Miet- und Wohnungseigentumsrecht

V ZR 143/21

Aktenzeichen  V ZR 143/21

Datum:
25.2.2022
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:250222UVZR143.21.0
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Braunschweig, 6. Juli 2021, Az: 6 S 297/20vorgehend AG Göttingen, 24. November 2020, Az: 19 C 22/19

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 6. Juli 2021 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der L.                                            gesellschaft mbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin und die Beklagten sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um ein sog. Boardinghouse, das ausweislich des Teilungsvertrages aus 100 Appartements, einem Restaurant und 27 Tiefgaragenstellplätzen besteht. Ursprünglich war im Grundbuch zu den Sondereigentumseinheiten jeweils der Text „verbunden mit Sondereigentum an dem Hotelappartement“ eingetragen. Auf Betreiben der Beklagten verpflichtete das Oberlandesgericht Braunschweig das Grundbuchamt, den Begriff „Hotelappartement“ durch „Appartement“ zu ersetzen.
2
Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten, der Wiedereintragung der ursprünglichen Fassung zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. November 2020 mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.
3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen worden, weil es an der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts fehle. Diese folge nicht aus § 43 Nr. 1 WEG aF, der gemäß § 48 Abs. 5 WEG noch anwendbar sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stelle ein Verfahren, das – wie hier – die sachenrechtlichen Grundlagen zum Gegenstand habe, eine allgemeine Zivilsache dar. Der Zuständigkeitsstreitwert bemesse sich nach dem Interesse des Klägers und belaufe sich auf 28.000 €, so dass gemäß den §§ 23, 72 GVG erstinstanzlich das Landgericht zuständig sei.
II.
4
Die Revision ist zwar im Hinblick auf die Zulassung durch das Berufungsgericht, an die der Senat gebunden ist (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO), zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
5
1. a) Ob das Berufungsgericht die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts zu Recht verneint hat, wogegen sich die Revision wendet, ist der Prüfung durch den Senat entzogen. Denn nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Dieser – gemessen am verfolgten Zweck sprachlich missglückten – Vorschrift entnimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein schlechthin bestehendes Verbot, eine in den Vorinstanzen angenommene oder verneinte sachliche Zuständigkeit revisionsgerichtlich nachzuprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 – III ZR 91/03, NJW 2003, 2917 f.; Beschluss vom 16. März 2010 – VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 1 mwN).
6
b) Das Verbot gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2006 – VI ZR 42/05, NJW-RR 2006, 930; Beschluss vom 16. März 2010 – VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 2 mwN). Die vom Gesetz festgelegte Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts kann durch die Zulassungsentscheidung nicht erweitert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 – VII ZB 79/08, NJW 2009, 1974 Rn. 4 zur Parallelvorschrift des § 576 Abs. 2 ZPO für die Rechtsbeschwerde). Deshalb ist die von dem Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob eine nach bisherigem Recht mangels sachlicher Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unzulässige Klage in der Berufungsinstanz zulässig geworden sein kann, weil nach der Änderung von § 43 Nr. 1 WEG aF auch Streitigkeiten über die sachenrechtlichen Grundlagen von § 43 WEG erfasst werden, oder ob die Klage unzulässig geblieben ist, weil nach § 48 Abs. 5 WEG noch das bisherige Recht Anwendung findet, nicht klärungsfähig. Entsprechendes gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, der Rechtsstreit zwischen den Parteien betreffe die sachenrechtlichen Grundlagen der GdWE.
7
2. Dass der Senat gelegentlich entscheidet, ob eine Berufung an das für Wohnungseigentumssachen oder an das für allgemeine Zivilsachen zuständige Landgericht zu richten ist (vgl. z.B. Beschluss vom 24. September 2020 – V ZB 90/19, NJW-RR 2020, 1339; Urteil vom 21. Februar 2020 – V ZR 17/19, NJW 2020, 1525; Beschluss vom 17. November 2016 – V ZB 77/16, ZWE 2017, 103), steht nicht in Widerspruch zu § 545 Abs. 2 ZPO. Dabei handelt es sich um Verfahren, in denen das Amtsgericht eine Sachentscheidung getroffen hat und die Rechtzeitigkeit der Berufung gegen dieses Urteil davon abhängt, ob sie bei dem zuständigen Gericht eingelegt worden ist. Welches (Berufungs-)Gericht für die Sache zuständig ist, wird in diesen Fällen nur inzident im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung geprüft.
8
Hier liegt dagegen eine zulässige Berufung vor, mit der der Kläger geklärt wissen wollte, ob das Amtsgericht seine Zuständigkeit zu Recht verneint hat. Das ist möglich und insbesondere nicht durch die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, die nur die Bejahung der Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht der Nachprüfung entzieht, ausgeschlossen (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl., § 513 Rn. 17; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 513 Rn. 11). Revisionsrechtlicher Überprüfung unterliegt die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen § 545 Abs. 2 ZPO aber nicht.
III.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann     
      
Brückner     
      
Kartzke
      
Haberkamp     
      
Laube     
      


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