Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung im Dieselskandal

Aktenzeichen  20 U 5764/19

Datum:
2.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36059
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249 Abs. 1, § 291, § 826

 

Leitsatz

1. Die Beklagte haftet der Klagepartei aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB (vgl. BGH BeckRS 10555). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Klagepartei steht ein Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung seit Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) zu.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Annahmeverzug der Beklagten ist erst eingetreten, nachdem die Klagepartei von der Geltendmachung deliktischer Zinsen abgesehen hat. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Umstand, dass Zinsen als Nebenforderung bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht bleiben, führt nicht dazu, dass eine Zuvielforderung in diesem Bereich bei der Kostenverteilung nicht berücksichtigt werden kann. Ein Teilunterliegen kann auch angenommen werden, soweit eine Partei mit einem Nebenanspruch unterliegt (vgl. BGH BeckRS 9998, 164627). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

24 O 750/19 2019-09-12 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 12.09.2019, Az. 24 O 750/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 12.584 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.02.2019 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der FIN …40.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Tiguan mit der FIN …40 seit dem 22.10.2020 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 561,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.02.2019 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klagepartei 22%, die Beklagte 78%. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klagepartei 38%, die Beklagte 62%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw, in den ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe „EA 189“ eingebaut ist.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Hinsichtlich der Anträge im Berufungsverfahren und des Kilometerstands zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf das Protokoll vom 28.10.2020 Bezug genommen.
Im Übrigen bedarf es keines Tatbestands, da gegen das Urteil kein Rechtsmittel zulässig ist (§ 313 a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 ZPO).
II.
Die Berufung der Klagepartei ist zulässig und zum Teil begründet.
1. Die Beklagte haftet der Klagepartei aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).
Die Beklagte hat gem. §§ 249 ff. BGB der Klagepartei sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.
Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu, das heißt Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten.
Die Klagepartei kann daher den von ihr aufgewendeten Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen. Sie muss sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 64-77).
Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17.05.1995, VIII ZR 70/97, NJW 1995, 2159, 2161). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Dieser betrug 32.303 Euro. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung auf 250.000 Kilometer. Die gefahrenen Kilometer belaufen sich auf 152.613 km. Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 19.719 Euro. Damit verbleibt ein ersatzfähiger Betrag von 12.584 Euro.
2. Der Klagepartei steht ein Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung seit Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) zu. Darüber hinaus bestehen keine Ansprüche auf Zinsen. Aufgrund des Schreibens der Klägervertreter vom 25.11.2018 ist kein Verzug der Beklagten eingetreten, da die Übergabe des Fahrzeugs nur gegen Zahlung eines deutlich höheren Betrages – insbesondere einer Verzinsung ab Kaufpreiszahlung – angeboten wurde als berechtigt.
3. Die Klagepartei hat Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 561,68 Euro.
Für den Gegenstandswert bzgl. der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Wert des berechtigt verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Klägervertreters maßgeblich. Das Forderungsschreiben des Klägervertreters an die Beklagte (Anlage K 5) datiert vom 25.11.2018. Zu diesem Zeitpunkt war die Klagepartei mit dem Fahrzeug 105.000 km gefahren, so dass damals die anzurechnende Nutzungsentschädigung 13.567 Euro betrug. Damit ergibt sich ein damals berechtigter Forderungsbetrag von 18.735 Euro. Die geltend gemachte 0,65 Gebühr (incl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) beträgt folglich 561,68 Euro.
4. Annahmeverzug der Beklagten ist erst eingetreten, nachdem die Klagepartei mit Schriftsatz vom 21.10.2020 von der Geltendmachung deliktischer Zinsen abgesehen hat.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Bei der Bemessung der Kostenquote berücksichtigt der Senat auch, dass der von der Klagepartei bis zur Antragsänderung in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 21.10.2020 geltend gemachte Anspruch auf Zinsen ab Kaufpreiszahlung – was einem Betrag von rund 5.388 Euro entspricht – nicht begründet war. Der Umstand, dass Zinsen als Nebenforderung bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht bleiben, führt nicht dazu, dass eine Zuvielforderung in diesem Bereich bei der Kostenverteilung nicht berücksichtigt werden kann. Ein Teilunterliegen kann auch angenommen werden, soweit eine Partei mit einem Nebenanspruch unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1988 – IX ZR 127/87, juris Rn. 28).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 und vom 30.07.2020 geklärt.


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