Patent- und Markenrecht

12 W (pat) 75/19

Aktenzeichen  12 W (pat) 75/19

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:170222B12Wpat75.19.0
Spruchkörper:
12. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 026 457.1

hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Rothe sowie der Richter Kruppa, Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Prüfungsstelle für Klasse F16B vom 27. November 2018 und 8. Mai 2019 aufgehoben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1-15,
eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung Seiten 2/10 bis 6/10,
eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Figuren 1-7 gemäß Offenlegungsschrift vom 12. Januar 2012.
2. Die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 8. Juli 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung 10 2010 026 457.1 mit der Bezeichnung „Spannelement, Rohrverbindung und Spannwerkzeug“.
2
Mit in der Anhörung vom 27. November 2018 verkündetem Beschluss hatte die Prüfungsstelle für Klasse F16B die Patentanmeldung zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung vom 27. März 2019 hatte sie dazu angegeben, der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei nicht neu gegenüber der Entgegenhaltung D4 bzw. beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber der Entgegenhaltung D4 in Verbindung mit dem Wissen des Fachmanns und der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthalte nicht alle erfindungswesentlichen Merkmale.
3
Gegen diesen Beschluss richtete sich die erste Beschwerde der Anmelderin vom 23. April 2019, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses und Erteilung nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 oder 2, hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und schließlich die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragte.
4
Im weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 hat die Prüfungsstelle den Beschluss vom 27. November 2018 (Begründung vom 27. März 2019) aufgehoben, die Sache erneut in Behandlung genommen und ausgeführt, dass sie zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 gleicher Auffassung sei wie im vorangegangenen Beschluss angegeben, und hat eine Anhörung angekündigt. Den Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr hat sie zurückgewiesen.
5
Gegen diesen weiteren Beschluss richtet sich die zweite Beschwerde der Anmelderin vom 11. Juni 2019.
6
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
7
1. die Beschlüsse der Prüfungsstelle für Klasse F16B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. November 2018 und vom 8. Mai 2019 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der im Tenor genannten Unterlagen zu erteilen,
8
2. die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr anzuordnen.
9
Der geltende Anspruch 1 lautet mit vom Senat hinzugefügten Gliederungsmerkmalen M1 bis M1.2:
10
M1 Spannelement (10)
11
zum Erzeugen einer axialen Vorspannkraft einer Schraubverbindung,
12
M1.1 wobei das Spannelement (10) einen ersten Schenkel (101)
13
und einen zweiten Schenkel (102) aufweist,
14
M1.1.1 welche mittels eines Federelementes (103)
15
miteinander verbunden sind,
16
M1.1.2 wobei der erste Schenkel (101) und der zweite Schenkel (102)
17
jeweils eine Durchgangsbohrung (105) aufweisen,
18
M1.1.3 in welche eine Schraube (20) aufnehmbar ist,
19
M1.1.4 und das Federelement (103) zumindest einen ersten Abschnitt (131)
20
und einen zweiten Abschnitt (132) enthält,
21
M1.1.5 welche im entspannten Zustand einen Winkel (2α)
22
von etwa 30° bis etwa 5° einschließen,
23
M1.2 dadurch gekennzeichnet,
24
dass zwischen Spannelement (10) und Schraube (20)
25
eine Klemmung an drei Kontaktpunkten (108) ausbildbar ist,
26
wenn eine Schraube in beide Durchgangsbohrungen (105)
27
eingeführt ist,
28
wobei ein Kontaktpunkt (108) zwischen Federelement (103)
29
und Schaft (202) der Schraube (20) ausbildbar ist
30
und zwei Kontaktpunkte (108)
31
zwischen dem jeweiligen distalen Ende der Bohrungen (105)
32
und dem Schaft (202) der Schraube (20) ausbildbar sind.
33
Auf diesen Anspruch sind die Unteransprüche 2 bis 5 rückbezogen.
34
Der nebengeordnete Anspruch 6 lautet:
35
Schraube (20) mit einem Spannelement (10)
36
nach einem der Ansprüche 1 bis 5.
37
Auf diesen Anspruch ist der Unteranspruch 7 rückbezogen.
38
Der ebenfalls nebengeordnete Anspruch 8 lautet mit vom Senat hinzugefügten Gliederungsmerkmalen R1 bis R1.2 und M1.1 bis M1.1.5:
39
R1 Rohrverbindung (30)
40
enthaltend eine erste Schelle (301) und eine zweite Schelle (302),
41
in welche jeweils eines der zu verbindenden Rohre (311, 312)
42
einführbar ist,
43
R1.1 wobei die Schellen (301, 302) jeweils
44
übereinander angeordnete Bohrungen aufweisen,
45
R1.2 in welche jeweils eine Anordnung aus einer Schaftschraube
46
und einem vorgespannten Spannelement (10) eingeführt
47
und mit jeweils einer Mutter verschraubt ist,
48
M1 wobei das Spannelement (10)
49
zum Erzeugen einer axialen Vorspannkraft
50
M1.1 einen ersten Schenkel (101) und einen zweiten Schenkel (102)
51
aufweist,
52
M1.1.1 welche mittels eines Federelementes (103)
53
miteinander verbunden sind,
54
M1.1.2 wobei der erste Schenkel (101) und der zweite Schenkel (102)
55
jeweils eine Durchgangsbohrung (105) aufweisen,
56
M1.1.3 in welche die Schraube (20) aufgenommen ist,
57
M1.1.4 dadurch gekennzeichnet, dass das Federelement (103) zumindest
58
einen ersten Abschnitt (131) und einen zweiten Abschnitt (132)
59
enthält,
60
M1.1.5 welche im entspannten Zustand einen Winkel (2α)
61
von etwa 30° bis etwa 5° einschließen.
62
Auf diesen – unabhängigen – Nebenanspruch sind die Unteransprüche 9 bis 12 rückbezogen.
63
Der weitere nebengeordnete Anspruch 13 lautet mit vom Senat hinzugefügten Gliederungsmerkmalen S1 bis S1.2:
64
S1 Spannwerkzeug (40) zur Vormontage eines Spannelementes (10)
65
nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
66
S1.1 mit einem Halteelement (410), mit welchem
67
der zweite Schenkel (102) des Spannelementes (10) fixierbar ist,
68
S1.1.1 wobei das Halteelement (410) an seinem distalen Ende (415)
69
einen Überstand (412) aufweist, welcher
70
mit der Stirnseite (106) des zweiten Schenkels (102)
71
in Eingriff bringbar ist
72
S1.1.2 und wobei das Halteelement (410)
73
eine Durchgangsbohrung (411) aufweist,
74
in welche eine Schraube (20) aufnehmbar ist,
75
S1.2 und mit einem Presselement (420), mit welchem eine Kraft
76
auf den ersten Schenkel (101) aufbringbar ist,
77
so, dass der Winkel (β) zwischen dem ersten Schenkel (101) bzw.
78
dem zweiten Schenkel (102) und der Symmetrieachse
79
verringerbar ist.
80
Auf diesen Anspruch sind die Unteransprüche 14 und 15 rückbezogen.
81
Im Verfahren sind die folgenden Entgegenhaltungen:
82
D1 DE 199 62 026 A1
83
D2 WO 87/00252 A1
84
D3 US 3,161,086
85
D4 DE 29 14 080 A1
86
D5 DE 10 2006 002 031 B4
87
D6 EP 1 505 330 B1
88
D7 DE 10 2004 056 684 A1
89
D8 US 3,185,418
90
D9 DE 75 00 913 U
91
Die D1 bis D7 wurden von der Prüfungsstelle im Prüfungsverfahren, die D8 und D9 vom Senat im Beschwerdeverfahren eingeführt.
92
Wegen des Wortlauts der weiteren Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
93
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die nunmehr geltenden Ansprüche sind zulässig, und ihre Gegenstände sind patentfähig nach den §§ 1 bis 5 PatG. Sie sind insbesondere neu entsprechend § 3 PatG und erfinderisch entsprechend § 4 PatG, da sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
94
Der im Zurückweisungsbeschluss vom 27. November 2018 weiterhin von der Prüfungsstelle angegebene Grund, die Anmeldung genüge nicht den Anforderungen des § 34 Abs. 3 PatG an die Angaben, die in den Ansprüchen enthalten sein müssten, erweist sich als nicht zutreffend.
95
Ferner war die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr anzuordnen.
96
1. Ein Gegenstand der Anmeldung ist, siehe den Absatz 0001 der Offenlegungsschrift (OS), ein Spannelement zum Erzeugen einer Vorspannkraft einer Schraubverbindung.
97
Bekannte Spannelemente in Form von Schraubenfedern weisen gemäß Abs. 0004 OS den Nachteil auf, dass sie während des Montagevorgangs herunterfallen können und dass außerdem das Innere der Schraubenfeder nur schwer für eine Reinigung zugänglich ist.
98
Dementsprechend ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, siehe Abs. 0005 OS, ein Spannelement bereitzustellen, welches in einfacher Weise montierbar ist und mit geringerem Aufwand gereinigt werden kann.
99
Laut Abs. 0007 OS ist das erfindungsgemäße Spannelement mit zwei über ein Federelement verbundenen Schenkeln ausgestattet, welche jeweils eine Durchgangsbohrung aufweisen. Weiter ist das Spannelement erfindungsgemäß so ausgeführt, dass es sich durch die Federkraft des Federelements am Schaft der Schraube verklemmt.
100
Weitere Gegenstände der Anmeldung sind eine Rohrverbindung mit einer Anordnung aus einer Schaftschraube und einem vorgespannten Spannelement und ein Spannwerkzeug zur Vormontage eines erfindungsgemäßen Spannelements.
101
2. Als Fachmann für diesen Gegenstand ist ein Diplom-Ingenieur oder Bachelor des Maschinenbaus (FH/HAW) mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Rohrverbindungen zuständig.
102
3. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
103
Die Merkmale M1 bis M1.1.3 des Anspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1, Merkmale M1.1.4 und M1.1.5 aus dem ursprünglichen Anspruch 4. Das – gegenüber dem im Prüfungsverfahren geltenden Anspruch 1 nach Hauptantrag – zusätzlich aufgenommene Merkmal M1.2 ergibt sich aus dem letzten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0031 OS).
104
Die Ansprüche 2 bis 4 ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4, der Anspruch 5 aus dem zweiten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0030 OS) und Figuren 2a und 2b.
105
Die Ansprüche 6 und 7 ergeben sich aus Figuren 2a und 3 in Verbindung mit dem letzten Absatz auf Seite 9 der Beschreibung (Abs. 0031 OS).
106
Die Merkmale R1 bis R1.2 des nebengeordneten Anspruchs 8 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 6 in Verbindung mit den drei ersten Absätzen und dem ersten Satz des vierten Absatzes auf Seite 12 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Absätze 0037 bis 0040 OS) und der Figur 5. Die weiteren Merkmale M1 bis M1.1.5 entsprechen inhaltlich denjenigen des Anspruchs 1.
107
Die Ansprüche 9 bis 11 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 6 mit seiner Rückbeziehung auf die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 4, der Anspruch 12 aus dem zweiten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0030 OS).
108
Die Merkmale S1, S1.1 und S1.2 des Anspruchs 13 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 7, die im Merkmal S1 angegebene Eignung zur Vormontage aus Figur 7 mit Beschreibung ab Mitte der Seite 14 der Beschreibung (Absätze 0046, 0047 OS). Das Merkmal S1.1.1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 8 und das gegenüber dem im Prüfungsverfahren geltenden Anspruch 10 nach dortigem Hauptantrag zusätzlich aufgenommene Merkmal S1.1.2 aus dem ursprünglichen Anspruch 9.
109
Der Anspruch 14 ergibt sich aus dem ersten Absatz auf Seite 14 der Beschreibung (Absatz 0044 OS), Anspruch 15 aus dem ursprünglichen Anspruch 10.
110
4. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche sind patentfähig. Sie sind insbesondere neu und ergeben sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§§ 3, 4 PatG).
111
4.1 Die Entgegenhaltung D8 zeigt eine Rohrschelle 10, die den Angaben der Merkmale M1.1 bis M1.1.5 des Anspruchs 1 entspricht.
112
Die in dem unten links wiedergegebenen Ausschnitt aus Figur 3 der D8 mit den Bezugszeichen 12, 13 bezeichneten Schenkel entsprechen den Merkmalen M1.1, M1.1.2 und M1.1.3.
113
Der verbleibende Bereich der Rohrschelle von Bezugszeichen 15 bis Bezugszeichen 16 bildet ein Federelement entsprechend dem Merkmal M1.1.1, mit Abschnitten, die einen Winkel entsprechend den Merkmalen M1.1.4 und M1.1.5 einschließen, wie unten vom Senat eingezeichnet.
114
Die Schenkel 12, 13 der Rohrschelle 10 können, wie in dem unten rechts wiedergegebenen Ausschnitt aus Figur 4 der D8 dargestellt, mittels einer Schraubverbindung 22, 24 zusammengezogen werden, wodurch die Rohrschelle 10 zugleich auch eine Vorspannkraft auf die Schraubverbindung ausübt und deshalb als ein Spannelement entsprechend dem Merkmal M1 bezeichnet werden kann.
115
D8, Ausschnitte aus Fig. 3 und Fig. 4
116
Jedoch findet sich weder in D8 noch im gesamten weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik eine entsprechende Offenbarung oder auch nur eine Anregung dazu, ein Spannelement so zu gestalten, dass zwischen dem Spannelement und einer Schraube eine Klemmung an drei Kontaktpunkten (108) ausbildbar ist, wie sie in dem im Beschwerdeverfahren zusätzlich aufgenommenen Merkmal M1.2 des Anspruchs 1 beschrieben sind (siehe Figuren 3, 4 aus OS unten).
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117
4.2 Die Entgegenhaltung D8 offenbart auch keine Rohrverbindung entsprechend dem Anspruch 8. Die aus der D8 bekannte Rohrschelle 10 entspricht zwar den Angaben der Merkmale M1.1 bis M1.1.5. Sie ist jedoch zur Befestigung eines Rohres oder einer Leitung z.B. an einer Decke oder Wand vorgesehen. Damit ist weder offenbart, noch ergibt sich daraus oder in Verbindung mit dem weiteren Stand der Technik im Verfahren eine Anregung, diese Rohrschelle 10 als Spannelement in einer Rohrverbindung mit zwei Schellen zur Verbindung zweier Rohre entsprechend den Merkmalen R1 bis R1.2 des Anspruchs 8 einzusetzen.
118
4.3 Die Entgegenhaltung D9 offenbart, siehe den unten wiedergegebenen Ausschnitt aus Figur 2 der D9, eine Auswuchtgewichtzange mit einem Halteelement 11a entsprechend den Merkmalen S1.1 und S1.1.1 und einem Presselement 10a entsprechend dem Merkmal S1.2 des Anspruchs 13.
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119
Jedoch findet sich weder in D9 noch im gesamten weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik eine Offenbarung oder auch nur eine Anregung dazu, eine solche Zange mittels einer Schrauben-Durchgangsbohrung im Halteelement entsprechend dem im Beschwerdeverfahren zusätzlich aufgenommenen Merkmal S1.1.2 so auszubilden, dass sie entsprechend dem Merkmal S1 des Anspruchs 13 als Spannwerkzeug zur Vormontage eines Spannelements nach einem der Ansprüche 1 bis 5 geeignet ist (vgl. unten gezeigte Fig. 7 OS).
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120
4.4 Die jeweiligen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, 6 mit 7, 9 bis 12, 14 und 15 werden von den Ansprüchen 1, 8 und 13 getragen.
121
5. Der von der Prüfungsstelle in ihrer Begründung vom 27. März 2019 zum Zurückweisungsbeschluss vom 27. November 2018 angegebene Zurückweisungsgrund, der dem jetzt geltenden Anspruch 8 insoweit entsprechende Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 genüge den Anforderungen des § 34 PatG nicht, besteht nicht.
122
Die Prüfungsstelle hatte die Auffassung vertreten, die Anmeldung müsse aufgrund des Fehlens eines offensichtlich erfindungswesentlichen Merkmals in dem auf die Rohrverbindung gerichteten Anspruch zurückgewiesen werden. Dabei fehlte im Zurückweisungsbeschluss jedoch bereits eine Definition des Begriffs „erfindungswesentliche Merkmale“, hierzu wurde lediglich ohne weitere Ausführungen auf „Schulte, PatG, 10. Auflage, § 34 Rdn 164“ verwiesen.
123
Die dort vertretene Auffassung, der Hauptanspruch müsse als wesentliche Merkmale der Erfindung „alle Merkmale enthalten, die zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe notwendig“ seien, findet allerdings keine Stütze im Patentgesetz.
124
Denn das PatG fordert in § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht, dass in den Ansprüchen angegeben sein müsse, wie eine Aufgabe zu lösen sei, sondern dass in den Ansprüchen angegeben sein muss, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Der von der Prüfungsstelle weiterhin zitierte § 9 PatV regelt unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG, wie die Angaben in den Patentansprüchen zu dem, „was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 des Patentgesetzes)“ zu fassen und zu gliedern sind, siehe § 9 Abs. 1 PatV. In § 9 Abs. 4 PatV heißt es dazu, „im ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) sind die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben“.
125
Im Ergebnis folgt somit aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in Verbindung mit § 9 PatV, dass im Haupanspruch als wesentliche Merkmale der Erfindung bzw. erfindungswesentliche Merkmale diejenigen Merkmale anzugeben sind, die erforderlich sind, damit für Außenstehende hinreichend sicher erkennbar ist, was unter Schutz gestellt werden soll.
126
Insofern ergibt sich aus der von der Prüfungsstelle beanstandeten Nichtaufnahme des Merkmals „Erfindungsgemäß sind der erste Schenkel, der zweite Schenkel und das Federelement einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigt“ in den Anspruch kein Mangel, vielmehr ist daran, dass dieses Merkmal nicht im Anspruch enthalten ist, für Außenstehende klar und eindeutig erkennbar, dass die im Anspruch angegebene Rohrverbindung unabhängig davon unter Schutz gestellt sein soll, ob der erste Schenkel, der zweite Schenkel und das Federelement des Spannelements einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigt sind oder nicht.
127
Soweit in der im Zurückweisungsbeschluss in Bezug genommenen Stelle „Schulte, PatG, 10. Auflage, § 34 Rdn 164“ auf Rdn 119 verwiesen wird, und dort die Auffassung vertreten wird, die im Anspruch anzugebenden wesentlichen Merkmale seien „sämtliche Merkmale, die für den Fachmann erforderlich sind, um die Erfindung ausführen zu können“, findet auch dies keine Stütze im Patentgesetz, das in § 34 Abs. 4 ausdrücklich regelt, dass die Erfindung in der Anmeldung, die gemäß § 34 Abs. 3 unter anderem Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen umfasst – also nicht in den Ansprüchen oder gar dem Hauptanspruch allein –, so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
128
Schließlich enthält die Begründung vom 27. März 2019 zum Zurückweisungsbeschluss vom 27. November 2018 auch keine Ausführungen dazu, warum nach Auffassung der Prüfungsstelle die erfindungsgemäße Aufgabe mit einer Rohrverbindung mit einem nicht einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigten Spannelement nicht gelöst werden könne oder warum der Fachmann eine erfindungsgemäße Rohrverbindung ohne die Angabe, dass das dazugehörige Spannelement einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen zu fertigen sei, nicht ausführen könne.
129
Darauf kommt es jedoch nicht an, da – wie eingangs dargelegt – § 34 PatG und § 9 PatV weder fordern, dass im Hauptanspruch alle diejenigen Merkmale enthalten sein müssten, die zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe notwendig seien, noch dass im Haupanspruch sämtliche Merkmale angegeben sein müssten, die für den Fachmann erforderlich seien, um die Erfindung ausführen zu können.
130
Da sich somit ein Fehlen erfindungswesentlicher Merkmale bzw. wesentlicher Merkmale der Erfindung in dem auf die Rohrverbindung gerichteten Anspruch nicht feststellen lässt, bedarf der von der Prüfungsstelle gezogene Umkehrschluss, somit sei auch entgegen § 10 Abs. 2 Nr. 4 PatV in der Beschreibung nicht die Erfindung angegeben, für die in den Ansprüchen Schutz begehrt werde, keiner Erörterung.
131
6. Die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr entspricht der Billigkeit.
132
Mit in der Anhörung vom 27. November 2018 verkündetem Beschluss hatte die Prüfungsstelle für Klasse F16B die Patentanmeldung zurückgewiesen und dazu angegeben, der jeweilige Anspruch 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 sei nicht gewährbar. Gegen diesen Beschluss richtete sich die erste Beschwerde der Anmelderin vom 23. April 2019, mit der sie unter anderem die Erteilung nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 oder 2 und die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragte.
133
§ 73 Abs. 3 PatG legt fest, dass in diesem Fall die Prüfungsstelle, deren Beschluss angefochten wird, entweder der Beschwerde abzuhelfen hat, wenn sie sie für begründet erachtet, oder sie vor Ablauf von einem Monat ohne sachliche Stellungnahme dem Patentgericht vorzulegen hat.
134
Die Prüfungsstelle hat dagegen einen weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 erlassen, in dem sie ausgeführt hat, dass sie zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 gleicher Auffassung sei wie im vorangegangenen Beschluss angegeben. Den Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr hat sie zurückgewiesen.
135
Nachdem die Prüfungsstelle demnach die Beschwerde sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 und auch des Hilfsantrags 2 und des Antrags auf Erstattung der Beschwerdegebühr nicht für begründet erachtet hat, war für diesen weiteren Beschluss kein Raum.
136
Unabhängig davon, dass die erforderliche Voraussetzung für einen Abhilfebeschluss nicht vorlag, auch nicht für eine isolierte Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses (kassatorische Abhilfe) mit Fortsetzung des Verfahrens, ist mit dem weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 der Beschwerde auch nicht abgeholfen worden. Auch dass eine über den Hilfsantrag 2 hinaus durch Aufnahme weiterer Merkmale weiter einzuschränkende Fassung als grundsätzlich gewährbar bezeichnet wurde, siehe den Beschluss vom 8. Mai 2019, Seite 3 unten, in Verbindung mit der Begründung zum Beschluss vom 27. November 2018, Seite 5, vierter Absatz, stellt keine, auch keine teilweise Abhilfe dar.
137
Somit liegt ein Verfahrensfehler vor, der auch ursächlich dafür war, dass die Anmelderin und Beschwerdeführerin die zweite Beschwerde vom 11. Juni 2019 einlegen musste und eine zweite Beschwerdegebühr zahlen musste, um zu erreichen, dass die Prüfungsstelle, die die erste Beschwerde vom 23. April 2019 nicht für begründet erachtet hatte, die Beschwerde dem Patentgericht vorlegt wie in § 73 Abs. 3 PatG vorgesehen.


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