Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Eintragung, Berufung, Restitutionsklage, Grundbuch, Aufhebung, Gemarkung, Auskunft, Ablehnung, Aktivlegitimation, Feststellung, Nachweis, Klage, Verfahren, Auflage, Kosten des Rechtsstreits, Wiederaufnahme des Verfahrens, von Amts wegen

Aktenzeichen  16 S 6608/19

Datum:
10.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50034
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 C 531/15 2015-10-01 Versäumnisurteil AGHERSBRUCK AG Hersbruck

Tenor

1. Die Restitutionsklage wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

Die Restitutionsklage ist bereits unzulässig, im Übrigen auch unbegründet.
I.
1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist für die Restitutionsklage gemäß § 584 Abs. 1 ZPO zuständig, da es durch Endurteil vom 27.04.2018, Az. 16 S 8299/16, in der Sache entschieden hat. Die Restitutionsklägerin greift mit ihrem Wiederaufnahmeantrag Rügen auf, welche bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens waren.
2. Die Klage ist statthaft, da die Restitutionsklägerin schlüssig die Wiederaufnahmegründe des § 580 Nr. 4 und Nr. 7b ZPO behauptet. Die Frage, ob ein entsprechender Grund tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit (Zöller-Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 589 Rn. 2; Münchener Kommentar zur ZPO-Braun, 5. Auflage 2016, § 589 Rn. 1).
3. Die Klage ist hinsichtlich des geltend gemachten Restitutionsgründe des § 580 Nr. 4 ZPO unzulässig. Die Klägerin bringt vor, die Beklagten hätten das Eigentum der Klägerin zu Unrecht bestritten. Es seien unrichtige Angaben gemacht worden, da es den Beklagten bekannt gewesen ist, dass die Klägerin Eigentümerin sei. Dies ergebe sich aus den in den Akten (Bl. 625) befindlichen Abmarkungsprotokoll vom 13.04.1994. Es wird weder vorgetragen, wann die Klägerin hiervon Kenntnis erlangt hat, so dass bereits die Einhaltung der Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO nicht beurteilt werden kann. Unabhängig davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass wegen der behaupteten Straftat eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt noch die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen konnte, § 581 ZPO. Da mithin bereits die besonderen Voraussetzungen des § 581 ZPO nicht vorliegen, ist die Klage betreffend diesen Restitutionsgrund unzulässig.
4. Soweit sich die Klägerin auf die Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 19.01.2017 und 18.12.2016 beruft, ist die Klage ist unzulässig, da verfristet.
Die Klägerin behauptet, „das Grundbuchamt des Amtsgerichts Hersbruck und dann der Direktor des Amtsgerichts haben eine falsche Auskunft (…) gegeben“ (Bl. 577). Dies wurde auf gerichtlichen Hinweis vom 21.01.2020 durch den Beklagtenvertreter konkretisiert. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass ihre Eintragung im Grundbuch hinsichtlich des Grundstücks selbst innerhalb des gleichen Gerichts bekannt gewesen ist und deshalb eine Abweisung der Klage nicht erfolgte (Bl. 786). Dies begründet die Klägerin unter Verweis die Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 19.01.2017 und 28.12.2016, mithin mit Urkunden, welche nach Erlass des Urteils erster Instanz am 21.10.2016 und vor Erlass des Urteils zweiter Instanz am 27.04.2018 errichtet wurden. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Klägerin diese Urkunden im Vorprozess aufgrund Präklusion nicht hätte nutzen dürfen – was grundsätzlich eine Wiederaufnahmeklage rechtferigen kann (BeckOK-Fleck, ZPO, 37. Edition Stand 01.07.2020, § 586 Rn. 11), lagen diese und damit die sich der Klägerin daraus erschließende Erkenntnis mit Erlass des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth am 27.04.2018 vor. Damit begann die Monatsfrist mit Zustellung des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth am 07.05.2018 und endete am 07.06.2018, § 586 Abs. 1-3 ZPO. Der hierauf gestützte Wiederaufnahmeantrag vom 15.07.2019 (Bl. 577) ist mithin verfristet.
5. Da mithin die Einwendungen der Klägerin betreffend die Abweisung der Klage aufgrund der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation bereits unzulässig sind, kommt es auf den den Nachweis des Wegerechts betreffenden Restitutionsgrund nicht mehr an (siehe unten II.3).
II.
Die Restitutionsklage wäre darüber hinsichtlich der die Aktivlegitimation betreffenden Gründe auch unbegründet.
1. Die Klägerin trägt vor, sie habe davon ausgehen können, dass ihre Eintragung im Grundbuch innerhalb des gleichen Gerichts bekannt gewesen ist und deswegen eine Abweisung mangels nachgewiesener Eigentümerstellung nicht erfolgen würde. Dies ergebe sich aus den Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 19.01.2017 und 28.12.2016 (Blatt 786; Anlage K 13).
Offenbar bezogen hierauf lässt die Klägerin weiter vortragen, dass bei einem derartigen Verfahren das Grundbuch hätte beigezogen werden müsse, das Gericht eine entsprechende Entscheidung hätte betreiben müssen und jeder Richter kraft Gesetzes auch für das Grundbuch zuständig sei.
Die Klage wurde ausweislich des Endurteils des Amtsgerichts Hersbruck vom 21.10.2016 abgewiesen, da die Klägerin ihr Eigentum am Waldgrundstück mit der Flurnummer … trotz Bestreitens durch die Beklagten mangels Beweisantritt nicht nachgewiesen habe. Das Landgericht Nürnberg-Fürth bestätigte dies mit Endurteil vom 27.04.2018. Die Klägerin trägt mithin nunmehr vor, dass bereits das Amtsgericht Hersbruck von Amts wegen vom Eigentum der Klägerin an dem streitgegenständlichen Grundstück hätte ausgehen müssen, da sich ihre Eigentümerstellung aus dem vom Amtsgericht Hersbruck selbst geführten Grundbuch ergebe. Dies habe sich für die Klägerin erst aus den Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 19.01.2017 und 28.12.2016 ergeben. Im Übrigen hätte das Amtsgericht Hersbruck das Grundbuch von Amts wegen beiziehen müssen bzw. die Richterin hätte von der Eintragung Kenntnis haben müssen, da sie kraft Gesetzes auch für das Grundbuch zuständig sei.
1.1. Hätte die Klägerin daher – wie sich aus den Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck ergibt – rechtzeitig gewusst, dass das Amtsgericht Hersbruck aufgrund des bei ihm geführten Grundbuches selbst Kenntnis von der Eigentümerstellung der Klägerin gehabt hätte, hätte sich die Klägerin – ihrer Rechtsauffassung einer Verwertung dieser Kenntnis von Amts wegen folgend – nicht anders verhalten, als sie dies ohnehin tat. Sie hätte dann nämlich gerade kein Beweisangebot erbringen müssen und sich auf die Kenntnis des Amtsgerichts Hersbruck verlassen. Es hätte mithin keine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt werden können, § 580 Nr. 7 b) ZPO.
1.2. Soweit die Klägerin meinen sollte – wobei sie gegenteiliges vortragen lässt -, dass Amtsgericht Hersbruck hätte darauf hinweisen müssen, dass sie nicht von einer Amtskenntnis ihre Eigentümerstellung ausgehen hätte dürfen, rügt sie den Verstoß einer Hinweispflicht bzw. eines Verfahrensfehlers. Dergleichen kann jedoch nicht im Wege der Restitutionsklage geltend gemacht werden; vielmehr sind diese Gründe im Rahmen einer Berufung geltend zu machen. Dies hat die Klägerin auch im Rahmen des Berufungsverfahrens getan bzw. hätte dies tun können.
1.3. Auch wenn das Grundbuch im Übrigen bei dem Amtsgericht Hersbruck geführt wird, ist dessen Inhalt nicht von Amts wegen bei ebenfalls vor dem Amtsgericht Hersbruck geführten Zivilverfahren zu berücksichtigen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin verkennt – worauf bereits in der Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 04.02.2019, Az.Vf. 39-VI-18, im gegenständlichen Verfahren hingewiesen wurde – den bei Beibringungsgrundsatz im Zivilprozess. Die sich aus dem beim Amtsgericht Hersbruck geführten Grundbuch ergebende Kenntnis der Eigentümerstellung der Klägerin kann auch nicht der das Zivilverfahren entscheidenden Richterin des Amtsgerichts Hersbruck zugerechnet werden. Denn die Entscheidung in einem Zivilverfahren trifft nicht „das Amtsgericht Hersbruck“, sondern der dort mit der Geschäftsaufgabe betraute Einzelrichter, § 22 Abs. 1, Abs. 4 GVG (BeckOK GVG/Niesler, 8. Ed. 1.8.2020, GVG § 22 Rn. 5). Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die weitere Auffassung, jeder Richter sei kraft Gesetzes auch für das Grundbuch zuständig, jeder Grundlage entbehrt. Abgesehen davon, dass die Auffassung nicht begründet wurde, verkennt sie auch die sich aus der Geschäftsverteilung des jeweiligen Gerichtes ergebende Garantie des gesetzlichen Richters, Art. 101 GG.
1.4. Es ist nicht ersichtlich, welche weiterführende Kenntnis sich für die Klägerin aus den angeführten Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck ergeben sollte, bei deren Kenntnis sie im Rahmen des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahren hätte anders vorgehen können.
Die Klägerin versucht, den versäumten Nachweis der Eigentümerstellung und damit ihrer Aktivlegitimation durch ein von Amts wegen zu beachtendes gerichtsinternes Wissen zu konstruieren. Dies hätte die Klägerin zum einen bereits im Berufungsverfahren geltend machen können, § 582 ZPO. Zum anderen ist die Auffassung der Klägerin, wie gezeigt, auch in der Sache unzutreffend und rechtfertigt keine ihr günstigere Entscheidung.
1.5. Es hätte mithin keine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt werden können, § 580 Nr. 7 b) ZPO.
2. Erneut wurde vorgetragen, dass auch das Schreiben des Vermessungsamtes vom 03.11.2015 als Nachweis der Aktivlegitimation gelte. Auskünfte würden nur an den Eigentümer erteilt.
Auch dieses Schreiben lag bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Hersbruck und des Landgerichts Nürnberg-Fürth vor. Hierzu führte bereits der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.02.2019, Az.Vf. 39-VI-18, im gegenständlichen Verfahren aus:
„das Landgericht musste jedoch weder das Schreiben des Vermessungsamtes (…) als Beweis der Aktivlegitimation ansehen.
(1) im Hinblick auf das Schreiben des Vermessungsamtes (…) ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster (Vermessungund Katastergesetz – VermKatG), das jedem Einsicht in das Liegenschaftskataster gewährt und Auskunft erteilt wird, soweit nicht Interessen des öffentlichen Wohls entgegenstehen. Selbst für die Einsicht in personenbezogene Daten sowie für Auskünfte und Auszüge aus Verzeichnissen, die personenbezogene Daten enthalten, ist lediglich ein berechtigtes Interesse darzulegen(…). Eine Eigentümerstellung ist demnach nicht zwingende Voraussetzung einer Auskunft, sodass aus der Erteilung einer Auskunft keineswegs zwingend auf eine Eigentümerstellung geschlossen werden kann. (…) weil das Schreiben vom 03.11.2015 keine Ausführungen zur Eigentümerstellung und damit keinen Eigentümernachweis enthält.”
Weder stellt der Vortrag der Klägerin, das Schreiben des Vermessungsamtes gelte als Nachweis der Aktivlegitimation, einen Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO dar, noch kann dieses als Nachweis der Aktivlegitimation herangezogen werden. Den Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist nichts hinzuzufügen.
3. Auf den weiter geltend gemachten Restitutionsgrund des Auffindens einer oder weiterer Urkunden, aus welchen sich das Wegerecht der Klägerin ergebe, kommt es damit nicht mehr an. Diese Restitutionsgründe würden zu den Vorentscheidungen nicht in einer solchen Beziehung stehen, dass sie den Urteilen eine der Grundlagen entzieht, auf denen es beruht (vergleiche Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 580 Rn. 5). Die Klage der Klägerin wurde maßgeblich aufgrund der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation abgewiesen. Restitutionsgründe, welche letztlich zu einem Wegerecht führen würden, könnten die klage- bzw. berufungsabweisenden Urteile daher nicht zu Fall bringen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 585, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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