Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rückforderungsanspruch des Eigentümers gegen WEG für überlassenes Geld; keine Beseitigung einer bestandskräftigen Genehmigung durch Zweitbeschluss

Aktenzeichen  36 S 8135/15 WEG

Datum:
10.3.2016
Fundstelle:
ZMR – 2016, 804
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 488 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 814, § 818 Abs. 3
WEG WEG § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, § 23 Abs. 4 S. 3, § 27 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Eine bestandskräftig beschlossene Genehmigung kann durch einen Zweitbeschluss der Wohnungseigentümer nicht beseitigt werden, da die Genehmigung als rechtsgestaltende Erklärung nicht widerruflich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

484 C 6651/14 WEG 2015-04-02 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.04.2015, Az. 484 C 6651/14 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.777,69 € festgesetzt.

Gründe

I. Nach § 540 Abs. 2 die, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 540 ZPO, RdNr. 5 m. w. N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen.
II. Die die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu.
1. Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Unter Leistung ist die bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen (BGHZ 40, 272, 277).
Der Kläger hal am 08.03.2013 einen Betrag in Höhe von 17.200 € auf das Konto der Beklagten bei der Hausbank München überwiesen und damit bewusst und zweckgerichtet das Vermögen der Beklagten vermehrt.
Diese Leistung hatte keinen Rechtsgrund. Die Parteien hatten insbesondere gerade keinen Darlehensvertrag im Sinne des § 488 Abs. 1 BGB abgeschlossen. Die Hausverwaltung in Vertretung der Beklagten und der Kläger haben vielmehr lediglich eine Einigung über die Zweckbestimmung der vom Kläger geleisteten Zahlung getroffen.
Welchen Inhalt eine Willenserklärung hat entsprechend §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln.
Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und das Darlehen bei Fälligkeit zurückzubezahlen, § 488 Abs. 1 BGB. Vorliegend hat sich der Kläger weder verbindlich zu einer Vorschusszahlung an die WEG verpflichtet noch wurde ein Fälligkeitstermin für eine Rückzahlung bestimmt Zudem oblag es der Eigentümerversammlung und nicht der Hausverwaltung über den Abschluss eines Darlehensvertrages mit dem Kläger zu entscheiden, insbesondere betreffend die Konditionen eines Darlehensvertrages mit dem Kläger.
Die Hausverwaltung, die insoweit erkennbar die Beklagte vertreten wollte, und der Kläger waren sich vielmehr lediglich einig, dass eine Zahlung des Klägers eine schnelle Abwicklung des Austausches der Fensterelemente zu ermöglichen ohne zuvor auf einen Beschluss und die Einzahlung einer Sonderumlage durch die anderen Wohnungseigentümer warten zu müssen. Dabei ging der Kläger davon aus, dass der Austausch der Fensterelemente als TOP in die nächste Eigentümerversammlung genommen wird (vgl. E-Mail, Anlage K 2). Erkennbar erwartete der Kläger dabei, dass auf der Eigentümerversammlung der Austausch des Fenstertürelements grundsätzlich gebilligt werden und auch eine entsprechende Sonderumlage beschlossen werden würde und ihm der an die WEG bezahlte Betrag abzüglich eines Eigenbeitrags für eine höherwertigere Ausführung des Fenstertürelements erstattet werden würde.
2. Die Rückforderung der Leistung ist nicht nach §§ 814 BGB ausgeschlossen.
Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, § 814 BGB. Eine Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit liegt nicht vor, wenn die Leistung in der Erwartung erfolgt, dass ein Vertrag noch geschlossen wird oder wenn der Empfänger aus sonstigen Gründen nicht damit rechnen durfte, die Leistung behalten zu dürfen (vgl. Mü-Ko-Schwab, BGB, 6. Auflage, Rn. 8 zu § 814 BGB). Insbesondere findet § 814 BGB keine Anwendung, wenn der Leistende sich die Rückforderung ausdrücklich vorbehalten hat (Mü-Ko-Schwab, a. a. O., Rn. 9 zu § 814 BGB).
Mit E-Mail vom 08.03.2013 (Anlage K 2) hat der Kläger ausdrücklich klargestellt, dass er lediglich wegen fehlender freier Mittel der WEG betreffend die Bestellung der Fenstertürelemente in Vorleistung treten will. Die Beklagte konnte daher keinesfalls damit rechnen, diese Mittel behalten zu dürfen. Lediglich die Mehrkosten für die höherwertigere Ausführung wollte der Kläger erkennbar selbst übernehmen.
3. Die Beklagte kann sich lediglich hinsichtlich des eingeklagten Betrags von 14.779,69 nicht auf Entreicherung berufen.
Die Verpflichtung zur Herausgabe ist grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist, § 818 Abs. 3 BGB. Der Begriff der Entreicherung ist wirtschaftlich zu verstehen (BGH, NJW 81, 277). Dies bedeutet, dass Vermögensvorteile, die mit einer Entreicherung zusammenhängen, zugunsten des Gläubigers zu berücksichtigen sind. Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie für die abgebrochene Reparatur des Fenstertürelements durch die Fa. S… 438,33 €, sowie für die Erneuerung der Schiebetürelemente 26.387,50 € an die Firma W…, und weitere 76,16 € an die Fa. B… gezahlt hat, die die ausgebauten Fenstertürelemente Im Auftrag der Beklagten untersucht hat. Eine Entreicherung liegt insoweit jedoch bereits deshalb nicht vor, da die Beklagte in gleicher Höhe von Verbindlichkeiten befreit wurde.
Die Streithelferin Hausverwaltung S… GmbH hatte im Namen der Beklagten Verträge mit der Firma S…, der Firma W… und der Firma B… abgeschlossen. Zu laufenden Maßnahmen der erforderlichen Instandhaltung und Instandsetzung ist die Hausverwaltung nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 WEG auch ohne Eigentümerbeschluss berechtigt. Außerordentliche dringende Maßnahmen darf der Verwalter als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, Abs. 1 Nr. 3 WEG in Auftrag geben. Außerordentliche, nicht dringende Maßnahmen bedürfen jedoch entsprechend § 21 Abs. 1, V Nr. 1 WEG der Zustimmung der Gemeinschaft (vgl. BayObLG 2 Z BR 13/01). Insoweit war vorliegend die Beauftragung der Firma S… mit der Reparatur der Fenstertüren und der Fa. B… mit der Untersuchung der Fenstertüren von der Vertretungsmacht der Hausverwaltung nach § 27 WEG gedeckt, nicht jedoch die Bestellung der neuen Fensterelemente und die Erteilung des Sanierungsauftrags an die Firma W… ohne Eigentümerbeschluss. Die Beklagte wurde jedoch infolge Genehmigung Vertragspartnerin der Fa. W….
Die Beklagte hat die von der Hausverwaltung ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Verträge aber auf der Eigentümerversammlung vom 26.03.2013 unter TOP 2b genehmigt (Anlage K 4). Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung zu einem Vertrag, § 184 Abs. 1 BGB. Diese wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück. Die Genehmigung ist eine einseitige Willenserklärung. Als Gestaltungserklärung ist sie unwiderruflich (vgl. BGHZ 40, 164).
Allenfalls die Anfechtung der Genehmigungserklärung ist möglich. Die Anfechtung einer Genehmigung muss sich allerdings, um § 166 BGB nicht zu unterlaufen, auf die Genehmigung selbst beziehen (Ellenberger, in Palandt, BGB, 75. Auflage, Rn. 4 zu § 184 BGB). Vorliegend ist ein Anfechtungsgrund nicht gegeben. Weder liegt ein Erklärungs- noch ein Inhaltsirrtum der einzelnen beschlussfassenden Wohnungseigentümer vor, noch wurden diese arglistig getäuscht. Die Kammer ist insoweit an die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen gebunden, § 529 Nr. 1 ZPO: Das Amtsgericht hat eine umfassende Beweisaufnahme durchgeführt und diese umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt. Nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme steht fest, dass dem Kläger jedenfalls eine eventuell fehlerhafte Beurteilung der Austauschbedürftigkeit des Fenstertürenelements nicht angelastet werden kann.
Selbst wenn ein Anfechtungsgrund gegeben gewesen wäre, könnte die Beklagte die Genehmigungserklärung allerdings nicht mehr durch eine Anfechtung beseitigen:
Die Anfechtung einzelner Willenserklärung kann einen Beschluss der Wohnungseigentümer nur zu Fall bringen, wenn der entsprechende Beschluss zugleich erfolgreich durch eine Anfechtungsklage im Sinne des § 46 WEG angefochten wird. Die erfolgreiche Anfechtung der Stimmabgabe wegen eines Willensmangels führt zur Unwirksamkeit der Einzelstimme. Dies kann, wenn ohne die betroffene Stimme die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, Grundlage für einen Erfolg der Anfechtung des Eigentümerbeschlusses sein (AG Hamburg-Wandsbeck, 751 C 40/13, ZMR 2014, 752 mit weiteren Nachweisen).
Im Rahmen einer Anfechtungsklage hätte vorliegend geprüft werden können, ob der angefochtene Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dabei hätte insbesondere auch die Frage diskutiert werden können, ob es auch unter Berücksichtigung möglicher Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Sanierung der Wohnung des Klägers und unter Berücksichtigung dann möglicherweise höherer Kosten geboten gewesen wäre zuerst die Fenstertürelemente auszubauen um zu prüfen, ob wirklich beide Fensterelemente ausgetauscht werden müssen und ob die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen des Architekten tragfähig wären. Eine Anfechtungsklage wurde hier zwar erhoben, das Verfahren wurde aber sodann beiderseits für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte einen aufhebenden Zweitbeschluss gefasst hatte.
Infolge der beiderseitigen Erledigterklärung, an die das Gericht gebunden ist, war das Gericht des Anfechtungsprozesses nicht befugt zu überprüfen, ob tatsächlich eine Erledigung des Rechtsstreits durch den aufhebenden Zweitbeschluss eingetreten war. Mit der beiderseitigen Erledigterklärung war im Anfechtungsprozess nur noch über die Kostenfolge zu entscheiden, § 91 a Abs. 1 ZPO. Tatsächlich kann eine Genehmigung durch einen Zweitbeschluss ist nicht beseitigt werden, da die Genehmigung als rechtsgestaltende Erklärung gerade nicht widerruflich ist (s.o.).
Der Genehmigungsbeschluss besteht fort. Ein Beschluss ist – sofern keine Nichtigkeitsgründe vorliegen – gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG.
4. Entsprechend § 818 Abs. 2 BGB hat die Beklagte den Wert des durch Gutschrift auf ihrem Konto erlangten Betrags in Höhe von 17.200 € zu ersetzen. Von diesem Betrag abzuziehen sind im Wege der Verrechnung die Mehrkosten der Auftragsvergabe an die Firma W…, zu deren Übernahme sich der Kläger gegenüber der Beklagten verpflichtet hat. Diese belaufen sich auf 2.422,31 €. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers beläuft sich demzufolge auf die geltend gemachten 14.777,69 €.
5. Dieser Betrag ist seit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB, 253 Abs. 1 ZPO.
III. Die Kostenfolge entspricht §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet liegen unzweifelhaft nicht vor, wie eingangs ausgeführt.
V. Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf Basis obergerichtlicher Rechtsprechung. Soweit die Beklagte auf vermeintlich abweichende Rechtsprechung (Hanseatisches OLG, 2 Wx 34/09; BGH V ZR 246/14) verweist, liegen abweichende Fallkonstellationen vor. Im Rahmen der rechtlichen Prüfung ist es von erheblicher Bedeutung, ob ein Eigentümer eigenmächtig selbst Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum vornimmt oder ob er der Gemeinschaft lediglich Geld hierfür zur Verfügung stellt, ferner ist von entscheidender Bedeutung, ob die Gemeinschaft eine Maßnahme genehmigt oder nicht.
VI. Die Streitwertfestsetzung entspricht §§ 47, 49 a Abs. 1 Satz 2 GKG.


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