Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 39/20

Aktenzeichen  28 W (pat) 39/20

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:010222B28Wpat39.20.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 059 323
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2022 unter Mitwirkung des Richters Schödel, der Richterin Kriener sowie der Richterin kraft Auftrags Berner
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 22. Januar 2018 und 7. Februar 2020 werden aufgehoben und die angegriffene Marke 30 2015 059 323 auf den Widerspruch aus der Marke 304 62 058 hinsichtlich der Waren der Klassen 16, 24, 25, 26 und 28 gelöscht.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke (gold, lila, weiß)
2
ist am 12. November 2015 angemeldet und am 5. Februar 2016 unter der Nummer 30 2015 059 323 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der
3
Klasse 16: Papier; Tischwäsche aus Papier; Papierhand- und -badetücher; Wimpel; Fähnchen; Fahnen und Flaggen [jeweils aus Papier]; Einwegpapierartikel; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfs-artikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs- und Einpackzwecke aus Papier oder Pappe; Drucklettern; Druckstöcke; uncodierte Telefonkarten;
4
Klasse 24: Bett- und Tischwäsche [nicht aus Papier]; Textilhand- und -badetücher; Wimpel; Fähnchen; Fahnen und Flaggen [nicht aus Papier];
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Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Bekleidung aus Lederimitat; Handschuhe; Halstücher; Hemden; Hosen; Hüte; Jacken; Konfektionskleidung; Krawatten; Lederbekleidung; Mäntel; Mützen; Oberbekleidungsstücke; Overalls; Regenmäntel; Schals, Schärpen; Sportschuhe; Strandanzüge; T-Shirts; Trikotkleidung; Trikots;
6
Klasse 26: Spitzen; Stickereien; Bänder und Schnürbänder; Knöpfe; Haken und Ösen; Nadeln; künstliche Blumen; gestrickte und gewebte Sportabzeichen;
7
Klasse 28: Spiele; Spielzeug; Turn- und Sportartikel; Christbaumschmuck; Spielkarten;
8
Klasse 34: Aschenbecher aus Porzellan, Kunststoff oder Zinn; Streichhölzer; Feuerzeuge für Raucher;
9
Klasse 35: Werbung, auch im Internet; Werbung für Sportevents; Marketing; Marketing eines Sportvereins und Sportclubs; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Sportvereins, nämlich Geschäftsführung, Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Verbreitung von Werbeanzeigen über die Medien; Vermietung von Werbeflächen; Merchandising, Verkaufsförderung;
10
Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Information über Veranstaltungen [Unterhaltung]; Ticketvorverkauf für sportliche Wettkämpfe; Betrieb von Sportanlagen; Betrieb von Sportcamps; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen; Erstellen von Bildreportagen; Fotografieren; Organisation und Durchführung von Kongressen; Unterhaltung; Veranstaltung von Wettbewerben [Erziehung und Unterhaltung]; Vermietung von Stadien; Zeitmessungen bei Sportveranstaltungen.
11
Die Eintragung ist am 11. März 2016 veröffentlicht worden.
12
Gegen die Eintragung dieser Marke hat der Widersprechende Widerspruch erhoben aus der Widerspruchsmarke
13
die am 30. Oktober 2004 angemeldet und am 15. Juni 2005 unter der Nummer 304 62 058 eingetragen worden ist für Waren der
14
Klasse 16: Schreibwaren, Schreibgeräte, Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Papierhandtücher, Papierservietten;
15
Klasse 18: Taschen, Koffer, Beutel, Geldbörsen, Rucksäcke aus Leder und Lederimitationen, alle vorgenannten Waren soweit in Klasse 18 enthalten;
16
Klasse 21: Waren aus Glas, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten;
17
Klasse 24: Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, Bettwäsche, Textilhandtücher und textile Badetücher;
18
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 25 enthalten;
19
Klasse 27: Teppiche, Teppichbrücken, Fußbodenbeläge (Oberböden);
20
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Plüschfiguren, Fahrzeugmodelle (verkleinert);
21
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), Spirituosen, Weine.
22
Die Markenstelle für Klasse 41 hat den Widerspruch mit Beschlüssen vom 22. Januar 2018 und 7. Februar 2020 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die sich gegenüberstehenden Waren der Klassen 16, 24, 25 und 28 seien identisch bzw. hochgradig ähnlich, im Übrigen komme es auf deren Ähnlichkeit nicht an. Die Waren der genannten Klassen richteten sich an die breiten, allgemeinen Verkehrskreise der Verbraucher, die diesen mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit begegneten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Die angegriffene Marke halte den gebotenen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein. Eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht könne der einzige übereinstimmende Bestandteil „AUE“ als bloßer Hinweis auf einen Ortsteil der Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema nicht begründen. Die zusätzlichen Bestandteile „FC ERZGEBIRGE“ in der jüngeren Marke und das „W“ in der Widerspruchsmarke würden nicht überhört. In bildlicher Hinsicht stimmten beide Marken zwar in ihrer wappenartigen Grundform und der Darstellung zweier parallel verlaufender, weißer Linien sowie zweier gekreuzter Hämmer überein. Im Übrigen bestünden markante Unterschiede insbesondere infolge des Schriftzugs „FC ERZGEBIRGE“ der angegriffenen Marke, der einen wesentlichen Teil des Wappens darstelle und wegen seines auffälligen goldenen Rahmens wahrgenommen werde.
23
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er trägt vor, ausgehend von teilweise hochgradig ähnlichen bis identischen Waren seien die Marken in bildlicher Hinsicht so ähnlich, dass Verwechslungsgefahr bestehe. Da die Wortbestandteile der Marken beschreibend bzw. kennzeichnungsschwach seien, orientierten sich die angesprochenen Verkehrskreise nicht ausschließlich an den Wortbestandteilen, sondern nähmen auch die Bildbestandteile mit in ihr Erinnerungsbild auf. Identisch seien in beiden Marken die Wappenform samt ihren Streifenelementen einschließlich deren Proportionen sowie die gekreuzten Hämmer im mittleren, dunklen Streifen über dem Wort „AUE“. Jedenfalls bestehe eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn, da die angegriffene Marke alle dominierenden Elemente der Widerspruchsmarke übernommen und nur um den nicht schutzfähigen Schriftzug „FC ERZGEBIRGE“ ergänzt habe. Aus diesem Grund habe die Markenstelle für Klasse 16 in einem Parallelverfahren, in dem der Widersprechende aus derselben Widerspruchsmarke Widerspruch gegen die für identische Waren und Dienstleistungen wie hier registrierte Marke 30 2015 041 134 eingelegt habe, diese bis auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 34, 35 und 41 teilweise gelöscht.
24
In der mündlichen Verhandlung hat der Widersprechende den Widerspruch bezüglich der Waren und Dienstleistungen der Klassen 34, 35 und 41 zurückgenommen.
25
Der Widersprechende beantragt sinngemäß,
26
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 22. Januar 2018 und 7. Februar 2020 aufzuheben und die angegriffene Marke 30 2015 059 323 auf den Widerspruch aus der Marke 304 62 058 hinsichtlich der Waren der Klassen 16, 24, 25, 26 und 28zu löschen.
27
Der Inhaber der angegriffenen Marke, der wie mit Schriftsatz vom 1. Februar 2022 angekündigt an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,
28
die Beschwerde zurückzuweisen.
29
Er vertritt die Ansicht, der Widersprechende sei Lizenznehmer des Inhabers der angegriffenen Marke gewesen und habe dessen Marketing wesentlich mit verantwortet, bevor die Beteiligten wegen Differenzen ihre Geschäftsbeziehung beendeten. Der Beschwerdegegner sei gegen den Beschwerdeführer bei Eintragung der Widerspruchsmarke nur nicht vorgegangen, da sie damals noch gut zusammengearbeitet hätten. Durch Urteil des LG München I vom 3. März 2020 (Az.: 33 O 14474/17) stehe rechtskräftig fest, dass dem Beschwerdeführer gegen den Markeninhaber kein Unterlassungsanspruch zustehe. Dieses Urteil entfalte für den Beschwerdeführer jedenfalls in entsprechender Anwendung auch im hiesigen Kollisionsverfahren eine Sperrwirkung und sein Vorgehen gegen den Beschwerdegegner sei daher treuwidrig. Beide Marken seien an das Logo des dreimaligen DDR-Meisters im Fußball „Wismut Aue“ angelehnt, dessen Rechtsnachfolger nach überwiegender Meinung in der Sportwelt der Beschwerdegegner sei. Die in beiden Marken enthaltenen Abbildungen von gekreuzten Hämmern kämen in vielen Kennzeichen von Vereinen und Institutionen in Regionen vor, die wie das Erzgebirge vom Bergbau geprägt seien. Durch die violette Farbgebung der angegriffenen Marke unterschieden sich die Marken ganz erheblich, da diese Farbe kein weiterer professioneller Fußballclub in Deutschland verwende. Die Waren der angegriffenen Marke stellten hauptsächlich Fanartikel dar, die sich an Sportler und Sportfans des FC Erzgebirge Aue bzw. dessen Vorgängers FC Wismut Aue richteten. Diesen fielen die geringen Unterschiede in den Marken auf.
30
Mit gerichtlichen Schreiben vom 19. Mai 2021 und 5. August 2021 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich hinsichtlich der Waren der Klassen 16, 24, 25, 26 und 28 Aussicht auf Erfolg haben werde.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
32
Die nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und hat nach teilweiser Rücknahme des Widerspruchs in vollem Umfang Erfolg.
33
1. Dem Beschwerdeführer mangelt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Das rechtskräftige Urteil des LG München I vom 3. März 2020 (Az.: 33 O 14474/17) entfaltet keine Bindungswirkung. Das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten ist prinzipiell auf die Fragen der in § 42 MarkenG für das Widerspruchsverfahren abschließend genannten Löschungsgründe und der Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG beschränkt. Darüber hinausgehende Argumentationen sind nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt nur für rechtskräftige Entscheidungen oder Vergleiche, durch die dem Widersprechenden ein Angriff auf die jüngere Marke ausdrücklich verboten wird (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 42 Rdnr. 71 f.; BPatG 26 W (pat) 516/17 – GERMAN BEER 12°). Gegenstand des Urteils des LG München I war nicht die Widerspruchsmarke, sondern es ging um den Unterlassungsanspruch des Widersprechenden, dass der Inhaber der angegriffenen Marke im geschäftlichen Verkehr nicht Bekleidungsstücke mit den Zeichen „Wismut Aue“ oder „BSG Wismut Aue“ versieht.
34
2. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke
35
besteht im beschwerdegegenständlichen Umfang die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
36
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
37
a) Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage sind die Vergleichswaren in den Klassen 16, 24, 25, 26 und 28 identisch oder weit überdurchschnittlich ähnlich.
38
Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM).
39
Die beiderseitigen Waren in der Klassen 16, 24, 25 und 28 sind identisch, da die Widerspruchsmarke jeweils für weite Oberbegriffe eingetragen ist, unter die sich die Waren der jüngeren Marke einordnen lassen. Zwischen den Widerspruchswaren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke“ und den Waren der Klasse 26 „Spitzen; Stickereien; Bänder und Schnürbänder; Knöpfe; Haken und Ösen; Nadeln; künstliche Blumen; gestrickte und gewebte Sportabzeichen“ der angegriffenen Marke besteht eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit, da diese meist dazu dienen, an Bekleidungsstücken oder Kopfbedeckungen angebracht zu werden.
40
b) Von den beiderseitigen Waren werden die breiten, allgemeinen Verkehrskreise der Verbraucher sowie der Fachhandel für Schreib-, Textil und Spielwaren sowie Bekleidung angesprochen. Ob sich der Inhaber der angegriffenen Marke mit seinen Waren in Form von Fanartikeln in erster Linie an Sportler und Fans des FC Erzgebirge Aue richtet, ist unerheblich. Es handelt sich dabei um einen außerhalb des Markenrechts liegenden Umstand, der ohne Belang ist (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 9 Rn. 27). Mangels anderer Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise auszugehen.
41
c) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen.
42
Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – Wunderbaum II).
43
Aufgrund ihrer grafischen Gestaltung in Form eines Wappenschilds mit fünf unterschiedlich breiten Längsstreifen sowie den gekreuzten Hämmern und dem Buchstaben „W“ ist die Widerspruchsmarke uneingeschränkt zur Kennzeichnung der Herkunft aus einem bestimmten Betrieb geeignet.
44
Für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
45
d) Ausgehend von überdurchschnittlich ähnlichen bis identischen Waren, durchschnittlicher Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zu dieser nicht mehr ein.
46
aa) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.
47
Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – Limoncello/LIMON-CHELO; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet).
48
bb) Zwischen den Marken und
49
besteht eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit in bildlicher Hinsicht.
50
(1) Zwar orientiert sich der Verkehr bei Wort-/Bildmarken vorwiegend an den Wortbestandteilen. Dennoch wird er die Bildbestandteile nicht völlig außer Acht lassen und in sein Erinnerungsbild mit aufnehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wortelemente allein aus beschreibenden oder sonst kennzeichnungsschwachen Angaben bestehen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 9 Rn. 462). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der hier angesprochene Verbraucher nur selten die Möglichkeit hat, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen und er sich sonst auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Deshalb fallen die übereinstimmenden Merkmale in einem undeutlichen Erinnerungseindruck regelmäßig stärker ins Gewicht als die Unterschiede (vgl. EuGH, GRUR Int 1999, 734 Rn. 26 – Lloyd; BGH, GRUR 2000, 506 [508] – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2004, 235 [237] – Davidoff II; GRUR 2015, 1114 Rn. 20 – Springender Pudel).
51
(2) Die Grundkonzeption der beiden Marken ist identisch. Beide weisen eine konvexe Wappenform mit denselben Proportionen auf. Identisch sind in beiden Marken auch die fünf längs verlaufenden Streifen, die nahezu gleich proportioniert sind. Dabei ahmt die angegriffene Marke bei der Farbverteilung der Streifen auch die Hell-Dunkel-Verteilung der Widerspruchsmarke nach. Die farbliche Gestaltung der jüngeren Marke führt nicht aus dem Schutzbereich der schwarz/weiß eingetragenen Widerspruchsmarke heraus, da von diesem auch farbige Wiedergaben umfasst werden, solange der Charakter der Marke nicht verändert wird (vgl. BGH, GRUR 2015, 1009 Rn. 25 – BMW-Emblem; GRUR 2006, 859 Rn. 23 – Malteserkreuz). Identisch sind in beiden Marken zwei gekreuzte Hämmer abgebildet, auch wenn diese in der angegriffenen Marke mehr zur Mitte hin angeordnet sind. Ebenso enthalten beide Marken das Wort „AUE“ in sehr ähnlicher Schriftart im unteren Bereich der Marken. Als geografischer Hinweis auf einen Ortsteil der sächsischen Stadt Aue-Bad Schlema ist dieser Wortbestandteil zwar schutzunfähig, trägt aufgrund der in beiden Marken nahezu gleichen Positionierung aber zum ähnlichen Gesamteindruck der Marken bei.
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Demgegenüber sind die für den Zeichenvergleich beachtlichen Unterschiede eher gering. Die angegriffene Marke enthält den zusätzlichen Schriftzug „FC ERZGEBIRGE“ samt rahmenartiger Hervorhebung im oberen Bereich der jüngeren Marke sowie einen zentral platzierten Buchstaben „W“. Die Buchstabenkombination „FC“ als gängige Abkürzung für „Fußballclub“ und der Wortbestandteil „ERZGEBIRGE“ als Hinweis auf ein Mittelgebirge in Sachsen sind schutzunfähig und treten beim Zeichenvergleich eher in den Hintergrund. Ein relevanter Unterschied zwischen beiden Marken besteht allein in dem Buchstaben „W“, dessen Bedeutungsgehalt den angesprochenen Verkehrskreisen unklar bleibt. Dieser ist jedoch nicht so gravierend, dass der Verkehr in seinem undeutlichen Erinnerungsbild die angegriffene Marke nicht als die Widerspruchsmarke wahrnehmen könnte.
III.
53
Gründe für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen auf einen der Verfahrensbeteiligten nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG liegen nicht vor.


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