Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 528/21

Aktenzeichen  28 W (pat) 528/21

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:111021B28Wpat528.21.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schödel sowie des Richters Hermann
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. März 2021 aufgehoben.
2. Die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2019 019 045 aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 017 958 883 wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke
2
Datalis
3
ist am 14. August 2019 angemeldet und am 5. November 2019 unter der Nummer 30 2019 019 045 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen eingetragen worden:
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Klasse 35: Betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung bei der Entwicklung eines Unternehmensimages; Beratung bei der Führung von Betrieben; Beratung bei der Geschäftsführung; Beratung bei der Geschäftsführung von Handelsunternehmen; Beratung bei der Geschäftsführung von Industriebetrieben; Beratung bei der Geschäftsorganisation und Geschäftsführung; Beratung bei der Geschäftsplanung; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratung bei der Unternehmensplanung; Beratung betreffend Unternehmensorganisation und -führung; Beratung bezüglich Geschäftsführung; Beratung im Bereich Unternehmensstrategie; Beratung in Bezug auf die Geschäftsführung; Beratung in Bezug auf die Verwaltung von Geschäftsdokumenten; Beratung in Bezug auf Geschäftsanalysen; Beratung in Bezug auf Geschäftsführung; Beratung in Bezug auf Geschäftsführung und Geschäftstätigkeit; Beratung in Bezug auf Unternehmensbewertungen; Beratung in Bezug auf Unternehmensführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensplanung; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Beratung in Fragen der Unternehmensführung; Beratung in Fragen der Unternehmensorganisation und der Betriebswirtschaft; Beratung in Fragen des Außenhandels; Beratung in Fragen des Geschäftsmanagements; Beratung kommerzieller Unternehmen auf dem Gebiet der Geschäftsführung; Beratung und Hilfe bei der Geschäftsführung; Beratung zur Geschäftsführung; Beratungsdienste in Bezug auf die Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Bezug auf Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Fragen der Unternehmensverwaltung; Beratungsdienste in Geschäftsangelegenheiten; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Bereitstellung von Qualitätsmanagementsystemen; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Verwaltung von Informationstechnologie; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Verwendung von Computern; Fachliche Beratung von Unternehmen in Bezug auf den Geschäftsbetrieb; Hilfe bei der und Beratung in Bezug auf Geschäftsorganisation und -führung; Hilfe und Beratung bei der Geschäftsführung; Hilfe und Beratung bei der Unternehmensplanung; Organisatorische Beratung in Bezug auf die Betriebsstrukturen von Unternehmen; Strategische Beratung in Geschäftsangelegenheiten; Unterstützung und Beratung bei der Unternehmensorganisation; Zusammenstellung und Analyse von Informationen und Daten in Bezug auf Geschäftsführung; Unterstützung und Beratung bei der Unternehmensanalyse;
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Klasse 41: Durchführung von Datenschutzschulungen;
6
Klasse 42: Analyse großer Datenmengen hinsichtlich der Beziehungen der Daten untereinander; Beratung auf dem Gebiet der Datensicherheit; Beratung auf dem Gebiet der Produktentwicklung und der Qualitätsverbesserung; Computer-Projektmanagement im Bereich der Elektronischen Datenverarbeitung; Durchführung von Qualitätsaudits; Entwicklung von Systemen für die Datenspeicherung; Entwicklung von Systemen für die Datenübertragung; Entwicklung von Systemen für die Datenverarbeitung; Forschung bezüglich Datenverarbeitung; Konzeption und Entwicklung von elektronischen Datensicherheitssystemen; Prüfung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen; Qualitätsbewertung; Qualitätskontrolle; Software-Beratung; Überwachung von Computersystemen zur Erkennung von unberechtigten Zugriffen; technische Beratung als Datenschutzbeauftragter; technische Beratung bei der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben;
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Klasse 45: juristische Beratung bei der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben; juristische Beratung als Datenschutzbeauftragter; Überprüfung von Standards und Praktiken zur Gewährleistung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften in Bezug auf Datenschutz; juristische Bewertung von datenschutzrelevanten Vorgängen.
8
Die Eintragung ist am 6. Dezember 2019 veröffentlicht worden.
9
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Widersprechende Widerspruch erhoben aus ihrer Unionswortmarke
10
datalegis
11
die am 19. September 2018 angemeldet und am 15. Februar 2019 unter der Nummer 017 958 883 in das beim Europäischen Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen eingetragen worden ist:
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Klasse 35: Beratung bei der Geschäftsführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensorganisation; Entwicklung von Strategien und Konzepten im Bereich Betriebsorganisation, – verwaltung und -wirtschaft für den Schutz der Privatsphäre, den Schutz personenbezogener Daten und die Datenschutzpolitik; Dienstleistungen in Bezug auf die Betriebsorganisation und Betriebsverwaltung, nämlich Gestaltung, Überwachung, Durchführung und Handhabung von Datenschutzregelungen in einer Organisation;
13
Klasse 41: Ausbildung; Veranstaltung von juristischen Fortbildungskursen; Durchführung von juristischen Schulungen; Durchführung von Fortbildungsseminaren; Durchführung von Online-Seminaren zur Aus- und Weiterbildung; Bereitstellen elektronischer Publikationen [nicht herunterladbar]; Organisation und Veranstaltung von Kursen, Lehrveranstaltungen, Schulungen, Workshops und Seminaren;
14
Klasse 42: IT-Beratungs-, -Auskunfts- und – Informationsdienstleistungen; Bereitstellung von Informationen zu Datensicherheit und Computersicherheit; Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; Zertifizierungen und Qualitätskontrollen im Bereich Schutz der Privatsphäre, Schutz personenbezogener Daten und Informationssicherung;
15
Klasse 45: Stellung von (externen) Datenschutzbeauftragten; Juristische Beratungsdienstleistungen; Beratungsdienste in Bezug auf Rechtsfragen; Beratungsdienste in Bezug auf Sicherheit; Informations- und Beratungsdienstleistungen bezüglich Rechtsangelegenheiten; Beratung und juristische Dienstleistungen in Bezug auf Datenschutz- und Sicherheitsgesetze, -richtlinien und -bestimmungen; Überprüfung von Standards und Praktiken zur Gewährleistung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften; Sicherheitsbewertungen; Prüfung, Bewertung und Überprüfung von Standards und Richtlinien zur Gewährleistung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften; Meldung und Beratung in Bezug auf die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften; Sicherheitsbewertung von Risiken und Datenschutz; Beratung in Fragen der Verwaltung und Handhabung von sensiblen und vertraulichen Daten; Dienstleistungen eines (externen) Datenschutzbeauftragten.
16
Die Markenstelle für Klasse 35 hat den Widerspruch mit Beschluss vom 18. März 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die beiderseitigen Dienstleistungen seien weitgehend identisch. Sie richteten sich überwiegend an Fachverkehrskreise, die Kennzeichen mit besonderer Aufmerksamkeit entgegenträten. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, auch wenn das Element „data“ auf „Daten“ und damit den Schwerpunkt des Dienstleistungsangebots hinweise sowie das Wortende „legis“ als Genitivform des lateinischen Substantivs „lex“ für „Gesetz“ einen entsprechenden Bedeutungsanklang erkennen lasse. Zwar stimmten beide Markenwörter im Wortanfang „Data“ überein und wiesen am Wortende bzw. in der Wortmitte die gemeinsamen Laute „lis“ bzw. „l-is“ auf. Sie unterschieden sich jedoch noch hinreichend durch die Anzahl der Silben und den Sprechrhythmus. Die jüngere Marke bestehe aus drei, die Widerspruchsmarke hingegen aus vier Silben. Bei Erstgenannter werde die erste oder zweite Silbe, bei Zweitgenannter hingegen das „e“ der vorletzten Silbe betont. Dadurch würden die unterschiedlichen Vokalfolgen „a-a-i“ bzw. „a-a-e-i“ besonders hervorgehoben. Hinzu kämen die zusätzlichen Laute „eg“ in der Wortmitte der älteren Marke. Wegen der Betonung des markanten Vokals „e“ falle diese Abweichung von der jüngeren Marke besonders auf. Die beiden Kennzeichen seien auch in den Endsilben „lis“ bzw. „gis“ unterschiedlich, auf die sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs richte, da der gemeinsame Wortanfang „Data“ einen beschreibenden Anklang habe. In ihrem Schriftbild wichen die Marken in der Buchstabenanzahl und der Wortlänge ausreichend voneinander ab, zumal die Widerspruchsmarke in dem Buchstaben „g“ eine markante Unterlänge und im Buchstaben „e“ eine zusätzliche Rundung aufweise.
17
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, die beiderseitigen Dienstleistungen seien identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich. Viele Dienstleistungen, insbesondere juristische, Beratungs- und Schulungsdienstleistungen, richteten sich auch an Verbraucher. Diese, aber auch die sonst angesprochenen allgemeinen unternehmerischen Verkehrskreise begegneten Marken nicht mit einer erhöhten Aufmerksamkeit. Die lexikalisch nicht nachweisbare Widerspruchsmarke besitze eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da die angesprochenen Verkehrskreise die Wortneuschöpfung nicht in ihre Einzelbestandteile „data“ und „legis“ zergliederten. Die beiden Marken seien einander hochgradig ähnlich, da sie weitgehend dieselben Buchstaben und Silben aufwiesen und nahezu gleich lang seien. Beide würden auf den ersten beiden Silben „Data“ betont. In schriftbildlicher Hinsicht, bei der die Groß- bzw. Kleinschreibung ohne Belang sei, begännen beide mit der Buchstabenfolge „datal“ und endeten mit den Buchstaben „is“.
18
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
19
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. März 2021 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2019 019 045 wegen des Widerspruchs aus der Marke UM 017 958 883 anzuordnen.
20
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
21
die Beschwerde zurückzuweisen.
22
Sie trägt vor, die Aufmerksamkeit bezüglich der beiderseits identischen Dienstleistungen sei überdurchschnittlich, da sie sich in erster Linie an Unternehmer richteten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei unterdurchschnittlich, da sie sich aus den die eingetragenen Dienstleistungen beschreibenden Bestandteilen „data“ für „Daten“ und „legis“ für „Gesetz“ zusammensetze. Das Markenelement „legis“ sei im Deutschen aufgrund von Wörtern wie „Legislative“ oder „Legislaturperiode“ bzw. der entsprechenden Begriffe „législature“ im Französischen, „legislature“ im Englischen und „legislatura“ im Spanischen allgemein bekannt. Zudem richteten sich die beiderseitigen Dienstleistungen an speziell ausgebildete, im Regelfall sogar studierte Personen. Die beiden Markenbestandteile kämen im Deutschen nur in zusammengesetzten Wörtern vor, so dass für beide in gleicher Weise eine Kenntnis bzw. Unkenntnis der angesprochenen Verkehrskreise angenommen werden müsse. Beim Markenvergleich müsse der Bestandteil „Data“ wegen seines sachbeschreibenden Inhalts außer Betracht bleiben, so dass sich die Komponenten „legis“ und „lis“ gegenüberstünden. Die Marken unterschieden sich in der Silbenanzahl und den zusätzlichen Buchstaben „eg“ in der Widerspruchsmarke erheblich. Insbesondere führe dies zu einer völlig unterschiedlichen Betonung. Die Widerspruchsmarke werde auf der letzten oder vorletzten Silbe betont, die jüngere Marke dagegen auf der ersten oder zweiten Silbe.
23
Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2021 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich Aussicht auf Erfolg habe.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
25
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet.
26
1. Zwischen der angegriffenen Marke „Datalis“ und der Widerspruchsmarke „datalegis“ besteht die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 MarkenG.
27
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
28
a) Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage sind die zu vergleichenden Dienstleistungen identisch, zumindest jedoch überdurchschnittlich ähnlich.
29
Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM).
30
Die Widerspruchsmarke ist für weite Oberbegriffe registriert, unter die sich die Dienstleistungen der jüngeren Marke einordnen lassen, auch wenn sie teilweise eine besondere Ausrichtung aufweisen. So umfassen die Dienstleistungen „Beratung bei der Geschäftsführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensorganisation“ der älteren Marke (Klasse 35) sämtliche Tätigkeiten der Klasse 35 der angegriffenen Marke. Dies gilt insbesondere auch für die „Beratung in Fragen des Außenhandels“ auf Seiten der jüngeren Marke, die gerade bei exportierenden Unternehmen eine besondere Rolle spielt und Teil der Beratung zur Geschäftsführung solcher Firmen sein kann. Die in Klasse 41 der angegriffenen Marke eingetragene Tätigkeit „Durchführung von Datenschutzschulungen“ ist wiederum in der Dienstleistung „Durchführung von juristischen Schulungen“ der Widerspruchsmarke (Klasse 41) enthalten. Die datenbezogenen Dienstleistungen der Klasse 42 der jüngeren Marke fallen unter die „IT-Informationsdienstleistungen“ der älteren Marke (Klasse 42). Da es im Bereich des Datenschutzes stets auch um rechtliche Fragen geht, beinhalten die „juristischen Beratungsdienstleistungen“ der Widerspruchsmarke (Klasse 45) sämtliche Dienstleistungen der Klasse 45 der angegriffenen Marke, die sich alle auf Datenschutz beziehen.
31
b) Von den beiderseitigen Dienstleistungen in den Bereichen Unternehmensberatung, Datenverarbeitung und Datenschutz werden in erster Linie Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene angesprochen. Da diese Dienstleistungen meist nicht nur in einem geringen Umfang vergütet werden und regelmäßig über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen werden, ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei deren Auswahl eine wenigstens leicht überdurchschnittliche Aufmerksamkeit aufwenden (vgl. BPatG 26 W (pat) 515/17 – BOSSIMA/BOSS).
32
c) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist noch als durchschnittlich anzusehen.
33
(1) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (vgl. BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – Wunderbaum II).
34
Die Widerspruchsmarke setzt sich aus den beiden Bestandteilen „data“ und „legis“ zusammen. Das Substantiv „data“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet im Englischen „Daten“. Es ist den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres verständlich, zumal Wörter wie „Big Data“ oder „Data-Highway“ Eingang in den Duden gefunden haben (vgl. „www.duden.de“). Der Bestandteil „legis“ existiert als solcher weder im Deutschen noch in einer gängigen Fremdsprache. Er stellt die Deklinationsform des Genitivs Singular des lateinischen Substantivs „lex“ für „Gesetz“ dar. Wörter toter Sprachen wie Latein werden im Allgemeinen vom Verkehr nicht verstanden, es sei denn, diese oder ihre Wortstämme sind in den allgemeinen deutschen Sprachschatz übergegangen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 8 Rdnr. 600). Zwar existieren im Deutschen Wörter wie „Legislatur(periode)“ oder „Legislative“. Ähnliche Begriffe gibt es im Englischen, Französischen und Spanischen. Bei allen steht der Bestandteil „Legis“ jedoch am Wortanfang und nicht am Wortende wie bei der Widerspruchsmarke. Zudem ist davon auszugehen, dass breiten Teilen des angesprochenen Verkehrs die Herkunft und die genaue Bedeutung des Bestandteils „Legis“ nicht bekannt sind. Hierbei ist zum einen in Betracht zu ziehen, dass Marken so aufgenommen werden, wie sie dem Verkehrsteilnehmer entgegentreten, und keiner gedanklichen Analyse unterzogen werden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Zum anderen kann nicht festgestellt werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise in den Bereichen Unternehmensberatung, Datenverarbeitung und Datenschutz über weitergehende Lateinkenntnisse als die Allgemeinbevölkerung verfügen. Selbst wenn dies der Fall wäre, so könnte der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit lediglich die Bedeutung „Daten des Gesetzes“ entnommen werden. Selbst wenn sie darauf aufbauend im Sinne von „Gesetzestext“ verstanden werden sollte, so bleibt dennoch offen, was damit gerade in Verbindung mit den für die ältere Marke eingetragenen Dienstleistungen konkret gemeint ist. Entsprechendes gilt, sofern die Wortfolge „datalegis“ mit der Begriffskombination „datorum lex“ und folglich mit dem deutschen Begriff „Datengesetz“ gleichgesetzt werden sollte. Denn ein solches Gesetz gibt es nicht, nur Regelungen zur Erhebung von Daten oder zum Schutz von Daten. Somit lässt sich der Widerspruchsmarke keine beschreibende Aussage entnehmen.
35
(2) Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.
36
d) Ausgehend von überdurchschnittlich ähnlichen bis identischen Dienstleistungen und noch durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke auch bei leicht überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise den erforderlichen Abstand zu dieser nicht mehr ein.
37
(1) Maßgeblich für die Beurteilung der Ähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (vgl. EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. – Henkel; BGH a. a. O. – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägen können (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.
38
Dabei ist es nach der neueren Rechtsprechung nicht zulässig, dass im Ergebnis ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder eines einheitlichen Zeichens wegen seines beschreibenden Charakters oder wegen seiner fehlenden Unterscheidungskraft von der Prüfung der Markenähnlichkeit ausgeschlossen wird (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 46 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Ein solcher Ausschluss könnte dazu führen, dass sowohl die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen als auch die Unterscheidungskraft der älteren Kennzeichnung unzutreffend beurteilt werden und dies zu einer veränderten Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr führt. Die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, die dazu führen soll, dass die gesamte Beurteilung der Verwechslungsgefahr so weit wie möglich mit der tatsächlichen Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise in Einklang gebracht wird (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 47 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Würden bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit beschreibende Bestandteile von vornherein dem Vergleich entzogen, würde der Faktor der Ähnlichkeit der Marken zugunsten des Faktors der Unterscheidungskraft neutralisiert (vgl. EuGH MarkenR 2016, 592 Rdnr. 61, 64 – BSH/EUIPO [compressor technology/KOMPRESSOR]). Dadurch würde die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke bei den Kriterien der Verwechslungsgefahr mehrfach berücksichtigt. Es kann nicht von vornherein und generell davon ausgegangen werden, dass die beschreibenden Bestandteile einander gegenüberstehender Zeichen bei der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit nicht zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 49 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; vgl. auch EuGH Beschluss vom 7. Mai 2015 – C- 343/14 Rn. 38 – Adler Modemärkte/HABM [MARINE BLEU/BLUMARINE]). Die beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteile einer zusammengesetzten Marke haben zwar im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen Zeichen als die Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck eher dominieren können (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 53 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Die Bestimmung des Gesamteindrucks jedes Zeichens ist jedoch nach Maßgabe der besonderen Umstände des konkreten Falls vorzunehmen. Dafür gelten keine allgemeinen Vermutungen (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 54 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Stimmen die ältere und jüngere Marke lediglich in einem schwach unterscheidungskräftigen oder für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Bestandteil überein, wird dies zwar häufig dazu führen, dass eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann. Jedoch kann das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr wegen der Wechselwirkung der hierbei relevanten Faktoren nicht im Voraus und in jedem Fall ausgeschlossen werden (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 55 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 870 Rdnr. 69 – INJEKT/INJEX).
39
Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – Limoncello/LIMON-CHELO; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet). Nach der deutschen Rechtsprechung erfolgt keine gegenseitige „Neutralisierung“ der einzelnen Wahrnehmungsbereiche (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rdnr. 272).
40
(2) Jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht ist eine noch durchschnittliche Ähnlichkeit und damit eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen. Es stehen sich die beiden Marken „Datalis“ und „datalegis“ gegenüber. Da es sich um Wortmarken handelt, kommt es auf die konkret eingetragene Schreibweise nicht an, so dass auch eine Schreibweise der angegriffenen Marke in Kleinbuchstaben („datalis“) sowie der Widerspruchsmarke mit Anfangsmajuskel („Datalegis“) zu berücksichtigen ist (vgl. BPatG GRUR 2005, 777 – NATALLA/nutella; GRUR 2008, 74, 77 – Focus Home Collection/FOCUS; 24 W (pat) 52/04 – mobile Life/MOBILO LIFE; 30 W (pat) 9/09 – jogging/Jogging). Auch unter Berücksichtigung des beschreibenden Gehalts des ersten Wortbestandteils „Data“ bestehen erhebliche Übereinstimmungen im Schriftbild der beiden Marken. Es handelt sich nicht um Kurzwörter, so dass die unterschiedliche Wortlänge mit sieben bzw. neun Buchstaben nicht wesentlich ins Gewicht fällt. Identisch sind die jeweiligen – beschreibenden, aber stärker beachteten – Wortanfänge „Data“ mit den zwei Vokalen „a“, die von nur einem Konsonanten getrennt werden. Diese Kombination ist eher selten und im Schriftbild auffällig. Ebenso identisch ist die jeweilige Wortendung „is“. Die beiden Markenwörter unterscheiden sich im Schriftbild nur durch die zusätzlichen Buchstaben „eg“ der Widerspruchsmarke in der stets weniger beachteten Wortmitte. Wird die Widerspruchsmarke in Großbuchstaben geschrieben, weist zudem der in ihr enthaltene Buchstabe „G“ keine auffällige Unterlänge auf. Insgesamt reichen damit die Gemeinsamkeiten für die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr aus.
41
2. Gründe für die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen auf eine Verfahrensbeteiligte nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG liegen nicht vor.


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