Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ungültige Beschlussfassung über Rauchmelder mangels ausreichender Ankündigung, Vergleichsangeboten und Entscheidungsgrundlage

Aktenzeichen  31 C 1980/15 WEG

Datum:
17.2.2016
Fundstelle:
ZMR – 2018, 79
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG WEG § 23 Abs. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Beschlussgegenstand ist entgegen § 23 Abs. 2 WEG in der Ladung nicht ausreichend bezeichnet, wenn für eine Investition in Höhe von ca. 65.000 € ein Angebot unter Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Abstimmung zwischen Verwaltung und Verwaltungsbeirat empfohlen wird, ohne zugleich die Entscheidungsgrundlagen zumindest schematisch darzustellen und ohne die Vergleichsangebote mitzusenden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ohne eine solche Offenlegung fehlt es an der hinreichenden Entscheidungsgrundlage der Eigentümer, auch wenn eine Einsichtnahme in die Vergleichsangebote im Rahmen der Versammlung möglich gewesen wäre. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Beschluss über die verpflichtende Ausstattung aller Wohnungen mit Rauchmeldern widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn bereits durch Sondereigentümer mit Rauchmeldern ausgestattete Einheiten nicht von der Verpflichtung ausgenommen werden (Anschluss LG Braunschweig BeckRS 2014, 11400). (redaktioneller Leitsatz)
4. Kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter in Betracht, widerspricht seine Entlastung ordnungsmäßiger Verwaltung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 20.04.2015 unter TOP 5 (Rauchmelder), TOP 2.2 (Entlastung Verwaltungsbeirat) und TOP 2.3 (Entlastung Verwaltung) werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als vollumfänglich begründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
I.
Die Klage ist am 18.5.2015 und damit noch vor Ende der am 20.5.2015 ablaufenden Anfechtungsfrist des §§ 46 Abs. 1 Satz 1 WEG bei Gericht eingegangen. Die Zustellung der Klage erfolgte am 29.5.2015, so dass gemäß § 167 ZPO der Zeltpunkt des Klageeingangs maßgeblich ist.
II.
Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 43 Nr. 4 WEG.
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 2 c GVG.
B.
Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.
I.
Die angefochtenen Beschlüsse verstoßen gegen formelles bzw. materielles Recht und sind daher gemäß § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären.
1. Der in der Versammlung vom 20.4.2015 unter Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss zum Thema Rauchmelder ist sowohl in formeller, wie auch in materieller Hinsicht rechtswidrig.
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der als Anlage K 1 vorgelegten Einladung keine Angebote oder Preisvergleiche beigefügt waren. Vielmehr wurde in der Einladung darauf abgestellt, dass die auf der Grundlage des Beschlusses vom 5.5.2014 erholten Vergleichsangebote mit dem Verwaltungsbeirat besprochen und gegeneinander abgewogen worden seien. Auf dieser Basis wurde den Eigentümern eine Beschlussfassung entsprechend einem Angebot der Firma … nahegelegt, welches die Anmietung von Rauchwarnmeldern mit Funktechnologie zum Gegenstand hatte. Auf weitere Angebote wurde in der Einladung nicht näher eingegangen.
Dies stellt einen Verstoß gegen das in § 23 Abs. 2 WEG normierte Gebot der ausreichenden bezeichnung des Beschlussgegenstandes dar. Zwar ist der Beklagtenpartei darin zuzustimmen, dass das Informationsbedürfnis der Eigentümer nicht zwangsläufig und stets die Pflicht zur Übermittlung von Angeboten zur Folge hat. Wird jedoch wie hier auf eine bereits erfolgte Abstimmung zwischen Verwaltung und Verwaltungsbeirat Bezug genommen und den Eigentümern das Ergebnis dieser Konsultation als Beschlussempfehlung unterbreitet, ist eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Eigentümer nur dann gewährleistet, wenn bereits im Einladungsschreiben eine zumindest schematische Darstellung der Entscheidungsgrundlagen erfolgt. Ohne eine solche Offenlegung kann eine sinnvolle Inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgenstand nicht erfolgen, so dass die rechtlichen und tatsächlichen Folgen einer Beschlussfassung nicht hinreichend erfasst werden können. (vgl. Bärmann WEG 12. Auflage § 23 Rn. 87). Vordem Hintergrund des unstreitigen Investitionsvolumens von ca. 65.000 € kann dieses Informationsdefizit auch nicht dadurch ausgeglichen werden, dass – wie vom … glaubhaft und glaubwürdig geschildert – eine Einsichtnahme in die Angebote im Rahmen der Versammlung selbst möglich gewesen wäre. Die hier gewählte Vorgehensweise führt im Ergebnis zu einer Verlagerung der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer auf die Verwalterin und die Verwaltungsbeiräte, zumal dem Informationsbedürfnis der Eigentümer ohne weiteres durch Übersendung des im Termin vom 1.10.2015 übergebenen Preisvergleichs (Blatt 38/42) Rechnung getragen hätte werden können.
b) In materieller Hinsicht liegt ein Verstoß gegen das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung vor, nachdem es an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage fehlt. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die als Anlagen W & P 1-5 vorgelegten Angebote der Firmen … und … nicht vergleichbar. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sich die Angebote in ihrer Leistung stark unterscheiden. Insbesondere können konventionelle Rauchwarnmelder nicht mit entsprechenden Geräten mit Funktechnologie verglichen werden, wobei es nicht darauf ankommt, von wie vielen Firmen überhaupt noch Geräte ohne Funkausstattung angeboten werden. Darüber hinaus beziehen sich die Angebote der Firmen … und … offensichtlich nicht auf die gegenständliche Wohnanlage. Das Angebot der Firma … datiert zudem bereits vom 6.5.2013.
c) Hinzu kommt, dass die Verwaltung unstreitig bereits im Jahr 2013 davon in Kenntnis gesetzt worden ist, dass die Kläger ihre Wohnung auf eigene Rechnung mit Rauchmeldern ausgestattet haben. Dieser Umstand hätte im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung bei der Beschlussfassung berücksichtigt werden müssen, indem die Wohnung der Kläger von der Verpflichtung zum Einbau von Rauchmeldern ausgenommen wird. Andernfalls würden die Kläger mit unnötigen Kosten für Anschaffung und Einbau belastet, ohne hierfür einen Gegenwert zu erhalten, (vgl. LG Braunschweig Urteil vom 7.2.2014, ZWE 2014, 323). Eine derartige Beschlussgestaltung wäre auch trotz des in der Versammlung vom 5.5.2014 unter Tagesordnungspunkt 6 gefassten Beschlusses möglich gewesen, nachdem dort lediglich geregelt wird, dass sämtliche Wohnungen im Gebäude mit Rauchwarnmeldem ausgestattet werden. Ob dies nun durch die Eigentümergemeinschaft oder die jeweiligen Eigentümer selbst zu veranlasst ist, wird durch den Beschluss nicht vorgegeben.
2. Auch die in der Versammlung vom 20.4.2015 unter Tagesordnungspunkt 2.2 bzw, 2.3 beschlossene Entlastung des Verwaltungsbeirats bzw. der Verwaltung verstößt gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung.
Nach dem Vortrag der Parteien steht fest, dass ein im Jahr 2014 beschlossener Holzaußenanstrich auf der Grundlage falsch ermittelter Massen entschieden worden ist. Dementsprechend beliefen sich die Kosten für die Maßnahme nicht auf die bei Beschlussfassung angenommenen 42.000 €, sondern schlugen mit rund 66.700 € zu Buche. Ein gegen die Verwalterin, bzw. die Verwaltungsbeiräte gerichteter Schadensersatzanspruch ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass eine gleichwohl beschlossene Entlastung ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht (vgl. Bärmann WEG 12. Auflage § 21 Rn. 43).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.
III.
Der Streitwert war gemäß § 49 a GKG auf 4.000 € festzusetzen, wobei hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 6 das fünffache Klägerinteresse von 500 Euro, insgesamt also 2.500 €, hinsichtlich der Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 2.2. und 2.3.500 € bzw. 1.000 € in Ansatz gebracht wurden.


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