Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kein Dönerimbiss in einer als Laden ausgewiesenen Teileigentumseinheit

Aktenzeichen  483 C 8260/19 WEG

Datum:
31.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47937
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 8 Abs. 2, § 5 Abs. 4 S. 1, § 10 Abs. 2 S. 2, § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise geht von der von der Nutzung als Döner-Imbiss gegenüber einer reinen Ladennutzung gem. der Zweckbestimmung ein größeres Störpotential aus, weil die mit dem Imbiss verbundenen möglichen Lärm- und Geruchsbelästigungen für die anderen Einheiten mehr stören als eine zulässige reine Ladennutzung. Ob von dem Dönerladen tatsächlich eine Beeinträchtigung ausgeht, ist im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dagegen unerheblich. (redaktioneller Leitsatz)
Ist in der Teilungserklärung eine Einheit als Laden ausgewiesen, liegt in der Nutzung als Döner-Imbiss bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Beeinträchtigung der anderen Eigentümer vor, welche diese nicht hinnehmen müssen. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den in ihrem Sondereigentum stehenden und in der Teilungserklärung vom 22.11.1978 mit Nummer 11 bezeichneten Laden im Erdgeschoss des Anwesens … als Döner-Imbissstube zu nutzen.
2. Der Beklagten wird für den Fall des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer I angedroht, sie auf Antrag der Kläger wegen einer jeden Zuwiderhandlung zu einem Zwangsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Zwangshaft von bis zu 6 Monaten zu verurteilen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziff. 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger aus Ziff. 3 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts München als Wohnungseigentumsgericht folgt aus §§ 23 Nr. 2c GVG, 43 Nr. 2 WEG.
2. Die Kläger haben ggü. der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 10 als Döner-Imbissstube gem. §§ 1004 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 und Nr. 2 WEG.
Nach § 15 Abs. 3 WEG können die Kläger einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
Zwar ist jeder Wohnungs- und Teileigentümer berechtigt, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, § 13 Abs. 1 WEG. Derartige Rechte können sich insbesondere aus Gebrauchsregelungen der Eigentümer im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG ergeben. Insoweit kommen Vereinbarungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG und damit auch in der Teilungserklärung getroffene Regelungen, §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 Satz 1 WEG, in Betracht.
Die Einheit Nr. 11 der Beklagten ist in der Teilungserklärung vom 22.11.1978 (Anlage K 2) als „Laden“ beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne des § 15 Abs. 1 WEG.
Vereinbarungen sind nach Maßgabe der §§ 133, 157 und 242 BGB auszulegen. Für im Grundbuch eingetragene Vereinbarungen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze für Grundbucheintragungen. Die Vereinbarungen sind objektiv und normativ auszulegen. Bei der Auslegung ist abzustellen auf Wortlaut und Sinn des Eingetragenen, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Umstände außerhalb der Vereinbarung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, wie etwa die örtlichen Verhältnisse. Unerheblich ist, welche Absichten und welchen Willen der Verfasser bei Erstellung der Gemeinschaftsordnung und bei der Wahl der verwendeten Begriffe hatte. Unberücksichtigt bleiben ebenfalls nicht zum Grundbuchinhalt gewordene Baupläne und Baubeschreibungen, die Entstehungsgeschichte der Wohnanlage, die Meinung des Notars, Verkaufsprospekte, Erklärungen des teilenden Alleineigentümers bei der Veräußerung und bisherige Handhabungen der Gemeinschaftsordnung durch die Wohnungseigentümer.
Bei der gebotenen objektiv-normativen Betrachtugnsweise handelt es sich bei einem „Laden“ um eine Verkaufsstätte zum Vertrieb von Waren an jedermann (vgl. Bärmann/Suilmann, 13. Aufl. 2015, WEG § 13 Rn. 24, 25, beck-online), während für einen Gaststättenbetrieb die Zubereitung und Einnahme von Speisen vor Ort charakteristisch ist. Vorliegend implizieren das Vorhandensein eines Dönergrills, einer Fritteuse und eines Pizzaofens, mit denen Speisen zubereitet werden und das Vorhandensein von Stühlen und Tischen im Innen- und Außenbereich das Vorliegen eines Gaststättenbetriebs.
Da subjektive Vorstellungen bei der Auslegung ohne Bedeutung sind, kann zwar der Bedeutungswandel eines Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unberücksichtigt bleiben mit der Folge, dass bei einer Verlängerung oder Aufhebung der Ladenöffnungszeiten grds. eine entsprechend erweiterte Nutzung ermöglicht wird, ohne dass es auf das Alter der Teilungserklärung ankäme (vgl. Bärmann/Suilmann, 13. Aufl. 2015, WEG § 13 Rn. 24, 25, beckonline). Ein solcher Bedeutungswandel führt jedoch nicht dazu, dass in einem Laden nun eine Gaststätte betrieben werden dürfte. Ebenso wenig lässt die Tatsache, dass der Döner-Imbiss nur während der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten geöffnet ist, Rückschlüsse auf seine Einordnung als Laden zu.
Die in das Grundbuch eingetragenen oder aufgrund einer Öffnungsklausel beschlossen Zweckbestimmungen geben den Umfang des zulässigen Gebrauchs vor mit der Folge, dass eine abweichende Nutzung grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, die zweckbestimmungswidrige Nutzung würde bei typisierender Betrachtungsweise generell nicht mehr stören oder beeinträchtigen als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Hierbei ist der Gebrauch nach seiner Art und der damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz einer Arztpraxis) zu konkretisieren und auf die örtlichen Gegebenheiten (Umfeld, Lage im Gebäude) und zeitlichen Verhältnisse (etwa Öffnungszeiten) Verhältnisse zu beziehen (vgl. Bärmann/Suilmann, 13. Aufl. 2015, WEG § 13 Rn. 26, beckonline).
Nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise geht von der beklagtenseits ausgeübten Nutzung als Döner-Imbiss ggü. einer reinen Ladennutzung gemäß der Zweckbestimmung ein größeres Störpotential aus, weil die mit dem Imbiss verbundenen möglichen Lärm- und Geruchsbelästigungen für die anderen Einheiten mehr stören als eine zulässige reine Ladennutzung. Ob von dem Dönerladen tatsächlich eine Beeinträchtigung ausgeht, ist im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dagegen unerheblich.
3. Für eine Verwirkung des Anspruchs ist schon deshalb kein Raum, weil die Beklagte zum Umstandsmoment nichts vorgetragen hat. Soweit die Beklagte schließlich der Ansicht ist, die Kläger würden keine schutzwürdigen Interessen verfolgen, kann dies nicht nachvollzogen werden, denn die Beibehaltung einer teilungserklärungsgemäßen Nutzung der Einheit der Beklagten stellt ein schutzwürdiges Interesse der Kläger dar.
4. Die Androhung der Ordnungsmittel folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgte in der Sitzung vom 10.10.2019.


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