Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen wiederholter Untervermietung an Touristen

Aktenzeichen  473 C 20883/19

Datum:
27.5.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15500
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 3, § 553 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91a, § 98
BayZwEWG Art. 2

 

Leitsatz

Untervermietungen an Touristen in einem durchgehenden Zeitraum von zwei Monaten stellen eine erhebliche Rechtsverletzung des Mieters dar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagtenpartei, mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, welche gegeneinander aufgehoben werden.

Gründe

Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Vergleich, der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung am 26.05.2020 protokolliert wurde, erledigt. Lediglich die Entscheidung über die Kosten haben die Parteien in diesem Vergleich ausdrücklich dem Gericht überlassen. Die Parteien haben durch ausdrücklichen Ausschluss des § 98 ZPO kundgetan, dass der Kostenstreit nicht beigelegt ist. Daher richtetet sich nun die gerichtliche Entscheidung über die Kosten nach den Grundsätzen des § 91a ZPO (Zöller/Althammer, § 91a Rn. 58, „Vergleich“). Zwar kann im Rahmen dieser Entscheidung auch der Inhalt des Vergleiches und der Umfang des wechselseitigen Nachgebens mitberücksichtigt werden, insoweit ist aber Zurückhaltung geboten (Zöller/Althammer, § 91a Rn. 58, „Vergleich“ m.w.N.). Richtigerweise ist die Kostenentscheidung ab nicht am Inhalt des Hauptsachevergleichs, sondern am bisherigen Sach- und Streitstand auszurichten (vgl. OLG München, Beschluss vom 13.11.1989 – 25 W 2948/89).
Nach einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage ergibt sich, dass die Räumungs- und Herausgabeklage voraussichtlich begründet gewesen wäre.
1. Das Mietverhältnis ist durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 11.10.2019, ausgesprochen durch die (…) Wohnen GmbH, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB wegen unerlaubter Überlassung des Mietgebrauchs an Dritte beendet worden. Es liegt eine erhebliche Rechtsverletzung vor und die Kündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 3 BGB sind erfüllt. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht.
a) Zunächst liegt eine unbefugte Überlassung des Mietgebrauchs an Dritte nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vor. Es ist unstreitig, dass jedenfalls für die ganzen Monate August 2019 und September 2019 der Beklagte diese Wohnung mehrfach an Touristen überlassen hat. Dies geschah unbefugt. Ein Anspruch des Mieters auf Erteilung einer Untermieterlaubnis nach § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet vorliegend aus.
Zwar ergibt sich aus Ziffer 10 des Mietvertrags vom 19.04.2018, dass eine Untervermietung nur unter den Voraussetzungen des § 553 BGB zulässig ist und dass eine Untervermietung der Wohnung oder einzelner Mieträume und eine dauerhafte Aufnahme dritter Personen der vorherigen Zustimmung der Vermieterin bedarf. Daraus ergibt sich aber nicht, dass davon eine Untervermietung an Touristen umfasst ist, auch nicht, wenn man zu Gunsten des Beklagten als wahr unterstellt, bei Vertragsschluss sei Möglichkeit der Schaffung einer Wohngemeinschaft (WG) vereinbart worden. Ein Rechtsanspruch des Mieters auf Zustimmung zu wiederholten kurzfristigen Untervermietungen gibt es nicht. Eine WG liegt zudem nur dann vor, wenn mindestens zwei Personen, die keine Lebensgemeinschaft oder dergleichen bilden, eine Wohnung, z.B. aus Freundschaft oder um durch gemeinsames Wohnen und Wirtschaften Kosten zu sparen (MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 535 Rn. 60). Mit einer dauerhaften und ständig wechselnden Vermietung an Touristen hat dies nichts mehr zu tun. Zudem ist dem Vermieter eine immer laufend wechselnde Unterbringung verschiedener Touristen nicht zumutbar, denn diese ist regelmäßig mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden und bedingt eine erhöhte Abnutzung der Wohnung sowie eine gesteigerte Beeinträchtigungen der Nachbarn (vgl. AG München, Endurteil vom 19.11.105 – 432 C 8687/15). Auch nach der Rechtsprechung des BGH würde eine generelle Untermieterlaubnis des Vermieters nur Untervermietungen für eine gewisse Dauer gestatten. Untervermietungen an Touristen tage- oder wochenweise kommen nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 – VIII ZR 210/13, NZM 2014, 438).
b) Die 10 unstreitigen Untervermietungen an Touristen in einem durchgehenden Zeitraum von zwei Monaten stellen eine erhebliche Rechtsverletzung des Vermieters dar. Bei der Frage der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung ist eine Abwägung der Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen:
Ein Anspruch des Beklagten auf Erteilung einer Untermieterlaubnis ist nicht ansatzweise denkbar. Außerdem handelt es sich um wiederholte Untervermietungen (vgl. AG München, Urteil vom 19.11.2015 – 432 C 8687/15). Dass, mit Ausnahme der unstreitigen 10 Untervermietungen, sich die weiteren in der Kündigung genannten über 35 Fälle im Zeitraum Mai 2018 bis Juli 2019 auf eine andere Wohnung des Beklagten beziehen, ist unschädlich. Ein Mieter, der nacheinander oder zeitgleich verschiedene Wohnungen an Touristen untervermietet, kann nicht einwenden, die Kündigung sei zu unbestimmt, wenn jedenfalls, wie hier 10 unstreitige Fälle der maßgeblichen Wohnung zuordenbar sind. Ansonsten müsste der Mieter nur mehrere Wohnungen anmieten, um es dem Vermieter unmöglich zu machen, wirksam zu kündigen. Es reicht vielmehr aus, wenn sich aus der Kündigung ein bestimmter Zeitraum ablesen lässt, der unmissverständlich der streitgegenständlichen Wohnung zuzuordnen ist. Denn auch dann kann sich der Mieter konkret gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen. Zum Nachteil des Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass eine Zweckentfremdung von Wohnraum nach der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) i. V. m. Art. 2 des Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Gesetzes (ZwEWG) vorliegen dürfte. Zwar ist eine vorübergehende Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung ausweislich Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG und § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS keine Zweckentfremdung von Wohnraum; von einer vorübergehenden Nutzung zur Fremdbeherbergung kann allerdings keine Rede sein. Außerdem ist § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS einschlägig. Zu Lasten des Beklagten ist weiter zu werten, dass ab 2016, jedenfalls aber ab dem Jahr 2018 die Problematik Untervermietung auf airbnb (bzw. vergleichbaren Portalen) hinlänglich in der Presse bekannt wurde, ebenfalls gerade die Bemühungen der Stadt (…), dies einzudämmen. Der Beklagte konnte daher nicht ernsthaft glauben, dass die Stadt (…), die strikt der Zweckentfremdung begegnet und die ZeS Ende des Jahres 2017 noch einmal novelliert hatte, bei einer Neuvermietung von Wohnraum im Jahr 2018 eine gewerbsmäßige Untervermietung an Touristen gestattet hätte. Es war für den Beklagten evident, dass in der vorliegenden Konstellation mit der Stadt (…) als eigentlicher Vermieterin eine dauerhafte Vermietung an Touristen schlicht unmöglich war. Eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB war daher entbehrlich, denn zur bloßen unbefugten Gebrauchsüberlassung an einen Dritten waren somit weitere erhebliche Umstände hinzugetreten, die den Vertragsverstoß als besonders schwerwiegend erscheinen lassen (vgl. auch LG Berlin, Hinweisbeschluss v. 18.11.2014 – S 67 S 360/14, NZM 2015, 248, 249; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 543 Rn. 77).
Da die Klage voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre, ist es sachgerecht, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.
2. Die Parteien haben im Vergleich das Mietverhältnis wieder aufleben lassen zu geänderten Konditionen, dies rechtfertigt es, die Vergleichskosten gegeneinander aufzuheben.
Die (…) Service GmbH hatte trotz außerordentlich fristlos gekündigtem Mietverhältnis der Beklagtenpartei durch die (…) Wohnen GmbH mit Schreiben vom 28.01.2020 eine Mieterhöhung ab April 2020 angeboten. Dieses Angebot wurde mit Schreiben vom 19.05.2020 wiederholt mit einer Fristsetzung bis 31.05.2020. Die Klagepartei hatte im Termin für die (…) Wohnen GmbH angegeben, von diesem Schreiben der (…) Service GmbH keine Kenntnis gehabt zu haben. Sie muss sich dieses Schreiben aber nach den allgemeinen Regeln zurechnen lassen.
a) Das Mieterhöhungsverlangen ist ein Vertragsangebot für das die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Verträge iSd §§ 116 - 157 BGB gelten, soweit sich aus den §§ 558 ff. BGB nichts Abweichendes ergibt. Nach § 145 BGB ist der Anbietende an sein Angebot gebunden und zwar gem. § 147 Abs. 2 BGB solange, wie er mit dem Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen rechnen muss oder gem. § 148 BGB innerhalb der von ihm selbst bestimmten Annahmefrist (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 14. Aufl. 2019, BGB § 558a Rn. 19).
b) Allerdings setzt das Mieterhöhungsverfahren einen bestehenden Mietvertrag voraus, aufgrund dessen der Mieter eine bestimmte Miete zu zahlen hat (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 14. Aufl. 2019, BGB § 558a Rn. 20). Ein solcher Mietvertrag bestand aber nach Ausspruch der fristlosen Kündigung durch die (…) Wohnen GmbH nicht mehr. Es war in der vorliegenden Konstellation auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB) seitens der Klagepartei, sich auf die Kündigung zu berufen, die das Mietverhältnis außerordentlich fristlos beendet hatte. Das Mieterhöhungsverlangen der (…) Service GmbH war daher nach § 140 BGB umzudeuten in ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags zu den Bedingungen des alten Vertrages mit der Modifikation, dass eine erhöhte Miete geschuldet ist. Eine Kollision mit dem Rechtsgedanken des § 573 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet aus, das das Mietverhältnis erkennbar nicht zum Zwecke der Mieterhöhung gekündigt worden war. Dieses Angebot hat der Beklagte im Termin im Vergleichswege angenommen.
Eine Kostenaufhebung hinsichtlich der Kosten des Vergleichs erscheint daher sachgerecht.


Ähnliche Artikel


Nach oben