Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Festsetzung der Abfallgebühren

Aktenzeichen  Au 8 K 18.559

Datum:
23.10.2018
Fundstelle:
ZWE – 2019, 188
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 12 Abs. 2 Nr. 2
WEG § 16 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ist die Anschlusspflicht nach den Bestimmungen der Abfallwirtschaftssatzung grundstücksbezogen und knüpft die Abfallwirtschaftsgebührensatzung an die Bestimmungen der Abfallwirtschaftssatzung an, erfolgt konsequenterweise auch die Gebührenerhebung grundstücksbezogen.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine vom Grundsatz der anteiligen Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung im Sinne des § 16 Abs. 4 WEG betrifft lediglich das Verhältnis der Kostentragung zwischen den Wohnungs- und Teileigentümern untereinander, vermag jedoch keine Auswirkungen auf die Grundstücksbezogenheit der Gebührenerhebung zu haben.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die von der Klägerin zu 1 erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist unzulässig. Die von der Klägerin zu 2 zulässig erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet.
1. Gegenstand der Klage ist der mit dem Bescheid vom 9. April 2018 abgelehnte Antrag auf Abänderung des Gebührenbescheids vom 31. März 2011, mit dem gegenüber der Klägerin zu 2 die Abfallgebühr für das streitgegenständliche Grundstück festgesetzt worden ist.
2. Die von der Klägerin zu 1 erhobene Verpflichtungsklage ist mangels Klagebefugnis unzulässig.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt im Rahmen der Verpflichtungsklage voraus, dass die Klägerin zu 1 zumindest möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Verwaltungsakts hat (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 66, 73).
Gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG sind Bescheide, die für mehrere Zeitabschnitte gelten, auf Antrag des Schuldners für die nach der Antragstellung beginnenden neuen Zeitabschnitte zu ändern, wenn sie sachlich unrichtig sind. Schuldner der Abfallgebühren ist jedoch gemäß dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 die Klägerin zu 2 (Bl. 8 d. Behördenakte). Auch aus ihrer Eigenschaft als Mitglied der Eigentümergemeinschaft folgt keine Stellung der Klägerin zu 1 als Schuldnerin der Abfallgebühren, da sich ihre Pflicht zur anteiligen Kostentragung im Innenverhältnis vielmehr als Reflex des geltenden Rechts darstellt (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.10.2012 – Au 6 K 12.236 – juris Rn. 22). Für die fehlende Schuldnereigenschaft der Klägerin zu 1 spricht auch, dass die Abfallwirtschaftsgebühr für die Klägerin zu 1 mit bestandskräftigem Bescheid ebenfalls vom 31. März 2011 auf 0,00 Euro festgesetzt wurde (Bl. 5 d. Behördenakte). Mithin ist mangels Schuldnereigenschaft ein Anspruch auf Abänderung aus Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG nicht einmal möglich, so dass eine Klagebefugnis der Klägerin zu 1 insofern ausscheidet. Auch ein Anspruch der Klägerin zu 1 aus Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG erscheint nicht einmal möglich, da sie eine Änderung der Berechnungsgrundlagen zu keinem Zeitpunkt vorgetragen hat.
2. Die von der Klägerin zu 2 zulässig erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet. Sie hat in der Sache keinen Erfolg, da die Klägerin zu 2 keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 31. März 2011 aus Art. 12 Abs. 2 KAG hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Ablehnung des Antrags durch die Beklagte ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 2 nicht in ihren Rechten.
a) Die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 31. März 2011 aus Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG sind Bescheide, die für mehrere Zeitabschnitte gelten, auf Antrag des Schuldners für die nach der Antragstellung beginnenden neuen Zeitabschnitte zu ändern, wenn sie sachlich unrichtig sind. Der Bescheid vom 31. März 2011 ist sachlich jedoch zutreffend.
aa) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Abfallwirtschaftssatzung – AWS) der Beklagten sind die Grundstückseigentümer und Grundstückeigentümerinnen verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung der Beklagten anzuschließen (Anschlusszwang). Gemäß § 2 Abs. 6 AWS ist Grundstück im Sinne dieser Satzung jedes räumlich zusammenhängende und einem gemeinsamen Zweck dienende Grundeigentum desselben Eigentümers oder derselben Eigentümerin, das eine selbstständige wirtschaftliche Einheit bildet, auch wenn es sich um mehrere Grundstücke oder Teile von Grundstücken im Sinn des Grundbuchrechts handelt. Schon dem Wortlaut nach kann nicht jede selbstständige wirtschaftliche Einheit als Grundstück angesehen werden, sondern nur das „Grundeigentum desselben Eigentümers“, das eine solche Einheit bildet. Diesen Anforderungen genügt das Wohnungseigentum am Rückgebäude der Klägerin zu 1 nicht. Allein das entspricht auch dem Regelungszweck. Denn nur so ist sichergestellt, dass die Überlassungspflicht den gesamten auf dem Grundstück anfallenden Abfall erfasst, und nicht nur den aus den Wohnungen. Die Anschlusspflicht ist demnach grundstücksbezogen (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2003 – 4 B 99.510 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 26.7.2006 – 4 ZB 06.68 – juris Rn. 12).
bb) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung (Abfallwirtschaftsgebührensatzung – GebS) der Beklagten ist Gebührenschuldner, wer die Abfallentsorgung benutzt. Bei der hier in Streit stehenden unter Verwendung zugelassener Abfallbehältnisse i.S.d. § 12 AWS erfolgenden Abfallabfuhr gelten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GebS die Eigentümer oder diesen gleichstehende dinglich Berechtigte (§ 2 Abs. 7 AWS) der an die Abfallversorgung angeschlossenen Grundstücke als Benutzer. Miteigentümer und andere dinglich Nutzungsberechtigte eines angeschlossenen Grundstücks sowie Wohnungs- und Teileigentümer im Sinne des WEG sind Gesamtschuldner, § 3 Abs. 2 Satz 1 GebS. Mit diesen Bestimmungen knüpft die GebS ihrem Wortlaut zu Folge ausdrücklich an die Bestimmungen der AWS zum Anschlusszwang an. Da die Anschlusspflicht grundstücksbezogen ist und die GebS gerade an die Bestimmungen der AWS zum Anschlusszwang anknüpft, erfolgt konsequenterweise auch die Gebührenerhebung grundstücksbezogen. Dies entspricht auch den Vorschriften des WEG. Gemäß § 1 Abs. 2 ist Wohnungseigentum das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Im Rahmen der Gebührenerhebung betroffen ist mithin das Wohnungseigentum nicht in seiner Ausprägung als Sondereigentum an einer Wohnung, sondern hinsichtlich des Miteigentumsanteils des Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum am Grundstück. Deshalb entsteht die Abfallentsorgungsgebühr nicht gesondert für jede Eigentumswohnung, sondern für das im Miteigentum der Wohnungseigentümer befindliche Grundstück insgesamt (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2003 – 4 B 99.510 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 26.7.2006 – 4 ZB 06.68 – juris Rn. 12). Dafür spricht auch, dass die Abfallwirtschaftsgebühr gemäß § 3 Abs. 3 GebS auf dem Grundstück als öffentliche Last ruht. Sie ist eine Last des gemeinschaftlichen Eigentums i.S.d. § 16 Abs. 2 WEG (Falkner in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK WEG, Stand: 1.7.2018, § 16 WEG Rn. 71, 75).
cc) Dem steht auch die vorgenommene Klarstellung im zweiten Nachtrag zur Teilungserklärung vom 20. Mai 1983, dass sowohl die im Vorderhaus als auch die im Hinterhaus gelegenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten selbstständige wirtschaftliche Einheiten sind, nicht entgegen. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung, dass alle Kosten für Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung des Vorderhauses ausschließlich die Eigentümer der sich im Vordergebäude befindlichen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten tragen und für das Hintergebäude entsprechendes gilt, ist eine vom Grundsatz der anteiligen Kostentragung (§ 16 Abs. 2 WEG) abweichende Regelung i.S.d. § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG. Diese Regelung betrifft lediglich das Verhältnis der Kostentragung zwischen den Wohnungs- und Teileigentümern untereinander, kann jedoch keine Auswirkung auf die Grundstücksbezogenheit der Gebührenerhebung haben. Ansonsten könnten die Wohnungs- und Teileigentümer völlig frei über den Grundstücksbegriff der jeweiligen AWS disponieren. Dies würde dem Zweck der Anschlusspflicht – nämlich sicherzustellen, dass die Überlassungspflicht den gesamten auf dem Grundstück anfallenden Abfall erfasst, und nicht nur den aus den Wohnungen – zu wider laufen. Den Wohnungs- und Teileigentümern steht es gemäß § 16 Abs. 3 WEG frei, einen Beschluss über die Verteilung der Abfallgebühren als Betriebskosten i.S.d. 556 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB i.V.m. § 2 Nr. 1 BetrKV zu fassen.
dd) Auch nach § 2 Abs. 7 Satz 1 AWS ergibt sich kein Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 31. März 2011 aus Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GebS ist Gebührenschuldner, wer die Abfallentsorgung benutzt. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GebS gelten die Eigentümer oder diesen gleichstehende dinglich Berechtigte (§ 2 Abs. 7 AWS) der an die Abfallversorgung angeschlossenen Grundstücke als Benutzer. Wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 GebS sowie aus der Grundstücksbezogenheit der Gebührenerhebung ergibt, müssen auch die den Eigentümern gleichstehenden dinglich Berechtigten hinsichtlich eines angeschlossenen Grundstücks eine dingliche Berechtigung aufweisen. Da es sich bei dem Rückgebäude mit alleinigem Wohnungseigentum der Klägerin zu 1 um kein Grundstück i.S.d. § 2 Abs. 6 AWS handelt, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 GebS i.V.m. § 2 Abs. 7 AWS nicht vor.
b) Die Klägerin zu 2 hat auch keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 31. März 2011 aus Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG, da sich die Berechnungsgrundlagen für den Bescheid vom 31. März 2011 unstrittig nicht geändert haben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 4 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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