Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Streitwert bei Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs – Antragshäufung

Aktenzeichen  8 C 19.806

Datum:
27.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6713
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2, § 66, § 68

 

Leitsatz

Zur Streitwertbemessung mehrerer Klageanträge im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruchs auf Beseitigung einer Wegefläche und auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sowie auf die verkehrssichere Herstellung des Böschungsfußes und -winkels (hier auf der Grundlage von Nr. 43.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, jedoch vermindert, da es sich bei dem betroffenen Grundstück um eine Ackerfläche handelte). (Rn. 12 – 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 K 16.784 2018-11-22 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. November 2018 wird der Streitwert für das Verfahren RO 2 K 16.784 auf 10.000 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt, den vom Verwaltungsgericht für seine Klage festgesetzten Streitwert von 15.000 Euro auf höchstens 5.000 Euro herabzusetzen.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten, die im nördlichen Bereich seines Grundstücks errichtete Wegfläche zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand der Ackerfläche wiederherzustellen (Klageantrag zu 1) sowie den Böschungsfuß und Böschungswinkel eines entlang der Ostgrenze seines Grundstücks verlaufenden Weges verkehrssicher herzustellen (Klageantrag zu 2). Weiter beantragte er, die Beklagte unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung zu verpflichten, es künftig zu unterlassen, das Grundstück des Klägers in Anspruch zu nehmen (Klageanträge zu 3 und 4).
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 22. November 2018 ab und setzte mit Beschluss vom selben Tag den Streitwert auf 15.000 Euro fest. Es ging dabei von drei selbständigen Anträgen aus, für die jeweils der Auffangstreitwert von 5.000 Euro angesetzt wurde.
Gegen diese Streitwertfestsetzung wendet sich der Kläger, der sich selbst vertritt. Er ist der Auffassung, der Streitwert dürfe nicht mehr als 5.000 Euro betragen. Es handle sich um einen einheitlichen Streitgegenstand. Daher sei es nicht geboten, für jeden einzelnen Antrag einen eigenen Wert zu bestimmen; in vergleichbaren Fällen mit mehreren Anträgen werde einheitlich 5.000 Euro festgesetzt.
Der Beklagtenvertreter macht geltend, bei einer kumulativen Klagehäufung sei der Streitwert nach den addierten Klagebegehren zu ermitteln. Für die insgesamt drei Klagebegehren sei der Ansatz von 15.000 Euro ohnehin ausgesprochen moderat.
II.
Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat in der in § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Besetzung, weil die für eine Einzelrichterentscheidung nach § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG erforderliche Voraussetzung, dass bereits die angefochtene Streitwertentscheidung durch einen Einzelrichter erlassen wurde, im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist.
Die nach § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands die in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG festgelegte Wertgrenze von 200 Euro. Abzustellen ist für deren Bemessung nicht auf die Differenz der Streitwerte, sondern auf den Differenzbetrag der tatsächlichen Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren, die sich für den Beschwerdeführer aus dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten niedrigeren Streitwert ergeben (BayVGH, B.v. 20.3.2019 – 20 C 19.564 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 26.6.2013 – 8 C 13.519 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Aus dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert in Höhe von 15.000 Euro errechnet sich für das gerichtliche Verfahren eine Gebühr von 879 Euro (= 293 Euro x 3 [vgl. Nr. 5210 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG sowie Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG]). Legt man dagegen den vom Kläger angestrebten Streitwert von 5.000 Euro zugrunde, würde das für das gerichtliche Verfahren zu einer Gebühr von 438 Euro (= 146 Euro x 3) führen. Hinzu kommen die Rechtsanwaltsgebühren. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG erhält der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vom unterlegenen Kläger für seine Tätigkeit im ersten Rechtszug eine 1,3-fache Verfahrensgebühr. Für den vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert ergibt sich nach § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG eine Gebühr von 1.005,55 Euro (650 Euro x 1,3 + 19%). Bei der Festsetzung des mit der Beschwerde begehrten Streitwerts errechnet sich demgegenüber eine Gebühr von 468,74 Euro (303 Euro x 1,3 + 19%). Die den Kläger belastenden Gebühren belaufen sich demnach bei einem Streitwert von 15.000 Euro auf insgesamt 1.884,55 Euro, wohingegen er bei einem Streitwert von 5.000 Euro lediglich Gebühren in Höhe von 906,74 Euro tragen müsste.
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat den auf 15.000 Euro festgesetzten Streitwert zu hoch angesetzt. Der Streitwert beläuft sich jedoch nicht nur auf den vom Kläger angestrebten Betrag von 5.000 Euro, sondern ist auf 10.000 Euro festzusetzen.
In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse an der begehrten Entscheidung im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Werden mehrere Klageanträge mit selbständiger Bedeutung gestellt, so werden die Werte addiert, wenn die Streitgegenstände jeweils einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt haben (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 15 C 18.750 – juris Rn. 8; Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, § 39 Abs. 1 GKG).
2.1 Danach lag entgegen dem Vorbringen des Klägers kein einheitlicher Streitgegenstand vor. Das Verwaltungsgericht ist jedoch unzutreffend von drei selbständigen Klageanträgen ausgegangen.
Der auf Beseitigung der Wegefläche und auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichteten Antrag (Klageantrag zu 1) und der auf die verkehrssichere Herstellung des Böschungsfußes und -winkels zielende Antrag (Klageantrag zu 2) sind eigenständige Klageanträge, die einen voneinander unabhängigen materiellen Inhalt haben. Der Kläger fordert mit dem Klageantrag zu 1 die Rückgängigmachung der Inanspruchnahme des nördlichen Bereichs seines Grundstücks während er mit dem Klageantrag zu 2 eine bauliche Maßnahme hinsichtlich der im Eigentum der Beklagten stehenden Hohlgasse, die westlich an sein Grundstück angrenzt, beansprucht. Es handelt sich hierbei um unterschiedliche Begehren, die sich auf verschiedene örtliche Bereiche beziehen und jeweils ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse des Klägers enthalten. Dagegen betrifft der auf künftige Unterlassung der Inanspruchnahme seines Grundstücks gerichtete Antrag (Klageantrag 3) mit der beantragten Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung (Klageantrag zu 4) denselben Streitgegenstand wie der Klageantrag zu 1 und bilden mit diesem ein einheitliches Begehren mit dem Ziel, die (bestehende und jede künftige) Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks zu unterbinden. Demzufolge ist für die Klageanträge zu 1, 3 und 4 ein einheitlicher Streitwert festzusetzen, der mit dem Wert des Klageantrags zu 2 zu addieren ist.
2.2 Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht für die Bestimmung der Höhe der festzusetzenden Werte auf den Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen hat.
Der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht zum Zug, wenn sich die aus dem Antrag des Klägers objektiv für ihn ergebende Bedeutung der Sache wertmäßig nach Ermessen bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2016 – 22 C 16.1849 – juris Rn. 8). Denn es handelt sich bei § 52 Abs. 2 GKG nicht um einen Regelstreitwert, sondern um einen subsidiär anzuwendenden Auffangstreitwert, auf den nur bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Bewertung nach § 52 Abs. 1 GKG abgestellt werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2016 – 8 C 18.284 – juris Rn. 7 m.w.N.). Bestehen genügend Anhaltspunkte, um das wirtschaftliche Interesse zu bestimmen, kommt eine Festsetzung des Streitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG nicht in Betracht. Eine Orientierungshilfe, welcher Wert angemessen ist, bieten die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, denen zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und einer weitest möglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 u.a. – JurBüro 2016, 23 = juris Rn. 4; vgl. auch BVerfG, B.v. 8.12.2011 – 1 BvR 1393/10 – juris Rn. 6).
Der Senat orientiert sich bei Streitigkeiten, in denen die Beseitigung eines Wegs oder einer Straße wegen der Inanspruchnahme eines Privatgrundstücks beansprucht wird, in der Regel an Nr. 43.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 17.473 – juris Rn. 31; vergleichbar B.v. 14.3.2018 – 8 C 18.285 – juris Rn. 8 m.w.N.). Danach ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2018 – 8 C 18.776 – juris Rn. 7), mindestens aber ein Betrag von 7.500 Euro anzusetzen. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem klägerischen Grundstück um eine Ackerfläche handelt und dass hier nicht die Beseitigung eines befestigten Weges, sondern lediglich die Rückgängigmachung eines Aushubs beansprucht wurde. Angesichts dessen erscheint der vom Streitwertkatalog empfohlene Mindeststreitwert von 7.500 Euro als unangemessen hoch. Da der Sach- und Streitstand keine Anhaltspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Beseitigung des Wegs und dem künftigen Unterbleiben der Inanspruchnahme seines Grundstücks bietet, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG hierfür ein Wert von 5.000 Euro anzusetzen. Mangels näherer Angaben des Klägers gilt dies entsprechend für den hinzuzurechnenden eigenständigen Klageantrag zu 2.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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