Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine gesonderte Vollstreckungsmaßnahme durch Einholung von Drittauskünften

Aktenzeichen  44 T 1097/17

Datum:
14.9.2017
Fundstelle:
DGVZ – 2018, 18
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 793, § 802 Abs. 1
RVG RVG § 18 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 16, § 25 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG entstehen gesonderte Gebühren für jede Vollstreckungsmaßnahme, nicht aber für jede Vollstreckungshandlung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Antrag auf Einholung von Drittauskünften kann deshalb insbesondere bei gleichzeitiger Beantragung mit der Antragstellung auf Abnahme der Vermögensauskunft keine gesonderte Gebühr erhoben werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1666/17 2017-07-28 Bes AGGUENZBURG AG Günzburg

Tenor

I.
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 08.08.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Günzburg – Abteilung für Vollstreckungssachen – vom 28.07.2017 (Az.: M 1666/17) wird kostenfällig als unbegründet
zurückgewiesen.
II.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 02.05.2016 über Forderungen aus Werkvertrag in Höhe von insgesamt 4.165,00 Euro. Auf dieser Grundlage beantragte der Gläubigervertreter unter dem 06.06.2016 die Abnahme der Vermögensauskunft ohne vorherigen Pfändungsversuch sowie die Einholung von Auskünften Dritter. Ausweislich des beigefügten Forderungskontos machte der Gläubigervertreter eine Gebühr nach Nummer 3309 VV RVG für die Abnahme der Vermögensauskunft in Höhe von 54,00 Euro und eine weitere Gebühr nach Nummer 3309 VV RVG in Höhe von 109,08 Euro für die Einholung von Drittauskünften geltend. Die zuständige Gerichtsvollzieherin erholte die gewünschten Drittauskünfte und lehnte eine Beitreibung der hierfür in Ansatz gebrachten Auftragsgebühr in Höhe von 109,08 Euro unter dem 26.06.2017 ab. Zur Begründung führte die zuständige Gerichtsvollzieherin aus, dass der Antrag auf Erholung der Drittauskünfte keine gesonderte Vollstreckungsmaßnahme sei. Dieser Auftrag sei dem vorangegangenen Vermögensauskunftsverfahren zuzuordnen. Gegen diese Entscheidung legte der Gläubigervertreter mit Schriftsatz vom 12.07.2017, beim Amtsgericht Günzburg eingegangen am 13.07.2017 (Bl. 1/5 d.A.), Erinnerung ein und führte zur Begründung aus, dass der Vollstreckungsauftrag gemäß § 802 I ZPO gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG sei, weshalb eine gesonderte Verfahrensgebühr anfalle. Dies zeige sich bereits daraus, dass die Erholung von Drittauskünften auch isoliert beantragt werden könne. Weiter spreche die Gestaltung des amtlichen Formulars für diese Ansicht. Die zuständige Gerichtsvollzieherin half der Erinnerung unter dem 17.07.2017 (Bl. 8/10 d.A.) nicht ab und führte zur Begründung aus, dass ein Antrag auf Drittauskünfte gerade nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit einer Vermögensauskunft gestellt werden könne. Es sei lediglich unerheblich, ob der Antrag auf Drittauskunft zusammen mit dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft oder unter Bezugnahme auf eine für einen anderen Gläubiger geleistete Vermögensauskunft gestellt werde. Das Amtsgericht Günzburg ließ der Gläubigerpartei mit Verfügung vom 20.07.2017 (Bl. 11 d.A.) nach, zu den Ausführungen der Gerichtsvollzieherin Stellung zu nehmen. Der Gläubigervertreter teilte unter dem 25.07.2017 (Bl. 12 d.A.) mit, dass die Auffassung der Gerichtsvollzieherin im Widerspruch zu einer Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main stünde.
Das Amtsgericht Günzburg entschied mit Beschluss vom 28.07.2017 (Bl. 13/15 d.A.), die Erinnerung zurückzuweisen und führte zur Begründung aus, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main die Erholung von Drittauskünften keine selbständige Vollstreckungsmaßnahme im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn hierfür gesonderte, zeitlich deutlich auseinanderliegende Aufträge erteilt würden. Zudem sei die Erholung von Drittauskünften immer nur im Zusammenhang mit einer Vermögensauskunft möglich. Eine Gebühr entstehe gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG nur für jede Vollstreckungsmaßnahme, nicht aber für jede einzelne Vollstreckungshandlung. Im vorliegenden Fall liege nur eine Vollstreckungsmaßnahme, nämlich die Informationsgewinnung über die Verhältnisse des Schuldners, vor. Die Drittauskünfte würden mithin lediglich der Ergänzung bzw. Kontrolle der Vermögensauskunft dienen. Gegen diesen Beschluss, der dem Gläubigervertreter ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 03.08.2017 zugestellt worden war, legte der Gläubigervertreter mit Schriftsatz vom 08.08.2017, beim Amtsgericht Günzburg eingegangen am 10.08.2017 (Bl. 17/18 d.A.), sofortige Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass der Gegenstandswert im Verfahren auf Abnahme der Vermögensauskunft auf 2.000,00 Euro gedeckelt sei. Im Verfahren auf Einholung von Drittauskünften sei der Gegenstandswert nicht gedeckelt. Daraus ergebe sich, dass die Gebühr jeweils gesondert anfallen müsse.
Das Amtsgericht Günzburg entschied mit Beschluss vom 10.08.2017 (Bl. 19/20 d.A.), der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen und legte die Akten dem Landgericht Memmingen zur Entscheidung vor. Das Beschwerdegericht gewährte mit Verfügung vom 22.08.2017 (Bl. 23 d.A.) Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Nichtabhilfebeschluss; eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.
Die Sache wurde mit Beschluss vom 13.09.2017 der Kammer zur Entscheidung übertragen.
II.
Die statthafte (§ 793 ZPO) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zur Begründung wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden und durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Erwägungen des Amtsgerichts Günzburg aus dem angegriffenen Beschluss vom 28.07.2017, welche sich das Beschwerdegericht nach Prüfung jeweils vollumfänglich zu Eigen macht.
Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.05.2016, Az.: 2–9 T 20/16) vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Das Amtsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG gesonderte Gebühren für jede Vollstreckungsmaßnahme, nicht aber für jede Vollstreckungshandlung entstehen. Weiter hat das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet, dass Zweck der hier streitgegenständlichen Vollstreckungsmaßnahme (in Gestalt verschiedener Vollstreckungshandlungen) die Informationsgewinnung zur Entscheidung über das weitere Vorgehen im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist. Es liegt nach alledem nur eine einzige Vollstreckungsmaßnahme vor, für die auch nur einmal die Gebühr nach Nummer 3309 VV RVG anfällt. Hierfür spricht insbesondere, dass gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft ausdrücklich als besondere Angelegenheit definiert ist. Für den Antrag auf Erholung von Drittauskünften findet sich eine solche Regelung gerade nicht.
Weiter ist zu beachten, dass der Gesetzgeber den Wert des Verfahrens zur Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG auf 2.000,00 Euro beschränkt hat. Es kann daher nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, dass der Rechtsanwalt für das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft inclusive Auswertung des Vermögensverzeichnisses und Empfehlung an den Mandanten über das weitere Vorgehen lediglich maximal 45,00 Euro zuzüglich 9,00 Euro Auslagenpauschale und 10,26 Euro Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 64,26 Euro, verdienen kann, wenn demgegenüber für den Auftrag zur Einholung von Drittauskünften eine gesonderte Gebühr aus dem vollen Forderungswert gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG anfallen würde (so auch AG Hechingen, Beschluss vom 28.02.2017, Az.: 8 M 87/17, rechtskräftig).
Nach alledem kann für den Antrag auf Erholung von Drittauskünften insbesondere in der hier vorliegenden Konstellation der gleichzeitigen Beantragung mit der Antragstellung auf Abnahme der Vermögensauskunft keine gesonderte Gebühr erhoben werden. Dies bedeutet, dass die Gerichtsvollzieherin die entsprechende Beitreibung zu Recht abgelehnt und das Amtsgericht Günzburg die hiergegen geführte Erinnerung ebenso zu Recht zurückgewiesen hat. Der sofortigen Beschwerde war der Erfolg zu versagen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob der Antrag auf Einholung von Drittauskünften nach § 802 I ZPO neben § 802 c ZPO eine eigene Angelegenheit darstellt oder als Fortführung gebührenrechtlich zu dem Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft gehört, ist – soweit ersichtlich – bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Diese Frage ist in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren erfolgt entsprechend § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG.


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