrankungen der vorgetragenen Schwere und einem Grad der Behinderung von 70 leidet, ihm zudem auch die Pflegestufe zwei zuerkannt wurde. Damit fehlt es aber dennoch an ausreichendem Tatsachenvortrag, der die beklagtenseits gezogene Schlussfolgerung bzw. die Wertung rechtfertigt, dem Beklagten zu 1) sei aufgrund dieser (schweren) Erkrankungen ein Umzug nicht zumutbar. Woraus sich konkret eine Unzumutbarkeit ergeben soll bzw. dass oder welche negativen Auswirkungen eines Umzugs bezogen auf die vorgetragenen Erkrankungen zu erwarten sind, ist jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag beispielsweise nicht, dass oder weshalb der Beklagte zu 1) aufgrund seiner Erkrankungen räumlich und örtlich speziell an das streitgegenständliche Anwesen oder Wohnviertel gebunden ist, oder dass der Beklagte nicht mobil bzw. nicht transportfähig und daher zu einem Umzug gesundheitlich nicht in der Lage ist. Vielmehr war es dem Beklagten zu 1) auch möglich – sei es auch mit Unterstützung – zu dem Verhandlungstermin vom 09.04.2021 zu erscheinen.
(3) Zudem lässt sich auch aus dem – wiederum als wahr zu unterstellenden – Vortrag, dass der Beklagte zu 1) aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands einen Umzug nicht selbst durchführen kann, keine Unzumutbarkeit ableiten, da zum einen nicht feststellbar ist, dass nicht zumindest die Beklagten zu 2) an dem Umzug mitwirken und diesen organisieren könnte, und es ungeachtet dessen den Beklagten zumutbar ist, sich für die Durchführung des Umzugs fremder Hilfe zu bedienen, sei es in Form von Freunden und Familienmitgliedern oder durch die Beauftragung eines Umzugsunternehmens (so auch LG Hamburg, Urteil vom 26.10.1993, 316 S 31/92), wobei gerichtsbekannt ist, dass für Empfänger von Transferleistungen insoweit grundsätzlich auch finanzielle staatliche Unterstützung möglich ist.
(4) Auch soweit beklagtenseits (im Zusammenhang mit den körperlichen Erkrankungen) teils pauschal von einer Lebensgefahr in Bezug auf den Beklagten zu 1) die Rede ist, ist dieser Vortrag bereits für sich genommen nicht hinreichend substantiiert bzw. allenfalls insoweit, als es in dem Attest der Sozialstiftung … vom 25.01.2021 heißt, der Beklagte zu 1) sei Träger eines Defibrillators, weil er hochgradig gefährdet sei, potentiell tödliche Herzrhythmusstörungen zu entwickeln. Aus dem Beklagtenvortrag oder den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich aber nicht einmal, dass oder inwiefern eine Lebensgefahr konkret durch einen Umzug hervorgerufen oder durch einen Umzug zumindest erhöht würde. Unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags, einschließlich der vorgelegten Unterlagen, befindet sich der Beklagte zu 1) vielmehr aufgrund seines körperlich schlechten Zustands gegenwärtig ohnehin, mithin unabhängig von einem Umzug, in einem Zustand der Lebensgefahr. Eine Verschärfung oder Steigerung durch einen Umzug ist hingegen weder schlüssig noch konkret dargetan.
(5) Soweit es in dem Beklagtenschriftsatz vom 12.02.2021 darüber hinaus heißt, dass aufgrund der aktuellen Situation bei dem Beklagten zu 1) „wohl“ ein schwerwiegendes Burnout-Syndrom mit „möglicher“ Suizidgefahr vorliege, ist dies ebenfalls kein ausreichend substantiierter Tatsachenvortrag, um hieraus eine Unzumutbarkeit des Umzugs abzuleiten, zumal sich aus dem Vortrag wiederum nicht ergibt, dass oder inwiefern das „wohl“ vorhandene BurnoutSyndrom einen Umzug nicht zulässt oder durch einen solchen – über den ohnehin bestehenden Zustand der „möglichen“ Suizidgefahr hinaus – negativ beeinflusst würde.
(6) Schließlich ist auch der ergänzende Vortrag im Schriftsatz vom 25.03.2021, dass der Beklagte zu 1) zwischenzeitlich an einer tieferen Depression leide, sodass auch Suizidgefahr zu befürchten sei, ebenso wie die weitere pauschale Behauptung, dass ein Ortswechsel aus dem gegenwärtig bewohnten Hausanwesen die bestehenden Erkrankungen verstärke, zu unsubstantiiert. Weshalb bzw. inwiefern es durch einen Umzug zu einer Zustandsverschlechterung des Beklagten zu 1) – sei es in körperlicher oder psychischer Hinsicht – kommen soll, wurde auch in diesem Zusammenhang nicht schlüssig und konkret vorgetragen. Dabei kann als wahr zugrunde gelegt werden, dass der Beklagte zu 1) nunmehr (auch) an einer tieferen Depression leidet. Dennoch ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass mit einem Umzug keine Trennung von der Beklagten zu 2) und der gemeinsamen Tochter verbunden wäre, vielmehr nach dem Beklagtenvortrag wiederum der gemeinsame Bezug einer neuen Wohnung beabsichtigt ist, und auch nicht nachgewiesen ist, dass alternativer angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschaffbar ist (dazu sogleich), ebenso keine besondere Ortsverbundenheit oder dergleichen vorgetragen ist, eine Verschlechterung des psychischen Zustands bzw. der Depression des Beklagten zu 1) im Falle eines Umzugs nicht hinreichend dargetan.
(7) Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen erübrigte sich nicht nur die Vernehmung der im Beklagtenschriftsatz vom 12.02.2021 angebotenen Zeugen. Ferner kam auch die (beantragte) Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) bzw. zu diesbezüglichen Auswirkungen eines Umzugs nicht in Betracht.
Zwar haben die Tatsacheninstanzen immer dann, wenn der Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend macht, sich regelmäßig – nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO auch ohne Antrag – mittels sachverständiger Hilfe eines genaues Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 167/17). Dies setzt jedoch einen schlüssigen und hinreichend substantiierten Parteivortrag voraus, an dem es hier aufgrund der dargelegten Erwägungen fehlt, wobei die Kammer durchaus berücksichtigt hat, dass in Fällen der Betroffenheit des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivorbringens nicht überspannt werden dürfen und die notwendige Substantiierung auch durch die Vorlage aussagekräftiger Atteste erreicht werden kann. An derartigen Unterlagen, denen sich eine drohende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beklagten zu 1) infolge eines Umzugs entnehmen ließe, fehlt es hier jedoch ebenfalls.
Die Beklagten wurden auf den in diesem Zusammenhang nur unzureichenden Sachvortrag auch wiederholt seitens der Kammer hingewiesen.
cc) Des Weiteren kann eine zur Fortsetzung des Mietverhältnisses führende Härte zwar auch dann vorliegen, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann, § 574 Abs. 2 BGB. Hiervon konnte sich die Kammer jedoch nicht überzeugen.
(1) Eine Ersatzwohnung ist angemessen, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entspricht und sie finanziell für ihn tragbar ist. Dabei sind die Lebensführung des Mieters und seine persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse maßgebend. Die Wohnung muss allerdings grundsätzlich dem bisherigen Wohnraum weder hinsichtlich ihrer Größe, ihres Zuschnitts oder ihrer Qualität noch nach ihrem Preis vollständig entsprechen. Gewisse Einschnitte sind dem Mieter vielmehr zuzumuten. Leben im Haushalt des Mieters Angehörige mit eigenem Einkommen, ist die Suche nach angemessenem Ersatzwohnraum grundsätzlich auch auf solche Wohnungen zu erstrecken, die mit dem Haushaltseinkommen finanziert werden können. Ferner ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter für eine Ersatzwohnung erstmals oder in höherem Umfang Sozialleistungen – vor allem Wohngeld – erhalten würde (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19 m.w.N.).
(2) Gemessen hieran und unter Berücksichtigung der bereits dargelegten Ausführungen des Sachverständigen … muss der in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 2) angemessene Ersatzwohnraum so beschaffen sein, dass sie weiterhin – wie bereits unstreitig seit etlichen Jahren – mit ihrer schwerbehinderten Tochter zusammenleben und diese unter Aufrechterhaltung des aktuellen Standards ausreichend pflegen und betreuen können. Im Einzelnen:
(a) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 1) und 2) bereits seit Jahren keine nichteheliche Lebensgemeinschaft mehr bilden, sodass neben einem geräumigen Zimmer für ihre Tochter auch zwei weitere getrennte Schlafzimmer zu einer angemessenen Wohnsituation zählen, während es den Beklagten aus Sicht der Kammer zuzumuten ist, Bad und Küche sowie auch das Wohnzimmer gemeinsam zu nutzen, zumal sie sich nach ihrem eigenen Vortrag gegenwärtig auch Bad und Küche offenbar problemlos teilen, das jeweils eigene Schlafzimmer ausreichenden Rückzugsort bietet und gewisse Einschnitte – wie dargelegt – hinzunehmen sind.
(b) Weiter bedeutet dies, dass mit Blick auf den benötigten Spezialrollstuhl sowohl der Zugang als auch grundsätzlich die Innenräume – soweit sie von … genutzt werden, mithin ausgenommen jedenfalls die Schlafzimmer der Beklagten – barrierefrei gestaltet sein müssen, d.h. vor allem keine Treppenstufen vorhanden sein dürfen. Klarstellend ist anzufügen, dass die Wohnung damit aber nicht zwingend im Erdgeschoss liegen muss, sofern ein Zugang über einen Aufzug, in dem der Rollstuhl der Tochter Platz findet, möglich ist. Sofern die Beklagten – klägerseits bestritten – zudem behaupten, die Türen im derzeit bewohnten Anwesen hätten „Überbreite“ und überbreite Türen würden auch im neuen Wohnraum benötigt, ist dieser Vortrag allerdings zu unsubstantiiert, um hieraus besondere Anforderungen an den angemessenen Ersatzwohnraum abzuleiten. Trotz Hinweises der Kammer vom 04.01.2021, dass noch konkret vorzutragen ist, welche (Mindest-)Türbreite bei einem neuen Wohnraum erforderlich ist, damit der Rollstuhl der Tochter problemlos hindurch passt, erfolgte diesbezüglich kein Vortrag. Sicherlich kann angenommen werden, dass die Türen mit Blick auf den Rollstuhl mindestens 80 cm Breite aufweisen müssen, was gerichtsbekannt heutzutage in Wohnraum aber regelmäßig der Fall ist. Ob bzw. in welchem Ausmaß darüber hinaus Platzbedarf bei den Türen besteht, lässt sich dem Beklagtenvortrag jedoch nicht hinreichend entnehmen.
(c) Soweit unstreitig in dem streitgegenständlichen Anwesen zumindest teilweise Deckenschienen vorhanden sind, um die Tochter der Beklagten insbesondere in das Bett oder in die Badewanne zu heben, ist von deren Erfordernis auch weiterhin auszugehen; allerdings ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht, dass einer entsprechenden Montage in einer neuen Wohnung besondere Hindernisse entgegenstünden bzw. der Ersatzwohnraum für die Montage besondere Anforderungen erfüllen müsste.
(d) Ferner steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass in dem neuen Wohnraum ausreichend Platz für die Durchführung von Therapiemaßnahmen vorhanden sein muss, sei es im Wohnzimmer oder im Zimmer der gemeinsamen Tochter. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag die Kammer jedoch nicht zu erkennen, weshalb eine angemessene Ersatzwohnung zwingend aus mindestens fünf Zimmern bestehen muss, zumal – wie dargelegt – gewisse Einschnitte dem Mieter zuzumuten sind. Die Beklagten begründen die Notwendigkeit eines fünften Zimmers damit, dass dieses zur Lagerung der pflegerischen und medizinischen Hilfsmittel und Verbrauchsmaterialien für ihre Tochter benötigt werde und die Medizin aus hygienischen Gründen in einem separaten Kühlschrank gelagert werden müsse. Der Kammer erschließt sich aber nicht, weshalb hierfür zwingend ein separates Zimmer benötigt wird; vielmehr ist es den Beklagten auch zuzumuten die Hilfsmittel, Verbrauchsmaterialien und auch einen zweiten Kühlschrank in einer – ausreichend geräumigen – Vierzimmerwohnung unterzubringen, selbst wenn dies den Wohnkomfort (etwa durch Aufstellung eines zweiten Kühlschranks in der Küche, oder beispielsweise durch Lagerung der benötigen Hilfsmittel und Materialien auch im Wohnzimmer) einschränkt.
(3) Dass solche Wohnungen – oder sei es selbst Fünfzimmerwohnungen, wie sie von den Beklagten zu 1) und 2) beansprucht werden – in der näheren Umgebung überhaupt nicht zur Verfügung stünden, behaupten die Beklagten nicht. Vielmehr berufen sie sich darauf, dass ein angemessener Ersatzwohnraum mit Blick auf ihre eingeschränkten finanziellen Mittel für sie nicht zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen sei. Diesbezüglich sind die Beklagten jedoch bereits ihrer Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen.
So ist zwar unstreitig, dass die Beklagten zu 1) und 2) staatliche Leistungen beziehen und insofern durchaus finanziell eingeschränkt sind. Zudem haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 29.11.2019 vorgetragen, dass ihr absolutes Limit hinsichtlich der Wohnkosten bei 800,00 € warm liege. Welche Mietkosten für sie nunmehr im Jahr 2021 finanziell (maximal) tragbar sind, ist von den Beklagten allerdings – trotz Hinweises der Kammer vom 04.01.2021 – nicht vorgetragen.
Außerdem fehlt es auch an Beklagtenvortrag dazu, ob und ggf. in welcher Höhe sie für eine Ersatzwohnung (zusätzliche) Sozialleistungen – vor allem Wohngeld – erhalten würden. Auf das Erfordernis entsprechenden Sachvortrags wurden die Beklagten ebenfalls mit Hinweis der Kammer vom 04.01.2021 aufmerksam gemacht. Nachdem der Bundesgerichtshof bereits ausdrücklich entschieden hat, dass bei der Suche nach angemessenem Ersatzwohnraum auch zu berücksichtigen ist, ob der Mieter für eine Ersatzwohnung erstmals oder in höherem Umfang Sozialleistungen – vor allem Wohngeld – erhalten würde (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19, sowie Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18), geht die Kammer in Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung davon aus, dass jedenfalls Mieter, die – wie hier – mangels eigenen Einkommens staatliche Leistungen zwecks Bestreitens ihres Lebensunterhalts beziehen und die sich im Rahmen des § 574 Abs. 2 BGB darauf berufen, angemessenen Ersatzwohnraum aufgrund ihrer eingeschränkten finanziellen Mittel nicht beschaffen zu können, ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nur dann ausreichend nachkommen, wenn sie auch vortragen, ob sie für eine Ersatzwohnung zusätzliche Sozialleistungen und ggf. in welcher Höhe erhalten würden. Im Schriftsatz der Beklagten vom 29.11.2019 heißt es jedoch lediglich, dass sie noch keine verbindlichen Informationen darüber erhalten hätten, in welcher Höhe Mietkosten maximal vom Leistungsträger übernommen würden.
(4) Darüber hinaus sind die Beklagten ihrer Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche nicht hinreichend nachgekommen. Insoweit fehlt es – wiederum trotz entsprechenden Hinweises der Kammer – ebenfalls an ausreichendem Sachvortrag.
(a) Dem Mieter obliegt es, alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Erlangung einer Ersatzwohnung zu ergreifen (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, BGB, § 574 Rn. 30). Der Umfang dieser Obliegenheit des Mieters, sich mithilfe von Verwandten und Bekannten oder öffentlichen und privaten Stellen sowie unter Inanspruchnahme geeigneter Medien (etwa Zeitungsannoncen, Internet) ernsthaft und nachhaltig um eine angemessene Ersatzwohnung zu bemühen, richtet sich dabei danach, was ihm unter seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist. Hierfür reicht es regelmäßig nicht aus, wenn der Mieter nur gelegentliche Versuche unternimmt, anderen Wohnraum zu finden (BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19, sowie Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18).
(b) In Anknüpfung an die bereits dargelegte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht die Kammer in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein Mieter, der staatliche Unterstützung für seinen Lebensunterhalt bezieht und der sich im Rahmen des § 574 Abs. 2 BGB auf eingeschränkte finanzielle Mittel beruft, seine Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche nur dann erfüllt, wenn er sich zeitnah nach Kündigungserhalt bzw. jedenfalls frühzeitig im Rahmen eines Räumungsprozesses über einen etwaigen Anspruch auf (zusätzliche) Sozialleistungen zur Finanzierung angemessenen Ersatzwohnraums informiert und ggf. die notwendigen Schritte für den Erhalt solcher Leistungen in die Wege leitet, er insoweit also zum Tätigwerden bzw. zur Anspruchsdurchsetzung „verpflichtet“ ist, wenn er sich auf § 574 Abs. 2 BGB berufen möchte. Dies war den Beklagten hier trotz ihrer schwierigen persönlichen Verhältnisse aus Sicht der Kammer durchaus zuzumuten. Dass sie hinreichende Anstrengungen zum Erhalt entsprechender Leistungen unternommen haben, lässt sich ihrem Vortrag jedoch nicht entnehmen, und ebenso wenig, dass ein solcher Anspruch abgelehnt wurde.
(c) Weiter ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass sie ihre Wohnungssuche auf mindestens fünf Zimmer bzw. (alternativ) ein Einfamilienhaus beschränkten, obwohl – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich auch eine Vierzimmerwohnung (dies keineswegs nur in Gestalt eines Einfamilienhauses) als angemessen anzusehen wäre. Insbesondere auch anhand der mit Schriftsatz vom 29.11.2019 vorgelegten Kopien von Wohnungsangeboten betreffend den Zeitraum Januar 2018 bis Oktober 2019, welche nach dem Beklagtenvortrag – neben ihren eigenen Suchanzeigen – ihre Suchbemühungen in dieser Zeit dokumentieren, wobei die aus Sicht der Beklagten (zunächst) geeignet erscheinenden Angebote grün markiert sind (welche sich – so die Beklagten – jedoch im Ergebnis allesamt, teils weil zu teuer, als unpassend dargestellt hätten), ist ersichtlich, dass die Beklagten nur nach Wohnungen mit mindestens fünf Zimmern oder Häusern Ausschau hielten, nicht jedoch nach – in den Wohnungsangeboten durchaus vorhandenen, jedoch gerade nicht grün markierten – Vierzimmerwohnungen, obwohl sich diese regelmäßig als billiger erweisen dürften. Auch die eigenen Suchanzeigen der Beklagten im Zeitraum April 2018 bis Juni 2019 im „Steigerwaldkurier“ bezogen sich lediglich auf eine mindestens fünf oder sechs Zimmer umfassende Wohnung im Erdgeschoss (auch diese Einschränkung ist bei Vorhandensein eines Aufzugs nicht nachvollziehbar) oder ein Haus. Nach Auffassung der Kammer erfüllt der Mieter seine Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche nicht, wenn er zwar Suchbemühungen entfaltet, diese sich jedoch nur auf Wohnraum beziehen, welcher hinsichtlich Wohnstandard oder Größe den in Bezug auf den Mieter angemessenen Ersatzwohnraum übersteigt. Irrt der Mieter bei seiner Ersatzwohnraumsuche darüber, welche Ersatzwohnungen angemessen sind, geht dies nach Ansicht der Kammer zu seinen Lasten.
(d) Hinzu kommt, dass die Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche den Mieter fortwährend trifft. Dabei muss der Mieter substantiiert vortragen, was er getan hat, um eine Ersatzwohnung zu erhalten, wobei insoweit die Angabe konkreter nachprüfbarer Tatsachen erforderlich ist und allgemein gehaltene Hinweise auf nicht näher bezeichnete Aktivitäten nicht ausreichen (Blank in: Schmidt-Futterer, a.a.O., § 574 Rn. 37; OLG Köln, Urteil vom 10.03.2003, 16 U 72/02; LG Bonn, Urteil vom 17.06.1991, 6 S 27/91). Hinsichtlich des Zeitraums ab November 2019 fehlt es jedoch – trotz des auch insoweit erfolgten Hinweises der Kammer vom 04.01.2021 – an einem solchen substantiierten Vortrag der Beklagten zu 1) und 2) zu konkret ergriffenen Maßnahmen.
So tragen die Beklagten zunächst ohne jegliche nähere Konkretisierung vor, sie würden die einschlägigen Zeitschriften und Internetportale täglich bemühen. Weiter seien (erfolglos) Suchanzeigen in den Portalen „Marktplatz“ (Facebook), …kurier, Spotted Immobilien, Wobla, Immoscout und „meine Stadt“ eingestellt, wobei wiederum jegliche nähere Konkretisierung fehlt, etwa zu den Zeitpunkten bzw. Zeiträumen der Schaltung dieser Suchanzeigen sowie zu deren Inhalt, oder ob Rückmeldungen erfolgten und warum diese ggf. nicht zum Erfolg führten.
Soweit die Beklagten darüber hinaus vortragen, sie hätten dreizehn namentlich benannte Personen gebeten, sie bei der Suche nach geeigneten Objekten zu unterstützen, wobei diese Personen seit Beginn des erstinstanzlichen Räumungsstreits, jedoch im Ergebnis erfolglos, intensive Bemühungen unternommen hätten, geeigneten Ersatzwohnraum zu finden, indem sie in ihren privaten und beruflichen Umkreis nach verfügbaren Objekten nachgefragt hätten, mangelt es auch hier an substantiiertem Vortrag, insbesondere zu den Suchvorgaben, die die betreffenden Personen von den Beklagten erhielten, und weshalb diese Bemühungen letztendlich konkret scheiterten.
(e) Ferner war substantiierter Vortrag in diesem Zusammenhang auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil den Beklagten zu 1) und 2) mit Blick auf die umfangreiche und zeitintensive Betreuungssituation ihrer Tochter und den Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) entsprechende Suchbemühungen ohnehin nicht zumutbar wären. Vielmehr ist die Kammer auch unter Berücksichtigung der schwierigen Situation der Beklagten der Auffassung, dass ihnen zumindest zumutbar war und ist, fortlaufend eigene Wohnungssuchanzeigen zu inserieren, Freunde und Bekannte in die Wohnungssuche miteinzubeziehen und zudem fortwährend – jedenfalls alle zwei bis drei Tage, wenn nicht gar täglich – die Wohnungsanzeigen verschiedener Internetportale oder der örtlichen Zeitungen nach angemessenem Ersatzwohnraum zu durchsuchen und sich auf geeignet erscheinende Angebote unverzüglich zu melden, zumal dies alles in einem zeitlich überschaubaren Rahmen und mit vergleichsweise wenig Aufwand möglich ist und sich aus dem Beklagtenvortrag nicht ergibt, dass der Beklagte zu 1) gesundheitlich hierzu überhaupt nicht in der Lage wäre. Aber selbst wenn dem so wäre, wären die vorstehenden Suchbemühungen auch allein der Beklagten zu 2) zumutbar.
(f) Eine Verletzung der Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche ist daneben schließlich auch deshalb anzunehmen, weil die Beklagten zu 1) und 2) offenbar bislang keinerlei öffentliche Stellen um Hilfe bei der Suche nach geeignetem Ersatzwohnraum bemühten. Hierzu wären sie jedoch angesichts der bislang verstrichenen Zeit und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erkrankung bzw. Behinderung ihrer Tochter gehalten gewesen, da erfahrungsgemäß gerade bei solchen schwierigen Situationen öffentliche Stellen Unterstützung bieten.
(5) Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen erübrigte sich nicht nur die Vernehmung der im Beklagtenschriftsatz vom 12.02.2021 angebotenen Zeugen („Helfer in Not“). Ferner kam auch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht zu finden ist, nicht in Betracht. Insbesondere war eine entsprechende Beweisaufnahme schon deshalb nicht veranlasst, weil – wie dargelegt – bereits mit Blick auf die fehlende Information über die Frage (zusätzlicher) Sozialleistungen zur Finanzierung angemessenen Ersatzwohnraums nicht einmal klar ist, was den Beklagten zu 1) und 2) finanziell überhaupt zumutbar ist.
dd) Da somit zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass weder der Gesundheitszustand der Tochter der Beklagten noch derjenige des Beklagten zu 1) jeweils für sich betrachtet einen Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB begründet, weil nicht feststellbar ist, dass ein Umzug bzw. ein Wohnungswechsel zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation bedeuten würde (s. hierzu im Einzelnen Ziffer II.8. b) aa) und II.8. b) bb)), und da zudem den Beklagten der Nachweis des Vorliegens eines Härtegrundes im Sinne des § 574 Abs. 2 BGB nicht gelungen ist (s. Ziffer II.8. b) cc)), gebietet § 574 BGB im Weiteren eine umfassende Interessenabwägung.
(1) Bei der Auslegung und Anwendung des § 574 BGB haben die Gerichte das Bestandsinteresse des Mieters und das Erlangungsinteresse des Vermieters angemessen zu berücksichtigen, die beiderseitigen Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18 m.w.N.). Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Auswirkungen, die einerseits die Vertragsbeendigung für den Mieter und andererseits die Vertragsfortsetzung für den Vermieter haben würde, zu bewerten und in Beziehung zu setzen (BGH, a.a.O.). Sofern hiernach ein Überwiegen der Belange des Mieters festgestellt werden kann, hat dieser Anspruch auf Vertragsfortsetzung nach § 574 BGB: Auf ein deutliches Überwiegen kommt es hierbei nicht an; maßgeblich ist allein, ob sich ein Übergewicht der Belange der Mieterseite feststellen lässt, also die Interessenabwägung zu einem klaren Ergebnis führt (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Abwägung ist die letzte mündliche Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19 m.w.N.).
(2) Aufseiten des Klägers ist dabei maßgeblich der in Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Schutz des Eigentums, der gerade auch die Befugnis umfasst, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen, zu berücksichtigen. Dem Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG kommt daneben grundsätzlich keine selbständige Bedeutung zu, sondern diese Belange werden im Falle der Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung von der Eigentumsgarantie mitumfasst (BGH, a.a.O.). Weiter berücksichtigt die Kammer, dass die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgarantie unabhängig davon eingreift, ob der Vermieter die Eigenbedarfssituation durch den Erwerb der vermieteten Wohnung willentlich – wie hier – herbeigeführt hat. Es würde Art. 14 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, im Rahmen der Abwägung nach § 574 Abs. 1 BGB dem Erlangungsinteresse des Klägers von vornherein einen geringeren Stellenwert beizumessen als dem Erlangungsinteresse eines Vermieters, der eine von ihm selbst vermietete Wohnung nach geraumer Zeit wegen nicht vorhersehbaren Eigenbedarfs kündigt (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18; Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19 m.w.N.).
Vielmehr ist dem Erlangungsinteresse des Klägers hier hohes Gewicht beizumessen, weil die aktuelle Wohnsituation des Klägers bedeutet, dass er – abgesehen von gelegentlichen (und sei es teils auch mehrwöchigen) Besuchen – nunmehr bereits jahrelang getrennt von seiner Familie, d.h. seiner Ehefrau und den beiden Kindern lebt, welche sich überwiegend in Moldawien aufhalten. Mit seiner bereits über drei Jahre zurückliegenden Kündigung vom 31.01.2018 verfolgt er das Ziel, mit seiner Frau und den Kindern in Deutschland in dem streitgegenständlichen Anwesen wieder als Familie zusammenzuleben, wobei nicht zuletzt auch angesichts des Umstandes, dass die soziale und schulische Integration der Kinder mit zunehmendem Alter erschwert wird, eine Dringlichkeit des Eigenbedarfs anzunehmen ist. Nicht außer Betracht bleiben kann zudem, dass in letzter Zeit wechselseitige Besuche aufgrund der schon über ein Jahr andauernden Corona-Pandemie erschwert wurden.
Dagegen berücksichtigt die Kammer bei der Bewertung des Erlangungsinteresses des Klägers nicht, ob – wie vom Kläger vorgetragen, beklagtenseits jedoch bestritten – der Einzug auch des Bruders und der Schwiegermutter in das streitgegenständliche Anwesen beabsichtigt ist. Hinsichtlich der Schwiegermutter folgt dies bereits aus § 574 Abs. 3 BGB. Mit Blick auf den Bruder verbietet sich die Berücksichtigung aufgrund der nicht erfolgten Beweisaufnahme, ohne dass dies jedoch am Ergebnis der Interessenabwägung etwas ändert (s. dazu sogleich).
(3) Aufseiten der Beklagten zu 1) und 2) ist ebenfalls das – den in Art. 6 Abs. 1 GG geregelten Schutzbereich mitumfassende – Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG zu beachten, das zur Folge hat, dass der Mieter bei der Auslegung des Begriffs der „Härte“ verlangen kann, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18; Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19 m.w.N.). Vorliegend verkennt die Kammer insoweit nicht, dass das verfahrensgegenständliche Mietverhältnis bereits seit rund dreizehn Jahren besteht; allerdings ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht, dass infolgedessen – oder aus sonstigen Gründen – eine besondere soziale Verwurzelung in ihrer aktuellen Wohngegend besteht. Ganz im Gegenteil tragen sie vor, auch in weiterer Entfernung (bis Erlangen oder sogar bis Bad Kissingen) nach Ersatzwohnraum zu suchen.
Weiter ist mit Blick auf die schwere Erkrankung bzw. Behinderung der Tochter der Beklagten das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG betroffen. Allerdings ist die Kammer – wie bereits dargelegt – aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen … davon überzeugt, dass weder ein Umzug als solcher noch ein Wohnungswechsel zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands führen wird bzw. dass diesbezüglich nicht einmal eine ernsthafte Gefährdung besteht, sofern ein adäquater Ersatzwohnraum vorhanden bzw. beschaffbar ist. Hiervon ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen (s. Ziffer II.8. b) cc)) auszugehen. Gleichwohl berücksichtigt die Kammer durchaus, dass für die Tochter der Beklagten infolge des Umzugs in eine andere Wohnung, insbesondere falls dieser mit einem Ärzte- bzw. Therapeutenwechsel verbunden wäre, anfänglich eine gewisse Verunsicherung und emotionale Belastung, ggf. auch eine vorübergehende Verweigerungshaltung hinsichtlich der Mitwirkung bei den Therapiemaßnahmen denkbar ist, wobei hierdurch nach der überzeugenden Sachverständigeneinschätzung allerdings keine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation droht. Ebenso berücksichtigt die Kammer, dass der Umzug für die Beklagten aufgrund der Erkrankung ihrer Tochter einen höheren organisatorischen Aufwand bedeutet, sei es aufgrund der ggf. erforderlichen Suche nach neuen Therapeuten oder weil beispielsweise die notwendigen Deckenschienen in der neuen Wohnung noch angebracht bzw. dies organisiert werden muss.
Dagegen fällt der vorgetragene schlechte Gesundheitszustand des Beklagten zu 1) bei der Interessenabwägung nicht ins Gewicht, da – wie bereits dargelegt (s.o.) – die Beklagten nicht schlüssig und nicht ausreichend substantiiert vorgetragen haben, dass die Erkrankungen des Beklagten zu 1) einen Umzug bzw. Wohnungswechsel nicht zulassen oder dass infolgedessen eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands – und sei es nur geringen Ausmaßes – ernsthaft zu befürchten ist. Negative Auswirkungen der Vertragsbeendigung für die Gesundheit des Beklagten zu 1) sind demnach eben gerade nicht dargetan.
(4) Nach umfassender Abwägung des hiernach gewichtigen und dringenden Erlangungsinteresses des Klägers einerseits (bezogen auf den gemeinsamen Einzug mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern) und des Bestandsinteresses der Beklagten zu 1) und 2), einschließlich der Belange ihrer Tochter, andererseits vermag die Kammer im Ergebnis ein Überwiegen der Belange der Beklagten nicht festzustellen.
Da sich im Falle eines Nutzungswunsches auch in Bezug auf den Bruder des Klägers die Abwägung allenfalls weiter zugunsten des Klägers verschieben würde, dies aber in jedem Fall kein Überwiegen der Belange der Beklagten begründen könnte, erübrigte sich die diesbezügliche Beweisaufnahme.
Folglich können die Beklagten zu 1) und 2) keine Vertragsfortsetzung nach § 574 BGB verlangen.
Die Räumungsklage des Klägers erweist sich damit insgesamt als begründet, weshalb das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagten zu 1) und 2) zur Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Anwesens zu verurteilen sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO.
Bezüglich der im Berufungsverfahren erfolgten übereinstimmenden (Teil-)Erledigungserklärungen der Parteien hinsichtlich der Beklagten zu 3) wird die Kostengrundentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 ZPO festgesetzt. Die Entscheidung über den verbleibenden Teil folgt den allgemeinen Grundsätzen. Es ist insgesamt eine einheitliche sog. Kostenmischentscheidung zu treffen.
Dabei waren vorliegend die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten für die auch insoweit zunächst klägerseits eingelegte Berufung, der Beklagten zu 3) aufzuerlegen, da dies billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands entspricht, § 91a Abs. 1 ZPO. Die Beklagte zu 3) wäre in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen gewesen.
Das mit den Beklagten zu 1) und 2) bestehende Mietverhältnis wurde – wie dargelegt – wirksam zum 30.11.2018 beendet. Gemäß § 546 Abs. 2 BGB kann der Vermieter, wenn der Mieter den Gebrauch der Sache einem Dritten überlassen hat, nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. Dieses Rückforderungsrecht besteht unabhängig davon, ob die Gebrauchsüberlassung an den Dritten vormals mit Einverständnis des Vermieters erfolgte (Weidenkaff in: Palandt, BGB, 80. Auflage, § 546 Rn. 20; Bieber in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 546 Rn. 22). Ferner ist hier auch die nach § 546 Abs. 2 BGB erforderliche Rückforderungserklärung gegenüber der Beklagten zu 3) gegeben. In der Erhebung einer Räumungsklage ist die Rückforderungserklärung in der Regel stillschweigend enthalten (Steyl in: Schmidr-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, BGB, § 546 Rn. 102; Klotz-Hörlin in: BeckOK Mietrecht, 23. Edition, Stand: 01.02.2021, BGB, § 546 Rn. 91; vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 19.08.1998, 4 U 28/97). Vorliegend ist sie in der Klage- bzw. Parteierweiterung gemäß klägerischem Schriftsatz vom 25.07.2018 zu sehen. Da die Beklagte zu 3) trotz dieser Rückforderungserklärung nicht fristgerecht zum 30.11.2018 aus dem streitgegenständlichen Anwesen auszog, sondern erst im Laufe des Monats Dezember 2018, waren ihr folglich – gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 2) – die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, an dem sie (zunächst) ebenfalls beteiligt war, aufzuerlegen.
Mit Blick auf die Beklagten zu 1) und 2) ergibt sich ihre Kostentragung dabei aus § 91 Abs. 1 ZPO, da sie in dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz nunmehr vollständig unterlegen sind.
Somit trifft die Beklagten, einschließlich der Beklagten zu 3), zwar grundsätzlich vollumfänglich eine gesamtschuldnerische Kostentragung. Eine Kostentrennung war allerdings mit Blick auf die durch das (schriftliche und mündliche) Sachverständigengutachten des … verursachte Kosten angezeigt. Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des Veranlasserprinzips und der Kostengerechtigkeit sowie dem Rechtsgedanken des § 96 ZPO, welcher auch im Rahmen der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigt werden kann (Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 96 Rn. 2). Billiges Ermessen gebietet es in der vorliegenden Konstellation, die Beklagte zu 3) – im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) und zu 2) – von den Sachverständigenkosten freizuhalten. Insoweit ist zu sehen, dass die betreffende Beweiserhebung erst erfolgte, nachdem der Rechtsstreit hinsichtlich der Beklagte zu 2) übereinstimmend für erledigt erklärt worden war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 7 und Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Gemäß § 721 ZPO ist auf den entsprechenden Antrag der Beklagten zu 1) und 2) eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist im Urteil festzusetzen. Die Kammer hält eine Räumungsfrist von neun Monaten, mithin bis zum 21.02.2022 für angemessen.
Dabei geht die Kammer zwar auch in diesem Zusammenhang davon aus, dass für die Beklagten zu 1) und 2) angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen durchaus beschaffbar ist bzw. eine gegenteilige Feststellung mangels ausreichenden Sachvortrags der Beklagten, insbesondere auch zur Erfüllung ihrer Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche, nicht möglich ist (s. II.8. B) cc)). Jedoch ändert dies nichts daran, dass die Beklagten zu 1) und 2) aktuell noch über keinen Ersatzwohnraum verfügen, sondern sich diesen erst noch beschaffen müssen, und der Umzug mit Blick auf die schwerwiegende Erkrankung ihrer Tochter zudem einen größeren organisatorischen Aufwand bedeutet, wobei ein „überhasteter“ Umzug in eine den Bedürfnissen der Tochter nicht hinreichend gerecht werdende Ersatzwohnung tunlichst zu vermeiden ist. Vor diesem Hintergrund ist trotz des gewichtigen Erlangungsinteresses des Klägers eine großzügige Räumungsfrist zu bewilligen.
V.
Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
Die Kammer hat bei der Prüfung des Härtegrundes im Sinne des § 574 Abs. 2 BGB unter anderem maßgeblich darauf abgestellt, dass ein Mieter, der mangels eigenen Einkommens staatliche Leistungen zwecks Bestreitens seines Lebensunterhalts bezieht und der sich im Rahmen des § 574 Abs. 2 BGB darauf beruft, angemessenen Ersatzwohnraum aufgrund seiner eingeschränkten finanziellen Mittel nicht beschaffen zu können, seiner diesbezüglichen Darlegungslast überhaupt nur dann ausreichend nachkommt, wenn er auch vorträgt, ob er für eine Ersatzwohnung zusätzliche Sozialleistungen und ggf. in welcher Höhe erhalten würde. Weiter ist die Kammer der Auffassung, dass der Mieter seine Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche nur dann erfüllt, wenn er sich zeitnah nach Kündigungserhalt bzw. jedenfalls frühzeitig im Rahmen eines Räumungsprozesses über einen etwaigen Anspruch auf (zusätzliche) Sozialleistungen zur Finanzierung angemessenen Ersatzwohnraums informiert und ggf. die notwendigen Schritte für den Erhalt solcher Leistungen in die Wege leitet, er insoweit also zum Tätigwerden bzw. zur Anspruchsdurchsetzung „verpflichtet“ ist, wenn er sich auf § 574 Abs. 2 BGB berufen möchte. Hierbei handelt es sich jeweils um eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie in den Urteilen vom 11.12.2019, VIII ZR 144/19, sowie vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18, enthalten ist. Aus Sicht der Kammer ist dies von grundsätzlicher Bedeutung ist. Letztendlich handelt es sich auch um eine Fortbildung des Rechts.
Auch der Aspekt, ob der Mieter seine Obliegenheit zur Ersatzwohnraumsuche – so die Auffassung der Kammer – dann nicht erfüllt, wenn seine Suchbemühungen sich nur auf Wohnraum beziehen, welcher hinsichtlich Wohnstandard oder Größe den in Bezug auf den Mieter angemessenen Ersatzwohnraum übersteigt, selbst wenn der Mieter bezüglich der Angemessenheit einem Irrtum unterliegt, mit der Folge, dass der Mieter sich nicht mit Erfolg auf den Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 2 BGB berufen kann, ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und von grundsätzlicher Bedeutung.


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