Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zustimmungsversagung zur Veräußerung

Aktenzeichen  36 S 19440/17 WEG

Datum:
5.6.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 25204
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 12 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Haben die Eigentümer die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung an sich gezogen, ist die Klage gegen die Verweigerung gegen die übrigen Eigentümer zu richten. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bloße Animositäten reichen für die Verweigerung der Zustimmung nicht aus. Ebenso ist es nicht ausreichend, wenn der Erwerber die Absicht geäußert hat, weitere Einheiten zu erwerben und möglicherweise langfristig das Ziel verfolgt, das Alleineigentum am gemeinschaftlichen Grundstück zu erwerben, um auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten.  (Rn. 7 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

482 C 13178/16 2017-09-28 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.09.2017, Az. 482 C 13178/16 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, wobei das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht voraussetzt, dass die Aussichtslosigkeit quasi auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Überprüfung sein. Weiterhin kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Das Amtsgericht hat die Klage mit im Ergebnis zutreffenden Erwägungen, denen die Kammer beitritt, abgewiesen. Soweit die Kammer ergänzende Erwägungen anstellt, handelt es sich sämtlich um Gesichtspunkte, die im schriftlichen Verfahren ausreichend erörtert werden können.
1. Die Beklagten sind passivlegitimiert.
Zwar bestimmt Ziffer 8 der Gemeinschaftsordnung, dass Wohnungseigentum nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters veräußert werden könne. Diese Entscheidung haben die Wohnungseigentümer jedoch im Beschlusswege explizit an sich gezogen und damit vergemeinschaftet. Unter TOP 5.1 der Eigentümerversammlung 24.05.2016 haben die Wohnungseigentümer mehrheitlich „in Ausübung ihrer vorrangigen Verwaltungsbefugnis gemäß § 21 WEG die Entscheidung über die nach Ziffer 8 GemO erforderliche Zustimmung zur Veräußerung der Wohnung Nr. 67“ an sich gezogen. Dadurch werden die Beklagten passivlegitimiert (vgl. BGH v. 13.05.201 – V ZR 166/10, juris Rn. 7 ff. m.w.N.).
2. Ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung zur Veräußerung gemäß § 12 Abs. 2 WEG liegt nicht vor. Daher hat das Amtsgericht zutreffend den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.05.2016 unter TOP 5.2., durch den der Veräußerung nicht zugestimmt wurde, für ungültig erklärt. Rechtsfolge des Verstoßes ist die Unwirksamkeit des Beschlusses (BGH v. 20.07.2012 – V ZR 241/11 -, juris Rn. 17).
Gemäß § 12 Abs. 2 WEG darf die Zustimmung zur Veräußerung nur aus wichtigem Grund versagt werden. Diese Vorschrift ist unabdingbar (Suilmann in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 12 Rn. 37). Da jeder Eigentümer einer Sache grundsätzlich „nach Belieben“ (§ 903 S. 1 BGB, § 10 Abs. 1 WEG i.V.m. § 747 BGB) mit seinem Eigentum verfahren kann, ist die Regelung des § 12 WEG als Ausnahme von der Verbotsvorschrift des § 137 S. 1 BGB eng auszulegen. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 12 Abs. 2 S. 1 WEG ist für den Zustimmungsberechtigten danach nur anzuerkennen, wenn die Veräußerung des Wohnungseigentums die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer konkret unzumutbar gefährdet. Die gemeinschaftswidrige Gefahr muss dabei ihre Ursache in der Person oder im Umfeld des Erwerbers haben (OLG Zweibrücken v. 08.11.2005 – 3 W 142/05, juris Rn. 6; Suilmann in Bärmann a.a.O.). So ist die Verweigerung der Zustimmung etwa gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Erwerber werde sich in die Eigentümergemeinschaft dauerhaft nicht einfügen, insbesondere die Rechte der anderen Wohnungseigentümer missachten oder wenn er sich in der Vergangenheit bereits wiederholt gemeinschaftswidrig verhalten hat. In jedem Fall muss es sich aber um Umstände von Gewicht handeln (Suilmann a.a.O., § 12 Rn. 38; OLG Zweibrücken a.a.O.). Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat. reichen bloße Animositäten zwischen dem Erwerbsinteressenten und Miteigentümern nicht aus.
Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ zur Versagung der Zustimmung ist dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Zustimmungsberechtigte, hier somit die Beklagten (so auch Then in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 12 Rn. 9).
Nach diesen Grundsätzen liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 12 Abs. 2 WEG nicht vor. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer konkret unzumutbar gefährdet, haben die Beklagten nicht dargetan. Die Kammer kann sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des Amtsgerichts anschließen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung erscheinen die folgenden – ergänzenden Ausführungen – veranlasst:
a) Alleine der Umstand, dass der. Erwerber bzw. die E. GmbH, deren geschäftsführender Alleingesellschafter der Erwerber ist, Kaufinteresse auch bezüglich der anderen Einheiten geäußert hat und möglicherweise langfristig das Ziel verfolgt, das Alleineigentum am gemeinschaftlichen Grundstück zu erwerben, um auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten, stellt per se keinen wichtigen Grund im Sinne von § 12 Abs. 2 WEG dar.
Die Beklagten können auch nicht zur Überzeugung der Kammer darlegen, der Erwerber verfolge dieses Ziel mit unlauteren Mitteln, konkret mit der Behauptung falscher Tatsachen. Die Beklagten bringen vor, der Erwerber bzw. die E. GmbH habe gegenüber dem Veräußerer wahrheitswidrig behauptet, der Miteigentümer D. führe mit der Landeshauptstadt München Verhandlungen über die Unterbringung von Flüchtlingen innerhalb des Gebäudekomplexes. Dabei liegt als Anlage K13 eine Email des Miteigentümers Daniel an den Veräußerer vom 17.03.2016 vor, in dem er selbst schreibt, dass der Veräußerer ihn durch sein Handeln zwinge, „die anderen zu schädigen, indem ich ein Asylantenheim machen muss“. Weiter heißt es: „Ein Asylantenheim hat mir jemand von der Stadt schon vor zwei Jahren vorgeschlagen. Das Thema Asylantenheim ist erst konkret aufgekommen als man mit dem Investor und der Firma Euroboden gesprochen hat wie man evtl. die WHG entmieten kann, nach Erwerb der anderen Einheiten, und nicht den WEG Eigentümern zu schaden. Diese Gespräche waren erst Anfang Februar 2016.“ Vor diesem Hintergrund kann von einer wahrheitswidrigen Behauptung des Erwerbers nicht ausgegangen werden.
b) Der weitere Vortrag der Beklagten, der erste Kontakt der E. GmbH mit den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft sei von Unzuverlässigkeit, Unredlichkeit und ausgesprochener Rücksichtlosigkeit geprägt, ist unsubstantliert und begründet keine konkreten Anhaltspunkte für eine gemeinschaftswidrige Gefahr.
Die Beklagten tragen insofern vor, die Euroboden GmbH habe gegenüber der Süddeutschen Zeitung behauptet, das Gebäudeteil Hotel sei stark sanierungsbedürftig und habe damit den Hotelbetrieb nachhaltig geschädigt. Sie berufen sich dabei auf einen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 21.03.2016 (Anlage B6). Aus diesem Artikel ergibt sich aber nicht, dass die E. GmbH oder der Erwerber diese Behauptung aufgestellt hat. Zudem haben die Beklagten selbst in ihrem Schriftsatz vom 04.08.2017 auf Seite 7 (Bl. 121 d.A.) vortragen lassen, dass das Hotel sanierungsbedürftig sei.
Ein pauschaler Verweis auf Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 18.08.2003, 20.09.2002, 20.02.2005 und 11.10.2008 (Anlage B15 bis B18) ersetzen keinen Parteivortrag. Zudem geht es um gänzlich anders gelagerte Fälle. In den Artikeln wird darüber berichtet, wie die E. GmbH Anwesen erwarb und anschließend luxussanierte, worunter – nach den Beschreibungen in den Zeitungsartikeln – die noch dort wohnenden Mieter bzw. die Nachbarn litten. Der E. GmbH wird in den Artikeln „Entmietung“ vorgeworfen. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden, in dem es um den Erwerb einer Einheit geht, nicht vergleichbar.
c) Die Spekulation der Beklagten darüber, ob der Erwerber selbst in der Wohnung wohnen wird oder nicht, ist vorliegend ebenfalls unerheblich. Weder wurden konkrete Tatsachen vorgetragen, dass der Erwerber seinen Pflichten als Wohnungseigentümer noch als Vermieter nicht nachkommen werde.
Sofern in diesem Zusammenhang darauf abgestellt wird, der Erwerber wolle „nur einen Fuß in die WEG setzen“ und diese sodann zerstören, wobei er auch streitige Auseinandersetzungen unter Einschluss prozessualer Auseinandersetzungen nicht scheuen werde, so handelt es sich um einen unsubstantiierten Vortrag, der keine konkreten Anhaltspunkte für eine gemeinschaftswidrige Gefahr begründet. Zu der Frage, wie der Erwerber die „Zerstörung“ der WEG betreiben will, verhalten sich die Beklagten nicht. Soweit sie erstinstanzlich im Schriftsatz vom 04.08.2017 ab Seite 5 (Bl. 119 ff. d.A.) auf die Besonderheiten der hiesigen Gemeinschaftsordnung abstellen, die spezielle Regelungen zum Thema Wiederaufbau und Aufhebung der Gemeinschaft enthalte, so ist auch diesem Vortrag der Beklagten keine konkrete Pflichtverletzung des Erwerbers zu entnehmen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten würde der Erwerber hinsichtlich des Aufhebungsverlangens ein ihm nach der Gemeinschaftsordnung zustehendes Recht ausüben. Hier kann sich die Kammer nur den Ausführungen des Amtsgerichts anschließen: Das Wahrnehmen von Rechten als Eigentümern ist das gute Recht jedes Mitglieds eine Wohnungseigentümergemeinschaft.
3. Nach den obigen Ausführungen sind auf Antrag des Klägers zu 1) die Beklagten zu verurteilen, die verlangte Zustimmung zu erteilen. Nachdem die Beklagten die Entscheidung über die Zustimmung an sich gezogen haben und die Zustimmung ohne wichtigen Grund versagt haben, sind ebenfalls die übrigen Wohnungseigentümer passivlegitimiert (BGH v. 13.05.2011 – V ZR 166/10, juris Rn. 6 ff.).
4. Zuletzt weist die Kammer hinsichtlich des Antrags der Klägervertreterin zu 1) im Schriftsatz vom 30.03.3018 (Bl. 193 d.A.) darauf hin, dass es für die namentliche Bezeichnung der Beklagten nicht auf die aktuelle Eigentümerliste ankommt. Insoweit sieht die Kammer auch keinen Anlass, sich eine aktuelle Liste vorlegen zu lassen. Selbst wenn weitere Einheiten verkauft worden wären, ist nicht erkennbar, inwieweit dies vorliegend von Interesse wäre.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses; es wird anheimgestellt, binnen selber Frist auch die Rücknahme der Berufung zur Kostenbegrenzung zu überdenken.


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