Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zur ZWeckentfremdung von Wohnraum durch sog. “Medizintourismus”

Aktenzeichen  M 9 K 18.6032

Datum:
8.1.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 336
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3,  Art. 4 S. 1
LStVG Art. 9

 

Leitsatz

1. Wer seine Wohnung wiederholt an wechselnde Personen, die sich dort nur vorübergehend zum Zwecke einer medizinischen Behandlung aufhalten, überlässt, verfolgt das Nutzungskonzept einer Fremdenbeherbergung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nutzung durch Medizintouristen zeichnet sich durch übergangsweises vorübergehendes Wohnen aus mit der Folge, dass die Wohnung nicht mehr die Funktion einer “Heimstadt im Alltag” hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 3 Abs. 2 ZwEWG, § 13 Abs. 1 ZES). Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt vor, die nicht genehmigungsfähig ist. Sowohl die Ermessensausübung als auch die Störerauswahl sind ordnungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Bescheides Bezug genommen.
Ergänzend gilt Folgendes:
Eine Zweckentfremdung von Wohnraum im Sinne des Gesetzes und der hier einschlägigen Zweckentfremdungssatzung ist gegeben (Art. 1 Satz 2 Nr. 3 Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG v. 10.12.2007 i.d.F. v. 19.6.2017). Der Kläger hat als gemeinsam mit seinem Bruder Verfügungsberechtigten die verfahrensgegenständlichen Wohnung anderen zu Wohnzwecken zugeführt, indem er sie wiederholt an wechselnde Personen, die sich vorübergehend zum Zwecke einer medizinischen Behandlung in München aufhielten, überlassen hat. Damit verfolgt er das Nutzungskonzept einer Fremdenbeherbergung. Die Wohnung wird damit nicht zum Wohnen genutzt, da darunter nur eine Nutzung zu verstehen ist, die sich durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises und darüber hinaus die Freiwilligkeit des Aufenthalts auszeichnet (z.B. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 12 CS 15.2269). Die Nutzung durch Medizintouristen zeichnet sich durch übergangsweises vorübergehendes Wohnen aus mit der Folge, dass die Wohnung nicht die Funktion einer so genannten “Heimstadt im Alltag” hat.
Der Vortrag des Bevollmächtigten – belegt durch eine E-Mail, deren Absenderfeld geschwärzt ist -, dass die Wohnung jeweils unentgeltlich an Verwandte überlassen wurde, ist nicht glaubhaft und als bloße Schutzbehauptung zu werten. In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigten zwar seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft, er habe selber mit einer Frau “D.” gesprochen, deren Nachname unbekannt sei und die kaum Deutsch könne. Vor dem Hintergrund, dass diese Frau “D.” angeblich die Verwalterin der Wohnung ist, kann von dem Kläger und seinem Bevollmächtigten erwartet werden, dass der Nachname ebenfalls bekannt ist. Die darüber hinausgehende Behauptung, diese Frau “D.” hätte ohne Kenntnis des Klägers von dessen Verwandten erhebliche Beträge als Miete verlangt und erhalten, stellt danach vielmehr einen ungeeigneten Versuch dar, die Verantwortung einem Dritten zuzuschieben. Es ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, dass die angebliche Verwandtschaft des Klägers klaglos erhebliche Beträge an Frau “D.” gezahlt haben will, ohne den Kläger darüber zu informieren oder zumindest nachzufragen, warum sie Miete zahlen mussten. Es ist weiter unglaubwürdig, dass dies wiederholt längere Zeit hinweg geschah. Es ist außerdem unglaubwürdig, dass der angeblich im Ausland lebende Kläger, der eine Adresse in der .straße in München hat, die Verwaltung der Wohnung jemandem überlässt, dessen Nachname unbekannt ist und der nach Angaben des Bevollmächtigten kaum Deutsch spricht. Der Vortrag des Bevollmächtigten und des Klägers ist darüber hinaus auch deshalb unglaubwürdig, weil ausweislich der Angaben bei den Ortseinsichten auch ein Herr “O. A.” die Wohnung zur Verfügung gestellt habe.
Ungeachtet dessen, dass der Vortrag, die Verwalterin habe Geld verlangt und behalten, hier als Schutzbehauptung gewertet wird, kommt es rechtlich für die Frage der Störereigenschaft darauf nicht an. Die Verwalterin ist Erfüllungsgehilfin des Klägers und ihr Handeln ist deshalb dem Kläger zuzurechnen.
Die Auswahl des Klägers als unmittelbarem Handlungsstörer im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Bedenken dagegen, dass die unter den Nrn. 3 und 4 des angefochtenen Bescheides verfügten Zwangsgeldandrohungen nach Grund und Höhe unangemessen wären, bestehen nicht. Unter Berücksichtigung der kurzzeitigen Aufenthalte der jeweiligen Touristen sind die Fristen angemessen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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