Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Pflicht des Vermieters zur Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung bei einem Brandschaden durch den Mieter

Aktenzeichen  412 C 24937/17

Datum:
17.5.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 39072
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280, § 535

 

Leitsatz

Zahlt der Mieter im Rahmen der Nebenkosten Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, besteht grundsätzlich im Fall eines vom Mieter fahrlässig verursachten Küchenbrandes die mietvertragliche Pflicht des Vermieters, die Wohngebäudeversicherung in Anspruch zu nehmen. Dabei bleibt es auch dann, wenn die Versicherung ihre Leistungen vom Vermieter wegen Falschangaben zur Schadenshöhe zurückfordert. Denn dem Schadensersatzanspruch des Vermieters kann ein Schadensersatzanspruch des Mieters wegen Pflichtverletzung des Vermieters entgegengehalten werden mit der Folge, dass kein Schadensersatzanspruch des Vermieters besteht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 333,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.10.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12.835,95 € und 237,17 € aus § 280 BGB.
Es kann offengelassen werden, ob ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist, da die Klägerin bereits dem Grunde nach keinen Anspruch hat.
Nach den Grundsätzen der nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs anzuwendenden versicherungsrechtlichen Lösung muss ein Vermieter die Wohngebäudeversicherung auf Leistung in Anspruch nehmen ohne dass diese bei den Mietern Regress nehmen kann. Der Mieter, der einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht, ist von einem Rückgriff des Gebäudeversicherers in der Weise geschützt, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrags einen konkludenten Regressverzicht ergibt. Der Mieter steht hierdurch im Ergebnis nicht anders da, als wenn er selbst eine Versicherung abgeschlossen hätte (vgl. hierzu BGB NJW 2001, S. 1353, BGB NJW 2015, S. 699 ff).
Wenn der Vermieter die Versicherung nicht in Anspruch nimmt und unmittelbar Schadensersatz vom Vermieter verlangt, wird der Mieter in seiner Erwartung enttäuscht als Gegenleistung für die von ihm übernommenen Versicherungskosten im Schadensfall einen Nutzen von der Gebäudeversicherung zu haben. Der Vermieter hat im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran, den Schadensausgleich durch den Mieter zu suchen, obwohl dieser bereits durch die Zahlung der Versicherungsprämie zur Deckung des Schadens beigetragen hat (vgl. BGH NJW 2015, 699 ff. (700)).
Aus dieser Interessenlage folgt die mietvertragliche Pflicht des Vermieters, die Versicherung in Anspruch zu nehmen oder auf Schadensersatz zu verzichten, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mieter seinerseits ein Schadensersatzanspruch zu, den er dem Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen seiner Obhutspflichtverletzung gem. § 242 BGB entgegenhalten kann („Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“), BGH NJW 2015, S. 699 ff (701).
Im vorliegenden Fall haben die Mieter im Rahmen der Nebenkosten Beiträge zur Wohngebäudeversicherung bezahlt. Daher bestand die mietvertragliche Pflicht der Klägerin, die Wohngebäudeversicherung in Anspruch zu nehmen. Die unstrittige Tatsache, dass die Klägerin bei der Versicherung unrichtige Angaben gemacht hat, darf nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Beklagten durften darauf vertrauen, nicht in Anspruch genommen zu werden. Die Beklagten durften die berechtigte Erwartung haben, dass ihnen ihre Aufwendungen für die Wohngebäudeversicherung im Schadensfall zugutekommen und sie durch diese Versicherung geschützt sind, wenn fahrlässig ein Schaden verursacht wird. Die Tatsache, dass die Versicherung die Leistungen von der Klägerin zurückforderte, liegt allein in der Sphäre der Klägerin und kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Dem Schadensersatzanspruch der Klägerin kann ein Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Pflichtverletzung der Klägerin entgegengehalten werden mit der Folge, dass kein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von 702,00 € und 168,08 € aus § 535 oder aus § 556 BGB.
Zuletzt hat die Klägerin beide Forderungen auf die Abrechnung für das Jahr 2015 gestützt (Bl. 33 d. A.). Es muss nicht entschieden werden, ob die Beklagten diese Abrechnung fristgemäß bekommen haben oder die Nachforderung schon aufgrund des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen ist. Die vorgelegte Abrechnung für das Jahr 2015 ist formell nicht ordnungsgemäß. Die Abrechnung ist völlig unverständlich. Es ist nicht zu verstehen, warum die Abrechnung zwei Spalten hat und sich in der Nebenkostenabrechnung in der linken Spalte ein Betrag von 870,08 € und in der rechten Spalte ein Betrag in Höhe von 168,08 € ergibt. Völlig unklar ist, welche Forderung nun als Restforderung der Nebenkosten aus dem Jahr 2015 aufgrund dieser Abrechnung bestehen soll und um was für Forderungen es sich handelt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 333,60 € aus § 535 BGB.
Die Miete für Juni war in Höhe dieses Betrages nicht gemindert, § 536 BGB.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Minderung nicht ausgeschlossen. Entsteht während der Mietzeit ein Mangel in der Mietsache im Sinne des § 536 BGB, schuldet der Vermieter dessen Beseitigung im Rahmen seiner Erfüllungspflicht gem. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB unabhängig davon, ob die Mängelursache in seinem eigenen Verantwortwortungsbereich oder im Gefahrenbereich des Mieters zu suchen ist. Der Mieter kann wegen des Brandschadens Minderung verlangen (BGH NJW 2015, 699 ff (701)).
Die Beklagten haben zum Zustand der Wohnung Lichtbilder vorgelegt und vorgetragen, aus diesem dokumentierten Zustand ergebe sich die Mietminderung. Aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt sich keine nicht lediglich unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit, § 536 I S. 3 BGB. Auf den Bildern sind in erster Linie Klebestreifen an Türrahmen und kleinere ungestrichene Wandteile zu sehen, die keine Minderung von 333,60 € rechtfertigen. Der Schriftsatz der Beklagten vom 27.04.2018, in dem vorgetragen wird, der Betrag in Höhe von 333,60 € sei am 29.01.2018 bezahlt worden, ist gem § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Freistellung von Rückforderungen der Gerneraliversicherung aus § 280 BGB.
Wie bereits oben ausgeführt kann diesem Schadensersatzanspruch entgegengehalten werden das die Beklagten ihrerseits einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung der Klägerin haben, der den vorliegenden Anspruch ausschließt.
Der Ausspruch über die Nebenforderungen beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 II ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


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