Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Konkludente Vereinbarung über die in die Wohnflächenberechnung einzubeziehenden Räume

Aktenzeichen  411 C 19356/17

Datum:
6.4.2018
Fundstelle:
ZMR – 2019, 38
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 536

 

Leitsatz

1. Zwar kann von einem Mieter nicht verlangt werden, dass er die Wohnflächen bei Vertragsschluss nachmisst. Wenn aber so eklatante Größenunterschiede bestehen, dass es ins Auge springen muss, dass Erdgeschoss und Obergeschoss allein (hier: 138 qm) bei weitem die im Mietvertrag angegebene Gesamtzahl (hier: 210 qm) nicht erreichen, dann ist von einer konkludenten Vereinbarung dahingehend auszugehen, dass auch die entsprechenden Räume im Keller und im Dachgeschoss zu den Wohnräumen zählen sollen. (Rn. 104) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Wohnflächenermittung sind Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind, unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen als Wohnraum anzurechnen sind. (Rn. 105) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, das Haus … in … bestehend aus 5 Zimmern, 1 Küche, 2 Dielen, 2 Bädern/WC, 1 Gäste-WC, 1 Balkon, 1 Loggia, 1 Terrasse, 2 Abstellräumen, 1 Hobbyraum geräumt und mit allen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben.
2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 8.865,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus
– 700,00 € seit dem 06.07.2017
– 700,00 € seit dem 04.08.2017
– 700,00 € seit dem 06.09.2017
– 2.255,00 € seit dem 06.11.2017 sowie aus
– 2.255,00 € seit dem 06.12.2017
zu bezahlen.
3. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei 22.10.2017 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
6. Die Beklagten und Widerkläger haben samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
7. Das Urteil ist – in Ziffer 2 nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages – vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten und Widerkläger können die Vollstreckung bzgl. Ziffer 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.765 € abwenden, wenn nicht der Kläger und Widerbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf (34.065,00 € + 55.000 € =) 89.065,00 € festgesetzt.

Gründe

A. Klage
I. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, da streitgegenständlich Ansprüche aus einem Wohnmietverhältnis im Amtsgerichtsbezirk München sind, §§ 29 a ZPO, 23 Nr. 2 a GVG.
II. Begründetheit der Klage
Die Klage ist auch im Wesentlichen begründet.
1. Mietrückstände
Unstreitig haben die Parteien eine Gesamtbruttomiete von 2.255,00 € monatlich vereinbart und die Beklagten haben für die Monate Juli, August und September 2017 monatlich 700,00 € weniger und für die Monate Oktober, November und Dezember 2017 überhaupt keine Miete bezahlt.
Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert, so ist der Mieter gemäß § 536 BGB für die Zeit, in der die Tauglichkeit gemindert ist, zu einer angemessenen Herabsetzung der Miete berechtigt.
Ist in dem Mietvertrag die Größe der Wohnung angegeben, so gilt dies als Beschaffenheitsvereinbarung, für die der Vermieter grundsätzlich einstehen muss.
Für den Begriff der Wohnfläche gibt es keine allgemeine Definition. Er ist somit ist auslegungsbedürftig.
Zwar ist die Wohnfläche in § 2 Nr. 12 EnEV legaldefiniert als „die nach der Wohnflächenverordnung oder auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften oder anerkannte Regeln der Technik zur Berechnung von Wohnflächen ermittelte Fläche“.
Gleichwohl sind solche Definitionen nicht geeignet festzulegen wie die Wohnfläche für preisfreien Wohnraum im Rahmen eines konkreten Mietverhältnisses zu berechnen ist. Maßgeblich ist in erster Linie, ob sich die Parteien auf eine bestimmte Berechnungsmethode geeinigt haben.
Soweit nicht ausdrücklich vereinbart, ist jeweils nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln, welches Berechnungsverfahren nach dem Willen der Vertragsparteien gelten soll.
Nach dem Grundsatz der Privatautonomie sind die Parteien frei, alle denkbaren Berechnungsmaßstäbe zu vereinbaren und bestimmte Flächen einzubeziehen, die nach der WoFIV nicht berücksichtigungsfähig sind.
Für die Frage, ob auf Grund eines Mangels gemindert werden kann, kommt es vorliegend somit auf die konkrete Vereinbarung der Parteien an.
Eine Vereinbarung betreffend die Methode der Wohnflächenberechnung ist auch dann anzunehmen, wenn sich die Parteien darin einig sind, dass bestimmte Räume zu Wohnzwecken dienen sollen. In einem solchen Fall sind auch solche Räume bei der Bemessung der Wohnfläche zu berücksichtigen, die aus Gründen des öffentlichen Baurechts nicht zu Wohnzwecken geeignet sind (z.B. Räume im Souterrain oder im Dachgeschoss, BGH NJW 2010, 1064). Entscheidend für eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Umfang der Wohnfläche ist eine Einigung darüber, auf welche Flächen sich der beabsichtigte Nutzungszweck erstrecken soll, und nicht die Frage, ob der geplanten (und verwirklichten) Nutzung (öffentlich) – rechtliche Gründe entgegenstehen.
Nur wenn die Parteien keine konkrete Vereinbarung über die Methode der Flächenberechnung getroffen, gilt die ortsübliche.
Fehlt eine ortsübliche Berechnungsmethode, ist davon auszugehen, dass sich die Parteien stillschweigend darauf geeinigt haben, dass die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung (für Verträge, die nach dem 31.12.200 geschlossen wurden) zu berechnen sind. Danach sind die Grundflächen von Balkonen und Terrassen in der Regel zu 1/4 anzusetzen, höchstens mit der Hälfte.
Vorliegend ist aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass die Parteien konkludent eine Wohnflächenvereinbarung getroffen haben:
Nach der von den Beklagten selbst vorgelegten Flächenberechnung ergibt sich für das Erdgeschoss eine Gesamtwohnfläche von 67,53 m² und für das Obergeschoss eine Wohnfläche von 70,48 m², zusammen somit 138,01 m². Im von den Beklagten unterzeichneten Mietvertrag ist eine Wohnfläche von ca. 210 m² angegeben. Die Abweichung beträgt mehr als 50 %. Für die Beklagten war somit offensichtlich, dass mit der Angabe von 210 m² keinesfalls nur die Räume im Erdgeschoss und im Obergeschoss gemeint sein konnten. Eine solch massive Abweichung ist vielmehr auch ohne Nachvermessung ins Auge springend. Zudem wurde im Expose auch von 7 Zimmern gesprochen, wobei bei der Objektbeschreibung angegeben worden war, dass es ein großräumig ausgebautes Dachstudio mit Bad sowie einen großen Hobbyraum im Keller gibt. Dies zeigt bereits, dass sich die Größenangabe nicht nur auf die Zimmer im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss, sondern auch auf das Dachstudio mit Bad und den großene Hobbyraum bezog.
Zwar ist dann im Mietvertrag nur noch von 5 Zimmern die Rede, aber auch hier steht die Wohnflächenangabe im Zusammenhang mit dem Hobbyraum, der neben den sog. Kellerräumen angeführt ist. Zudem ist unstreitig, dass die Beklagten das Einfamilienhaus vor Einzug besichtigt haben, zudem konnten die Beklagten zu dem im Internet angebotenen Haus auch Fotos zum Studio im Dach und zum Hobbyraum im Keller einsehen. Auch hierbei war – bereits ohne besondere Fachkenntnis – auf den ersten Blick klar, dass sich bei bloßer Berücksichtigung der Wohnflächen im Erdgeschoss und im Obergeschoss nie eine Gesamtwohnfläche von 210 m² ergeben kann. Auch der Hobbyraum sowie das Studio mit Bad im Dachgeschoss waren somit offensichtlich auch zur Wohnnutzung zur Verfügung gestellt und konnten auch entsprechend genutzt werden. Ob sie hierzu alle bauordnungsrechtlichen Vorschriften erfüllen, ist vorliegend nicht maßgebend.
Bezieht man aber den Hobbykeller, der aus zwei zueinander offenen Räumen mit demselben – im Sinne des Mietspiegels – hochwertigen Boden aus Laminat besteht, und das Studio im Dachgeschoss bei der Flächenberechnung mit ein, liegt keine Unterschreitung der Gesamtwohnfläche von 210 m² vor, selbst wenn man hierfür nur die Berechnungen der Beklagten zu Grunde legt.
Danach weisen Erdgeschoss und Obergeschoss insgesamt eine Wohnfläche von 138,01 m² auf. Hinzuzurechnen sind der große Hobbykeller mit 16,32 m² und 22,81 m², d.h. insgesamt 39,13 €, sowie die Räumlichkeit im Dachgeschoss mit 33,97 m². Dies ergibt eine Wohnfläche von 211,11 m².
Damit ist die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche von 210 m² eingehalten. Eine Minderungsberechtigung der Beklagten wegen unzureichender Wohnfläche besteht somit nicht.
Zwar kann von einem Mieter nicht verlangt werden, dass er die Wohnflächen bei Vertragsschluss nachmisst. Wenn aber so eklatante Größenunterschiede bestehen, dass es ins Auge springen muss, dass Erdgeschoss und Obergeschoss allein bei weitem die angegebenen Gesamtzahl nicht erreichen, dann ist von einer konkludenten Vereinbarung dahingehend auszugehen, dass auch die entsprechenden Räume im Keller und im Dachgeschoss zu den Wohnräumen zählen sollen.
Der BGH hat wiederholt entschieden, dass Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind, bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen sind, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen als Wohnraum anzurechnen sind. Die Ausstattung der Räume spricht auch nicht generell gegen eine Wohnnutzung. Hierzu ist nicht erforderlich, dass die Räumlichkeiten in jedem Merkmal z.B. den Anforderungen der Baugesetze o.ä. entspricht. Auch ein Raum mit Dachschrägen kann und wird auch vielfach als Raum zum Schlafen oder Wohnen benutzt, ein Hobbykeller wird in der Regel – wie schon der Name sagt – zur Ausübung verschiedener Hobbys genutzt. Wenn die Beklagten diese Räume unüblich nur zum Lagern von Gegenständen verwenden, nimmt dies dem Raum nicht per se die Qualifikation als Hobbyraum.
Waren sich die Parteien darüber einig, auch die Räume im Untergeschoss zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen und zu nutzen, dann haben auch zwangsläufig darüber Einigkeit erzielt, dass die zu Wohnzwecken vermietete und in dieser Weise genutzte Fläche, also die „Wohnfläche“, unter Einbeziehung des Kellergeschosses zu ermitteln ist (BGH, Beschluss vom 29.09.2009, VIII ZR 242/08 in WuM 2009, 662 ff.).
Die Beklagten hatten somit kein Recht zur Mietminderung.
Aus denselben Gründen fehlt es auch an einem Anfechtungsrecht. Weder ist eine arglistige Täuschung der Beklagten ersichtlich, noch liegt ein relevanter Inhaltsirrtum oder anderer zur Anfechtung berechtigender Irrtum vor.
Auch standen den Beklagten keine Gegenforderungen gegen die Klageforderung zu, da mangels Minderungsrecht keine Überzahlungen von den Beklagten geleistet worden waren.
Die Beklagten haben daher die vom Kläger geltend gemachten Mietrückstände zu bezahlen.
Die Zahlungsklage war in der Hauptsache in vollem Umfang als begründet zuzusprechen.
2. Räumung und Herausgabe
Auch die Klage auf Räumung und Herausgabe war als begründet zuzusprechen, da jedenfalls bei der zweiten ausgesprochenen Kündigung die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorlagen.
Unstreitig wurden von der monatlichen Bruttokaltmiete in Höhe von 2.255,00 € jeweils 700,00 € für Juli, August und September 2017, d.h. insgesamt 2.100,00 €, und die Mieten für Oktober, November und Dezember 2017 vollständig nicht bezahlt.
Nach § 543 Abs. 1 BGB kann ein Mietverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt ein solcher wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn der Mieter
a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Zwei Monatsmieten betragen vorliegend (2.255,00 € × 2) = 4.510,00 €. Zur Miete gehört nämlich nicht lediglich die Nettokaltmiete, sondern auch die Betriebskostenvorauszahlungen sind dazu zu rechnen.
Damit waren zwar bei Ausspruch der ersten fristlosen Kündigung die Voraussetzungen noch nicht vollständig erreicht. Sie lagen aber bei Zustellung der zweiten Kündigung eindeutig vor.
Die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung war daher zuzusprechen.
3. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nur aus einem Streitwert von 2.100,00 € geltend machen. Bzgl. dieser Zahlung befanden sich die Beklagten mit Ablauf der vereinbarten Zahlungsfrist in Verzug. Die dabei auch ausgesprochene Kündigung war damals aber noch nicht berechtigt. Eine weitere Kündigung erfolgte erst im laufenden Verfahren, so dass dies nicht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten rechtfertigt.
Bei einem Gegenstandswert von 2.100,00 € ergibt sich eine 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 261,30 €. Zuzüglich 20,00 € Postpauschale und 19 % MWSt. aus dem Gesamtbetrag, war insoweit ein Betrag in Höhe von 334,75 € zuzusprechen, im Übrigen die Klage insoweit abzuweisen.
4. Sonstige Nebenforderungen
Hinsichtlich der sonstigen Nebenforderungen erging die Entscheidung nach §§ 286, 288 BGB.
B. Widerklage
Auch über die Widerklage konnte bereits nach Lage der Akten entschieden werden, da alle Sachverhalts- und Rechtsfragen im Kern bereits in der ersten mündlichen Verhandlung erörtert worden waren, zumal die behaupteten Gegenforderungen, die dann mit der Widerklage geltend gemacht wurden, bereits mit der behaupteten Aufrechnung zu erörtern waren. Letztlich maßgebend für die Entscheidung bzgl. aller geltend gemachten Forderungen war die Frage, ob die Parteien konkludent vereinbart hatten, dass auch der Hobbykeller sowie das Studio im Dachgeschoss zur Wohnfläche zählen.
Aus den oben genannten Gründen war daher die Widerklage abzuweisen.
C. Sonstige Entscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Kostenquotelung auf Grund der Teilabweisung einer Nebenforderung war nicht veranlasst, da es nur eine geringfügige Forderung betraf, die zudem nicht streitwerterhöhend wirkte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtete sich nach §§ 708, 711, 709 ZPO.
Auf Grund der hohen Zahlungsrückstände kam die Gewährung einer Räumungsfrist nicht in Betracht.


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