Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatzpflicht des Kfz-Sachverständigen wegen fehlerhaften Gutachtens

Aktenzeichen  6 S 22775/16

Datum:
12.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131245
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 263 u. § 540

 

Leitsatz

Der vom Geschädigten mit der Schadenfeststellung betraute Sachverständige muss sämtliche unfallbedingt erforderlichen Arbeitsschritte und Ersatzteile berücksichtigen. Verletzt er diese Pflicht, ist der dem einstandspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer zum Schadensersatz verpflichtet. (Rn. 15 und 16)

Verfahrensgang

233 C 8903/14 2016-11-24 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 24.11.2016, Az. 233 C 8903/14, wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, jedoch trägt die Nebenintervenientin die ihr erwachsenen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer Igenannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.789,36 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung des Beklagten gegen das sorgfältig begründete Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuweisen, da das Amtsgericht zu Recht den Beklagten zum Ersatz der bei der Klägerin eingetretenen Schäden verurteilt hat.
1. Der Ersatzanspruch der Klägerin besteht allerdings nicht, wie diese noch mit der Klageschrift behauptete, aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten …, sondern aus eigenem Recht. Bereits das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen Verletzung eines Vertrags – nämlich des zwischen dem Unfallgeschädigten … und dem Beklagten geschlossen Vertrag auf Begutachtung des Unfallschadens – mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – hier der Klägerin – ein eigener Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Darauf hat das Amtsgericht zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 (Bl. 93/95 d.A., hier: Bl. 94 d.A.) hingewiesen. Die Klägerin hat sich dieser für sie günstigen Rechtsauffassung konkludent angeschlossen und gleichfalls konkludent die Klage entsprechend umgestellt, von der Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht auf die Geltendmachung eines eigenen Ersatzanspruchs. Diese konkludente Klageänderung war ersichtlich sachdienlich, so dass es einer Zustimmung des Beklagten hierzu nicht bedurfte, § 263 ZPO. Auf die Frage der von der Klägerin behaupteten und vom Beklagten bekämpften Abtretung von Ansprüchen des Unfallgeschädigten … kommt es daher nicht an.
2. Wie das Amtsgericht nach sachkundiger Beratung überzeugend festgestellt hat, hat der Beklagte dadurch, dass er den Optionsschalter für den Ersatz auch des Sitzbezuges nicht gesetzt hat, gegen seine Pflichten zur sorgfältigen Gutachtenserstattung verstoßen. Auf die Begründung des Amtsgerichts, die nicht ergänzungsbedürftig ist, kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Die Auffassung des Beklagten, er habe keine eigenen Prüfpflichten für die vom System der Nebenintervenientin erstellte Reparaturliste samt zugehöriger Reparaturkosten, würde ihn zum bloßen Systemeingeber ohne eigene Sachkompetenz degradieren. Das System der Nebenintervenientin ist nach zutreffender Bewertung allerdings nur ein Hilfsmittel für die Tätigkeit des Beklagten als Sachverständigen, dem es auch ohne dieses System möglich sein muss, seine Tätigkeit auszuführen. Sonst dürfte er sich kaum als Sachverständigen bezeichnen und als solcher tätig werden.
3. Dieser Fehler ist auch kausal für die Regulierungsentscheidung der Klägerin geworden. Zwar hatte der Unfallgeschädigte … den Reparaturauftrag bereits vor der Erstellung des Gutachtens erteilt. Das war allerdings nur die Vermögensdisposition des Geschädigten, dem es selbstverständlich zusteht, seinen Pkw-reparieren zu lassen, auch ohne dass er Kostenersatz durch Dritte in Anspruch nehmen kann oder will. Diese Entscheidung des Unfallgeschädigten hat keinerlei Auswirkung auf die Prüfung der Haftpflichtversicherung, ob und in welchem Umfang sie zum Ersatz verpflichtet ist oder nicht. Die Klägerin hat ihre Vermögensdisposition, nämlich die Abgabe einer Erklärung zur
2. Reparaturkostenübernahme, erst nach Vorlage des Gutachtens des Beklagten getroffen.
4. Im Ansatz richtig ist die Auffassung des Beklagten, dass das Risiko einer Steigerung des Reparaturaufwandes den ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer trifft. In der streitgegenständlichen Konstellation geht es aber, erst nachrangig um die Frage, der Steigerung der Reparaturkosten gegenüber dem Kostenvoranschlag. Dem vorgeschaltet war die vom Beklagten durch das falsche Gutachten verursachte Entscheidung, ob überhaupt eine Reparaturkostenübernahme erklärt wird, oder nicht vielmehr von vorne herein nur auf der Basis des wirtschaftlichen Totalschadens abzurechnen ist. Bei der letztgenannten Abrechnung kann es nicht zur Steigerung von Reparaturkosten kommen, weswegen der Beklagte im Umfang der Differenz ersatzpflichtig ist.
.5. Schließlich hat das Amtsgericht zutreffend auch die Differenzbesteuerung des Wiederbeschaffungswertes bei der Beurteilung, ob hier die 130%-Grenze überschritten worden wäre, angesetzt. Auch insoweit ist auf die Ausführungen des Amtsgerichts zu verweisen.
7. Zutreffend hat das Amtsgericht ferner erkannt, dass die Mehrkosten an Anwaltsgebühren, die durch den höheren Streitwert ausgelöst wurden, zum ersatzfähigen Umfang gehören. Dabei handelt es sich, entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung, nicht um vorprozessuale Rechtsanwaltskosten der Klägerin, sondern um Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin dem Unfallgeschädigten … in einem Umfang erstattet hat, der ohne den Fehler der Begutachtung des Beklagten nicht veranlasst gewesen wäre. Gutachterkosten hat bereits das Amtsgericht zutreffend nicht als Schaden der Klägerin anerkannt, so dass es auf die Ausführungen des Beklagten hierzu nicht ankommt.
Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1,101 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Kammer nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht. Der Streitwert folgt gemäß §§ 3, 4 Abs. 1. ZPO aus der Beschwer des Beklagten in der Hauptsache durch die erstinstanzliche Verurteilung.


Ähnliche Artikel


Nach oben