Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Jahresabrechnung im Beschlussanfechtungsverfahren

Aktenzeichen  484 C 9773/14 WEG

Datum:
25.1.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45366
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 717 Abs. 2
BGB § 249
WEG § 28, § 46

 

Leitsatz

1. Nach § 28 Abs. 1 WEG sind die für die Bewirtschaftung voraussichtlich erforderlichen Mittel durch einen Wirtschaftsplan festzulegen, der die von den einzelnen Miteigentümern zu erbringenden Wohngeldvorschüsse bestimmt. Die Vorschüsse sind später abzurechnen, um einen Ausgleich entsprechend den Lastentragungsquoten herzustellen. Dieser Ausgleich wird im Innenverhältnis unter den Miteigentümern in der Jahresabrechnung geregelt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Wohnungseigentümer, der für ein Wirtschaftsjahr Wohngeldvorauszahlungen geleistet hat, kann eine Erstattung aus Mitteln der Gemeinschaft erst dann verlangen, wenn und soweit die genehmigte Jahresabrechnung ein Guthaben für ihn ausweist. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft sind solange als gültig zu behandeln, als ihre Ungültigkeit nicht rechtskräftig festgestellt wurde. Die Erhebung der Anfechtungsklage nach § 46 WEG reicht dazu nicht aus, da die Beschlussanfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
IV. Der Streitwert wird auf 2.520,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.
1. Es ist das Wohnungseigentumsgericht zuständig.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage ist solange gegeben, solange die Zwangsvollstreckung andauert und noch nicht beendet ist. Erst mit Herausgabe der Titel für die Zwangsvollstreckung kann aus diesen nicht mehr vollstreckt werden und wäre die Zwangsvollstreckung beendet. Da der Kläger gerade mit seiner Klageerweiterung die Herausgabe der Titel für die Zwangsvollstreckung beantragt hat, ist die Vollstreckungsgegenklage zulässig.
II. Die Klagen sind aber als unbegründet abzuweisen.
1. Aus dem vom Kläger vorgetragenem Sachverhalt stehen diesem keine, die Vollstreckung hemmenden, Schadensersatz-, Erstattungsforderungen- oder sonstige Forderung zu, mit denen er aufrechnen könnte, oder die die Vollstreckungsgegenklage begründen könnten.
1.1. Zunächst stehen sämtlichen vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen der Vorrang des Innenausgleichs entgegen. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens der Wohnungseigentümer gehört ein geordnetes Zahlungs- und Abrechnungswesen. Nach § 28 Abs. 1 WEG sind die für die Bewirtschaftung voraussichtlich erforderlichen Mittel durch einen Wirtschaftsplan festzulegen, der die von den einzelnen Miteigentümern zu erbringenden Wohngeldvorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG) bestimmt. Die Vorschüsse sind später abzurechnen, um einen Ausgleich entsprechend den Lastentragungsquoten herzustellen. Dieser Ausgleich wird im Innenverhältnis unter den Miteigentümern in der Jahresabrechnung geregelt (§ 28 Abs. 3 WEG; KG ZMR 1993, 80). Erst die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung (§ 28 Abs. 5 WEG) legt die konkrete Beitragsschuld des einzelnen Miteigentümers gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 16 Abs. 2 WEG) fest (vgl. BGHZ 104, 197, 202 = NJW 1988, 1910; NJW 1989, 2697; NJW 1994, 2950, 2951). Daraus folgt, dass Nachzahlungsansprüche und Rückzahlungsverbindlichkeiten aus der Jahresabrechnung stets Ansprüche und Verbindlichkeiten der Eigentümergemeinschaft gegenüber einzelnen Miteigentümern sind (KG a.a.O.; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 28, Rdnr. 115 ff.).
Nach diesen Grundsätzen kann ein Wohnungseigentümer, der für ein Wirtschaftsjahr Wohngeldvorauszahlungen geleistet hat, eine Erstattung aus Mitteln der Gemeinschaft erst dann verlangen, wenn und soweit die genehmigte Jahresabrechnung ein Guthaben für ihn ausweist (Senat NJW-RR 1999, 93).
Dieser Grundsatz des Vorrangs des Innenausgleichs gilt für sämtliche Rückforderungsansprüche, die ein Miteigentümer im Wege des Bereicherungsanspruches geltend macht. Ein Rückforderungsanspruch steht dem einzelnen Wohnungseigentümer nur dann zu, wenn eine beschlossene Jahresabrechnung für ihn ein entsprechendes Guthaben ausweist (Spielbauer in Spielbauer/Then 3. Aufl. WEG-Kommentar § 28 Rn. 83; OLG Köln vom 22.11.2006 – 16 Wx215/06, ZMR 2007, 642; OLG Hamm vom 25.03.2004 – 15 Wx 412/02, ZMR 2005, 398).
Dies bezieht sich sowohl auf die Geltendmachung der Forderung des Klägers in Höhe von 1.434,86 Euro, in Höhe von 299,80 Euro und weiterer 185,34 Euro.
1.2. Zudem ist der Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 299, 80 €, den der Kläger geltend macht, unbegründet. Auch wenn der Beschluss über die Jahresabrechnung 2011 inzwischen teilweise für ungültig erklärt worden ist ändert dies nichts daran, dass der Abrechnungs-Genehmigungsbeschluss gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung gültig war, d.h. zum Zeitpunkt des anwaltlichen Aufforderungsschreibens war die Forderung der Beklagten aus der Jahresabrechnung 2011 begründet. Beschlüsse sind solange als gültig zu behandeln, als ihre Ungültigkeit nicht rechtskräftig festgestellt wurde. Die Erhebung der Anfechtungsklage nach § 46 WEG reicht dazu nicht aus, da die Beschlussanfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat (T. Spielbauer in Spielbauer/Then WEG – Kommentar 3. Aufl. § 23 Rn, 34; BGH v. 04.04.2014-V ZR 167/13, ZWE 2014, 265).
Somit schuldete der Kläger auch die für das anwaltliche Aufforderungsschreiben angefallenen Anwaltsgebühren als Verzugsschaden, der mit der Klage vom 11.3.2013 geltend gemacht wurde. Das rechtskräftige Urteil vom 4.10.2013 wird im Nachhinein nicht falsch, so dass hieraus auch Vollstreckungsmaßnahmen wegen des Zahlungsunwillens oder der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingeleitet werden durften. Somit besteht auch kein direkter Rückzahlungsanspruch des Betrages in Höhe von 299,80 €.
1.3. Die Vollstreckungsgegenklage scheitert aber auch daran, dass die Parteien der sich gegenüberstehenden Forderungen nicht gleich sind. Die Beklagte vollstreckt aus Titeln, wie Endurteil, KFB, Folgetitel, etc., die der WEG als Verband im Verfahren 484 C 6794/13 zustehen. Im Verfahren 484 C 6794/13 war die WEG als Verband Klägerin. Damit sind sämtliche Titel bezüglich die der Kläger die Vollstreckungsgegenklage erhoben hat Titel der WEG als Verband. Der Kläger will mit Titeln aufrechnen, die er im Verfahren 484 C 24615/12 WEG erlangt hat. In diesem Verfahren war aber nicht die WEG als Verband Beklagte, sondern Beklagte waren die übrigen Wohnungseigentümer der WEG.
2. Da dem Kläger keine Ansprüche zustehen, die er im Wege der Vollstreckungsklage geltend machen könnte, war die Klage unter I. vom 14.04.2014 und I a) vom 21.01.2016 als unbegründet abzuweisen.
3. Aber auch die Leistungsklage gem. II der Klage vom 21.01.2016 auf Bezahlung von 1920,00 Euro war als unbegründet abzuweisen. Auch hier gilt, dass dem Kläger keine Ansprüche zustehen, die eine Leistungsklage rechtfertigen (siehe obige Ausführungen).
4. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch gem. der Klage zu Ziffer I. b) vom 21.01.2016 auf Herausgabe der von ihm verlangten Vollstreckungstitel. Der Kläger hat seine diesbezügliche Klage damit begründet, dass die Zwangsvollstreckung aus den Titeln unzulässig sei, weil ihm Schadensersatz-, Erstattungsforderungen- und sonstige Forderungen zustehen, mit denen er aufrechnen könnte, oder die Vollstreckungsgegenklage begründen könnte. Solche Forderungen stehen aber dem Kläger nicht zu (siehe obige Ausführungen).
Der Kläger hat seine Klage auf Herausgabe der Titel nicht darauf gestützt, dass die Zwangsvollstreckung etwa durchgeführt sei, also darf ein solcher Sachvortrag nicht Berücksichtigung finden, da er nicht vom Kläger zur Begründung seiner Klage geleistet wurde.
Die Klage vom 14.04.2014 nebst Klageweiterung vom 21.01.2018 war daher als unbegründet abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1 S. 1 ZPO.
IV. Hinsichtlich der Höhe des Streitwertes von 2.520,00 Euro gilt folgendes:
Aus dem Verfahren 484 C 6794/13 war zu Beginn des Verfahrens noch eine Zwangsvollstreckung von 200,00 Euro zu erwarten. Der Streitwert hinsichtlich Ziffer I der Klage vom 14.04.2014 beträgt deshalb 200,00 Euro. Ziffer II der Klage vom 14.04.2014 wurde durch Ziffer II. der Klageerweiterung vom 21.01.2016 ersetzt.
Hinsichtlich Ziffer I a) und Ziffer I b) der Klageerweiterung vom 21.01.2016 wird der Streitwert auf je 200,00 Euro geschätzt.
Es ist noch Ziffer II. der Klageerweiterung vom 21.01.2016 mit 1920,00 Euro dazuzuzählen. Insgesamt ergibt dies 2.520,00 Euro.
Den Anträgen des Klägers auf Verbindung dieses Verfahrens mit anderen Verfahren war nicht stattzugeben, da es sich bei diesem Verfahren und den anderen anhängigen und rechtshängigen Verfahren um verschiedene Sachverhalte handelt, um verschiedene Beschlüsse, die in verschiedenen Eigentümerbeschlüssen gefasst worden sind, um bereits durch Endurteil beendete Verfahren (484 C 6794/13 WEG), so dass kein rechtlicher Zusammenhang besteht und dieses Verfahren unabhängig von den anderen Verfahren abgeurteilt werden konnte.


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