Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Gesonderte Antragstellung für Erstausstattungskosten

Aktenzeichen  L 11 AS 209/17 NZB

Datum:
10.4.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110922
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 145 Abs. 1 S. 2
SGB II § 24 Abs. 3, § 37 Abs. 1 S. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Geltendmachung einer Erstausstattung erfordert eine gesonderte Antragstellung.
2 Ob ein Gericht inhaltlich zutreffend entschieden hat, ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu klären. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 18 AS 29/16 2017-02-10 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10. Februar 2017 – S 18 AS 29/16 – wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Erstausstattung einer Wohnung nach einem Umzug.
Der Kläger bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 27.07.2015 beantragte er u. a. die Zusicherung der Berücksichtigung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft und die Übernahme der Umzugskosten für einen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten notwendig werdenden Umzug. Er habe kein Fahrzeug und keine Helfer zur Verfügung. Ein Umzug sei notwendig. Zum 31.08.2015 zog er nach seinen Angaben aus seiner 17 qm großen Wohnung aus und in eine neue, größere Wohnung ein. Nach anfänglicher Ablehnung der Erteilung der Zustimmung zu einem Umzug sind die Kosten der neuen Wohnung vom Beklagten nach Widerspruch übernommen worden.
Mit Schreiben vom 05.11.2015 teilte der Kläger im Rahmen eines anderweitigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) mit, für die neue Wohnung habe er Aufwendungen für neue, bisher nicht vorhandene Einrichtungsgegenstände – u. a. Rollos, Gardinen, Regale, Sofa etc. – sowie für Renovierungsmaterial im Wert von 882,65 EUR gehabt. Mit Bescheid vom 19.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2016 bewilligte der Beklagte 100,00 EUR für die Einzugsrenovierung und 354,00 EUR für die Erstausstattung. Die Aufwendungen seien bis zum 21.09.2015 entstanden, ein Antrag aber sei erst mit Schreiben vom 05.11.2015 gestellt worden. Am 27.07.2015 sei lediglich u.a. die Zustimmung zum Umzug beantragt worden.
Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben und eine Erstattung in Höhe von insgesamt 882,65 EUR begehrt. Nach einem Hausbesuch am 20.07.2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 31.08.2016 weitere 62,89 EUR an Kosten für die Erstausstattung. Nach erfolgreicher Ablehnung eines ehrenamtlichen Richters hat der Kläger auch die Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch ist mit Beschluss vom 20.12.2016 – S 6 SF 101/16 AB – zurückgewiesen worden. In der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 hat der Beklagte laut Protokoll auf die fehlende rechtzeitige Antragstellung hingewiesen und der Kläger hat die Abänderung des Bescheides vom 19.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2016 und des Bescheides vom 31.08.2016 sowie die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von 882,65 EUR an Erstausstattung beantragt.
Das SG hat mit Urteil vom 10.02.2017 die Klage abgewiesen. Leistungen für die Erstausstattung seien nur auf gesonderten Antrag gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II und gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung zu erbringen. Die Erstausstattung sei laut vorgelegten Belegen bis 21.09.2015 angeschafft, ein Antrag sei jedoch erst am 05.11.2015 gestellt worden. In den Schreiben vom 27.07.2015 und vom 01.09.2015 fänden sich keine Hinweise auf die diesbezüglich erforderliche gesonderte Antragstellung. Insbesondere sei ein solcher Antrag bezüglich der Erstausstattung nicht im Antrag auf Erteilung der Zustimmung zum Umzug zu sehen, denn dabei handele es sich um voneinander unabhängige Kosten. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R – veröffentlicht in juris) sei wegen der zwischenzeitlichen Rechtsänderung hinsichtlich des Erfordernisses eines gesonderten Antrages nicht mehr heranzuziehen. Zusätzlich hat das SG festgestellt, dass auch nach dieser Rechtsprechung ein Kostenersatzanspruch für die Selbstbeschaffung eine Eil- und Notlage voraussetze und dass der Beklagte vor der Selbstbeschaffung mit dem Leistungsbegehren befasst gewesen sei. Eine Eil- oder Notlage habe hier aber ebenso wenig vorgelegen wie eine vorherige Befassung des Beklagten mit der Sache. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Wegen der zunächst verweigerten Zustimmung zum Umzug wäre klar gewesen, dass der Beklagte auch die damit verbundenen Bedarfe wie Erstausstattung und Renovierung verweigern würde. Er habe sich die notwendigen Materialien und Gegenstände nach Vertragsschluss daher selbst beschafft. Für die Erstausstattung habe er 882,65 EUR ausgegeben; dies sei angemessen. Erst mit Bescheid vom 22.09.2015 sei die neue Wohnungsmiete anerkannt worden. Im Rahmen eines anderweitigen Verfahrens gegen den Beklagten habe er einstweiligen Rechtsschutz beim SG begehrt und mit Schreiben vom 05.11.2015 Rechnungen und Quittungen über die gekauften Sachen vorgelegt. Mit Schreiben vom 27.07.2015 habe er einen Antrag auf umzugsbezogene Leistungen gestellt, wobei er wegen der eilbedürftigen Selbstbeschaffung nunmehr einen Kostenersatzanspruch gemäß dem Urteil des BSG vom 19.08.2010 habe. Der Antrag vom 27.07.2015 sei nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung gemäß dem o.g. Urteil des BSG möglichst weitgehend auszulegen. Eines eigenen Antrages zur Übernahme der Erstausstattung habe es daher nicht bedurft; hierfür genüge der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Auch auf Pauschalen könne der Beklagte nicht abstellen. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2016 habe er die Vorsitzende wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Vorsitzende habe die Rechtsprechung des BSG falsch zitiert und auf einen unzutreffenden Antrag hingewirkt, was auch eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör darstelle. Das Ablehnungsgesuch sei mit nicht überzeugender Begründung zurückgewiesen worden. Auch einen ehrenamtlichen Richter habe er in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2016 erfolgreich abgelehnt. Entgegen der vorangegangenen Ausführungen habe das SG die Klage wegen verspäteter Antragstellung abgelehnt, obwohl der Beklagte von einem Antrag vom 27.07.2015 ausgegangen sei. Mit der Entscheidung weiche das SG von der o.g. Rechtsprechung des BSG ab. Das SG bezweifele die Geltung dieser Rechtsprechung und gehe auch nicht vom Vorliegen eines Eil- und Notfalles aus. Ein solcher läge aber vor. Die vom Beklagten aufgestellten Pauschalen seien nicht nachvollziehbar.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt 882,65 EUR für die Erstausstattung, wobei jedoch die bereits bewilligten Beträge in Höhe von 354,00 EUR (bzw. 454,00 EUR) und 62,89 EUR abzuziehen sind, so dass letztendlich lediglich um den Differenzbetrag gestritten wird.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).
Die vorliegende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der Zulässigkeit von Pauschalen ist zum einen bereits geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R -). Zum anderen ist diese Frage vorliegend mangels Vorliegens eines rechtzeitigen Antrages des Klägers aber auch nicht klärungsfähig.
Das SG weicht auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab. Vielmehr führt es gerade aus, dass diese Rechtsprechung des BSG zu einer Gesetzesänderung hinsichtlich des § 37 Abs. 1 SGB II ab 01.01.2011 geführt habe und Leistungen nach § 24 Abs. 3 SGB II gesondert zu beantragen seien. In seiner zusätzlichen Begründung führt das SG zudem aus, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch lägen nicht vor, denn es fehle an einem Eilfall und der Beklagte sei vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften Leistung nicht mit der Sache betraut gewesen, denn der Kläger habe erstmals am 05.11.2015 einen nach der ab 01.01.2011 geltenden Gesetzeslage erforderlichen gesonderten Antrag auf Erstausstattung gestellt. Aus dem Schreiben vom 27.07.2015 oder auch vom 01.09.2015 sei kein solcher Antrag (auch nicht konkludent) entnehmbar. Damit aber weicht das SG in der zusätzlichen Begründung gerade nicht von der Rechtsprechung des BSG ab. Ob das SG inhaltlich zutreffend entschieden hat, ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu klären.
Verfahrensfehler des SG, auf denen das Urteil beruhen kann, liegen ebenfalls nicht vor. Der Ablehnung des ehrenamtlichen Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist das SG nachgekommen. Über die Ablehnung der Vorsitzenden Dr. X. (SG) in zutreffender Weise entschieden. Der Beschluss hierüber ist nicht anfechtbar, die Entscheidung ist bindend (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 60 Rdnr. 14b). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 die Vorsitzende auch nicht (erneut) abgelehnt. Das Recht auf rechtliches Gehör des Klägers ist ebenfalls nicht verletzt worden, denn das SG hat den Antrag – wie von ihm gewünscht – in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 zu Protokoll vernommen und hierüber entschieden. Auch eine Überraschungsentscheidung des SG ist nicht gegeben, denn der Kläger ist sowohl bereits im Widerspruchsbescheid vom 12.01.2016 als auch im Schriftsatz des Beklagten an das SG vom 05.04.2016 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 vom Beklagten ausdrücklich auf die fehlende rechtzeitige Antragstellung hingewiesen worden. Er wusste somit bzw. hätte zumindest wissen können, dass dieser Gesichtspunkt von Bedeutung ist, insbesondere nachdem die Auffassung des Beklagten ausdrücklich in das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10.02.2017 aufgenommen worden ist.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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