Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zur Subsidiarität der Notarhaftung bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung.

Aktenzeichen  11 O 1153/17 Ent

Datum:
30.5.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50562
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 146, § 147 Abs. 2, § 308 Nr. 1
BNotO § 19 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO kann der Notar bei lediglich fahrlässiger Amtspflichtverletzung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommen alle Möglichkeiten der Schadloshaltung tatsächlicher und rechtlicher Art in Betracht, sofern sie sich aus demselben Tatsachenkreis wie der Amtshaftungsanspruch ergeben und dem Ausgleich desselben Schadens dienen wie dieser (Kongruenz). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine subsidiäre Haftung des Notars kann jedoch dann entfallen, wenn eine Verweisung der Kläger im Notarhaftpflichtprozess auf Ersatzansprüche gegen den Verkäufer unzumutbar (§ 242 BGB) wäre. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn beide Vertragsparteien durch dieselbe Amtspflichtverletzung des Notars betroffen sind, ohne die es nicht zum Vertragsschluss gekommen wäre. In diesem Fall wäre es dem Kläger unzumutbar, auf einen Anspruch gegen den Verkäufer verwiesen zu werden, der dann seinerseits Regress beim Notar nehmen könnte.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Problematik unbefristeter Fortgeltungsklauseln darf nicht isoliert betrachtet werden. Ausgangspunkt für die Prüfung der Angemessenheit unbefristeter Fortgeltungsklauseln nach § 308 Nr. 1 BGB ist der Zeitraum, in dem üblicherweise die Annahme des Angebots durch den Empfängers erwarten werden darf. Dass Klauseln in Kaufverträgen, die für die Annahme des Angebots des Käufers eine unangemessene lange Annahmefrist des Verkäufers vorsehen, nach § 308 Nr. 1 BGB bzw. § 10 Nr. 1 AGBG unwirksam sind, ist höchstrichterlich seit langem geklärt.  (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwertbeschluss:
128.811,00 €.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Das Landgericht München II ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Die dem Beklagten vorgeworfenen Amtspflichtverletzungen im Sinne des § 19 Abs. 1 BNotO, § 839 BGB stellen unerlaubte Handlungen dar, die dem Anwendungsbereich des § 32 ZPO unterfallen. Die Kläger hatten zum Zeitpunkt des Wohnungskaufs ihren Wohnsitz in …. Im Übrigen hat sich die Beklagte rügelos eingelassen.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO i.V.m. § 839 BGB.
1. Ein Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 19 I S. 1 BNotO ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, als eine subsidiäre Haftung des Beklagten gemäß § 19 I S. 2 BNotO vorliegt. Ein vorsätzliches Handeln des Beklagten ist weder vorgetragen noch ergibt sich dieses aus den dargelegten Umständen. Das Verschulden soll in einem „Kennenmüssen“ und einer Nichtaufklärung über die Problematik der Wirksamkeit der Bindungsklausel liegen. Ein Vorsatz liegt nicht vor.
Nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO kann der Notar bei lediglich fahrlässiger Amtspflichtverletzung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommen alle Möglichkeiten der Schadloshaltung tatsächlicher und rechtlicher Art in Betracht, sofern sie sich aus demselben Tatsachenkreis wie der Amtshaftungsanspruch ergeben und dem Ausgleich desselben Schadens dienen wie dieser (Kongruenz) (Arndt/Lerch/Sandkühler – Sandkühler, Bundesnotarordnung, 5. Auflage, § 19 Rdnr. 161).
Zur Schlüssigkeit des Klagevortrags gehört daher, dass andere Ersatzmöglichkeiten nicht bestehen (BGHZ 102, 246) bzw. nicht versäumt worden sind (BGHZ 37, 375).
1.1. Keine anderweitige Ersatzmöglichkeit stellen Amtshaftungsansprüche gegen einen anderen Notar dar (BGH DNotZ 1991, 757). Damit führt ein möglicher Anspruch gegen den Notar … jedenfalls nicht dazu, dass eine Inanspruchnahme des Beklagten an der Subsidiarität des Anspruchs scheitert.
1.2. Die Klagepartei hat ferner ausgeführt, dass keine Ersatzpflicht des Vermittlers gegeben sei. Hierbei dringt sie jedenfalls mit dem unbestrittenen Vortrag durch, dass die Kanzlei … bereits seit 2007 bzw. 2008 nicht mehr bestehe. Das Verweisungsprivileg setzt voraus, dass die andere Ersatzmöglichkeit realisierbar und ihre Geltendmachung für den Geschädigten zumutbar ist (BGH NJW 1995, 330, 332). Dies ist hier bzgl. etwaiger Ansprüche gegen den Vermittler nicht der Fall.
1.3. Jedoch drängt sich eine Inanspruchnahme der … (im weiteren Verkäuferin genannt) geradezu auf. Aufgrund der Unwirksamkeit der Bindungsklausel ist von einer Unwirksamkeit des Kaufvertrags auszugehen. Die Klagepartei hat hierzu inhaltlich keinerlei Ausführungen gemacht, weshalb ein solcher Anspruch nicht gegeben oder durchsetzbar sein sollte.
Eine subsidiäre Haftung kann jedoch dann entfallen, wenn eine Verweisung der Kläger im Notarhaftpflichtprozess auf Ersatzansprüche gegen den Verkäufer unzumutbar (§ 242 BGB) wäre (BGH 24.10.2002, III ZR 107/02). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn beide Vertragsparteien durch dieselbe Amtspflichtverletzung des Beklagten betroffen sind, ohne die es nicht zum Vertragsschluss gekommen wäre. In diesem Fall wäre es den Klägern unzumutbar, auf einen Anspruch gegen den Verkäufer verwiesen zu werden, der dann seinerseits Regress beim Beklagten nehmen könnte (BGH a.a.O.).
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Zwar ist auch die Verkäuferin, eine Amtspflichtverletzung unterstellt, Betroffene derselben. Jedoch erscheint zweifelhaft, ob diese, unterstellte, Amtspflichtverletzung kausal für den Schaden der Verkäuferin gewesen wäre. Zu sehen ist hier insbesondere, dass die Verkäuferin darlegen und beweisen müsste, dass auch sie vom Vertrag Abstand genommen hätte, hätte sie von einer entsprechenden Unwirksamkeit der Bindungs- und Fortwirkungsklausel gewusst. Hierzu fehlt es an jeglichem Vortrag der Klagepartei. Zwar dürfen die Anforderungen an die Darlegungslast nicht überspannt werden (vgl. BGH a.a.O.), jedoch kann hier aufgrund der Nähe der Verkäuferin zum Beklagten, die bereits durch den Entwurf des Mustervertrags vorliegt, nicht einfach unterstellt werden, dass die Verkäuferin sich ebenfalls vom Vertrag hätte lösen wollen.
Jedenfalls scheitert ein Anspruch der Verkäuferin gegen den beklagten Notar daran, dass dieser Anspruch verjährt ist. Die Verkäuferfirma … hatte bereits seit 2012 Kenntnis davon, dass die Bindungs- und Fortgeltungsklausel möglicherweise unwirksam war. Zu diesem Zeitpunkt gab zwar noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Die rechtliche Problematik unbefristeter Fortgeltungsklauseln und ihrer Erkennbarkeit dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Ausgangspunkt für die Prüfung der Angemessenheit unbefristeter Fortgeltungsklauseln nach § 308 Nr. 1 BGB ist der in der in § 147 Abs. 2, 146 BGB bestimmte Zeitraum, in dem ein Antrag in der üblicherweise die Entscheidungen des Angebots Empfängers erwarten darf (BGH, Versäumnisurteil vom 07. Juni 2013 – V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 22). Dass Klauseln in Kaufverträgen, die für die Annahme des Angebots des Käufers eine unangemessene lange Annahmefrist des Verkäufers vorsehen, nach § 308 Nr. 1 BGB bzw. § 10 Nr. 1 AGBG unwirksam sein konnten, war im Zeitraum der Beurkundung höchstrichterlich seit langem geklärt (Senat, Urteile vom 06. März 1986 – III ZR 234/84, NJW 1986, 1807, 1808 und vom 24. März 1988 – III ZR 21/87, NJW 1988, 2106, 2107, BGH, Urteil vom 13. September 2000 – VIII ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 142 ff.). Gründe, weshalb diese Rechtsprechung nicht auch für den Wohnungskauf gelten sollten, waren nicht ersichtlich. Entsprechend wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung darauf erkannt, dass die in einem formularmäßigen notariellen Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung bestimmten Bindungsfrist von zehn Wochen gegen § 10 Nr. 1 AGB verstößt und an die Stelle der unwirksamen Annahmefristklausel die gesetzliche Regelung des § 147 BGB tritt (OLG Dresden, MittBayNot 2005, 300, 301 f); (so insgesamt BGH 21.01.2016, III ZR 159/15). Würde man die anders werten so wäre konsequenterweise auch eine Hinweispflicht des Beklagten auf eine mögliche Unwirksamkeit der Bindungsklausel zu verneinen.
In einer solchen Situation, in der die Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit eines bestimmten Typs von allgemeinen Geschäftsbedingungen – hier: Fortgeltungsklauseln – durch höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und in der Literatur mit einem breiten Meinungsspektrum – von der Unwirksamkeit der Klausel über die Empfehlung einer befristeten Fortgeltungsklausel bis hin zum Vorschlag einer unbestimmten Fortgeltungsklausel – erörtert wird, ist eine Klageerhebung zumutbar und hemmt die Verjährung nicht.
Ein etwaiger Schadensersatzanpruch der Verkäuferin gegen den Beklagten wäre damit verjährt (so auch OLG Naumburg vom 13.04.2016, Az 5 U 187/15).
Auch ein Schaden war bei der Verkäuferin bereits in diesem Zeitpunkt eingetreten, soweit sie sich selbst hätte vom Vertrag lösen wollen. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klagepartei hat hierzu keinerlei Ausführungen gemacht. Es drängt sich auch nicht auf, dass die Verkäuferin den Vertrag nicht geschlossen hätte, hätte er von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst (vgl. obige Ausführungen zur Kausalität). Im Übrigen begehren die Kläger zwar nunmehr Rückabwicklung des Kaufvertrags durch den Beklagten. Ein Abstandnehmen vom Vertrag gegenüber der Verkäuferfirma … und ein sich daraus ergebender Schadensersatzanspruch derselben wurde jedoch weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Würden die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag aber auf den Beklagten übergehen, so träte bei der Verkäuferfirma gerade kein Schaden ein. Zu sehen ist auch, dass der Verkäuferin möglicherweise auch Schadensersatzansprüche aufgrund des Entwurfs des Mustervertrags durch den Beklagten zustanden – unterstellt, es gab auch in diesem Verhältnis keinen Hinweis auf eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel. 2012 wurden bereits die ersten Ansprüche gegen den Verkäufer geltend gemacht, zumindest eine Feststellungsklage für die anderen Vertragsverhältnisse, die aufgrund dieses Mustervertrags geschlossen wurden, wäre unproblematisch möglich gewesen.
Ein Anspruch scheitert daher an der subsidiären Haftung des Beklagten. Zu sehen ist, dass dies die gesetzlich normierte Regel darstellt, ein Abweichen hiervon im Rahmen von § 242 BGB lediglich die Ausnahme, die nur in bestimmten, eindeutigen Fällen greifen kann.
2. Da bereits wegen der subsidiären Haftungsklausel keine Haftung des Beklagten vorliegt, kam es auf die Fragen, ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, nicht an. Soweit die beklagte Partei eine Amtspflichtverletzung hinsichtlich der Fortgeltungsklausel deshalb ausgeschlossen hat, weil eine Eigenprovisionsabrede gegeben sei und deshalb keine Belehrungspflichten des Notars gegeben seien, war dieser Vortrag zum einen ins Blaue hinein, da, wie die beklagte Partei im Termin vom 02.05.2018 selbst ausgeführt hat, dies lediglich vermutet werde, da dies auch in anderen Parallelfällen der Fall gewesen sei. Der Kläger hat insoweit bei persönlicher Anhörung glaubwürdig erklärt, es habe keine Eigenprovisionsabrede gegeben. Über die Beweisangebote der Beklagten waren daher zum einen aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um eine kundgetane bloße Vermutung handelt, zum anderen aufgrund der Tatsache, dass es auf diese Frage letztendlich nicht ankam, nicht Beweis zu erheben.
Auch auf die Frage, ob sich auch eine Haftung des Beklagten aus der Aufspaltung der Beurkundungen kam es daher nicht an. Dies gilt auch für die von der Klagepartei nicht substantiiert dargelegten und vom Beklagten bestrittene Schadenshöhe. Mieteinnahmen und Steuervorteile wären von der Klageforderung sicherlich in Abzug zu bringen, sodass bereits die Schadenshöhe unsubstantiiert ist.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
C.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
D.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus dem bezifferten Antrag.


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