Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit bei Leerstand

Aktenzeichen  5 C 18/15 WEG

Datum:
28.4.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129090
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Dachau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 247 Abs. 1
WEG § 1 Abs. 3, § 8

 

Leitsatz

Stehen in einem Ärztehaus mehrere Teileigentumseinheiten leer und ändert sich dadurch der Charakter der Anlage, kann es dem Eigentümer einer Teileigentumseinheit nicht verwehrt werden, diese Einheit zu Wohnzwecken zu nutzen, wenn Versuche der gewerblichen Vermietung nachweislich fehlgeschlagen sind (aA BGH BeckRS 2018, 6850). (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert des Verfahrens wird auf € 21.350,00 festgesetzt.

Gründe

Die Klage war aus materiell rechtlichen Gründen abzuweisen, da den Klägern kein Unterlassungsanspruch zusteht.
Zunächst ist festzustellen, dass es vorliegend um Teileigentum und nicht um Wohnungseigentum geht, wie von der Beklagtenseite eingewandt wird.
Dies ergibt sich aus dem 3. Nachtrag vom 28.02.1990 zur Teilungserklärung vom 22.05.1989 (Anlage K 3). Danach wurde unter „I. Sachverhalt“ und „Aufteilung“ klargestellt, dass es sich bei Teileigentum Nr. 49, dem hier streitgegenständlichen Ärztehaus, Haus C…, um jeweils Teileigentum handelt.
Eine Zweckbestimmung als „Teileigentum“ (§ 1 Abs. 3 WEG) erlaubt grundsätzlich keine Wohnnutzung (vgl. Bärmann – WEG 12. Auflage, § 13 Randnummer 36).
Eine Nutzungsänderung bedarf daher grundsätzlich auch einer Vereinbarung aller Wohnungs- und Teileigentümer, was hier bislang nicht erfolgt ist, da der Beklagte einen entsprechenden Verpflichtungsantrag nicht gestellt hat.
Nach Auffassung des Gerichts ist dieses allerdings hier unschädlich, da ohne der Mitwirkung der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer das Projekt auch dann verwirklicht werden kann, wenn die dadurch bedingte Nutzung nicht mehr stört als eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Entscheidung vom 10.11.2004, Aktenzeichen 2Z BR 169/04, nach Juris Randnummer 28 = NZM 2005, 263).
Ob eine Nutzung zu Wohnzwecken hier mehr stört als die der Zweckbestimmung gemäße Nutzung als gewerbliche Räume (als Ärztehaus), bemisst sich anhand einer typisierenden Betrachtungsweise. Zu berücksichtigen sind schließlich auch der Charakter der Wohnanlage und die diesen prägenden örtlichen Verhältnissen (vgl. Bayerisches Oberstes a.a.O. nach Juris Randnummer 36).
Zwar war der Charakter der streitgegenständlichen Anlage ursprünglich ein Ärztehaus.
Von den 7 Einheiten, von denen ursprünglich 6 als Arztpraxen und 1 als Apotheke genutzt wurden, sind derzeit noch aktuell 3 Arztpraxen im Haus. Die Apotheke steht inzwischen leer, sie wurde geteilt und ein Teil an eine Versicherungskammer vermietet, die wieder ausgezogen ist, und ein Teil wird von einem Büro für Tierschutzhilfe genutzt.
Eine andere Teileigentumseinheit, früher von einer Arztpraxis belegt, wird inzwischen als Schülernachhilfe vermietet. Die zwei übrigen Teileigentumseinheiten betreffen die hier streitgegenständlichen Verfahren
Sämtliche einvernommenen Zeugen haben übereinstimmend glaubhaft bekundet, es sei nicht möglich gewesen, die streitgegenständliche Teileinheit als Arztpraxis bzw. für einen ähnlichen Berufszweig zu vermieten:
Der Zeuge …, gab an, vom 20.07.2012 bis 28.2.2013 einen Auftrag zur Vermietung als Praxis-/Büroräume erhalten zu haben. Er habe über das Internetportal „immoscout24“ sowie auch über die regionalen Tageszeitungen im regelmäßigen Turnus inseriert ….
Auch über die eigene Internetseite der Sparkasse würden die Objekte laufend angeboten. Es seien 8 Anfragen registriert worden, aber letztlich sei es nur zu einer Besichtigung gekommen.
Der Zeuge … gab an, vom Mitte Mai 2012 bis Juni 2013 einen Vermietungsauftrag erhalten zu haben. Beim streitgegenständlichen Objekt hätten sich keinerlei Interessenten gemeldet. Die Immobilienfirma sei im Anschluss an die Auftragserteilung der Sparkasse beauftragt worden zur Vermittlung des Objekts. Er habe schon damals gesagt, dass die Chancen zur Vermittlung hier äußerst gering seien, da es damals bereits ein neues Ärztehaus gegeben habe, und noch ein zweites hinzugekommen sei. Sie hätten es dann trotzdem in der Folgezeit versucht, allerdings mit geringem Erfolg, Ärzteanfragen habe es seines Erachtens gar keine gegeben. Der Auftrag sei damals für ein gutes Jahr bestanden. Der Zeuge gab auch an, es sei in verschiedenen Zeitungen sowie im Internetportal inseriert worden. Er bekundete zudem, bei den Gesprächen mit den Kunden sei auch immer wieder festgestellt worden, dass es nicht von der Höhe der Miete abhing, sondern kein Interesse bestanden habe.
Bezüglich der allgemeinen Situation der Vermietungsmöglichkeit konnte auch der Zeuge … Angaben machen. Dieser gab an, ihm sei bekannt gewesen, dass wegen des damaligen neuen Gesundheitszentrums auch noch andere Praxisräume frei standen. Daher habe er im Jahr 2013 oder 2014 auch von einem anderen Eigentümer aus diesem streitgegenständlichen Anwesen mehrmals Nachfragen erhalten, ob er eventuell Jemanden wegen Weitervermietung wüsste.
Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es trotz intensiver Versuche seitens des Beklagten nicht möglich war, das streitgegenständliche Teileigentum an eine Praxis oder praxisähnliche Mieter weiterzuvermieten.
Soweit die Klägerseite sich gegen die Qualifizierung der einzelnen Zeugen wendet, schließt sich das Gericht dieser Auffassung nicht an.
Die Zeugen, welche sämtlich glaubhafte Angaben machten und auf das Gericht auch einen durchwegs glaubwürdigen Eindruck erweckten, machten bei ihren Angaben fachkundige Ausführungen und stellten auch ihre Qualifikation jeweils im Einzelnen überzeugend dar.
Der Umstand allein, dass im Dachauer Bereich bekanntermaßen weit überwiegend mehr Wohnraum zur Vermietung steht als gewerblicher Raum, bedeutet nicht, dass allein deswegen eine fehlende Qualifizierung seitens der in der Immobilienbranche Tätigen vorliegt. Zudem gibt es gerichtsbekannt kein spezielles Maklerbüro für Arztberufe bzw. arztnahe Berufe. Auch haben die Zeugen glaubhaft bekundet, entsprechende fachliche Schulungen und Ausbildungen erhalten zu haben.
Sämtliche Zeugen haben auch bekundet, dass das neue Ärztehaus ein großer Anziehungsmagnet für bestehende Arztpraxen gewesen sei, dorthin umzuziehen.
Damit hat sich nach Auffassung des Gerichts auch der Charakter dieser Wohnanlage verändert, worauf der Beklagte keinen Einfluss nehmen konnte.
Es kann daher dem Beklagten, dem trotz intensiver Suche nach entsprechenden Nachmietern eine Weitervermietung als Praxis/ähnliche Praxis nicht gelungen ist, daher nicht verwehrt werden, das Teileigentum statt zu gewerblichen Zwecken jedenfalls derzeit zu Wohnzwecken zu nutzen, zumal auch die weiter hier erforderliche Voraussetzung, dass die dadurch bedingte Nutzung nicht mehr stört als eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung hier erfüllt ist. Eine Wohnung wurde zum 13.05.2014 an eine Mieterin, die andere Wohnung zum 26.02.2015 an ein Ehepaar vermietet. Es handelt sich jeweils um ein normales Wohnmietverhältnis. Dass es hierdurch zu einer übermäßigen Störung komme, wie von der Klägerseite behauptet, ist nicht ersichtlich. Gerade in einer Gemeinschaftspraxis kommt es gerichtsbekannt tagsüber zu vermehrtem Besucherandrang. Abends bzw. nachts sind die Praxen ohnehin geschlossen.
Mangels entsprechenden weiteren Vortrages hierzu sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, inwiefern es hier zu einer intensiveren Nutzung kommen soll als bei einer gewerblichen Einheit, so dass dies störend sein könnte.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass aufgrund der Vermietung als Wohnraum keine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung entstanden ist, das heißt ein nicht zu duldender Nachteil aufgrund der Gefahr intensiverer Benutzung der so veränderten Räumlichkeiten nicht erkennbar ist.
Die Klage war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709, 711 ZPO.
Der Streitwert berechnet sich wie folgt:
Zunächst ist je Sonder- bzw. Teileigentumseinheit, die durch die zweckbestimmungswidrige Nutzung beeinträchtigt ist, ein Teilstreitwert von € 250,00 anzusetzen.
Vorstehend besteht die gegenständliche Wohnungseigentümergemeinschaft aus 47 Teil- bzw. Sondereigentumseinheiten, was zu einem Teilstreitwert von € 14.250,00 führt.
Daneben existieren noch weitere 71 Tiefgaragenstellplätze, für die ein Teilstreitwert von je € 100,00 anzusetzen ist, so dass sich ein Gesamtstreitwert von € 21.350,00 ergibt.


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